Dissertation Maximilian Grimm
Curbad Cannstatt – Entwicklung der Kurmetropole
Grüne Infrastruktur : Die Ökostadt müssen wir nicht ganz neu erfinden
Dank Vorläufern. Traditionelle Kurstädte sind frühe Beispiele grüner, klimafreundlicher und lebenswerter Stadtentwicklung. Die Kurstädte mit ihren Anlagen vom 18.-20.Jh. sollten für Planungen im Kontext von Klimawandel und Gesundheit heute Vorbild sein. Sind sie aber nicht. Graue Infrastruktur wie Industrie- Brache wird transformiert zu Stadtgrün, Hitzeinseln werden abgekühlt, vertikal und horizontal begrünt, Wärmeenergie mit weißer Infrastruktur reflektiert. Aber ein Bezug zum Ort und seiner Geschichte als Genius Loci fehlt vielerorts. Der vorliegende Beitrag „Curbad Cannstatt“ thematisiert die urbanen Grünanlagen in der historischen und gegenwärtigen Entwicklung. Die Forschungsarbeit brachte eine Fülle von Anregungen zur Weiterentwicklung. Grundsätzlich gilt: Statt kleinteiligen Flickwerks ohne Zusammenhang oder Effekt auf die Umwelt vielmehr echte grüne Lungen zu schaffen, in Form von vernetzten Parkanlagen mit hohen Bäumen, mit mehr entsiegelten Flächen und idealerweise Stadtwald. Um den Wandel zu visualisieren, empfiehlt sich ein künstlerisches Gesamtkonzept.
Blaue Infrastruktur : Stuttgart hat in Europa eines der größten Mineralwassersysteme
Wasser schafft Leben und erfrischt. Doch wo ist das offen sichtbare Wasser, z.B. in Form eines Bachs durch die Altstadt? Oder nach dem Vorbild des Münchener Eisbachs im Park. Im Jahr 1792 wurde von Dr. Frösner in Cannstatt das Flussheilbad erfunden. Bis zum 20. Jh. setzte sich die Industrie durch und der Neckar war bis um 1950 so stark verschmutzt, dass die Flussbäder verschwinden mussten. Nach wie vor bleibt Bad Cannstatt gemessen an seinen Möglichkeiten, wie am natürlichen Wasserreichtum, hinter seinen Möglichkeiten. Trotz schwieriger Herausforderungen ist der Stadtteil innerhalb der Großstadt Stuttgart unter den staatlich anerkannten Kurorten in Deutschland gelistet und hat weiterhin den offiziellen Heilbäder-Status. Ein Ausbau der blauen Infrastruktur ist mehr als angeraten. Es gibt keinen Plan B, doch vielleicht einen Plan Bädermetropole.
Weiße Infrastruktur : Ein Bad kann Stadt
Cannstatt ist die historische Mutterstadt (griech. 'metropolis') Stuttgarts und seit 1905 mit der baden-württembergischen Landeshauptstadt vereinigt. Schon zu Urzeiten sprudelten die Mineralquellen und wurden aufgesucht. Die Römer nutzten das heilsame Quellwasser ebenso wie spätere Siedler. Im 19. Jahrhundert wurde Cannstatt dann zum internationalen Kurort entwickelt, entsprechende Kuranlagen geschaffen und die Kur (lat. 'cura') lockte zahlreiche Gäste aus dem Ausland und aus dem Adel an den Neckar. Der älteste und bevölkerungsreichste Stuttgarter Stadtbezirk ist seit dem 20. Jh. vielmehr für seine industrielle Wirtschaftskraft und als Autostadt bekannt. Dennoch ist Stuttgart grün. Künftig sollte besonders nachhaltig investiert werden. Weiße Kurarchitektur ist nicht senil, sondern Inspirationsquelle. Heute gibt es enormes Potenzial zur Entwicklung einer Kurmetropole, Bad Cannstatt bedeutet auch: Ein Bad kann Stadt! Der Stadtname ist ein sprechender Name, ein sogenanntes Aptonym. Klimaresiliente Maßnahmen mit grüner, blauer und weißer Infrastruktur sind die gesunde Urbanisierung mit Zukunft und machen eine Stadt lebenswert. Drei Bausteine auf dem Weg zur Metropolentwicklung.
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Siehe auch: (Aktualisiert am 24.03.2023)
https://de.wikipedia.org/wiki/Klimaresilienz
https://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BCne_Infrastruktur
https://www.youtube.com/watch?v=LIAhXEUJQBg
Kurmetropole.pdf - Veröffentlichung Universität Stuttgart mit Bildern
CURBAD CANNSTATT Entwicklung der Kurmetropole Von der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Stuttgart zur Erlangung der Würde eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) genehmigte Abhandlung Vorgelegt von Maximilian Grimm aus Stuttgart Hauptberichter: Prof. Dr. Reinhard Steiner Mitberichter: Prof. Dr. Michael Goer Mitberichterin: Prof. Dr. Kerstin Thomas Tag der mündlichen Prüfung: 14. August 2019 Institut für Kunstgeschichte der Universität Stuttgart Erstveröffentlichung: (Buch) 2020 ---------------------------------------------- - Dritte Text-Fassung (PDF) 2023 Vorwort Diese wissenschaftliche Hochschulschrift wurde im Juni 2015 von der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Stuttgart als Dissertationsthema genehmigt. Das Thema der Abhandlung war angeregt von der vorausgegangenen Masterarbeit des Verfassers, welche im Sommer 2014 am Institut für Kunstgeschichte der Universität Stuttgart vorgelegt worden war, und die im Juni 2016 in Buchform unter dem Titel „Die historische Wilhelma – Faszination Orient im 19. Jahrhundert“ veröffentlicht wurde. Die vorliegende Online-Publikation ist die überarbeitete und ergänzte, reine Textfassung der Dissertation, welche Doktorarbeit bereits 2020 als Erstveröffentlichung im Selbstverlag als Buch erschienen ist. Die Druckkosten der ersten Auflage wurden vollständig von dem Verein Pro Alt- Cannstatt übernommen, wofür dem Verein mit Vorsitz Olaf Schulze besonders gedankt sei. Es handelt sich hierbei um eine Promotion über die Entwicklungsgeschichte Bad Cannstatts als Kurort, von den Anfängen bis in die Gegenwart. Die Recherche- und Forschungsarbeit brachte eine Fülle von Erkenntnissen und Anregungen aus der Historie für die künftige weitere Entwicklung und Promotion des Heilquellen-Kurorts Stuttgart-Bad Cannstatt. Trotz schwieriger Herausforderungen ist der älteste und einwohnerstärkste Stadtteil innerhalb der Großstadt Stuttgart unter den staatlich anerkannten Kurorten in Deutschland gelistet und hat weiterhin den offiziellen Heilbäder-Status. Der Beitrag ist gewidmet den Bad Cannstattern und allen anderen Interessierten, Laien ebenso wie professionellen Historikern, Heimatkundlern, Architekten oder Stadtplanern, Künstler*innen etc. Vielen Dank an: Sabine Schrag; Hans-Peter Kuban; Michael Bott; Gundula Krüger; Anton Wilhelm; Hans Betsch; Matthias Busch; Egbert-Hans Müller; Barbara Six; Markus Numberger; Hans Figlar; Richard Doegen; Friedrich Krauss; Andrea Steudle; Angelika Reiff; Dietlinde Schmitt-Vollmer; Alexandra Haid; Lesley Stäudle; Isabelle Lange; Margrit Roeder; Michaela Bauersachs; Kilian Bezold; Eberhard Fritz; Ana Wehrle; Gisa Wehrle; Edith Schwöbel; Matthias Balzer; Philipp Balzer; Ines Braun; Carina Gliese; Lea Schneider; Christoph Westbomke; Christian von Schilling; Elisabeth Ketzer; Andrea Peißl; Elaine Blum; Alexandra Wehrle; besonderen Dank an: Olaf Schulze; Andreas Luz; Patrick Solisch; Janina Schwab; Ruth Stephan; Familie Zipperlen; Familie Grimm. Stuttgart, im Januar 2023 Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! ABHANDLUNG < Inhaltsverzeichnis > Seite 1. Abstract ….............................................................6 2. Quellen …............................................................. 8 3. Forschung …......................................................... 9 4. Einführung …........................................................10 I-XV. Cannstatt ….................................................14 100. Antike Badeanlagen ............................…........19 1000. Badewesen im Mittelalter ................................23 XVI-XVIII. Das Heilbad der Neuzeit …........................... 29 1500. Fachwerkstadt und Sulzbad .............................31 1600. Brunnenkuren mit Sulzwasser ......................... 34 1700. Sauerbrunneninsel bis Sulzrain …....................39 XIX. Die Kurarchitektur und Kurstadt .................44 1800er. Württembergs Bellevue und Königsbad …....... 49 1810er. Kurort mit Brunnenanlagen und Hotels …........52 1820er. Füllhaus und Trinkhalle mit Brunnenallee ….... 59 1830er. Kurspaziergänge sowie Uferpromenaden …..... 68 1840er. Theater und Kursaal mit Nebengebäuden ......... 77 1850er. Dampfbahn und Dampfbäder bis Bad Berg …...88 1860er. Heilanstalten und Flussschwimmbäder ….........94 1870er. Kurstadtentwicklung mit Villenviertel ............... 99 1880er. Parkerweiterung gegen Industriegebiete …....... 103 1890er. Bewegungsspiele und Stadtbad …....................109 XX. Die Urbanität im Kurbad ............................. 114 1900er. Stuttgarts kleiner Kursaal …............................ 119 1910er. Kursaalanlagen im Jugendstil .......................... 125 1920er. Sonnenbad am Neckarufer ….......................... 128 1930er. Bad Cannstatt im Dritten Reich …................... 134 1940er. Zerstörung und Wiederaufbau …......................138 1950er. Umgestaltung des Kurparks …........................ 141 1960er. Denkmalschutz im Kurbezirk …...................... 145 1970er. Grünflächen in der Großstadt …...................... 148 1980er. Leuzebad und Mineralwasser …...................... 154 1990er. Parkpflege und MineralBad ….............…....... 157 XXI. Die Stadterneuerung als Kur ….................... 163 2000er. Heilquellenschutz und S21 ..............................165 2010er. Bad und Stadt am Fluss ….............................. 168 5. Zusammenfassung …........................................... 173 6. Bestandsaufnahme …........................................... 177 7. Bädervergleich …................................................. 181 8. Vorschläge …........................................................191 9. Schluss …............................................................. 195 BILDTEIL Antike, Mittelalter, Neuzeit--------------------------198 Neunzehntes Jahrhundert-----------------------202 Zwanzigstes Jahrhundert----------------------- 244 Einundzwanzigstes Jh.--------------------------271 Stadtpläne und Karten---------------------------279 CATALOGUS α. Archivalien >>>>>>>>>>>>>>>>>>>> 281 β. Bildnachweis >>>>>>>>>>>>>>>>>>> 287 γ. Literaturangabe >>>>>>>>>>>>>>>>>>289 δ. Presseartikel >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>303 ε. Internetquellen >>>>>>>>>>>>>>>>>> 314 ζ. Ausstellungen >>>>>>>>>>>>>>>>>>> 318 ABHANDLUNG 1. Abstract Der Titel der vorliegenden Dissertation lautet „Curbad Cannstatt – Entwicklung der Kurmetropole“. Die Arbeit wurde betreut von Prof. Dr. Reinhard Steiner und Prof. Dr. Michael Goer vom Institut für Kunstgeschichte an der Universität Stuttgart. Das Ziel dieser Arbeit war es, die gesamte Entwicklung Bad Cannstatts als Kurort mit sämtlichen Höhen und Tiefen zu veranschaulichen. Der Kern der Untersuchungen – welcher sich durchweg auf Kurarchitekturen und Kurstadtanlagen bezieht – geht über eine reine Kurort-Monographie hinaus und soll Bad Cannstatts Entwicklung in einen allgemeinen Kontext stellen. Die Gliederung ist chronologisch und zeichnet die Stadtentwicklungs-Phasen nach. Die Kapitel über das 19. und 20. Jahrhundert sind in Dekaden aufgegliedert. Primär ist die Untersuchung damit auf die Gesamtentwicklung fokussiert, nur sekundär auf die Genese einzelner Bauten und Objekte. Anhand dieser klaren Ordnung bleibt die Übersicht stets gewährleistet und nachvollziehbar, ohne Zeitsprünge. Daraus ergibt sich für Historiker, Kulturwissenschaftler, Architekten und Stadtplaner ein Nachschlagewerk. Die Methodik besteht aus der Archivrecherche, historischen Forschung, Rekonstruktion, Erzählung, Beschreibung, Erklärung sowie aus dem Vergleich. Die erhaltenen und nicht mehr erhaltenen stadträumlichen und architektonischen Strukturen des Kurorts wurden anhand archivalischer Quellen zusammengetragen, geordnet, beschrieben, verglichen. Bauten wurden kunsthistorisch gewürdigt. Die Hypothese wurde aufgestellt, dass Bad Cannstatt die Grundlagen für einen reinen Kurbetrieb gefehlt hätten, sodass die Kurstadt früher oder später vielmehr zur Industriestadt mutiert sei und erst dadurch enorm angewachsen wäre. Eine weitere These wurde darüber hinaus aufgestellt, dass Großund Industriestädte mit Kurstruktur heute der ideale Versuchsort wären für die europaweit laufende „gesunde Urbanisierung“, die alte Infrastrukturen transformiert. Das Ergebnis beinhaltet sowohl viele neue Erkenntnisse als auch die Wiederentdeckung nicht mehr bekannter Details über den Kurort Bad Cannstatt. Darüber hinaus ist das Forschungsergebnis eine Konkretisierung der Entstehung sowie der Stagnation des Kurbetriebs Cannstatts: Daten, Ursachen sowie Konsequenzen können genauer benannt und Bauten detaillierter beschrieben und eingeordnet werden. Der Forschungsbeitrag dieser Arbeit liegt nicht zuletzt im vergleichenden Teil, zu der zwar wenig beachteten, doch verbreitet existierenden Problematik von „Kurmetropolen“. Es zeigte sich, dass die frühe Urbanität deutscher Kurorte einst ein Forum der vornehmen Gesellschaft, Techniker sowie Industriellen war, wovon das Kurwesen vielerorts zunächst profitierte. Jedoch die meisten Kurstädte sind Stadterweiterungen ohne eine Monostruktur, sodass es hier relativ häufig zu einer parallelen und viel bedeutenderen Erweiterung mit Industriegebieten kam, und dass daraufhin das Kurwesen verdrängt wurde. Kurstädte sollten mit ihrer Bautypologie heute ein Vorbild sein für Stadtplanungen und Stadterneuerungen im Kontext von Klimawandel und Gesundheit. 6 1. a. Abstract (English) The working title of this thesis is 'Cure City of Cannstatt. Development of the Spa Metropolis'. This work was supervised by Prof. Dr. Reinhard Steiner and Prof. Dr. Michael Goer from the Institute of Art History at the University of Stuttgart. The aim of this work was to illustrate the entire development of Cannstatt as a health resort with all its ups and downs. The main emphasis of the research – which refers consistently to spa facilities in general – goes beyond a pure health resort monograph and should thus put Cannstatt's development in a general context. The outline is chronological and traces all urban development phases. The chapters on the 19th and 20th centuries are subdivided into decades. The research is thus focused on the overall development; individual buildings and objects are of secondary importance. On the basis of this clear order the overview is maintained throughout and traceable without any time leaps. This results in a reference work for historians, cultural scientists, architects and urban planners. The method is instrumentalized by archival research, historical research, reconstruction, narration, description, explanation and by comparison. All surviving and no longer preserved urban as well as architectural structures of the resort were compiled, sorted, described, compared, and some archival sources were used, and buildings were valued from an art historical point of view. The hypothesis was set up that Cannstatt had no foundations for a pure health resort, so that the spa town sooner or later mutated into an industrial town and only then would have grown enormously. In addition it was assumed that large and industrial cities with a spa structure would be the ideal testing place for the 'healthy urbanization' movement, that can be seen currently throughout Europe, by transforming old infrastructures. The results are many new insights and rediscovered, long forgotten details about the health resort of Cannstatt. Furthermore the research results are a concretization of the emergence as well as the stagnation of the spa town of Cannstatt: Data, causes and consequences can now be named more precisely and structures described and arranged in more detail. Moreover, with the comparative part of this work, there is also a new research contribution to the admittedly little-noticed but widespread problem of 'big city spas'. It turned out that the early urbanity of German health resorts was once a forum for high society, technicians and industrialists, from which the spa industry in many places initially benefited. However, most spa towns are city extensions without any monostructure. Therefore it relatively often came to a parallel and much more significant expansion with industrial areas and hence the spa was displaced. With their building typology, spa towns should always be a role model for urban planning and urban renewal in context of climate change and health. 7 2. Quellen > Baubestand in Bad Cannstatt vor Ort: Kursaal, Kurpark, Mineralbäder, Brunnen, Denkmäler usw. > Stadtarchiv Stuttgart, Bellingweg 21, Stuttgart-Bad Cannstatt: Pläne, Zeichnungen, Schriften u.a. > Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Konrad-Adenauer-Straße 4 und > Landesarchiv BW, Staatsarchiv Ludwigsburg, Arsenalplatz 3, Ludwigsburg: Pläne und Projekte. > Landesamt für Denkmalpflege B.W., Berliner Straße 12, Esslingen am Neckar: Denkmalakten. > Garten- Friedhofs- und Forstamt Stadt Stuttgart, Maybachstraße 3: Dokumente Parkpflegewerk. > Bäderbetriebe Stuttgart, Breitscheidstr. 48: Sammlung von Werbung, Fotografien Bäder etc. > Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Konrad-Adenauer-Straße 8: Grafische Sammlung. > Universitätsbibliothek Stuttgart, Holzgartenstraße 16: Innenansicht großer Kursaal, digitalisiert. > Institut für Kunstgeschichte der Universität Stuttgart, Keplerstraße 17, Gebäude K2: Bibliothek. > Institut für Architekturgeschichte der Universität Stuttgart, Keplerstr. 17, Gebäude K1: Großdias. > Verein Pro Alt-Cannstatt/ Stadtmuseum Bad Cannstatt, Marktstraße 71/1: Museumsstücke u. ä. > Ludwigsburg Museum, Eberhardstraße 1: Projekte und Pläne aus Ludwigsburg, auch Stuttgart. > Archiv des Hauses Württemberg, Schloss Altshausen: Nachlässe des Hochadels Württemberg. > Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung Stuttgart, Eberhardstraße 10: Stadtentwicklung. > Stadtmessungsamt Stuttgart, Kronenstraße 20: Historische Karten, alte und neue Stadtpläne. > Deutsches Literaturarchiv, Schillerhöhe 8, Marbach am Neckar: Briefwechsel mit Architekten. > Privatsammler: Historische Postkarten, Gemälde, Fotografien, Kunstgegenstände o. ä. > Tageszeitungen, Ausstellungen und Veranstaltungen: Stadtplanung, Städtebau, Kunst etc. > Experten: Expertisen und Berichte über Bäderbetriebe, Parkpflegewerk, Stadtgeschichte. > Zeitzeugen: Informationen über Kurparknutzung, Bäderbetrieb, Firmengeschichte etc. > Sekundärliteratur: Einschlägige Informationen, teils Geschichte der Cannstatter Kur. > Internetquellen: Verschiedenste Informationen, u.a. Geologie, Klimaschutz. Die Quellenlage insgesamt ist gut und die Menge groß, die wertvollsten Informationen aber müssen zeitaufwendig recherchiert, gesammelt und aus Fragmenten geordnet werden. Originalpläne sowie Bauzeichnungen von Nicolaus Thouret oder Christian Zais z.B. aber fehlen weitgehend. Im Stadtarchiv findet sich der Großteil an Plänen, Zeichnungen und Schriftdokumenten, zumal die Stadt Stuttgart die rechtliche Erbin der städtischen Vereine ist, nämlich des Brunnenvereins und des Verschönerungsvereins, welche die Bauprojekte in den Kuranlagen planten als auch ausführten. Das Land Baden-Württemberg als rechtlicher Erbe des Königreichs Württemberg bewahrt die Nachlässe der Herzöge, Könige und Oberämter Württembergs auf, darunter jedoch teils öffentliche, staatlich geförderte Bauprojekte. Zahlreiche Schriftstücke und Pläne sind mittlerweile digitalisiert. Die Auswertungsgesichtspunkte der Quellen für die vorliegende Arbeit waren: Daten und Fakten, Chronologie, Baugeschichte, Stilgeschichte, Kunstgeschichte, Stadtgeschichte, Stadtentwicklung, Stadtplanung und Stadterneuerung. Zur ausführlichen Quellenangabe einzelner Informationen im Fließtext oder von Abbildungen siehe die angehängten Verzeichnisse „Archivalien“, „Bildnachweis“, „Literaturangabe“, „Presseartikel“ sowie „Internetquellen“ im Katalogteil („Catalogus“) der vorliegenden Arbeit. Eine Übersicht über die Mineralquellen folgt unter Punkt 6. „Bestandsaufnahme“ dieser Arbeit. 8 3. Forschung : - Paul Färber 1949: Nikolaus Friedrich von Thouret. Ein Baumeister des Klassizismus (S. 330-335). - Albert Rilling 1967: Cannstatt seit 6000 Jahren, mit Materialien von Erwin Hageloh (S. 179-197). - Hans Otto Stroheker/ Hans Bayer/ Werner Luz et al. 1979: Cannstatter Zeiten (insges. 149 S.). - Konstanze Gruber 1984: Bad Cannstatt, in Rolf Bothe: Kurstädte in Deutschland (S. 281-296). - Michael Bott 1985: Diplomarbeit über „Der Kurpark von Bad Cannstatt. Einst und jetzt“ (100 S.). - H. P. Mahnke 1985: Stadtentwicklung im 19.Jh., Bsp. Stuttgarter Westen, Anhang 'Bad Cannstatt'. - Simon/ Behrens 1988: Badekur und Kurbad. Bauten in deutschen Bädern 1780-1920 (S. 225-230). - Manfred Schmid et al. 1989: 250 000 Jahre Cannstatter Geschichte (besonders S. 34-96). - Matthias Bitz 1989: Badewesen in Südwestdeutschland 1550-1840 (S. 353-375 mit Cannstatt). - Axel Burkarth 1991: Dissertation über Nikolaus von Thouret 1767-1845 (besonders S. 42 ff.). - Burkhard Fuhs 1992: Mondäne Orte einer vornehmen Gesellschaft, Dissertation (488 S.). - Michael Goer 1996: „Cannstatt. Handelsstadt – Kurstadt – Großstadt“, Denkmäler (S. 89-97). - Jürgen Hagel 2002: Cannstatt und seine Geschichte: Kap. „Geschenk der Natur“ (bes. 142-160). - Ders. in Niess/ Lorenz 2004: Kult-Bäder und Bäderkultur in Baden-Württemberg (S. 65-75). - Harald Schukraft/ Wolfgang Kress 2006: Bäderstadt Stuttgart (besonders S. 15-81; 126-133). - Karin Lauser/ Ursula Buñata 2006: Bad Cannstatt. Ein Stadtbezirk im Wandel (insges. 63 S.). - Kathrin Häffner 2008: Stadtmarketing – Das Beispiel Stuttgart-Bad Cannstatt (insges. 464 S.). - Volkmar Eidloth et al. 2012: Europäische Kurstädte und Modebäder des 19. Jh. ... (248 S.). - Achim Bonenschäfer 2016: Stuttgarter Wasserkräfte, Und die Industrialisierung ... (120 S.). - Eberhard Köngeter/ Olaf Schulze et al. 2017: Cannstatter Geschichts-Breggala (insges. 251 S.). In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, verstärkt ab den 1960er Jahren, hat die Kunstgeschichts- Forschung in Deutschland die Baukunst des neunzehnten Jahrhunderts und auch die Kurarchitektur wiederentdeckt. Seit Mitte der 1970er Jahre hat das Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München begonnen, einen fotografischen Katalog von deutschen Kurorten und ihren Bauwerken anzulegen. Zur selben Zeit war der Denkmalschutz besonders aktiv. Ab den 1980er Jahren erscheint das Thema folglich immer häufiger in Publikationen. Seither sind wissenschaftliche Beiträge mit fundierten, detaillierten Forschungsbeiträgen erschienen; seit 1979 für Bad Cannstatt. Der Denkmalpfleger und Mitberichter vorliegender Studien, Prof. Dr. Michael Goer, hat 1996 einen Beitrag über Cannstatts Baudenkmäler der Bädergeschichte im Rahmen des Landesdenkmaltags 1995 zur Denkmalpflege in Kurorten, veranstaltet in Bad Wildbad, veröffentlicht. Eine wissenschaftliche Forschungsarbeit zur vertieften Kunst- und Kulturgeschichte der Kurstadt, wie die vorliegende Dissertation, wurde aber noch nicht in dem Umfang verfasst. Der 2006 erschienene Fachbeitrag von Harald Schukraft und Wolfgang Kress behandelt in erster Linie die Geschichte der „Bäderstadt Stuttgart“, aber auch Bad Cannstatt. Monographien über Bad Cannstatt beinhalten teils Kapitel über den Kurort. Der große Kursaal von Thouret sowie der kleine Kursaal von Albert Eitel sind bisher nicht im Detail untersucht worden, was mit der vorliegenden Arbeit erstmals vorgenommen wird. Ebenso ist dies der erste möglichst vollständige chronologische Überblick zu den Gebäuden, Anlagen und der Stadtentwicklung des historischen Kurorts und Bades Cannstatt. Neuheiten der vorliegenden Dissertation liegen außerdem darin, dass zum einen erstmals ausführlich auf die Geschichte als Bad vor 1773 eingegangen wird. Zum anderen konzentriert sich die Abhandlung insbesondere auf die Entwicklung der Stadt nach 1900 und ab der Vereinigung mit Stuttgart 1905. Der Bäder-Vergleich thematisiert zudem die Großstadtentwicklung von Kurorten und stellt diese in den Kontext des allgemeinen urbanen Wandels, worüber bislang kein komparativ vorgehender kulturwissenschaftlicher Fachbeitrag bekannt ist. 9 4. Einführung Kurort. Welche Vorstellung verbindet sich mit einem Kurort? Vermutlich das Klischee einer Oase der Ruhe. Verorten würde man einen Kurort wohl inmitten der „Natur“, von jener reich beschenkt. Wie ein Dorf, das für entspanntes Landleben steht, assoziiert man mit einem Kur-Ort einen Kuh- Ort.1 Neben tatsächlich häufig vorhandenem Milchvieh2 gibt es oft eine besonders saubere Luft, eine Meeresküste kann vorhanden sein und faszinierende Landschaften oder Mineralquellen können dort vorkommen.3 Trotzdem wäre ein Kurort kein Ort, sondern Kur-Natur, wenn der Mensch ihn nicht gestaltet hätte; umso mehr gilt das für die „Kurstadt“. Städtebau ist eine Kunst. „Zu unseren schönsten Träumen gehören angenehme Reiseerinnerungen. Herrliche Städtebilder, Monumente, Plätze, schöne Fernsichten (…) zu verweilen! Könnten wir das öfter wieder an diesem oder jenem Platze, an dessen Schönheit man sich nicht sattsehen kann; gewiss, wir würden manche schwere Stunde leichteren Herzens tragen und neu gestärkt den ewigen Kampf des Lebens weiterführen. (…) die alten Städte waren hier dieser schönen Natur nachgebildet“,4 meint Camillo Sitte im Jahr 1889. Das Zitat bringt keineswegs eine heutzutage antiquierte Vorstellung zur Sprache, nein, die dahinter stehenden Grundsätze haben unverändert ihre Gültigkeit. Einheitlich und weitflächig nach einem genauen Plan angelegte Städte oder Stadtteile nennt man Planstadt. Kombiniert man die beiden Wortbestandteile in umgekehrter Reihenfolge, dann erhält man einen Stadtplan. Allein der nachträglich angefertigte Plan eines Ortes veranschaulicht insofern dessen bauliche Gestaltung, die ja nicht zufällig zustande gekommen ist. Die frühere Residenzstadt Karlsruhe z.B. ist als barocke „Fächerstadt“ bekannt und etwa einhundert Jahre zuvor, 1607, wurde Mannheim als „Stadt der Quadrate“ angelegt. In der Antike wurden die griechischen poleis bereits nach bestimmten Schemata hin angelegt. Römische Stadtgründungen erfolgten in dem für solche typischen Quadratraster. Mittelalterliche Städte wie Tübingen am Neckar oder Esslingen a. N. sind Städte, die sich nicht planlos, aber durch geschwungene, an die Natur und Topographie angepasste, feinfühlig gewachsene Formen auszeichnen. Die Hansestadt Lübeck gleicht sich dem Verlauf einer Insel in den Binnengewässern an der Ostsee an. Das niedersächsische Wolfsburg5 hingegen ist eine Industrie-Planstadt der 1930er Jahre, anders als die dennoch „autogerechte“ Stadt Stuttgart. Beide Städte, Stuttgart und Wolfsburg, sind über ihre Grenzen hinaus als Automobilstandorte weltbekannt. Gibt es demgegenüber eine ideale Kur-Planstadt?6 Der Platz auf der Erde ist seit jeher begrenzt und in den extremen Regionen herrschen mitunter lebensfeindliche Bedingungen. Als bewohnbare Lebensräume entwickelten Menschen die Städte. Kurstädte gelten als besonders lebensfreundlich und gesund, jedenfalls wollen sie dies sein und sie werben damit: Mit ihrem Klima, mit ihren natürlichen Ressourcen und mit ihrer Heilkunst. Kurorte sind nicht allein gewöhnliche Lebensräume, sondern eben auch Fremdenverkehrsorte, Urlaubsstädte oder Touristenziele. Historische Badestädte kommen heute urbanisierten Museen gleich. Kurstädte glänzen insbesondere mit der Sauberkeit ihrer Anlagen sowie mit der Reinheit ihrer Umwelt. Die Voraussetzung eines angenehmen Erscheinungsbildes ist eine gelungene Gestaltung und die Pflege. 1 Vgl. Walter Moos: „Mingolsheim. Vom Kuhdorf zum Kurort – Fotos aus 70 Jahren“, Ubstadt-Weiher u.a. 2020. Zum „Natur“-Begriff siehe Anmerkung 1140. 2 Mit den Milch- bzw. Molkenkuren wurde im 19. Jh. tatsächlich Kuhmilch zu den Kurmitteln hinzugenommen. 3 Informationen über die Bedingungen zur Verleihung des Prädikats „Bad“ sind in Deutschland gesetzlich geregelt, variieren allerdings in den Bundesländern, und sind beim Deutschen Heilbäderverband veröffentlicht. 4 Sitte 1889, S. 1. Vgl. hierzu Gustav Ebe: „Die Anlage der Bäderstädte“, in Camillo Sitte/ Theodor Goecke (Hrsg.): Der Städtebau. Monatsschrift für die künstlerische Ausgestaltung der Städte nach ihren wirtschaftlichen, gesundheitlichen und sozialen Grundsätzen, Jg. 6, S. 43-46, Berlin/Wien 1909. Vgl. Gewachsene Stadt vs. Planstadt. 5 Ende der 1930er Jahre von dem Architekten Peter Koller und dem Landschaftsplaner Wilhelm Heintz entwickelt als streng gegliederte Industriestadt mit Wohnanlagen und Gärten, sollte Wolfsburg zunächst „Stadt des Kraft-durch- Freude-Wagens“ genannt werden. Hierzu Christian Schneider: „Stadtgründung im Dritten Reich. Wolfsburg und Salzgitter, Ideologie, Ressortpolitik, Repräsentation“, München 1979/ Christoph Stölzl (Hrsg.): „Die Wolfsburg- Saga“, Stuttgart 2008/ Stephan Krull (Hrsg.): „75 Jahre 'Stadt des KdF-Wagen'/Wolfsburg“, Hannover 2013. 6 Hierzu ausführlich Punkt 7 „Bädervergleich“ der vorliegenden Arbeit. 10 Zahlreiche Badeorte in Deutschland, die Tradition und Geschichte haben, erfüllen weiterhin solche Kriterien. Dass aber auch einmal ein Teil der baden-württembergischen Landeshauptstadt, die Stätte Gottlieb Daimlers, Stuttgart-Bad Cannstatt, lange ein touristischer Kurort war, allein sich dies auszumalen, dazu gehört mittlerweile durchaus viel Vorstellungskraft. Stuttgart-Bad Cannstatt ist auf der einen Seite weit bekannt als Fußball-, Industrie- und Autostadt. Weniger Fußball- und technikbegeisterte Touristen aber kennen den Stuttgarter Stadtteil womöglich nicht. Zur großen Überraschung kann es kommen, wenn die Rede auf Bad Cannstatt fällt, man von dieser Stadt aber noch nie gehört hat. Ein ahnungsloser Reisender vermutet hinter dem Namen wohl eine idyllische Park-Landschaft, ein Bad, so wie man es etwa aus Oberbayern, aus dem Schwarzwald oder dem Odenwald kennt. Kommt der Kurgast dann aber, angenommen ohne eine vorhergegangene Online-Recherche, voll Erwartung an, um den Ort kennenzulernen, werden seine romantischen Vorstellungen im Zweifelsfall enttäuscht. Auf die Überprüfung, ob er sich möglicherweise verfahren hat, folgt die Feststellung: Das Stadtbild dieses angeblichen Bades entspricht offensichtlich wenig der reinlichen Atmosphäre renommierter Kurorte, ja das genaue Gegenteil dessen ist der Fall. Stuttgart-Bad Cannstatt ist in Wirklichkeit eine deutsche Hauptstadt des Verkehrsstaus, voll von Feinstaub, Stickoxiden, Schmutz: Ein peinliches Paradoxon. Unter dem Wort Bad versteht man sowohl die Wanne, das einzelne Zimmer, das ganze Gebäude, als auch die gesamte Stadt; sogar im Land „Baden-Württemberg“ spiegelt es sich. Das Bad und das Bild von Cannstatt früherer Zeiten dürfte offenbar ein völlig anderes gewesen sein als das, was es heute ist. Es unterschied sich einerseits von Anfang an von den üblichen Kurorten und war zudem, ungewöhnlich früh, enorm urban sowie industriell geprägt: „(...) Die meisten unserer Bäder haben den Charakter waldiger, oder doch ländlicher Abgeschiedenheit. Offene Natur und Nähe der Residenz geben Kannstadt als Badeort eine andere Physiognomie“, bemerkt man bereits 1842, zur Blütezeit der Kur.7 Das Bad Cannstatt sollte zukünftig neu visualisiert, restauriert, renaturiert sowie modernisiert werden. Schließlich darf der Stadtteil Stuttgarts weiter das Prädikat „Bad“ im Namen führen, obwohl eine mutmaßliche „Kur“, deren Rechtfertigung zu prüfen ist, inzwischen fast restlos aus der von Gewerbegebieten, Verkehrsanlagen und Verschmutzung geprägten Stadt bzw. Großstadt Stuttgart verschwunden ist. Im Ballungsraum Stuttgart mit nächster Umgebung leben und arbeiten heute ungefähr drei Millionen Menschen. Kann es grundsätzlich ein Kurbad im XXL-Format geben, oder ist die Stadt viel zu groß, um Kurort sein zu können? Hauptsächlich das noch ungebrochene Vorkommen von staatlich anerkannten Heilquellen wie auch der Sitz von einigen Fachärzten, deren Tradition bis in das 19. Jahrhundert zurückreicht, hält den Kur- und Badeort am Leben. Bei dem Vorkommen mineralischer Quellen handelt es sich weiter um das ergiebigste Mineralwassersystem in Westeuropa. Trotzdem ist Bad Cannstatt aktuell vielmehr ein historisches Bad. Der Verfasser vorliegender Arbeit führt für die Bezeichnung von Stuttgart-Bad Cannstatt einen noch nicht gültigen wissenschaftlichen Begriff ein; den der Kurmetropole.8 Nur ein Beispiel: Die Bezeichnung „Kurstadt“9 für Bad Lausick in Sachsen (mit 8.087 Einwohnern 2020) auf der einen Seite ist vergleichbar unzutreffend wie etwa die Bezeichnung „Kurort“10 für Stuttgart-Bad Cannstatt 7 Der Sammler – Ein Unterhaltungsblatt für alle Stände, 34. Jg., Wien 1842, S. 415. 8 Umgangssprachlich, nicht wissenschaftlich, findet man den Begriff der „Kurmetropole“ – allerdings nicht explizit in Bezug auf Kur-Großstädte. In der vorliegenden Arbeit bezieht sich der Begriff erstens auf seine Ursprünge, denn Cannstatt ist die Mutterstadt (griech. metropolis) Stuttgarts. Zweitens ist das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Region Stuttgart damit gemeint. Bad Cannstatt ist der älteste und bevölkerungsreichste Stadtbezirk Stuttgarts. In weiterer Hinsicht wird damit angedeutet, dass seinerzeit zahlreiche Gäste von weit her in das „Mekka“ für Kur- und Erholungssuchende strömten und insofern wird die enorme Anziehung von Fremden begrifflich verdeutlicht. Sinngemäß zählen Kurmetropolen dann auch mit zu den bedeutendsten Heilbädern Deutschlands oder gar Europas. 9 Siehe etwa Friederike Schmöe/ Petra Steps/ Carsten Steps: „Kurbäder im Herzen Europas. In Franken, Thüringen, Sachsen und Böhmen“, Meßkirch 2019 (allein die Beispiele 71 u. 72), S. 155-158/ Josef Jung: „Sehenswürdigkeiten entlang der Autobahn. Touristische Hinweisschilder - wofür sich ein Abstecher lohnt“, München 2014, S. 46. 10 Siehe etwa Jörn W. Mundt: „Tourismus“, 4. überarbeitete und ergänzte Auflage, München 2013, S. 333. 11 (mit 71.285 Einwohnern 2020) auf der anderen Seite – ob in der Wissenschaft oder im Volksmund.11 Zunächst ein kurzer Blick in die Vorgeschichte: Zahlreiche Quellen sind Jahrtausende alt, wobei Mineralgehalt und Temperatur schwankten. In den kalten Erdregionen vor- und frühgeschichtlicher Zeit suchten u.a. Mammuts, Riesenhirsche, Höhlenlöwen und Urmenschen die heißen oder warmen Mineralwasserteiche in der Gegend auf, um darin zu baden oder das nicht gefrierende Sauerwasser zu trinken. In Trockenzeiten spendeten die meist von früheren Niederschlägen versorgten Quellen lebensnotwendiges Wasser. Der Mensch jagte badende und trinkende Tiere, oder trieb diese in die Falle. Die natürliche Geologie macht das Bad von Cannstatt zweifellos zu einem der ältesten paläontologisch nachweisbaren Bäder auf dieser Erde, mit mehr als 300.000 Jahren Geschichte. Das Bad Cannstatt entwickelte sich damit, ganzheitlich betrachtet, vom Urbad zum Kurbad. Das fluide Geschenk der Natur wurde zu allen Zeiten denkbar angenommen und ist weiterhin dankbar zu nutzen. Seltene Versteinerungen von hier erlauben uns Rückschlüsse zu ziehen auf das Leben der Urmenschen zur Kaltzeit vor 250.000 Jahren.12 Der etwa 40.000 Jahre alte Löwenmensch, eine Kleinskulptur aus dem Lonetal der Schwäbischen Alb, zählt zu den ersten menschlichen Kunstwerken überhaupt. Er steht am Beginn der Besiedlung Europas durch den modernen Menschen.13 Am 9. 7. 2017 hat das UNESCO-Welterbekomitee einige Höhlen auf der Schwäbischen Alb mit frühmenschlicher Kunst in die Welterbeliste aufgenommen. Und bei der 2008 entdeckten Venus vom Hohlefels etwa handelt es sich um eine weitere der ältesten Darstellungen des menschlichen Körpers und der natürlichen Fruchtbarkeit. Das mögliche Alter der korpulenten Frauenfigur aus Elfenbein wird auf bis zu 35.000 Jahre geschätzt.14 Die Höhlenschätze auf der Schwäbischen Alb stellen die urzeitliche Kultur dar, wie sie sich hierzulande zu entfalten beginnt. In der Jungsteinzeit leben die Bandkeramiker hier. Sie sind fähig, die ersten Brunnen zu bauen. Vor einer halben Million Jahren hatte sich Travertin während erdgeschichtlicher Warmzeiten durch Kristallisation kalkhaltigen Mineralwassers an der Luft, unter der Ausscheidung von Kohlensäure, zu bilden begonnen, gleichsam als versteinertes Mineralwasser. Bis zu zwanzig Meter hoch türmen sich seine Steinbänke am Neckar in Stuttgart, zwischen Bad Cannstatt und Münster, am Sulzerrain, am Seelberg sowie in Untertürkheim sand- bis ockerfarben auf. Die (hydro-)geologisch wertvollen und seltenen Sauerwasserkalke sind der Beweis für das Fließen von Mineralwasser zu Urzeiten. An der Verfärbung kann die unterschiedlich ausgeprägte Mineralisation sowie der Kohlensäuregehalt abgelesen werden.15 D Die vorliegende Forschungsarbeit untersucht die Besonderheiten in der Entwicklungsgeschichte des „Curorts“16 Cannstatt und berührt mitunter auch deren wirtschaftsgeschichtliche Hintergründe, auch Medizingeschichte, Militärgeschichte, Geologie, Naturkunde, Geographie u.a. zählt zu dem Thema. So wird unter anderem erörtert, inwieweit und wie lange das Bad Cannstatter Kurwesen überhaupt 11 Hierzu ausführlich Punkt 7 „Bädervergleich“ der vorliegenden Arbeit. 12 Hierzu Rilling 1967/ Schmid 1989. Außerdem waren vor 250 Mio. Jahren Teile Mitteleuropas vom Urmeer bedeckt. 13 Neueste paläoanthropologische Funde aus dem Allgäu legen nahe, dass sich der aufrechte Gang von Vorfahren des modernen Menschen nicht in Afrika, sondern vor ca. 12 Mio. Jahren in Europa entwickelte. Quelle: Uni Tübingen. https://uni-tuebingen.de/universitaet/aktuelles-und-publikationen/pressemitteilungen/newsfullviewpressemitteilungen/ article/neuer-vorfahr-des-menschen-in-europa-entdeckt/ Aufgerufen am 11.03.2022. 14 Funde vorgeschichtlicher Kunst sind auch in Stuttgart-Bad Cannstatt möglich, wenn auch bislang nicht gemacht. 15 Die Funde aus dem Travertin zeugen u.a. von uraltem Badeleben und archäologische Funde an anderer Stelle in Cannstatt von früher Bautätigkeit, die auf das späte 1. Jh. datiert werden kann. Darüber können präzisere Aussagen gemacht werden als über die Urgeschichte, die ausgestellt ist im Stuttgarter Naturkundemuseum am Löwentor, das zurückgeht auf die 1791 ins Leben gerufene Naturaliensammlung der Herzöge von Württemberg. 16 Die ursprüngliche Rechtschreibung der Cur wird erst seit der orthographischen Konferenz von 1901 nicht mehr verwendet, nur die in der Geschichte ebenfalls vorkommende mit K ist seither vorgeschrieben. Der Verfasser vorliegender Arbeit griff bei der Titelwahl auf die originale Schreibweise, mit C, als Eigenname und Zitat zurück, zugunsten einer historischen Dimension. Außerdem ist das Wurzelwort cur, das in den romanischen Sprachen sowie im Englischen vorkommt, ein international gültiger Begriff für die Kur als Heilung: (Englisch 'the cure'/ Französisch 'la cure'/ Italienisch 'la cura' etc.). Im Fließtext wird natürlich die gültige Orthographie beachtet und eingehalten. 12 Bestand hatte und welche Ursachen letzten Endes zu seiner Stagnation führten. Unter Verwendung typologischer Begriffe und Erläuterungen soll aufgezeigt werden, welche Vorgänge in Cannstatt eher atypisch für einen Kurort verliefen und welche anderweitige Stadtentwicklung daraus dann resultierte. Mit einem ideal erscheinenden Kurort verbinden sich Stichworte wie z.B.: Ökonomische Monostruktur,17 gesunde Urbanisierung,18 Emissionsschutz, die ökologische Stadt usw. Solchen Idealen stehen vermeintlich kontraproduktive, das Kurwesen gefährdende, Begriffe gegenüber, wie zum Beispiel: Ökonomische Ambivalenz,19 Urbanität,20 Industrialisierung, Nahverkehr etc. Letztlich soll besonders die Frage beantwortet werden, wie Bad Cannstatt den Status einer Kurmetropole mit anerkanntem Heilquellen-Kurbetrieb erlangen konnte trotz einiger vermeintlich störender Faktoren. In Kapitel 7 münden die bis dato monographischen Studien in eine komparistische Analyse, die prüft, inwieweit Cannstatts spezielle Entwicklung ein Einzelfall oder aber gar ein Fallbeispiel unter vielen ist. Waren die bisherigen methodischen Instrumente auf die Recherche und Nachskizzierung beschränkt, folgen schließlich noch Strukturanalysen sowie Vergleiche. Die Arbeit soll damit einen Forschungsbeitrag leisten, der die kulturgeschichtlichen und kulturpolitischen Entwicklungen von „Kurmetropolen“,21 d.h. von Großstädten mit Kurstruktur, in den Blick nimmt. Bei aller kulturwissenschaftlichen, mitunter gar interdisziplinären,22 Relevanz des Themas liegt der Schwerpunkt dieser Forschung dennoch auf der Betrachtung der Bad Cannstatter Kuranlagen unter kunstgeschichtlichen, bauhistorischen oder doch zumindest kulturgeschichtlichen Aspekten. Welche waren z.B. die entscheidenden Impulsgeber für die Genese zur Kurstadt? Bauten sowie historische Daten sollen an jeder Stelle so präzise wie möglich beschrieben und benannt werden können. Von besonderem Interesse soll die städtebauliche Entwicklung zu einem Kurbad sein. 17 Der wirtschaftswissenschaftliche Begriff „Monostruktur“ (vgl. Monopol) bezeichnet einen ökonomisch dominanten Arbeits- und Dienstleistungssektor. Im Fall einer Kurstadt wäre dies idealerweise der Kurbetrieb. 18 Der Begriff gesunde Urbanisierung wird in der heutigen Stadtplanung viel verwendet und soll Stadtentwicklungen bezeichnen, die regenerative Energien nutzen und in Zeiten des Klimawandels wieder mehr Grün schaffen sollen. Der Verfasser möchte in diesem Kontext auch auf die historische Urbanisierung der Kur aufmerksam machen: Unter Urbanisierung versteht man die allgemeine Verstädterung – in Bezug auf Kurstädte meint der Verfasser damit alle Architekturen, Parkanlagen und Stadtplanungen, die das Stadtbild als Bad prägen und gleichzeitig „gesund“ sind. 19 Mit „Ambivalenz“ kommt zum Ausdruck, dass zwei Entwicklungen relevant sind, die in einem symbiotischen Verhältnis zueinander stehen oder in einem parasitären. So ist ein und dieselbe Stadt z.B. Kurort und Industriestadt. 20 Unter „Urbanität“ versteht der Verfasser, was allgemein damit gemeint ist: Städtische/ großstädtische Aktivität. 21 Der Begriff Entwicklung steht hier sowohl für die Entwicklungsgeschichte als auch für gegenwärtige und künftige Entwicklung. Selbstverständlich hat keine Großstadt eine einseitige Struktur oder Wirtschaft – eine Kurmetropole ist ebenso wenig ausschließlich ein Kurort, wie die „Finanzmetropole“ Frankfurt am Main etwa bloß eine Bankenstadt ist. Während in der Finanzmetropole tatsächlich bedeutende monetäre Umsätze erzielt werden, ist die Finanzleistung der Bäder/ Kurorte deutlich geringer. Vielmehr lässt sich ihre Bedeutung städtebaulich und soziokulturell erkennen. Nur wenige Kurorte wiederum (z.B. Bad Füssing oder Bad Wildungen) generieren noch heute mit dem Kurbetrieb nennenswerte Einnahmen. Dennoch machen auch die Stuttgarter Bäderbetriebe weiter Gewinne und können hohe Gästezahlen vorweisen. Quelle: BBS Online „Wir über uns“: https://www.stuttgart.de/baeder/bbs/ueber-uns. Im Jahr 2016 z.B. kamen (in alle Stuttgarter Bäder zusammengerechnet) rund 2.450.000 Besucher: Vgl. StN v. 16.2.2017. 22 Vgl. Andreas Förderer 2010, S. 11. 13 I - XV. CANNSTATT Cannstatt, ein Ort der gemäßigten Klimazone Mitteleuropas, etwa 200 Kilometer Luftlinie nördlich des Alpenrands und fünfzig Kilometer nah an der Schwäbischen Alb im mittleren Neckarraum, liegt mehr als zweihundert Meter über Normalhöhennull. Die Topographie ist zunächst gekennzeichnet durch das Neckartal, das zu beiden Seiten umgeben ist von bis zu 500 Meter hohen Bergen.23 Die mittlere Jahrestemperatur beträgt ca. zehn Grad Celsius. Sehr kalte Winter mit Dauerfrost kommen nur relativ selten vor, die Sommerhitze steigt in der Regel nicht bis an die 40° Celsius an. Der Fluss Neckar nimmt hier eine markante Kurve in lateinischer C-Form.24 Woher stammt wohl der Ortsname „Cannstatt“?25 Der lateinische Ortsname ist nicht überliefert, obwohl eine römische Inschrift angeblich lautet: C.ANT.STAT.26 Sie stehe für Caii Antonii Stativa, Standlager eines Caius Antonius. Eine Benennung mit Aquae, die für Badeorte üblich war, kann zwar nicht ausgeschlossen werden, ist aber nicht bekannt. In dem Wort castellum, Kastell, stecken ebenfalls mögliche Wurzeln, ebenso in den Wörtern castrum und castra. Bereits 708 taucht in Abschriften alter Urkunden der Name Canstat ad Neccarum auf.27 Die im 13. Jahrhundert verfassten Metzer Annalen nennen für das Jahr 746: Condistat.28 In alten Schriften wird auch ein Berg/ Bach Canbach genannt.29 Ortsadelige trugen dann die Namen Canli bzw. die Känlin oder Chenlin, sie scheinen das Wappen mit der Kanne gemeinsam zu haben.30 Im Lateinischen steht das Wort canna31 einerseits für Schilfrohr und in der Gegend gab es in der Tat Sumpfgebiet. Ähnlich in Cannes in Südfrankreich. Der lateinische Begriff für einen Zusammenfluss leitet sich, anders lautend, von confluens32 ab. Ein Schwabenkönig um 392 hieß angeblich Canut.33 Der Herleitung aus „Kahnstadt“ bzw. Kahngestade,34 wegen der Flößerei, widerstrebt der lange Vokal. Abgewiesen wird die Deutung mit Clarenna,35 eines schriftlich erwähnten römischen Kastells. Es handelt sich wohl um das Albkastell Donnstetten. Denkbar wäre auch Kanal, vielleicht aus dem Keltischen, auf Englisch auch canal/ channel. Neben dem Neckar gab es einige Bachkanäle, wie die Sulz. Eine „Cannstatt“ ist für manche die Bezeichnung für eine befestigte Höhensiedlung der ausgehenden Jungsteinzeit im Allgemeinen.36 Der Flussname Neckar soll aus dem Keltischen stammen und in etwa so viel wie „wilder Geselle“37 bedeuten und die Römer hätten diesen Namen von den Kelten 23 Die Definition für einen „Berg“ im Gegensatz zum „Hügel“ beginnt in Deutschland bei ca. 300 m. Die Topographie um Stuttgart und Bad Cannstatt ist durchaus speziell und es wäre auch angebracht, von einem Gebirge zu sprechen. 24 Die Neckarvorstadt, ehemals Brie genannt, weist auf die keltische Bezeichnung für eine hier vorhandene Brücke hin. Es gibt archäologische Funde aus Untertürkheim, vom Seelberg und der Altenburg auf der westlichen Flussseite. Auch „Cannstatt“ könnte keltisch sein. Herleitungen aus dem Keltischen und dem Lateinischen sind unternommen worden, können aber nicht bewiesen werden. Zum „Hallschlag“ vgl. Hallstatt im Salzkammergut in Oberösterreich, Siedlung der Hallstattzeit am Hohenasperg. „Altenburg“ steht wohl für eine Burg der Alten, Menschen der Antike. 25 Eine überzeugende Herleitung des Namens ist noch nicht gelungen. 26 Memminger 1812, S. 65. Den Stein allerdings kenne niemand. Tatsächlich ist kein Stein mit der Inschrift bekannt. 27 Stiftsarchiv St. Gallen. Signatur StiASG, Bd. 61, Traditones monasterii s. Galli. 28 Landesarchiv Baden-Württemberg, Württembergisches Urkundenbuch Online. Vgl. Memminger 1812, S. 66. 29 Siehe hierzu Rilling 1967, S. 54. Auf der Abbildung Nr. [012] ist der Berg/ Bach Canbach (Kanbach) eingezeichnet. 30 Daiber 1878. Übersetzt soll „Canlin“ soviel bedeuten wie „Vetterle“ und Cannstatt demzufolge „Vetternstadt“. 31 Stadtarchiv Stuttgart, Ordner N 6.9.3.3.2. 32 Ebd. Die württembergische Regierung verfügte erst 1875, dass die Stadt einheitlich „Cannstatt“ geschrieben wird. Hierzu Daiber 1878, S. 20. 33 Hartmann 1847, S. 7. 34 Memminger 1812, S. 66. Zur Namensdeutung siehe auch Loh 1877, S. 10-12 („Cantiaebis“). 35 Alfred Holder: „Alt-celtischer Sprachschatz, Leipzig 1896, S. 1037. 36 Rilling 1967, S. 12. Allerdings muss bedacht werden, dass die „Altenburg“ nicht zur Stadt Cannstatt gehörte. 37 Vgl. G. König: „Der Neckar, ein wilder Geselle“, in: Tübinger Blätter (Hrsg.: Bürger- und Verkehrsverein Tübingen e.V.), Bde. 79-81, Tübingen 1993, S. 13. A. Greule deutet den Stadtnamen Cannstatt als keltisch: „Keltische Ortsnamen in Baden-Württemberg. Wir können alles – außer Latein“, in: Archäologisches. Landesmuseum B.W.: Imperium Romanum. Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau, Stuttgart 2005, S. 80-84. 14 übernommen, behaupten andere.38 Gustav Schwab weist darauf hin, dass die altdeutsche Stammsilbe „Can-“ eine Variation des Wortes Kunne sei, was Familie oder Sippschaft bedeute.39 Viele Namensdeutungen haben kaum eine etymologische bzw. phonetische Ähnlichkeit zu dem Stadtnamen Cannstatt. Andere Römerstädte in Germanien sind häufig nach einem Kaiser, Volk, oder beidem benannt: Augusta Treverorum, Augusta Vindelicum, Aquae Sulis, Aquae Granni, etc. Bei der erstgenannten Stadt steht der Name des Kaisers Augustus neben dem des Volksstamms der Treverer, bei der zweiten sind in gleicher Weise die Vindeliker darin enthalten. Römische Kurorte werden üblicherweise Aquae genannt, häufig noch mit dem Zusatz einer Gottheit: Zum Beispiel der Göttin Sulis oder des keltischen Gottes Grannus. Der Name Cannstatt passt nicht in die Regel und wäre, sollte er tatsächlich römisch sein, ungewöhnlich. Andererseits gibt es etwa mit Pforzheim, welches sich von „portus“40 ableitet, Vergleichbares.41 Pforzheim ist in seltenerer Weise nach seiner Funktion benannt; vielleicht sollte das nahe gelegene Cannstatt ähnlich interpretiert werden. Eine latinisierte, rückübersetzte, Variante: Canstadium (Crusius 1596, S.29). Gräzisiert: K-/Cantaropolis. Sehr wohl kann sich der Name von hier gefundenen Töpfereien ableiten. Zwei lateinische Wörter haben deutliche Ähnlichkeiten: canna, cannae f. = Kanne. Zweitens cantharus, m. = Kanne/ Krug/ Gefäß. Im Grunde erübrigt sich eine weitere Suche schon durch das hochdeutsche Wort Kanne. Mit dem Namenszusatz -stat für Stätte/ Stadt ergibt sich daraus eine sinnvolle Erklärung. In der Tat haben auch die Römer gelegentlich keltische Namen übernommen oder abgewandelt. In der Schreibweise durchgesetzt hat sich offiziell seit dem 15. Jahrhundert Canstat bzw. Cantstatt. In dieser Schreibweise ist es am häufigsten überliefert.42 Seit dem Spätmittelalter finden wir fast nur noch diese Stadtnamen. In späterer Zeit wird daraus Cannstatt, Cannstadt oder Kannstadt – ebenso kombiniert vorkommend. Manchmal steht „Kante“ auch für eine Grenze.43 Für diese These spricht das römische Kastell. Eine andere Grenze wäre die der Stadt selbst und der Name könnte insofern wegen eines Grenzstreits mit dem Ort Brie im Frühmittelalter zustande gekommen sein: „Canntstatt diß uralt Wappen führt Es damit seinen Ursprung ziehrt, Seines Nahmens alt herkommen zeigt Ist den Fuhrleuthen wohlgeneigt. Die Statt billich ein Kanten führt Damit ihr Glegenheit fein ziehrt, Denn um die Statt viel Weinberg ligen, Die ich im Herbst hab oft bestigen … Vergebens nicht den Nahmen hat, Der Ort heißt da die Kanttenstatt, Denn als die Bawleut wolten zankhen, Und ihrer zweierlei Gedankhen, Ob sie die Statt übern Neccar wollen Oder sie herwarts solten stellen, Da das Dorf Brey gebawen war Vor dieser Statt viel hundert Jahr, Stelten sie das Schenkhfaß mit Wein, 38 Vgl. J. Engelhorn: „Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde“, Bd. 21, Stuttgart 1917, S. 90/ Karl Schumacher: „Siedelungs- und Kulturgeschichte der Rheinlande von der Urzeit bis in das Mittelalter“, 1. Bd., Mainz 1921, S. 123. 39 Gustav Schwab: „Wanderungen durch Schwaben“, Leipzig 1851, S. 7. Schwab zieht einen Vergleich mit dem tschechischen Kunstadt. Gewicht hat diese Hypothese durch die tatsächlich häufigen Besitzwechsel. Zahlreiche Klöster besaßen Weingüter in Cannstatt und Adelige hatten Grundstücke. 40 Hierzu Klaus Kortüm: „Portus – Pforzheim. Untersuchungen zur Archäologie und Geschichte in römischer Zeit“, Sigmaringen 1995. 41 Pforzheim ist in seltener Weise nach seiner Funktion benannt; vielleicht darf Cannstatt ähnlich interpretiert werden. 42 G. W. Kleinsträttl hat sich 1655 auf seiner Stadtkarte verschrieben und nachträglich ein „t“ hinter das N angefügt. 43 Memminger, ebd. Zu den unterschiedlichen Deutungen siehe auch Olaf Schulze, in: Bast/ Schwenk 2014, S. 35-36. 15 Sprachen, da solt die Canntstatt seyn, Darauf die Statt war auffgericht Die man auf diesen Tag noch sicht.“44 Nicht von der Hand zu weisen ist die Hypothese, dass der Ort ja nach einer hier gefundenen Kanne benannt sein könnte.45 Die Assoziation wird abgelehnt mit dem korrekten Hinweis, der Ortsname habe lange vor dem Stadtwappen mit Kanne bestanden. Im Umkehrschluss bedeutet das aber nicht, dass eine Kanne als Wortursprung völlig auszuschließen ist. Die Hypothese der einzelnen Kanne ist vielmehr daher unwahrscheinlich, weil ein solches Kunstwerk dann ein außergewöhnlich kostbares, heiliges oder besonders auffälliges Stück sein müsste; und ein solches ist nicht bekannt. Außer dem Bad sind, noch mehr, Handwerk, Weinbau, Fischfang, die übrige Landwirtschaft und der Handel mit den Produkten aus diesen Erwerbszweigen für Cannstatt von Bedeutung.46 Mancher lokalen Besonderheit wurde vielleicht ein solches Gewicht beigemessen, dass sie in emblematischer Form auf das Stadtwappen kam, wenngleich nicht mehrere Symbole zu sehen sind, sondern nur eines – die Kanne. Schriftquellen berichten immer wieder u.a. von der Bedeutung des Weinbaus und Sauerwassers, insofern hatten Herstellung und Gebrauch verschiedener Behälter eine ungewöhnlich große Bedeutung. Das erste bekannte Wappen aus Cannstatt stellt eine bauchige Kanne dar, welche entweder in der Art von Terrakotten gebrannt ist, oder als Metallguss möglich. Besonderheiten sind der ringförmige Henkel ganz oben (Tragering) sowie das sehr kurze Ausgussrohr. Es handelt sich hierbei um das Emblem des Ortsadeligen „Hainricus de Cannestat“, des Heinrich Schilling von Canstatt.47 Dessen Siegel taucht erstmals auf einem Schriftdokument im Jahr 1283 auf und stellt eine Kanne dar. Der Cannstatter Ortsadel scheint dieses Emblem weiter beibehalten zu haben und später abgewandelt. Kannen-Embleme sind von weiteren Geschlechtern aus Cannstatt bekannt. Der Stadtname bestand wahrscheinlich vor dem Geschlecht; er ist in die Familiennamen aufgenommen. [002] Der Tragering der ersten Kanne der Cannstatter erklärt sich wohl aus ihrer Funktion, sodass diese aufgehängt werden kann, wie ein Kessel über dem Feuer.48 Darin wird vor allem Wasser erhitzt. Auf einer spätmittelalterlichen Bade-Darstellung um 1400 ähnelt die „Bad-Kanne“ verblüffend dem Emblem der Schilling von Canstatt um 1450. Dieses hat, anders als das ältere von 1283, nun eine kugelige Form mit Fuß und neben dem Ringverschluss einen zusätzlichen ringförmigen Henkel an der Seite. Eventuell ist dies ein Kupferkessel.49 Vielleicht hatten die Schilling mit dem Bader- Handwerk zu tun. [004]50 Krüge der römischen Antike sind ebenso bauchig in der Form, haben allerdings keinen Tragering. Das seit dem 15. Jh. gebräuchliche Stadtwappen stellt demgegenüber eine wesentlich abweichende Kannenform, ab dem 17. Jh. mit Jesusmonogramm ihs, dar, vielleicht eine Abendmahlskanne.51 Die 44 Jakob Frischlin 1580, S. 3. Vgl. Memminger 1812, S. 69. Im 15. Jahrhundert wurde Altenburg-Brie eingemeindet. 45 Ebd. Vgl. Loh 1877, S. 10-12. Entsprechende Keramik ist auch aus der sogenannten Latène-Zeit (v.Chr.) bekannt. 46 Zu Handwerk und Handel in Cannstatt siehe Jürgen Hagel 2002. Zum Weinbau: Hans Otto Stroheker: „75 Jahre Weingärtnergenossenschaft Bad Cannstatt e.G.“, Stuttgart 1998/ Alfred Weber: „Lebenslese. Ein Wengerter aus Uhlbach erzählt“, Tübingen 1997; Zeitschrift „Rebe & Wein“, Bd. 45, Stuttgart 1992, S. 13 ff. 47 Angehörige der Adelsfamilie Schilling von Canstatt leben noch heute. Leider lässt sich nicht begründen, warum die Schilling eine Kanne im Familienwappen führen. Vgl. „Geschichte – Verband des Hauses Schilling“ online: https://schilling-association.org/index.php/geschichte-sued.html. Aufgerufen am 11.03.2022. 48 Mehrere Gefäße gleichzeitig wurden mit einem Tragestock transportiert, der durch die Trageringe geführt wurde. 49 Kurioserweise ist eine Kanne auf dem Familienwappen der Schilling um 1450 im nahezu gleichen Neigungswinkel abgebildet wie die Bad-Kanne/ 'Gießkanne' auf dem Bild „Maria im Bade“ aus einem Stundenbuch um 1400. [003] 50 Diese vom Verfasser der vorliegenden Arbeit aufgestellte Hypothese konnte von den Nachkommen der Schilling (Herrn Christian von Schilling) zwar nicht bestätigt werden, wird aber durch das ähnliche Adelssiegel des Diepold von Bad Gastein unterstützt. Bad Gleichenbergs Amphore symbolisiert zusätzlich die römische Ortsgeschichte. 51 Vgl. Heinz Bardua: „Stuttgarter Wappen. Wappenführung und heraldische Traditionen der Stadt und ihrer Vororte“, Stuttgart 1973, S. 34 ff. Angeblich war im Cannstatter Rathaus einst ein Glasgemälde der Kanne ausgestellt. Diese Kannenform wird teilweise auch mit einer „Küferstütze“ aus dem Weinbau in Verbindung gebracht. (Vgl. Daiber 1878, S. 19). Auf einem Stadtsiegel von 1486 ist er Schriftzug „Sigilum civium in Canstat“ zu lesen. [005] 16 Form der Kanne ist genau umgekehrt, konkav, anstatt wie zuvor konvex.52 Von diesem Emblem sind die Stadtfarben Rot und Weiß, letzteres in der Heraldik als Silber, abgeleitet. Es gibt nun ein langes Ausgussrohr unten und das Gefäß ist mittig markant verjüngt, unten ausladend. [005] Die wohl aus stilistischen Gründen abgewandelte Kanne hat nun eine Glockenform.53 [006] Das Material mit den Verzierungen wirkt metallisch, wohingegen das des Emblems von 1283 vielleicht Terracotta sein könnte.54 Lediglich der beibehaltene Tragering oben gibt diese „Glocke“ noch als ein Cannstatter Exponat zu erkennen. Sakrale Glocken mit Jesusmonogramm sind verbreitet. Die Glockenkanne55 hat zusätzlich einen Deckel über dem Ausguss. Ein echtes Gefäß mit typischer Form liegt jedoch weder archäologisch noch bildlich reproduziert vor.56 Insofern müsste anstelle von einer einzigen vielleicht von mehreren Kannen oder gar einer Werkstatt für Behältnisse ausgegangen werden. Eine beträchtliche Anzahl von römischen Brennöfen mit Ziegelei und Töpfereibetrieben belegt, dass hier eine nennenswerte Gewerbeansiedlung war und ein Haupterwerbszweig der Bewohner auf der Herstellung von Keramikwaren aller Art lag – wie der Terra Sigillata.57 Dies war mutmaßlich der größte Gewerbebetrieb am mittleren Neckar.58 Über 80 Ofenanlagen und mehr als 13 TöpferÖfen werden gezählt.59 Im 19. Jh. gab es wieder mehrere Ziegeleien.60 Im Cannstatter Boden trifft man in den oberen Erdschichten neben dem Travertin häufig auf Lösslehm und unter anderem am Seelberg befand sich eine von 23 Lehmgruben, von alters her zum Brennen abgebaut. Die Kelten sind ebenfalls für Handwerk und Schmiedekunst bekannt. In der Jungsteinzeit lebten buchstäblich die Bandkeramiker hier, wie in weiten Teilen Mitteleuropas. Trotzdem kann auch diese Hypothese kein Beweis sein.61 Sicher beinhaltete solch ein Gefäß auch bei den Römern nicht nur Wein: Gut vorstellbar ist, dass in den Töpfereien bauchige Gefäße eigens für Mineralwasser gebrannt wurden. Derartige Kannen oder Krüge wurden verkauft, gefüllt mit Mineralwasser für römische Trinkkuren oder den Hausbedarf. Selbst Mineralwasser-Krüge62 der Neuzeit, bestehend aus Ton oder aus Steinzeug, können aufgrund ihres Henkels sowie leichter Wölbung gewisse Ähnlichkeiten aufweisen. Oben ist kein Tragering, sondern wie in der Antike der Ausguss und der Henkel seitlich. Selterskrüge wurden seit dem 18. Jahrhundert in Serie gefertigt für den Versand von Sprudelwasser. Jedenfalls passt die Hypothese 52 Wegen der konkaven Form kann es sich unmöglich um ein Weinfass handeln – Fässer sind naturgemäß konvex. 53 Tatsache ist, dass die verschiedenen Geschlechter Cannstatts auch verschiedene Kannenformen im Wappen haben. Dies entspricht der spätmittelalterlichen Heraldik, in der sogenannte Zunft- und Geschlechterkannen häufig sind – Stichwort „Zinngießerei“. Nicht selten wählten Gastwirte und Bader eine Kanne als Wappen. Die Form des Gefäßes im Stadtwappen verändert sich wahrscheinlich parallel zum aktuellen Kunststil. Gemeinsam haben alle Cannstatter Kannen aber den Tragering, der Ausguss befindet sich meist auf der linken Seite des Emblems (heraldisch rechts). 54 Vgl. Uwe Lobbedey: „Untersuchungen mittelalterlicher Keramik vornehmlich aus Südwestdeutschland“, Berlin 1968, S. 42. Er verweist auf: „Fundberichte aus Schwaben 1962“. Seit 1560 sind die Farben Rot-Weiß überliefert. 55 Diese Kannenform wird als Typus in der Tat „Glockenkanne“ genannt, z.B. Zürcher oder St. Galler Glockenkannen aus Zinn. Solche wurden vorwiegend in der Neuzeit gegossen. In der Abschrift einer Urkunde aus dem Kloster St Gallen wurde Cannstatt ja erstmals erwähnt – Glockenkannen sind seit dem späten 15. Jh. bekannt. 56 Eine weitere Kannenform (mit Henkel, ohne Tragering) ist auf der Stadtvedute von Merian 1643 abgebildet. [009] Bei Merian ist auch das „außerhalb der Statt“ gelegene Bad erwähnt, es sei gegen Krätze und Erkältung heilsam. Den Tragering und einen Henkel hat das Kannen-Emblem auf der Marke der im 19. Jh. gebrannten Steinzeugkrüge. 57 Schon Ende des 19. Jahrhunderts wurden bei der Entdeckung des Römerkastells auch Tonwaren und Öfen gefunden. Vgl. Ulrich Brandl/ Emmi Federhofer: „Ton + Technik. Römische Ziegel“, in: Schriften des Limesmuseums Aalen Nr. 61, Stuttgart 2010. Erst 2009 wurden einige weitere römische Brennöfen am Sparrhärmlingweg in Bad Cannstatt ausgegraben. Zu antiker Töpfereikunst auch Maximilian Grimm 2004: Kurzgeschichte einer römischen Öllampe, in: Julia Drumm/ Roland Frölich (Hrsg.): „Innovative Methoden für den Lateinunterricht“, Göttingen 2011, S. 256 (2.5.1 „Museumsbesuche“, veröffentlicht durch Joanna Siemer). Siehe auch Robert Knorr (Anm.59). 58 Siehe Cannstatter Zeitung vom 13.05.2009: „Große römische Töpferindustrie entdeckt. Bad Cannstatt – Größter Gewerbebetrieb römischer Zeit am Mittleren Neckar am Sparrhärmlingweg“ von Iris Frey. 59 Ebd. Vgl. Robert Knorr: 'Die verzierten Terra sigillata-Gefäße von Cannstatt und Köngen-Grinario', Stuttgart 1905. 60 Um 1900 wurde auch die moderne, die „Alte Ziegelei“ (obere Ziegelei) aufgegeben: Stadtarchiv Stuttgart 2519/2. 61 Vgl.: „Die Töpfe des Hilario. Antike Kannenbäcker am Neckar – Die römische Töpferei von Stuttgart-Bad Cannstatt im Lichte neuer Ausgrabungen“, eine Ausstellung im Stadtmuseum Bad Cannstatt vom 23.3.2011 bis 25.9.2011. 62 Die bauchige Version der Cannstatter Kanne ähnelt in ihrer Silhouette auch einem alten Mineralwasserkrug. 17 der „Kannenstadt“63 sehr gut zur Geschichte der Kurstadt. Eine nähere Betrachtung der Stadtwappen von Kurorten könnte diesbezüglich Aufschluss geben: Wenn Kurorte nicht etwa einen Brunnen im Stadtwappen tragen, kann optional ein Krug zu sehen sein.64 Dies wird an den zwei österreichischen Beispielen Bad Gastein und Bad Häring deutlich.65 Ähnlich wie in dem originalen Cannstatter Wappen ist der Silberkrug im Gasteiner Wappen einem mittelalterlichen Adelssiegel nachgebildet, und zwar dem 1327 erscheinenden Siegel des Diepold von Gastein.66 Bad-Kannen werden im Mittelalter dazu verwendet, um die Holzbadewannen mit Mineralwasser oder erhitztem Wasser zu befüllen. Selbstverständlich werden ähnliche Kannen zum Ausschenken von Trinkwasser, oder aber Bier und Wein, bei Tisch benutzt. Häufig kommt auch ein Äskulapstab mit Schlange in Bäder-Wappen vor, manchmal ein Badefass. Andere Bäder nehmen heraldisch betrachtet keinen symbolischen Bezug auf ihr Quellenvorkommen. Dass der Cannstatter Ortsadel des Spätmittelalters eine Kanne als Emblem wählte, sollte angesichts dieser Beobachtung durchaus mit dem Mineralwasserschatz in Verbindung gebracht werden dürfen.67 Bier und Wein wurden am Fass angezapft und aus einem andersartigen Behältnis getrunken, etwa aus einem Pokal, aus einem zylindrischen Krug ohne Ausguss oder aus einem Becher mit Fuß.68 Letztendlich ist die Argumentation mit dem redenden Wappen, das schlicht und ergreifend dem Ortsnamen abgeleitet worden sein soll, möglich, aber in Frage zu stellen.69 Schließlich sind es die Behälter, die drei der bedeutenderen Erwerbszweige der Handelsstadt symbolisch vereinen: Handwerk, Weinbau und das Badewesen. Das größte Produktionsgebiet für Steinzeugwaren, gelegen zwischen Westerwald und Rhein, ist überregional bekannt als sogenanntes „Kannenbäckerland“.70 Besonders begehrt sind Trinkkrüge aus Steinzeug, befüllt mit dem Selters-Mineralwasser oder leer.71 Bei aller Spekulation: Selbst der Mythos der „Kannenstadt“ hat mittlerweile Quellenwert.72 Am meisten überzeugen die Herleitungen des Namens aus Kantstat für eine Grenzstadt oder eben die der Kannenstadt, nicht als römischer, sondern als deutscher Name. Wahrscheinlich sollte man das Wurzelwort in der Funktion dieses Orts suchen, denn ein Kaiser, ein Volk oder eine Gottheit usw. konnte noch von niemandem mit der Neckarstadt identifiziert werden, ebenso wenig etwa ein antiker Kurort. Dass Fremde meistens die Assoziation einer Kanne haben, wenn sie diesen Stadtnamen hören, sagt mindestens so viel aus wie die Tatsache, dass die Kanne im Stadtwappen wirklich erscheint. In der älteren meint der Verfasser 63 Das Stadtmuseum Bad Cannstatt widmet eine Vitrine eigens der Cannstatter Kanne bzw. „Kannenstadt“. 64 Weitere Beispiele: Jebenhausen (Gesundbrunnen Göppingen), Selters (Taunus), Boxtal (Freudenberg am Main). 65 Vgl. Peter Anreiter/ Christian Chapman/ Gerhard Rampl: „Die Gemeindenamen Tirols. Herkunft und Bedeutung“, Innsbruck 2009, S. 281 (Bad Häring). Gastein ist seit dem Mittelalter Heilquellen-Kurort. 66 Vgl. Informationen zur Gemeinde Bad Gasteins online: https://www.bad-gastein.at/informationen/infos-bad-gastein/ Aufgerufen am 11.03.2022. Siehe auch Heinrich von Zimburg: „Die Geschichte Gasteins und des Gasteiner Tales“, Wien 1948, S. 30; Karl Reißacher: „Der Kurort Wildbad-Gastein, mit besonderer Rücksicht auf die Thermal- Quellen“, Salzburg 1865, S. 48; Herbert Wilhelm Duda: „Balkantürkische Studien“, Hrsg. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Bde. 225-226, Wien 1949, S. 167. 67 In gewöhnlichen Stadtwappen, nicht allein in denen von Kurorten, können gleichfalls Krüge oder Kannen zu finden sein: Die Stadt Kandern, Lkr. Lörrach, hat eine Kanne im Wappen, der Name leitet sich ab vom gleichnamigen Bach der Örtlichkeit und stammt wohl aus dem keltischen Wortschatz. (Vgl. Tonwerke Kandern). Kander bedeutete bei den Kelten etwa: Glänzend. Dem ersten Cannstatter Emblem ähnelt die Kanne im Wappen des Orts Holzheim. Auch dieses Ortswappen ist einem Adelsgeschlecht entnommen: Dem der Herren von Holzheim (Donau-Ries). 68 Im Ortswappen der Ortsgemeinde Hillscheid im Westerwald sind drei Steinzeugkrüge neuerer Machart abgebildet, die dort traditionell hergestellt wurden. Gleiches gilt für die Gemeinden Ransbach-Baumbach, Höhr-Grenzhausen und überhaupt für die Repräsentation des Westerwaldkreises. Diese Embleme symbolisieren die Gefäßherstellung. 69 Als Vergleich sollen hier die Stuttgarter Stute und der Münchener Mönch genügen. Auch in diesen beiden Fällen ist das Stadtwappen eben nicht nur ein redendes, sondern nimmt eindeutig Bezug auf die Kulturgeschichte der Orte. 70 Siehe auch Konrad Schneider: „Der Mineralwasserversand und seine Gefässproduktion im rheinisch-hessischen Raum vom 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts“, Koblenz 2000. 71 Ähnlich wie das Wort Kannenbäckerland ist der Name Kannstadt möglicherweise nicht wörtlich zu nehmen: Sprich, es sind darin nicht bloß Kannen inbegriffen, sondern diverse Gefäße bis hin zu Ziegelsteinen o. ä. Obwohl man eben von dem Kannenbäckerland spricht, wurden dort doch verschiedenste Formen hergestellt. 72 Frischlin 1580, S. 3/ Lentilius 1710, S. 1/ Memminger 1812, S. 64-69; OAB 1832, S. 98/ Tritschler 1841, S. 18. 18 einen mittelalterlichen Wasserkocher73 zu erkennen; in der jüngeren eine neuzeitliche Glockenkanne aus Zinn,74 beide mit einem Schraubverschluss und Ring. Nun soll näher auf die römische Siedlung eingegangen werden, die um etwa 85 n. Chr. entstand und sich zu Beginn des zweiten Jahrhunderts ausdehnt. Zu den Infrastrukturen der Römer zählen neben Befestigungen nicht zuletzt Badeanlagen; in der Provinz Obergermanien werden unter anderem Badeorte angelegt. 100. Antike Badeanlagen Als Badestellen geeignet sind zunächst natürliche Gewässer. Der Aufwand einer Konstruktion wird von primitiveren Lebewesen nur dann vorgenommen, wenn es um Nahrungsquellen, Schlafplätze, Witterungsschutz, Aufzucht oder Arterhaltung geht.75 Die ersten menschlichen Hochkulturen fingen an, Bauwerke zu errichten, welche über die dringlichsten Bedürfnisse unseres Lebens hinaus gehen, nützlich, nicht lebensnotwendig. Hinter den Bauwerken, die Schutz vor Witterung und Angreifern gewährleisten, folgen Anlagen der Versorgung, des Ackerbaues und der Viehzucht. Erst an dritter oder vierter Stelle stehen Bauten zur Bequemlichkeit, zu denen Brunnenschächte und Waschplätze zählen. Zur Erleichterung des Gebrauchs, oder wie Tempel aus Glaubensgründen, bauen Menschen die Bäder. Drei bis zwei Jahrtausende vor Christus gibt es frühe Beispiele bei der Indus-Kultur, der ersten Zivilisation mit einer urbanen Wasserversorgung, in Mesopotamien bei den Babyloniern, in Ägypten bei den Pharaonen, wohl auch in Mittelamerika bei den Maya, vielleicht in Südostasien bei den alten Chinesen. Parallel und wohl ohne voneinander zu wissen, entwickelten die verschiedenen Völker ihre eigenen Architekturen. Der Prototyp eines öffentlichen Bades in der Zivilisation besteht aus einem wasserdichten Becken mit hinabführenden Treppenstufen. Von den Griechen werden die Formen weiterentwickelt, Badebecken werden überdacht, erhalten Zu- und Abflüsse, oder, wenn sie keinen Warmwasserzufluss haben, werden sie zusätzlich mit Öfen beheizt. Das griechische balaneion enthält zudem einen Salbraum.76 Ab dem vierten Jahrhundert v. Chr. werden in zahlreichen Städten, den poleis, öffentliche und private Bäder eingerichtet. Diese Bäder sind ein wichtiger Bestandteil des Alltags, auf die Körperreinigung wird viel Wert gelegt. Badewannen werden entworfen und nach bestimmten Typen in Serie aus Tonerde gebrannt. Größere Ausmaße erreichen die Badeanlagen auf dem olympischen Sportplatz und Gymnasion. Griechische Athleten und Krieger sind sehr gute Schwimmer und Taucher.77 Zu den Reinigungsbädern kommen verstärkt Heilbäder hinzu. Ärzte wie Hippokrates praktizieren eine Hydrotherapie, die zu den Pharaonen zurück reicht. Heilquellen werden den Göttern geweiht; Asklepios ist in der griechischen Mythologie der Gott für Heilkunst. Tempel wie das Asklepieion78 auf Kos verfügen bereits über Patientenzimmer und können somit als erstes Sanatorium bezeichnet werden, ein Haus für die Gesundheit, für Kranke, Gäste und Heilungssuchende. Die alten Griechen bringen ihre Badekultur, Wasser- und Naturheilkunde mit nach Kampanien, die Römer verbreiten sie von dort erst über Italien, dann in der alten Welt fast am ganzen Mittelmeer. Sie entwickeln ausgefeilte Versorgungssysteme mit Aquädukten, Hypokausten und Schwitzräumen etc. Aus den Sportbädern der Griechen machen die Römer ihre bekannten Thermen. Der Ort Baiae im Süden Italiens z.B. steigt auf zu einem viel besuchten Heilbad und Reiseort. Wie das Heilbad, so wird auch 73 Im Mittelalter wie heute liegt der Vorteil von Wasserkochern darin, dass das Wasser schneller erhitzt werden kann als in einem Kochtopf bzw. Kessel wie in der Eignung des Gefäßes für kleinere Füllmengen. Hitze entweicht kaum. 74 Zinnkannen werden entsprechend mit den verschiedensten Flüssigkeiten befüllt, ohne einseitigen Nutzen. 75 Keineswegs ist allein der Mensch zu Konstruktionen fähig – siehe z.B. Nestbau der Vögel. 76 Vgl. Ziegler 2004, S. 47-48. 77 Vgl. Prignitz 1986, S. 15. 78 Nach den Griechen betrieben ab dem ersten Jh. n. Chr. Römer das Asklepieion auf Kos weiter, Beleg: Bauwerke. 19 der Heilbrunnen geschätzt und fleißig getrunken. Nach Christi Geburt erreicht der Bau der römischen Thermen einen Höhepunkt, die Kaiserthermen sind seit den Nero-Thermen in Rom anno 62 zu gigantischen Anlagen von aufgerundeten 200x100 Metern angewachsen. Ein symmetrischer Grundriss mit großem, zentralem Kuppelbau bildet sich heraus. Im Zentrum befinden sich die großen Baderäume wie das tepidarium (Warmbad), caldarium (Heißbad), frigidarium (Kaltbad). Nebenan gibt es Umkleideräume und Schwitzbäder. Zusätzlich erhalten typische Kaiser-Thermen ein natatio (Schwimmbecken) oder sogar eine Schwimmhalle, Ruheräume, wie griechische Vorgänger einen Sportplatz, eine Bibliothek, manchmal Schulräume, und Wandelgänge aus Kolonnaden und Arkaden. Die Thermen sind ein zentraler gesellschaftlicher Treffpunkt und dienen dem Wohlbefinden, der Körperpflege, Vorsorge und Erholung sowie nicht zuletzt der conversatio (Konversation). Die römische cura beginnt, sich zu urbanisieren. So werden immer mehr öffentliche Thermen mit oder ohne Heilquellen mitten in der Stadt aufgebaut, häufig neben einem Circus oder einem Theater. Dies ist kein Widerspruch zu den gleichzeitig existierenden Kurorten wie Baiae oder Kos, den Pilgerorten für Kranke. Welchen Stellenwert die Bäder bei den Römern haben, zeigt sich allein an ihrer überaus prächtigen Ausstattung, für die weder Kosten noch Mühen gescheut werden: Kunstvolle Mosaikfußböden, die optisch den Eindruck bewegter Wellen vortäuschen, weißer Marmor an Wänden und für Wannen, Fresken und Friese an Mauern, Kuppeln mit Oberlichtern und technisch hochwertige Heizungen im Fußboden. Die Baderäume sind durch ein System aus Aquaedukten stets mit Frischwasserzufuhr versorgt, ebenso gründlich fließt das Schmutzwasser in die cloaca und Kanalisation ab, sodass ein hohes Maß an Hygiene gewährleistet ist. Die Kuppelräume stehen akustisch derart, dass ständig das Wasserspiel zu hören ist, dies hat therapeutische Wirkung. Seneca berichtet von Wasserspeiern aus Gold und Silber, in Form von Delphinen-, Drachen- oder Schlangenköpfen.79 Die Heißräume sind nach der Sonne ausgerichtet, können bereits großflächig verglast werden, sodass die Sonnenwärme maximal in die warmen Badehallen geleitet werden kann. Auch in den Provinzen nördlich der Alpen legen die Römer ihre heimischen Bäder an, in größeren Städten sogar Kaiser-Thermen: In Aquae Granni (Aachen), Aquae Mattiacorum (Wiesbaden) sowie Aquae (Baden-Baden) gibt es natürlich heiße Quellen und im zweiten Jahrhundert die Thermen. In kleineren Siedlungen wie Cannstatt werden mehr private Bäder eingerichtet als große öffentliche Thermen.80 Aber wie schon die Griechen wissen Römer alle Heilquellen besonders zu schätzen. So verehren sie auch die Cannstatter Quellen. Die günstige Lage am Fluss nicer, abseits der Hochgebirge, mit Mineralquellen und geschützt vor zu kalten Winden, macht sich nun das römische Militär um 85 n. Chr. unter Domitian (51-96) bei den Expansionen von links des Oberrheins auf die rechtsrheinischen Gebiete zunutze. Der Raum Cannstatt liegt geographisch genau zwischen wichtigen Eroberungen in Obergermanien, im Süden und Norden wie auch im Westen. Römische Soldaten stoßen bis in den mittleren Neckarraum vor, erobern daraufhin die bei Cannstatt gelegenen Anlagen der Kelten und vertreiben die vereinzelt noch hier lebenden Germanen, romanisieren und rekrutieren sie aber auch für eigene Kriegszwecke. Manche Gegenden sind andererseits bei Ankunft der Römer verlassen. Der Weg führt an diesem Standort nicht vorbei, weil er in etwa auf einem strategisch vorgesehenen Kreuzungspunkt von mehreren Fernstraßen liegt, die Rom neu anlegen lässt und welche wichtige Provinzen und Orte miteinander verbinden: Um 90 Pforzheim mit Heidenheim auf einer West-Ost- Achse, wenig später Wimpfen mit Rottweil auf einer Nord-Süd-Achse. Nicht direkt auf dem antiken Straßennetz vollzogen, aber rein geographisch liegt Cannstatt darüber hinaus in der Mitte zwischen größeren Römerstädten wie Mainz und Augsburg. Auch dorthin werden über Umwege Anschlüsse hergestellt, außerdem über die westliche Route durch Pforzheim mit Baden-Baden und Straßburg, am Raum Bruchsal vorbei dann auch in die nördliche Richtung, u.a. mit Ladenburg und Mainz- 79 Seneca: epistulae 86,4. Das Thermen-Ensemble verschiedener Funktionsbauten sollte im 19.Jh. nachgeahmt werden. 80 Überreste römischer Thermen sind hier archäologisch noch nicht bekannt, aber sehr wahrscheinlich vorhanden. 20 Wiesbaden.81 Die römische Niederlassung bei Cannstatt befindet sich im östlichen Obergermanien, Germania superior genannt, wird zu einem wichtigen Militärstützpunkt für weitere Vorstöße nach Osten. Ein Kastell für eine Reitereinheit wird nahe dem späteren Cannstatt errichtet, lateinisch ala.82 Es befindet sich auf der strategisch günstigen Höhenlage des Hallschlags, circa einen Kilometer nördlich der jüngeren unteren Siedlung am Neckar. Von der Höhe wird das Neckartal überblickt. Der Schlüssel zum Erfolg dieser Eroberer liegt vor allem in bester Organisation und hochwertiger Technik, vorher Dagewesenes wird sehr häufig übertroffen. Um 155 gewinnt dann das rund fünfzig Kilometer weiter im Osten gelegene Militärlager bei Welzheim durch Vorverlegung der römischen Grenze an Bedeutung und die militärische Präsenz um Cannstatt wird weitgehend aufgegeben, aber die Siedlung auf der Höhe und an den Flussufern bei Cannstatt bleibt bestehen, weiterhin bewohnt und als Produktionsort in Betrieb. Frei zutage sprudelnde Mineralquellen stauen hier kleine Teiche an und bieten besondere Vorzüge, welche die Römer gerne nutzen. Das Wasser muss nicht einmal entdeckt oder erschlossen werden. Neben der militärisch weiter aufmerksam überwachten Kastellsiedlung entsteht in den zahlreichen Töpfereiwerkstätten der erste Produktionsort an dieser Stelle.83 Gefertigt werden neben Keramik nahezu alle Arten von Gebrauchs-Gegenständen, auch rituelle Objekte und Kunst. Der Ort steigt zum zentralen Anlaufpunkt für zahlreiche Menschen mit unterschiedlicher Motivation empor, wird Stützpunkt, Arbeitsplatz, Wohnort und Kriegsziel. Neben dem Kastell gibt es eine Wohnsiedlung mit typisch rechtwinkligem Straßennetz, einzelnen Gutshöfen in der Peripherie und Wohnhäusern in Fachwerk. Ein forum als Marktplatz und eine curia als politisches Versammlungs-Zentrum gehören stets zu einer Römerstadt von der Größe einer civitas.84 Die Siedlung bei Cannstatt bleibt Badeort und insbesondere die frühe Form einer regionalen, oberirdischen, Durchgangsstation.85 Die römische Badekultur ist nicht zuletzt in der Kunst verewigt. Im 2. Jahrhundert fertigen die hier lebenden Menschen zahlreiche Gebrauchs- und Kunstgegenstände im Stil ihres Heimatlandes an, zu denen einige sakrale Objekte gehören – eine ausgiebige Nutzung des Mineralwassers äußert sich sowohl in Brunnen, Wasserleitungen und Bädern als auch in der Kunst. Quellen gelten den Römern als heilig und werden in den Götterkult einbezogen: Es sind die Personifikationen von Naturkräften und ihre Behüter. Über die Gewässer und Quellen wachen bei den Römern nach der altgriechischen Mythologie diverse Nymphen, die sogenannten Najaden. Sobald eine Quelle versiegt, dann stirbt damit auch die Najade bzw. die Crinaea.86 Insbesondere Wasser mit Heilkräften wird verehrt und mit Darstellungen von Quellnymphen bedacht. Das Cannstatter Relief zweier solcher Nymphen zeigt zwei Frauengestalten, die einen Wasserkrug oder eine Amphore entleeren.87 Sie halten diese je zu ihrer rechten und linken Hand an den Henkeln und gießen sie in Richtung des Betrachters aus. Die beiden Figuren sind nackt und nach vorne laufend dargestellt, fast spiegelsymmetrisch auseinander gehend. Ihre langen Haare sind zu Zöpfen geflochten und die Blicke gehen am Betrachter vorbei. Dieses Kunstwerk steht für die Nutzung und 81 Heutige Bundesstraßen und Bahnlinien sind häufig an der antiken Führung orientiert, die strategisch-topographisch vorgeht. Handelswege entlang dieser Verkehrs-Achsen haben hierzulande mit die ältesten Städte entstehen lassen. Unter den ältesten Städten in Südwest-Deutschland sind die oben genannten, die aufgrund dessen hauptsächlich zu Arbeitsplätzen und ersten Handelsstädten sowie Industriestandorten geworden sind. 82 Vgl. hierzu die Namensableitung „Alamannen“; oder auch den Stadtnamen „Aalen“ (Latein: „ala“=Hilfstrupp). 83 Seit Ende des 19. Jahrhunderts werden auf dem Hallschlag und der Altenburg immer wieder Töpfereien entdeckt. 84 Bis heute ist allerdings die rechtliche/ politische Position des römischen Cannstatt archäologisch nicht bekannt. 85 Römer haben die entsprechenden Erstanlagen archäologisch nachweisbar hergestellt, die eine Basis darstellen für alle späteren, in Cannstatt stets bestehenden und bis heute hoch aktuellen Strukturen – speziell im Verkehrswesen. Vgl. mit Stuttgart 21. Cannstatt verfügte stets über einen Durchgangsbahnhof und die Infrastruktur besteht seit den Anfängen in sehr ähnlicher Form. Von Beginn an hat sich neben der Badekultur ein Produktionsstandort etabliert. 86 Crinaeae sind Quellnymphen, die auch als Brunnennymphen bezeichnet werden können. 87 Das ca. 25x15 cm kleine Steinrelief wurde 1984 gefunden in der Duisburger Straße in Bad Cannstatt, wo eine Kopie in einem Betonklotz aufgestellt ist. Das Original, ein Weihestein eines Brunnens, befindet sich im Lapidarium des Landesmuseums Württemberg in Stuttgart. Vgl. Kieferle 2016, S. 31-32. Ein weiteres Relief einer Brunnennymphe wurde an der Westecke des Römerkastells gefunden. Von diesem ist nur ein Fragment erhalten – erkennbar sind Körperteile wie eine Hand und die Darstellung von Wasser. 21 Verehrung der örtlichen Heilquellen, deren Wirkung daher bereits erprobt sein muss. [001]88 Aus ihrem Heimatland kennen die Römer den Sauerwasserkalk Travertin, der wie um Rom auch bei Cannstatt ansteht. Die versierten Techniker bauen ihn ab und verwenden ihn für ihre Bauten. Das Gelände des Kastells auf der Anhöhe wird mit Mineralwasser einer eigenen Quelle versorgt, durch einen aus Cannstatter Travertin, gelblicher als der römische, gemauerten Brunnenschacht.89 Eine Jupiter-Gigantensäule steht innerhalb der Kastellmauern. Das steinerne, ca. 220x171 Meter messende Reiterkastell ist vermutlich ein sogenanntes Alenkastell, also für eine Militäreinheit aus etwa 500 bis zu 1.000 Reitern.90 Der Name „Altenburg“ bezeichnet im weitesten Sinne wohl eine Burg der Alten, sprich eine alte Festung.91 Ab etwa 200 n. Chr. sind nur noch wenige Anlagen vorhanden, schließlich werden die römischen Siedler von Alamannen verdrängt.92 Um 236 findet eine Schlacht zwischen Alamannen und Römern bei Cannstatt statt, wie ein Grabstein belegt.93 Die Römer versuchen dann noch, mithilfe schwerer Kavallerie, ihr erobertes Reich zu verteidigen oder zurück zu erobern und setzen dabei sogenannte Kataphrakte ein, voll gepanzerte Reiter auf gepanzerten Pferden, verstärkt in den spätrömischen und byzantinischen Armeen im Orient eingesetzt. Nachdem spätestens im 3. Jahrhundert die Römer von Alamannen vertrieben wurden, besiedeln letztere den Ort, bis sie ihrerseits von den Franken besiegt werden. Die Franken errichten neben dem römischen Kastell eine neue Burg.94 Aus dem 6. und 7. Jahrhundert hinterlassen die Franken Gräber mit Travertin-Platten, darin besonders Waffen und Beigaben wie Schmuck. Ein Ausmaß der Verwüstung und Plünderung nach den Alamanneneinfällen und ein Abtragen wiederverwendbarer Steine ist anzunehmen. In Cannstatt könnte dies aufgrund des im Steinbruch nur schwer abbaubaren Travertins, wegen der Verkehrslage als auch der weiteren Bebauung überdurchschnittlich gewesen sein, sodass Spuren römischer Präsenz teils verloren gingen. Für eine unterschätzte Ausdehnung der römischen Siedlung sprechen Streufunde, die, etwa von der Altenburg im Norden bis zu dem Uff- Kirchhof im Süden, ein Areal von mindestens 100 Hektar abdecken, was sogar die mittelalterliche Größe der Stadt bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts übertreffen würde. In der näheren Umgebung tauchen auch immer wieder Funde auf,95 wie etwa in Stuttgart-Zazenhausen bei Zuffenhausen oder in Stuttgart-Münster. Mehrere Badeanlagen mit Hypokausten errichten die Römer an den Cannstatter Neckarufern: „(...) halbrunde, mit Treppen versehene ausgegypste Bassins von verschiedener Grösse (...)“ mit Estrich- Böden und Wasserleitungen.96 Ziegel, Geschirr und Münzen von Marcus Aurelius, Antoninus Pius, 88 Sämtliche Abbildungen im Fließtext werden mit einer eckigen Klammer und der Abbildungsnummer darin [Nr.] gekennzeichnet. Die Abbildungen befinden sich im Teil B (Bildteil) der vorliegenden Arbeit. 89 Der römische Brunnenschacht aus Travertin wurde Anfang des 20. Jh. freigelegt. Der Brunnen beweist die Nutzung von Mineralwasser zumindest als Trink- oder Brauchwasser. Ein weiterer Römer-Brunnen wurde in der Siedlung neben dem Kastell entdeckt, sogar das originale Rad und ein erhaltener Eimer konnten aus dem Schacht geborgen werden. Siehe M. Bräuhäuser: „Der Cannstatter Sauerwasserkalk“, in: „Die Bodenschätze Württembergs“, Stuttgart 1912, S. 2. 90 Filtzinger/ Planck/ Cämmerer 1986, S. 327: Das Steinkastell folgte auf ein älteres Provisorium aus Holz und Lehm. 91 Seit dem 18. Jh. waren auf dem Altenburger Feld archäologische Einzelfunde gemacht worden. Vgl. Tritschler 1823/ Abele 1844. Von 1894-1896 begannen der Cannstatter Altertumsverein und die württembergischen Landesbehörden, unterstützt durch die Reichs-Limes-Kommission, nach der Entdeckung dieses Kastells durch Ernst Kapff (1863- 1944) mit Ausgrabungen auf archäologischer und wissenschaftlicher Basis. Siehe C. H. Beck 1900, S. 191-197. 92 Es wird vermutet, dass Cannstatt eine Residenz der Alemannen-Fürsten wurde: Siehe Memminger 1812, S. 114. 93 Hierzu Peter Goessler: „Neue römische Funde aus Cannstatt. Ein Beitrag zu den Alamannenkämpfen des dritten Jahrhunderts n. Chr.“, Frankfurt a. M. 1931 (1 Blatt mit Abb.). Kopie des Grabsteins in der Gasse Badgraben (B.C.). 94 Im Frühling 2016 wurden zwei Meter dicke Mauern dieser Burg entdeckt, die bisher nur auf Flurkarten erwähnt war und nach welcher die Gemarkung benannt ist: Die Altenburg. Hierzu Cannstatter Zeitung vom 29.7.2016/ Moritz Foth: Artikel „Altenburg“ im Digitalen Stadtlexikon Stuttgart, veröffentlicht am 8.1.2019. Siehe ε. (Catalogus). 95 Hierzu ausführlich auch das Werk von Paret 1925. Die Badbrunnenstraße u.a. lässt mögliche Rückschlüsse zu. 96 Überreste dieser Badeanlagen wurden 1818 bei der Versetzung des Frösner'schen Bades an die Badstraße gefunden, dazu wurden auch die Quellen „Männlein“ und „Weiblein“ am Standort des umgezogenen Hotelbaus neu gefasst. Zit. Tritschler 1841, S. 11/ Veiel 1852, S. 2/ Abele 1844, S. 137. Abele spricht von „Deicheln, Kessel, Hahnen“. 22 Hadrianus sowie der Faustina aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts sind hinterlassen.97 Als die Römer vertrieben waren, wurden ihre funktionstüchtigen Badeanlagen wahrscheinlich noch eine Weile von den Alamannen und vor allem von den Franken, welche in Aachen Thermen ausbauen, genutzt. In Cannstatt bauten sie wohl keine eigenen Bäder nach diesem Vorbild.98 Beidseitig des Neckars sind noch mehr römische Badeanlagen zu vermuten, dort wo Mineralquellen auftreten.99 Neben dem Kastell gibt es ein Kastellbad100 sowie in dem nördlich benachbarten Zazenhausen ein Militärbad mit zwölf Meter langer Sitzbank und mit einem Schwimmbecken samt Treppenstufen.101 Wohlhabenden gehörten in der Umgebung einzelne Gutshäuser mit Privatbädern, darin beheizte Fußböden und Marmorwände sowie ein Dampfkessel aus Bronze, über einer kleinen Feuerstelle auf Säulen stehend. Insbesondere Reliefs, Marmor-Figuren und Wandmalereien nach pompejanischer Manier kamen dabei zum Vorschein.102 Römische Badeanlagen, denn frühere Völker errichteten hier wohl keine Bäder, stehen demnach am Beginn der Urbanisierung Cannstatts als Bad.103 1000. Badewesen im Mittelalter Mit dem Niedergang des Imperium Romanum ab 476 geht im Westen auch die große altertümliche Badekultur zurück, im Osten aber, im byzantinischen Reich, wird sie weiter gepflegt. Mit wenigen Ausnahmen, im fränkischen Raum in Aachen etwa, gibt es die Thermen und den Schwimmsport weiterhin.104 Über ein vorstellbares Badewesen zu den Zeiten der Völkerwanderung ist nur wenig bekannt. Möglicherweise wurden antike Bäder weiter genutzt, in ähnlicher Form wiederaufgebaut, allein es mangelt an schriftlichen oder archäologischen Zeugnissen. In den frühesten alemannischen und bairischen Rechtsbüchern, wie beispielsweise in der Lex Baiuvariorum, die im sechsten, siebten und achten Jahrhundert verfasst wird, ist ein balnearius erwähnt.105 Auf der Altenburg bei Cannstatt befindet sich seit dem 6. Jahrhundert eine der ersten Kirchen im mittleren Neckarraum, die Kirche Sankt Martin mit Friedhof.106 Anno 708 wird Cannstatt erstmalig schriftlich erwähnt, wie die Traditionsnotiz einer Urkunde des schwäbischen Klosters Sankt Gallen belegt:107 „Gotefridus Alemannia Dux tradit Biberburgum vicum ad Neccarum. Godafridus dux, vir inluster. Magulfus presbyter et pastor sancti Galluni, ad potentiam nostram veniens, suggessit atque petivit consolationem nostram, ut aliquid ad luminaria sancti Galluni ecclesiae concedere 97 Veiel 1867, S. 2-3. Die Münzfunde lassen darauf schließen, dass es sich hierbei um ein öffentliches Bad handelte. 98 Spuren alemannischer oder auch fränkischer Badeanlagen sind weder archäologisch noch schriftlich bekannt. 99 Sollten zukünftig Grabungen an diesen Stellen möglich werden, würde man mit hoher Wahrscheinlichkeit Funde römischen Badelebens machen. Im Bereich der Wilhelma wurden ebenfalls römische Wasserleitungen entdeckt, 1844 auch in Stuttgart-Münster „am Klosterhof“ ein Gutshof mit Bädern. Hierzu Abele 1844, S. 133 ff. 100 Hierzu A. Thiel: Artikel „Römerkastell“, publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart (Stadtlexikon), siehe ε. 101 Hierzu Memminger 1812, S. 250-253/ Tritschler 1823, S. 1 ff./ Abele 1844, S. 133 ff./ Veiel 1852, S. 1 ff. 102 Siehe Tritschler 1841, S. 12. Vgl. Oskar Paret: „Urgeschichte Württembergs mit besonderer Berücksichtigung des mittleren Neckarlandes“, Stuttgart 1921, S. 212. 103 Zwar soll hier keineswegs die Hypothese aufgestellt werden, dass Cannstatt etwa als ein reines Kurbad entstanden wäre, durchaus aber dieser wesentliche Aspekt seiner Stadtentwicklung erforscht und dargestellt werden. Umso mehr gilt dies für die Gesamtentwicklung ab dem 20. Jh. – als Stadtbezirk innerhalb der Großstadt Stuttgart. 104 Hierzu H. Bredekamp: „Der schwimmende Souverän. Karl der Große und die Bildpolitik des Körpers“, Berlin 2014. 105 Siehe hierzu J. N. Mederer: „Leges Bajuvariorum“, Ingolstadt 1793, S. 1 ff. 106 Die Martinskirche ist die „Mutterkirche“ des Orts Stuttgart, der erst im 10. Jh. als „Stutengarten“ entsteht. Cannstatt ist die „Mutterstadt“ Stuttgarts, das bis 1321 zur Cannstatter Pfarrei gehörte. Etwas jünger, aber ähnlich bedeutsam, ist die Uffkirche über der alten Römersiedlung rechts des Neckars. Die katholische Martinskirche stand zuerst wohl im oder neben dem Steigfriedhof, der ältesten Begräbnisstätte in Stuttgart. Die Kirche St. Martin wurde 1511-1516 vermutlich wegen eines Brandes auf der Höhe abgetragen und in der Neckarvorstadt, unterhalb der Altenburg, aus Stein wiederaufgebaut. 1858 neu eingeweiht - siehe auch Memminger 1812, S. 80. Vgl. Rilling 1967, S. 114-115. 107 Als Traditionsnotiz kann diese „Urkunde“ durchaus später, in Schwaben, entstanden sein, eventuell eine Fälschung. 23 debuerimus (…) Actum Canstat ad Neccarum.“.108 Auf Deutsch: „Herzog Gotfried von Alemannien übergibt den Ort Biberburg am Neckar. Herzog Gotfried, der Mächtige. Magulfus,109 Priester und Pastor in Sankt Gallen, zu unserer Herrschaft kommend, suchte nach und erbat unsere huldvolle Zuwendung, dass wir etwas zu der Beleuchtung110 der Gemeinde St. Gallen abzutreten schuldig sind (…) Geschehen Cannstatt am Neckar“. Biberburg111 am Neckar wird in der Schenkungsurkunde an das Kloster zu Sankt Gallen übergeben. Cannstatt ist seinerzeit ein beschauliches Fischerdorf mit Händlern und Handwerkern, bewirtschafteten Weinbergen und Äckern.112 746 richten die Franken beim „Cannstatter Blutgericht“ die Alamannen-Fürsten hin und stürzen das alamannische Herzogtum.113 Karl der Große lässt in Aachen römische Thermen instandsetzen und der Schwimmsport zählt zu den sieben ritterlichen Tugenden.114 In dem inzwischen fränkischen Cannstatt befiehlt Karl der Große 777 den Bau einer Basilika.115 Sie wird wohl zwei Wundärzten aus Byzanz, namens Cosmas und Damian, geweiht.116 Der ziemlich zeitgleich erbaute Aachener Dom entsteht ebenfalls nach dem Vorbild byzantinischer Kirchen. Der Grundriss der dreischiffigen Basilika auf dem nunmehr karolingischem Herrschaftsgebiet in Cannstatt hat dieselben Maße und ähnelt dem der Einhards-Basilika im Odenwald, wie Prof. Heim feststellte.117 Der um 820 verfasste Sankt Galler Klosterplan nennt Badeeinrichtungen für die Mönche und für kranke Gäste im Kloster von Sankt Gallen.118 In dem um 911 gegründeten Herzogtum Schwaben, das aus dem Stammesgebiet der Alemannen hervor ging, liegt Cannstatt im Norden, in der Mitte das Bistum Konstanz, im Osten Augsburg, Colmar im Westen, nach Süden u.a. Sankt Gallen, Pfäfers, Chur und Chiavenna in Raetien. Außerdem sind es die verschiedenen schwäbisch-alemannischen Mundarten und Sprachen, die diese Orte verbinden, einige erhalten möglicherweise erst jetzt ihre Orts-Namen und -wappen. Die Mauren etablieren seit dem 9. Jahrhundert ihre traditionellen islamischen Bäder, Hammam, in Marokko und Andalusien. In Mitteleuropa beginnt wieder ein Badeleben zu entstehen, welches den antiken Kulturen nahe kommt, jedoch deutlich bescheidener ausfällt.119 Allein die Badeanlagen sind klein und technisch wenig ausgereift. Ab Ende des 11. Jahrhunderts bringen die Kreuzfahrer weitere Kenntnisse orientalischer Badekultur direkt aus dem Morgenland mit in den Westen. So könnte hier 108 Stiftsarchiv St Gallen, StiASG, Bd. 61, Traditiones monasterii s. Galli (Partiell gedruckte Urkundensammlung 678- 1360), 1645-1646. Vgl. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, B-Film 1957/90, Nr. 34. Die vorliegenden Textpassagen sind dem narrativen Teil (der Narratio) der Urkunde entnommen. 109 Magulfus wird als Gefährte des Gallus in der Klostergemeinde St. Gallen angegeben: Hierzu Max Schär: „Gallus. Der Heilige in seiner Zeit“, Basel 2001, S. 253. 110 Die Bezahlung erfolgt vermutlich in Form von seinerzeit teurem Bienenwachs für die „luminaria“, sprich für die nächtliche Beleuchtung mit Kerzen. 111 Am Neckar existiert keine Ortschaft mit dem Namen Biberburg mehr. Johann Christian von Pfister spekuliert in der „Geschichte der Verfassung des Wirtembergischen Hauses und Landes“, Heilbronn 1838, S. 5, auf den Vorort Brie. Allerdings muss es sich hier um die Engelburg bei Mühlhausen am Neckar handeln, seinerzeit „Biberburg“ genannt. Noch heute ist die Ruine der Engelburg an der Mönchfeldstraße in Stuttgart-Mühlhausen erhalten. Beleg vor Ort. 112 Übrigens könnte der Wein schon von den Kelten angebaut worden sein, nicht erst von den Römern. Weinanbau auf Terrassen ist im Frühmittelalter zwar selten, bei der Cannstatter Topographie aber gut möglich. Die Hanglagen von Bad Cannstatt sind heute für ihre hervorragende Qualität bekannt – z.B. „Cannstatter Zuckerle“. 113 Metzer Annalen, 746. Vgl. Rudolf Rohrbach: „Die Untat von Cannstatt und andere Ergänzungen des Geschichtsbildes“, Berlin 1983. 114 Vgl. Ulrika Kiby: „Bäder und Badekultur in Orient und Okzident. Antike bis Spätbarock“, Köln 1995, S. 20 ff. 115 Bei dieser Angabe (777) könnte es sich um ein fiktives Datum handeln. Ein Kirchenbau aus dem 8. Jh. aber scheint in der Tat existiert zu haben, wie die 1960-62 anlässlich der Renovierung der Stadtkirche unter der Leitung von Prof. Paul Heim durchgeführte archäologische Erfassung belegt. Hierzu Köngeter 2017. Siehe folgende Anm. 116 Vgl. Eberhard Köngeter: „Ein Cannstatter Kirchenbau im Odenwald – Die Einhards-Basilika von Michelstadt- Steinbach“, Online-Publikation, September 2017. Bei den Grabungen 1960 wurden zwei Vorgängerbauten entdeckt und auf die entsprechenden Zeiträume datiert. Der Bau der romanischen Kirche scheint in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts erfolgt zu sein. Vgl. auch Rilling 1967, S. 122. 117 Erkenntnisse des Architekten Prof. Paul Heim. Hierzu Rilling 1967/ Köngeter 2017, ebd. 118 Vgl. B. Tuchen, in: Peter Johanek (Hrsg.): Sädtisches Gesundheits- und Fürsorgewesen vor 1800, Köln 2000, S. 94. 119 Vgl. auch Michael Matheus (Hrsg.): „Badeorte und Bäderreisen in Antike, Mittelalter und Neuzeit“, Stuttgart 2001. 24 wieder das Schwitzbad eingeführt worden sein, wenn auch primitiver als im Orient. Vor allem aber bereichern die westlichen Übersetzungstätigkeiten im einst maurischen Spanien die Wissenschaften. Über die Araber wird insbesondere das antike Ärztewissen wieder im Abendland erschlossen.120 Das Werk des arabischen Mediziners Rasis (865-925) mit dem Titel Continens ist ein Sammelwerk mit einer Neubewertung breiten Wissens aus altertümlicher Medizin. Rasis bzw. Rhazes unterteilt etwa Mineralquellen in Schwefel-, Kupfer- sowie Eisenwässer und beschreibt deren heilende Wirkung. Der einflussreiche Kanon der Medizin des arabischen Philosophen Avicenna (980-1038) wird durch die sogenannte Übersetzerschule von Toledo um den Schriftgelehrten Gerhard von Cremona in dem vormals maurischen Andalusien um 1170 in das Lateinische übersetzt und bleibt lange danach ein einschlägiges Lehrbuch und ein Hauptwerk der Medizin. Im Jahr 1085 war Toledo unter Alfons VI zurückerobert worden und wieder spanisch. Die Schule von Toledo hat einen entscheidenden Anteil am Fortschritt der Wissenschaften in Europa. Das Wissen hilft jedoch zunächst nur den Lesenden und Gelehrten, gelangt von Spanien auch nach Italien, aber wohl nur vereinzelt über die Alpen.121 Für Schriftgelehrte gilt das Gebot, mögliche Missverständnisse durch ein aufmerksames Studium auszuschließen, denn auf Schrifttum folgt gerne Irrtum. Gleichwohl steht fest, dass sich jetzt die westliche Badekultur zumindest wieder der großen Entfaltung zu antiken Zeiten annähert, über die Ausstattung, den Gebrauch und vor allem über das ärztliche Wissen. Im Zuge der Stadterweiterung und Einfriedung wird 1169 bis 1182 die karolingische Kirche Sankt Cosmas und Damian in Cannstatt zu einer romanischen Basilika ausgebaut. Die Kirche erhält einen Hauptturm und gegenüber ein Paar aus Zwillingstürmen. Im Jahre 1185 verkauft Kaiser Friedrich Barbarossa Cannstatt an Herzog Welf VI. Barbarossa ertrinkt 1190 im anatolischen Fluss Saleph beim Schwimmen. Etablierte Badhäuser entwickeln sich zu neuen Zentren der Geselligkeit und Unterhaltung, später werden sogar Speisen und Getränke serviert, dem Badewasser Essenzen und Kräuter beigemischt.122 Das Baden erlebt im zwölften Jahrhundert, zeitgleich mit dem verbreitet einsetzenden Städtebau, eine erneute Blüte. Bader123 haben sich inzwischen in den Städten niedergelassen, auf ihr Handwerk spezialisiert, erweitern und verfeinern die Abläufe eines Bades, in erster Linie für Kunden aus der Stadt. Gegen Bezahlung gehen die Badgäste in das Schwitzbad, ihnen werden stets frisch befüllte Badewannen bzw. Zuber aus Holz oder Messing zur Verfügung gestellt, nach dem Bad werden sie mit kaltem Wasser übergossen, erhalten Abreibungen und werden bei besonders viel Geldzahlung geschröpft oder zur Ader gelassen. Die Bader sind außerdem zuständig für das Haarewaschen sowie Scheren des Bart- und Haupthaars. Nur selten gibt es stabile Wasserleitungen, das Badewasser wird in aller Regel von außerhalb des Hauses in Kübeln heran geschafft oder aus einem nahen Brunnen geschöpft. Für Schwitzbäder, die mit hölzernen Sitzbänken gestaffelt sind, wird der heiße Ofen in der Raummitte mehrmals mit Wasser übergossen. Möglicherweise dürfen Männer und Frauen teils auch gemeinsam in ein Wasserbecken steigen. Nacktheit in Gesellschaft ist nicht selten.124 Die Bildund Schriftquellen geben Auskunft darüber; bei Feierlichkeiten wie dem Maibad jedenfalls scheint man in der Tat gemeinsam zu baden.125 Um 1200 gelangt Cannstatt in den Besitz der Markgrafen von Baden. Das Land Baden ist nach der 120 Vgl. Ziegler 2003, S. 70. 121 Vgl. J. Steudel, in Amelung/ Evers (Hrsg.): „Handbuch der Bäder- und Klimaheilkunde“, Stuttgart 1962, S. 3 ff. In Deutschland z.B. Hildegard von Bingen (1098-1179). In Klöstern erforschte man Heilkräuter u.a., hatte profunde medizinische Kenntnisse und entwickelte dem Antibiotikum und Penicillin ähnelnde Medikamente, die heute wiederentdeckt werden: Siehe ε. bmbf.de; als Stichwort s.a. "Klostermedizin". 122 In Baden-Württemberg sind 14 spätmittelalterliche bzw. frühneuzeitliche Badstuben von der Hausforschung erfasst, z.B. die Spitalbadestube in Crailsheim, das Klosterbad in Blaubeuren, ein Badhaus in Wangen (Allgäu). Hierzu Susanne Arnold: „Baden und Badewesen im Mittelalter“, in: Denkmalpflege in B.-W., Stuttgart 1996, S. 23-29. 123 Ebd.: Bader benötigten für den Betrieb vom zuständigen Landesherrn eine Erlaubnis, entweder als Erblehen oder als Genehmigung des Führens der Badstube auf Lebenszeit. Bad-Utensilien und Bade-Personal waren verpflichtend. 124 Hierzu ausf. Hans Peter Duerr: „Der Mythos vom Zivilisationsprozeß“, Bd. 1: „Nacktheit und Scham“, Berlin 1988. 125 Hierzu Alfred Martin: „Deutsches Badewesen in vergangenen Tagen“, Jena 1906, bes. S. 20; 169; 218; 377. 25 gleichnamigen Stadt und dem Bad benannt, das sich unterhalb der Burg Hohenbaden befindet.126 Es ist Erzrivale von Wirtenberg. Die Markgrafen könnten sich um den Bau von Bädern gekümmert haben, wie in Baden, so in Cannstatt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird hier ein Bad errichtet.127 Mitte des 13. Jahrhunderts beeinflussen allerdings gravierende Klimaveränderungen weltweit das Leben der Menschen. Ernteausfälle, Hungersnöte, Kälte, Viren und Holzknappheit dezimieren die Bevölkerung und unterbrechen die Blütezeit der Bäder. Als Ursache ist der Ausbruch des Vulkans Samalas 1257 in Indonesien zu nennen, welcher so urgewaltig war, dass der Staub die Stratosphäre erreichte und damit die Atmosphäre verdunkelte.128 Erst rund zehn Jahre später normalisiert sich die Lage. 1287 lässt König Rudolf von Habsburg im Krieg gegen Graf Eberhard den Erlauchten von Württemberg sämtliche Cannstatter Adels-Burgen zerstören. Es sind 7 an der Zahl: Die Spielburg am Waiblinger Tor, die Burg der Grammen am Ostrand, die Burg zum Stein an der Spreuergasse, die Burg Brie vor der Stadt, die Altenburg auf der Steig, die Burg bei Niederhofen, die Burg Wartenberg am Pragsattel. 1291 geht Cannstatt in den Besitz der Grafen von Wirtenberg über. Im selben Jahr gehört die Stadtkirche zum Konstanzer Stift. Anno 1299 hört man dann aus Cannstatt von einem Sulzhuß, Sulzhaus, das ist womöglich ein Badhaus.129 Im Jahr 1310 herrscht Krieg zwischen Kaiser Heinrich VII und Eberhard dem Erlauchten im Land. Auch Cannstatt wird mit einem Stadtrecht ausgestattet, so geschehen am 11. Dezember 1330 durch Kaiser Ludwig den Bayern nach Esslinger Vorbild.130 Die Verlegung des Landgerichts in die Stadt wird erlaubt.131 1333 berichtet Francesco Petrarca über die Aachener Quellen und auf der Durchreise erwähnt er in einem seiner Briefe auch den Cannstatter Mineralbrunnen im Gasthof zum Ochsen, in welchem es gute Speisefische gebe.132 Das Mineralwasser wird aber auch zur Textilreinigung und für den Mühlradantrieb genutzt. Die nicht zu unterschätzende abendländische Badekultur kann sich noch lang halten und wird erst in der Mitte des 14. Jahrhunderts, hier Ende 1349, durch eine erneute schwere Pestepidemie unterbrochen. Um 1350 treibt die Stadtsulz ein Mühlrad an. 1353 erscheint ein Stadtsiegel mit Kanne.133 Danach scheinen wieder vorsichtige Annäherungsversuche an die alten Badetraditionen zu erfolgen. Am 1. September 1377 spendet ein Conrad, Kirchherr zu Dettingen unter Urach und Schreiber der Grafen Eberhard II und Ulrich von Württemberg, Geld an das Stuttgarter Stift, und zwar aus der Badstube zu Cannstatt: „Ich Conrad Schriber der Edeln und mir gnedigen Herrn Graff Eberhards und Graff Ulrich von Wirtenbg. Schreiber, Kirchherr zu Dettingen under Urach vergich offentlich mit disem Brief für mich und Alle mir erben und tun kumt Allen den die in ansenhent lesent oder hörent lesen bai, ich bey gesundem leb mit gut betrAchtunge freylich: Und unbezwungenlich durch gott und durch min 126 Bis heute lebt der Name dieses Bades als „Baden-Württemberg“ weiter. Eine kuriose Kombination: „Badewirt“. 127 Der Arzt und Kleriker Petrus de Ebulo veröffentlicht 1220 das Lehrgedicht De balneis Puteolanis. Dies ist das erste in Europa verfasste Werk über Thermalbäder, die Heilwirkungen der Heilquellen von Pozzuoli, nahe Neapel. Das Gedicht ist gewidmet dem Kaiser des römisch-deutschen Reiches Friedrich II von Staufen, dem gebildeten Naturfreund und Herrscher über das einst arabische Sizilien, Pompeji, Baiae und Pozzuoli. Die Stammburg Hohenstaufen thront in Schwaben, u.a. über dem Gesundbrunnen von Göppingen. Zu Petrus de Ebulo: Didier Boisseuil/ Hartmut Wulfram „Die Renaissance der Heilquellen in Italien und Europa von 1200 bis 1600, Geschichte, Kultur und Vorstellungswelt“, Frankfurt a. M. u.a. 2012. Es gibt die ersten Belege, dass Baden und Schwitzen entgiftet. 128 Mit neuesten Analysemethoden konnte die enorme Sprengkraft des Vulkanausbruchs nachgewiesen werden: Franck Lavigne et al.: „Source of the great A.D. 1257 mystery eruption unveiled, Samalas volcano, Rinjani Volcanic Complex, Indonesia“, Abstracts publiziert 4.9.2013: https://www.pnas.org/content/early/2013/09/26/1307520110. 129 Vgl. Memminger 1832, S. 134-137. Es befand sich an der oberen Sulz beim Waiblinger Tor (Wilhelmsplatz). 130 Den Status einer Reichsstadt erhält Cannstatt dagegen nicht. Vgl. Hagel 2002, S. 27-28. 131 Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 51 U 317. Bis 1331 war Cannstatt lange Zeit der Sitz eines Landgerichts gewesen. 132 Vgl. Eduard Paulus: „Die Kunst- und Altertumsdenkmale im Königreich Württemberg“ 1906, S. 150. 133 Siegel einer Urkunde vom 20.12.1353. Vgl. Bardua 1973, S. 35; Erich Keyser, in Heinz Stoob (Hrsg.): „Deutsches Städtebuch. Südwest-Deutschland“, Stuttgart 1939, S. 254. Zitat Bardua: „In den frühen Cannstatter Siegeln erscheint die 'Stadtkanne' übrigens noch nicht als eigentliche Wappenfigur im Schild, sondern als bloßes Siegelbild“. Noch länger ist die Kanne von den Wappen des Cannstatter Ortsadels belegt – seit 1267. 26 sel. Hails willen hüterlich und aigentlich geben han den Erlau. herren dem probst den hoeheren? den unteren? und dem caputel gemainlich bey. Stifte zu Stuogart sechsthalb pfunt häller Ewigs guldn uß der Batstuben ze Kanstat gelege (...)“.134 Im 15. Jahrhundert werden wieder zahlreiche Bäder in den deutschen Herzogtümern betrieben. 1449/50 zerstören die Reichsstädter aus Esslingen das Cannstatter Sulzbad.135 Es wird wenig später wiederaufgebaut und die Bader bemühen sich um die Wiederbelebung des Betriebs. Jede Art einer Wasserquelle wird genutzt, nicht nur mineralische. 1482 wird das Stuttgarter Hirschbad urkundlich erwähnt.136 Und um 1493 erhält Cannstatt in der Brückenstraße sein erstes Postamt.137 Zum Übergießen des Körpers und heißer Öfen für Schwitzbäder benutzt man Krüge oder Kannen. [003] Seife wird in Laugen-Krügen138 gesiedet. Der Wundarzt und Meistersinger Hans Folz (1435- 1513) verfasst 1480 in Nürnberg ein Bäderbüchlein mit dem Titel: „Dises puchlein saget uns von allen paden, die von natur heiß sein“. Etwa zehn Jahre später erscheint das Hausratbüchlein oder „Der gantz hawsrat“, darin dichtet er: „(...) So mon nün in das pad wil gan / ein krüg mit laügen müs on han /, pattüch wisch düch vnd ein päd schwam / Pech pathüt ein strel“.139 Transkribiert: „So man nun in das Bad gehen will, muss man einen Krug mit Laugen haben, Badtuch, Wischtuch und einen Schwamm, Pech, Badhut und Striegel“. Die nötige Seife wird für den Eigenbedarf140 aus heißer Lauge und Pech angemischt. Den Laugen-Krug hängt man zum Sieden der Seife wie einen Kessel über das Feuer. Nach dem Bad wickelt man sich in trockene Tücher ein. Kaum jemand aber hat ein eigenes Bad, meist nur die Besitzer der öffentlichen Badstuben, man ist also auf diese angewiesen. Arme Leute können sich im Übrigen wie Tiere am Fluss oder in sonstigen Gewässern waschen. Luxus und technische Raffinessen wie Hypokausten sind in der steinernen Badstube aber nicht zu erwarten.141 Badstuben und Badgewölbe befinden sich stets im Erdgeschoss. Das Abwasser wird nach dem Bad abgeleitet über abgeschrägte Böden, Rinnen, dann in einen Bach oder in den Stadtgraben. Aus Brandschutzgründen sind die Baderäume mit Steinen gemauert und diese haben für den optimalen Abzug der Feuchtigkeit, nach Vitruvs Vorschlag, ein doppeltes Gewölbe oder gar eine Kuppel.142 Nach der Entdeckung der neuen Welt 1492 treten in Europa dann aber die ersten Fälle einer neuen Krankheit auf, der Syphilis. Zunächst in den Hafenstädten, in den folgenden Jahrzehnten erreicht sie schließlich das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Im Badewesen zeichnet sich erneut ein deutlich wahrnehmbarer Rückgang ab, weil die Menschen glauben, dass sich diese Krankheit über das Wasser verbreite, welches durch die Haut in den Körper und in den Blutkreislauf eindringen könne.143 Hinzu kommen in schweren Zeiten steigende Brennholzpreise. Viele Badhäuser müssen dauerhaft geschlossen oder geräumt werden. Das Fazit kann nicht überraschen: Mineralquellen wurden von allen Völkern besonders geschätzt, Bäder gab es seit der Antike auch nördlich der Alpen fast ununterbrochen und zu allen Zeiten, auch 134 Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 602 Nr. 7918 = WR 7918. Vgl. Rilling 1967, S. 179. 135 Vgl. Karl Pfaff 1840, „Geschichte der Reichsstadt Eßlingen“, S. 347. 136 Hierzu Schukraft/ Kress 2006, S. 26: Der Name „Hirschbad“ gehe auf die Legende zurück, ein kranker Hirsch sei aus der heilenden Hirschquelle geheilt davon gesprungen. 137 Bis 1806 war der höchste Postbeamte im Südwesten Deutschlands in Cannstatt ansässig, das damit eine wichtige Rolle in der Geschichte des deutschen Postverkehrs spielt. Vgl. Klein 1956, S. 36: Einer der Reichspostmeister in Cannstatt war der Ochsenwirt Jacob Linckh Senior. 138 Dabei handelte es sich wohl um Kessel mit Trageriemen und Ausguss. (Vgl. Emblematik der Cannstatter Kanne). 139 Hans Folz: Hausratbüchlein („Uon allem Hauszradt“), Nürnberg 15XX. Vgl. Nathanael Busch/ Claudia Kanz 2015. 140 Selbstverständlich gab es auch das professionelle Handwerk der Seifenmacher. Vgl. Seifensiederhaus in Esslingen. Vielleicht zählte zu den Aufgaben der Bader auch Seifensieden, übernommen seit den Kreuzzügen aus dem Orient. 141 Hierzu auch Martin 1906/ Georges Vigarello: „Wasser und Seife, Puder und Parfum. Geschichte der Körperhygiene seit dem Mittelalter“, Frankfurt a. M. 1988. Auf zahlreichen Darstellungen ist zu sehen, wie mit einer Kanne (Gieß- Kanne) oder einem Kübel Wasser in eine Badewanne gefüllt wird, vielleicht erhitztes, Flüssigseife oder Essenz. 142 Vitruv: „De architectura“, Liber V, Kapitel 10, Punkt 5. 143 Das Badewasser im Mittelalter würde heutigen Hygienevorstellungen wohl kaum genügen. In der Tat scheinen sich darin schnell Bakterien und Keime verbreitet zu haben, ja infektiöse Viren. Noch gefährlicher und bekannt sind aber blutige Infektionen über mangelhaft gereinigte medizinische Instrumente. Vgl. Vigarello 1988, S. 247. 27 Heilbäder, aber der Luxus, die Technik, das Versorgungssystem, die Ausdehnung usw. römischer Kaiserthermen wurden nicht mehr erreicht. Waschbäder gehörten nicht zum Alltag der Armen und auch nicht der Vermögenden. Insbesondere die balneologischen Kenntnisse der alten Griechen und Römer mussten zuerst, und müssen noch weiterhin, aufgearbeitet werden. Keineswegs wurde über längere Zeiträume der abendländischen Geschichte hinweg überhaupt nicht gebadet; im Mittelalter hatte man lediglich andere Gewohnheiten, Sitten, hygienische Ansprüche. Mehrfach unterbrachen schwere Krankheits-Epidemien sowie Klima-Extreme den eher unbeständigen Badebetrieb und die bescheidenen Badhäuser wurden in regionalen Fehden immer wieder beschädigt oder völlig dem Erdboden gleich gemacht. Auch in alemannischer Zeit wird es Bäder gegeben haben und schon die Germanen badeten als gute Schwimmer in Flüssen und Seen, wie Caesar im Werk De bello gallico und auch Tacitus in der Germania berichten.144 Dort, wo die Römer ihre Badeanlagen errichteten, an den Quellen und nicht auf der Höhe, wurde die Stadt angelegt. Bei den Quellen Männlein und Weiblein,145 an der oberen Sulz und der Stadtsulz entstehen neue Bäder für die Stadtbewohner. Mit ähnlicher Standortbestimmung wird der Bau der Stadtkirche und des Rathauses an der Stadtsulz erfolgt sein, möglicherweise befand sich an dieser Stelle schon ein antikes Heiligtum. Zur Standortwahl beigetragen haben zudem die Fischerei und der Fernhandel. Die in der Antike begonnene Ansiedlung bei den Quellen und am Neckar sowie die Anlage erster Bäder selbst hatte Auswirkungen auf die im 12. Jahrhundert aus einem Fischerdorf heraus systematisch erfolgte Urbanisierung Cannstatts, gab den Standort der Stadt vor. Abseits von Städten, in der Wildnis, wurden schon im Hochmittelalter Wildbäder146 wiederentdeckt und besucht.147 Diverse Fürsten suchten sie auf, um ihre Gebrechen und Leiden zu heilen. Um 1367 wurde der württembergische Graf Eberhard II im Schwarzwälder Wildbad bei seinem Aufenthalt überfallen.148 Heiße Quellen sind besonders an kalten Wintertagen wohltuend und die Mineralbäder begründen den neu aufkommenden Heilbäderbetrieb. Sie bringen insbesondere den naturgemäßen Vorteil mit sich, dass sich das reine Wasser dieser Quellen durchgängig austauscht und damit selbst säubert. Neben städtischen Bädern, die vor allem für die Stadtbevölkerung da sind, entstehen in den Wildbädern einige Badgasthäuser für Reisende. 144 Caesar: „De bello Gallico“, Buch VI, Kap. 21, Punkt 5/ Tacitus: „Germania“, Kapitell 22, Punkt 1. 145 Ihren Namen haben die Quellen deshalb, weil sich das Wasser des Weibleins periodisch einmal im Monat rot gefärbt haben soll. Vgl. Lentilius 1710, S. 3. 146 Lehrgedicht von Hans Folz: „Eine gute lehre von allen willtbaden“, ohne Ort und Jahr, um ca. 1500. 147 Siehe hierzu etwa Föhl 1988, S. 13 ff. 148 Ludwig Uhland (1787-1862) verarbeitete diese Legende 1815 in dem Gedicht „Der Überfall im Wildbad“. 28 XVI - XVIII. DAS HEILBAD DER NEUZEIT Zu Zeiten der weiteren Verbreitung der Heilbäder und Kurorte, seit 1500, ist der Ortsname Wildbad geläufig.149 Im oberbayerischen Wildbad Kreuth wird um 1511 ein Badehaus erbaut, dieses ist kein alltägliches Bad mehr, sondern ein ausgesprochenes Heilbad für Kranke und vor allem für Gäste. Ebenso bekannt ist seit Langem auch das württembergische Wildbad im Schwarzwald. Einen neuen Aufschwung bringt dort der Bau von Wirtschaften, Gasthöfen und Badehäusern ab 1521.150 In den Jahren 1545 und 1546 folgt der Ulrichsbau des Ulrich von Württemberg mit einem Fürstenbad. Die abgelegenen Wildbäder, in der Wildnis oder im Wald, mussten zunächst erreichbar werden und konnten nur langsame Fortschritte machen, die viel Geduld erforderten, mit meistens bescheidenen Anfängen. Nur wenige hoch gestellte Persönlichkeiten können eine weite Reise zu Pferd und in der Kutsche auf sich nehmen. Die abgelegenen Heilbäder stehen in jedem Fall am Beginn einer neuen Entwicklung, nämlich der Badereisen und Badenfahrt. Letztere steht für die Fahrt nach Baden in der Schweiz, einem Heilbad mit Thermalquellen. Waren die städtischen Badhäuser zunächst fast nur auf die Versorgung der heimischen Stadtbevölkerung ausgerichtet, so sind die neuen Badehäuser der Heil- und Wildbäder es insbesondere auf die Bewirtung und damit eingerichtet für Fremde. Je weiter die Heilquellen abgelegen sind, desto schwieriger gestaltet sich die Anreise, die Brunnen profitieren jedoch von der Nähe einer Residenz oder eines Jagdschlosses. Mineralquellen, kalt oder warm, sind geschätzt und haben wieder einen höheren Stellenwert als die natürlichen Wässer jeder gewöhnlichen Stadt. Insofern kommt es durchaus zu einer Wiederentdeckung der Heilquellen, die ja schon bei den alten Griechen beliebt gewesen waren. Menschen suchen im Mineralwasser Heilung, sogar Heiligung. Denn Krankheit kann von Gläubigen wie den württembergischen Pietisten als ein gottgesandter Zorn auf Sünder interpretiert werden, sie glauben an eine Heilung durch Heiligung.151 Auch die Wallfahrtsorte mit Heilquelle verheißen Wunderheilung. Gläubige anderer Weltreligionen können sich ebenfalls von ihrer Sünde rein waschen. Im Islam gehört das Fußwaschen zum Ritual vor jedem Gebet in der Moschee. Als das württembergische Wildbad bei den Fürsten hoch im Kurs steht, ziehen auch andere Bäder des Landes bald die Aufmerksamkeit auf sich, wie Teinach, Liebenzell und Cannstatt. Im Gegensatz zu ersteren ist Cannstatt zwar eben kein Wildbad, sondern von Beginn an vielmehr ein Stadtbad, seine Mineralquellen aber stehen den Wildbädern von der Heilwirkung her in nichts nach. Zudem liegt der Badeort in nächster Nähe des 1553 bis 1578 erweiterten Stuttgarter Renaissance-Schlosses, der württembergischen Residenz. Während der chemisch-medizinischen Wiederentdeckung des Heilwassers findet sich eine illustre Gesellschaft am Brunnen ein und versammelt sich darum. Sie errichtet fürstliche Anlagen um den „Gesundbrunnen“, nicht zuletzt als Vorwand zu dem langen Aufenthalt. Die Aristokratie knüpft dort Kontakte und tauscht Neuigkeiten aus – und zwar bei der Trinkkur – dies ist die Geburtsstunde der Modebäder. Sogar aus den europäischen Nachbarländern reisen zahlreiche vornehme Leute an, um beispielsweise in Pyrmont ihre Sommerfrische zu verbringen. Der dortige Gesundbrunnen kommt einer sakralen Pilgerstätte gleich, deshalb nennt man ihn auch den „hylligen Born“, neudeutsch den heiligen Brunnen, zugleich ist dieser heilsam. Bei dem „großen Wundergeläuf“ der Jahre 1556 und 1557 strömen 10.000 Menschen herbei.152 Das „Heilbad der Neuzeit“ ist eine gesamteuropäische Erscheinung. Im englischen Bath, der nach dem dortigen Bad benannten Stadt, wo ebenfalls schon die Römer badeten, entsteht im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts eine mondäne Architektur für ein internationales Publikum. Auch das belgische Spa ist zu einem Synonym für Erholung weltweit geworden. Aix-les-Bains in Frankreich wird seit dem späten Mittelalter von Ausländern besucht, ebenso Plombières-les-Bains, Bath in England, Baden bei Zürich und Baden bei Wien. In Italien 149 In Deutschland gibt es mehrere Ortsnamen Wildbad (an der Enz, an der Tauber, am Tegernsee), auch in Österreich. 150 Siehe hierzu Föhl 1988, S. 89 ff. In Bayern und Österreich werden bescheidene Bäder oft „Bauernbadl“ genannt. 151 Hierzu das Werk von Ernst 2003. 152 Hierzu Wilhelm Mehrdorf/ Luise Stemler: „Chronik von Bad Pyrmont“, Bad Pyrmont 1985, S. 35. 29 und an der französischen Riviera, am Mittelmeer, treten neue Badeorte in Erscheinung, Livorno, und im Land, in der Toskana Montecatini Terme, nördlich der Alpen Karlsbad, Eger, Marienbad, im Osten etwa Ofen und Pest. Wenn nicht gerade nach Pyrmont, reisen die Badegäste in den deutschen Ländern auch nach Baden zum Bad der Markgrafen von Baden. Die Bäder sind Zentren. Man sitzt ja sprichwörtlich „an der Quelle“. Viele Städte wachsen um die sehr nützliche Wasserstelle in ihrer Mitte, spätestens seit der Römerzeit. „(...) Insbesondere in den deutschen Staaten kam den Modekurorten die Funktion kultureller, kleinstaatenübergreifender Stadt-Zentren für die räumlich verstreute aristokratisch-großbürgerliche Führungsschicht zu“.153 Sogar die entfernter gelegenen Wildbäder werden immer weiter erschlossen und erhalten allmählich ein städtisches oder nur stadtähnliches Gepräge. Während der Sommerfrische will die Aristokratie nicht auf die Vorzüge des Stadtlebens verzichten. Auch größere Städte wie Aachen und Wiesbaden sind wegen der Quellen früh zur Siedlung geworden und fast ununterbrochen bewohnt geblieben. Weniger weit von der Zivilisation entfernte Heilbäder werden nicht als Wildbäder bezeichnet. Die Bezeichnung für Mineralwasser lautet zu Beginn der Neuzeit „Sulzwasser“: Dies ist der altdeutsche Name für Wasser mit gelösten Mineralsalzen. Dementsprechend nennt man auch eine Mineralquelle „Sulz“.154 Die heilsame Wirkung des Sulzwassers wird vielerorts wiederentdeckt sowie erforscht.155 Stadtnahe oder innerstädtische Heilbäder erhalten teils den Namen „Sulzbad“. Zu Fuß nur etwa eine Stunde von der württembergischen Residenzstadt Stuttgart entfernt und nicht etwa in der Wildnis gelegen, ist Cannstatt kein Wildbad. Nicht allein die Badewirte der Wildbäder richten Gasthäuser und Gästezimmer ein, sondern auch Wirte der Stadtbäder. Stadtnahe und innerstädtische Sulzbäder sind bereits mit einigen Stadtstrukturen ausgestattet. Sie gehen oft auf hochmittelalterliche Bauten zurück, selten auch auf antike Erstanlagen. In der Antike oder im Mittelalter wurden auf deutschem Boden aber noch keine charakteristischen Badestädte hervorgebracht, die typologisch etwa als reine „Bäder“ bestimmt werden könnten, oder bei welchen das Badewesen das Stadtbild bestimmte. In Baden-Baden und Wiesbaden z.B. gab es zahlreiche innerstädtische Badhäuser in Fachwerk, die sich nahtlos in das Stadtbild fügten. Dieses unterscheidet sich grundsätzlich nicht von der Gestalt anderer Städte. Die Gestaltung und Anlage von typischen Kurbezirken oder sogar Kurstädten beginnt hierzulande erst in der Neuzeit.156 Alleensysteme, die an französischen Barockgärten orientiert sind, werden mit den Heilbrunnen verbunden. Die frühesten Kuranlagen bestehen aus einem gefassten Brunnen mit den Alleen und Spazierwegen. Im urbanen und im suburbanen Raum kann die Entwicklung unter Umständen nicht derart frei und weiträumig erfolgen wie etwa auf dem Land. Den Wildbädern sind dagegen vielmehr Grenzen durch die natürliche Formation gesetzt. Dies hat zur Folge, dass für die Ausdehnung solcher Ortschaften nicht unbedeutende Flächen an Wald gerodet werden müssen.157 Kaum ein Bad entsteht aber aus dem Nichts, vielmehr werden die bestehenden Strukturen um neue Anlagen ergänzt.158 In der Regel, besonders bei den Stadtbädern, gilt es, die ummauerte Stadt um Kuranlagen zu ergänzen. Wo der Kurbezirk entstehen soll, ist zuerst zu prüfen. In Wiesbaden etwa bleibt während der gesamten Neuzeit, bis um 1800, nahezu alles beim Alten. Auch in Baden-Baden bestimmen die alten innerstädtischen Bäder vorerst das Geschehen. Es ist eine neue Form der Kur, welche erst die Voraussetzungen schafft: Die Brunnenkur bzw. Trinkkur. In diesem Kontext erhalten europaweit Städte wie Bath, Spa, Karlsbad, Pyrmont, oder Boll in Württemberg einen prägenden Kurbezirk – zumindest in Form einer Brunnenallee. Die salonfähige Brunnenkur bringt auch an dem Beispiel Cannstatt die entscheidenden Grundlagen mit für die Genese zur Kurstadt. 153 Fuhs 1992, S. 48. Vgl. Bothe 1984, S. 23 ff. 154 In der Regel bezeichnet „Sulz“ schlichtweg Mineralwasser. Ein besonders hoher Salzanteil ist dieser Bezeichnung nicht vorausgesetzt: Vgl. die Namen Sulz am Neckar, „Auf der Sulz“ in Wernau a. N., Soultz-les-Bains (Elsass), Sulzbach an der Murr, Sulza und Bad Sulza in Thüringen, Sulzburg und Sulzfeld in Baden, Sulzberg im Allgäu u.a. 155 Z.B. Paracelsus (1493-1541), Johann Bauhin (1541-1612), Francois Blondel (1613-1703), Lentilius (1657-1733). 156 Vgl. Bothe 1984, S. 23 ff./ Fuhs 1992, S. 21 ff./ Ziegler 2004, S. 100 ff./ Eidloth 2012. Prägend ist die Trinkkur. 157 Siehe hierzu etwa Föhl 1988, S. 33 ff. 158 Vgl. ebd.; Auch in Wildbad Kreuth und im Wildbad bei Rothenburg ob der Tauber bestand vor 1500 eine Siedlung. 30 1500. Fachwerkstadt und Sulzbad Der Gelehrte Ladislaus Sunthaym erwähnt um 1500 in der ersten Landesbeschreibung den Brunnen im Gasthof zum Ochsen an der Brückenstraße: „Kanstat ain stättl onnd sloß am neckher do ist ain wirtzhaws das hat ain prun in der Stuben hinderm ofenn do hat er albeg wann man kumbt allerlay gut fisch In.“159 Transkribiert: „Kanstat, ein Städtchen und Schloss am Neckar, da ist ein Wirtshaus, das hat einen Brunnen in der Stube hinterm Ofen, da hat er allzeit, wenn man kommt, allerlei guten Fisch darin.“ Erwähnenswert findet Sunthaym den Brunnen160 des Hauses, in dem Speisefische aus dem hiesigen Neckar lebend gehalten werden. In seiner Landesbeschreibung Württembergs wird kein anderes Gebäude Cannstatts erwähnt, auch nicht etwa die gerade erst neu erbaute Stadtkirche. Sunthaym scheint lediglich kurzzeitig zu Gast gewesen und in das Wirtshaus eingekehrt zu sein. 1500 ist die neue Kirche fertiggestellt, errichtet nach Plänen des Aberlin Jörg in gotischem Stil. Unmittelbar neben der Kirche sprudelt die Stadtsulz, eine natürlich schwefelhaltige Mineralquelle. Um 1502 wird das Sulzbad erneuert. Die erste Kirchenweihung an dieser Stelle erfolgte um 810.161 Jedenfalls ist dieser zentrale Kirchenbau den heilkundigen Zwillingen aus Byzanz, Sankt Cosmas und St. Damian, geweiht. Sie behandelten Kranke unentgeltlich und starben durch die Hinrichtung einen Märtyrertod. Wohl aus der Werkstatt von Jerg (Jörg) stammt auch der Schlussstein im Chor der Kirche mit den Porträts der Heilkundigen.162 Der Schlussstein an der Wand dagegen stammt vermutlich aus der romanischen Vorgängerkirche und diente als direktes Vorbild für den neuen, spätgotischen Schlussstein.163 Auf diesem Wandrelief hält der studierte Arzt Cosmas ein Harnglas und der Wundarzt Damian vor sich einen Messzylinder oder eine Kräutersalbendose, beide sind mit vergoldetem Heiligenschein abgebildet. Das Relief an der Wand des Kirchenchors ist mit rötlicher, grüner sowie blauer Farbe bemalt und akzentuiert die Vielpassform mit feinem Goldrand. [007] Das andere Bild ist als effektiver Schlussstein von Jörg mittig in einem Rippenkreuz, hoch oben an dem prächtigen Sterngewölbe, angebracht.164 Es entspricht in Form, Farbe und Motiv ziemlich dem Vorbild, der Vierpass hängt aber anders herum und in spätgotischer Manier passen die Figuren hier stimmiger in die Form. Diese Beobachtungen sprechen für einen neueren Stil, den spätgotischen. Sankt Cosmas und Sankt Damian gelten als Schutzpatrone der Ärzte, Apotheker sowie Bader, von welchen sich zahlreiche bevorzugt in Cannstatt niederlassen. Der romanische Bau St. Cosmas und Damian hatte gegenüber dem Hauptturm Zwillingstürme, welche vielleicht ja für die Brüder standen.165 Das lokale Heilwasser wird demzufolge nicht nur ausgiebig genutzt, sondern wie zu römischer Zeit offensichtlich verehrt. Bader verabreichen und verkaufen nicht ausschließlich ihre Bäder, sie sind medizinisch geschult, als Heilkundige im Gesundheitswesen aktiv, sie sind darüber hinaus häufig praktizierende Ärzte als auch operierende Chirurgen. Baden ist längst mehr als bloße Körperreinigung: Beim Cannstatter Johannisbad zum Beispiel, einem Bad am Johannistag, harrt man ganze 24 Stunden in der Wanne aus. Die Haut weicht vollständig auf, bis sie sich entzündet und eitert. Beim Schröpfen wird durch Unterdruck Blut abgesaugt, beim Aderlass direkt zur Ader 159 Ladislaus Sunthaym: Württ. Landesbibliothek, Cod. hist. fol. 250, S. 38. 160 Der „Mineralbrunnen im Gasthof zum Ochsen“ ist sehr alt und wurde noch bis ins 20. Jh. hinein genutzt. Er wurde mitunter Rietbrunnen oder Biederlinsbrunnen genannt. Vgl. Kieferle 2016, S. 37. Möglicherweise hat Sunthaym die Informationen aber auch nur von Francesco Petrarca 1333 übernommen. 161 Vgl. Eberhard Köngeter, in: Cannstatter Zeitung vom 4.10.2017 von Iris Frey: „Der Ur-Stadtkirche auf der Spur. Eberhard Köngeter hat eine Broschüre erstellt“. Ausführlicher E. Köngeters Publikation von 2017. Bei dem Datum 777 könnte es sich aber um ein fiktives handeln. 162 In der Machart ähnelt dieser Vierpass anderen Beispielen seiner Werkstatt, wie dem Schlussstein mit einem Selbstbildnis in der Bartholomäuskirche zu Markgröningen oder auch dem Schlussstein in der Marbacher Alexanderkirche mit dem „Jerg'schen“ Familienwappen darauf. Bei diesen zwei ist die Passform eines gotischen Dreipasses gewählt, während wir in Cannstatt dagegen die Variante des Vierpasses betrachten. 163 Vgl. Rilling 1967, S. 133-144. 164 Das Chorgewölbe ist im Gegensatz zum 1858 ersetzten Gewölbe des Kirchenschiffs im Originalzustand der 1470er Jahre erhalten. Vgl. Rilling 1967, S. 140-144/ Köngeter, ebd. 165 Heinrich Schickhardt erbaute 1612-13 den markanten Kirchturm der Stadtkirche im Renaissance-Stil. Vgl. ebd. 31 gelassen.166 Badeszenen werden jetzt oft schriftlich und illustriert festgehalten, gedruckt und verlegt. In der Neckarstadt sind bereits einige charakteristische Wohnhäuser in Fachwerkbauweise errichtet worden,167 welche dicht zu einander stehen, oft lückenlos, aber in lockeren Gruppierungen und mit schmalen, geschwungenen Gassen um das Stadtzentrum herum, mit der neuen Kirche und dem 1491 erbauten Rathaus.168 Etwa 1545 das Spital des wachsenden Medizinorts.169 [008] Eingefriedet wird die beschauliche Innenstadt von der Stadtmauer mit ihren sechs Ecktürmen. Sie wird neu angelegt während der Herrschaft des württembergischen Herzogs Ulrich (1487-1550), es ist eine Ringmauer um die Stadt. Von nun an werden Häuser auch direkt an die Stadtmauer angebaut, wie dies etwa mit dem Haus des „Ackerbürgers“ geschehen ist.170 Nur wenige der einfachen Häuser weisen eine markante Bauart oder Alleinstellungsmerkmale auf. Badstuben sind von außen kaum als solche zu erkennen. Weit bekannt ist das traditionsreiche, 1538 neu hergerichtete Badhaus am Zwinger171: „Bartlin Son, genant post Bartlin Burger zu Cantstat hat verkoufft vnd zukouffen geben, Mathiß pruckners Badern vnd Burgern daselbß, sein huß vnd Badt stuben beym vischern thürlin, sampt aller seiner Zugehördt Daruff er dann Jme noch zubezahlen schûldig pliben, Nemlich Fünffhûndert vier guld, Sibenzehen creutz vnd ain heller (...)“172 Bartlin173 Sohn verkauft also 1558 sein Haus und Bad an den Bader Matthäus Brückner. Es handelt sich wohl um das Badhaus von 1538 bei den Quellen Männlein und Weiblein, das zwischen dem Zwinger bzw. der Stadtmauer und dem Neckar steht und laut der Urkunde bei dem Fischertürlein in Flussnähe, also demjenigen Tor der Stadtmauer, welches nach den am Neckar ansässigen Fischern benannt ist. 1571 taucht in den Kaufurkunden außerdem das Bad an der oberen Sulz auf, es wird sogar als „Statt Bad“174 bezeichnet. Die obere Sulz ist ein natürlicher Quelltopf von ca. 800 m² und wohl bereits im Altertum genutzt. Sie befindet sich am anderen Ende der Stadt beim Waiblinger Tor. Eine Kelter heißt die „Badkelter“. Einen Namen hat sich mittlerweile außerdem das Sulzbad175 beim Rathaus gemacht. Der Quellsee der Sulz liegt mitten in der Stadt und das Wasser wird wohl in das zugehörige Bad geleitet, der Teich selbst dient als Pferdeschwemme sowie als Waschplatz. Das überschüssige Wasser wird über den Sulzbach abgeleitet in den Neckar. Mit dem Bad am Zwinger, in exponierter Lage vor der Stadt, mit dem Stadtbad innerhalb der Mauern an der oberen Sulz und mit dem an der Rathaus-Sulz entwickelt sich Cannstatt einstweilen zu einer kleinen Badestadt. Das Baden ist hier, im Gegensatz zu demjenigen in Wildbädern oder Thermalbädern, im Sulzbad eine urbane Angelegenheit. [016] Zur Bewirtung von Reisenden und Bad-Gästen wurde schon 1489 als eines der ersten Wirtshäuser im Zentrum der Gasthof Crone erbaut. Um 1589 wird das Gebäude durch den Stadtvogt Johannes Mayer umgebaut.176 „Ad fontes“ – zu den Quellen (Schriftquellen), fordern humanistische Gelehrte um Erasmus von Rotterdam (1466-1536). Über den Wasserweg ist die Quellenstadt Cannstatt selbst mit der niederländischen Hafenstadt Rotterdam verbunden. Flößer verschiffen auch durch den Cannstatter Mühlkanal ihr Holz über Neckar, Rhein und Nederrijn bis Antwerpen und Holland. 166 Beide Praktiken gehen auf die griechische Vier-Säfte-Lehre zurück. Vgl. Ziegler, S. 48; 69 ff. 167 Vgl. „Liste der Kulturdenkmale Unbewegliche Bau- und Kunstdenkmale“ der Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung, Untere Denkmalschutzbehörde (Hrsg.), Stand 25.4.2008. Freilich gibt es einige prächtigere, besser erhaltene Fachwerk-Städte, z.B. Besigheim, Quedlinburg, Wernigerode, Wolfenbüttel u.v.m. 168 Die Rathausglocke, nach 1200 gegossen, ist die zweitälteste profane Glocke in Württemberg: Abb. Stroheker, S. 74. 169 Hierzu Memminger 1812, S. 158-165. Vgl. Betsch/ Schulze, S. 9. Ein Waldstück zwischen Feuerbach und Botnang gehörte dem Spital. Selbstverständlich hatte fast jede Stadt dieser Größe ein Spital – nicht nur Kurorte oder Bäder. 170 In dem erhaltenen Fachwerkhaus „Ackerbürger“ in der Spreuergasse 38 wird heute (2020) ein Wirtshaus betrieben. 171 Nach Memminger 1812, S. 43, ist es laut einer Inschrift an der Hauswand anno 1538 errichtet worden. Vermutlich ist das Sulzbad von der oberen Sulz an diese Stelle umgezogen. 172 Siehe hierzu Heinrich 2016, Seite 63, Zeilen 1064-1070. 173 Bei dieser Person handelt es sich wohl um den Cannstatter Bürger Bartel. 174 Heinrich, S. 262, Z. 11562 (Jahr 1571); S. 349, Z. 15978 (Jahr 1575); S. 382, Z. 17711 (Jahr 1579). 175 Sulz für salzhaltige Quellen taucht häufig in Flurnamen auf: Sulzbach, Sulzgasse, Sulzhaus, Sulzrain (Sulzberg) u.a. Ein Cannstatter Weiler wurde zudem „Herzogenbrunn“ genannt – wohl nach dem Brunnen eines Ortsadeligen. 176 Vgl. Betsch/ Schulze (in Stroheker (Hrsg.): „Historischer Pfad Bad Cannstatt“) 2013, S. 13. 32 Um 1550 lebt das Badewesen europaweit wieder auf, wird von dem negativen Beiklang befreit.177 Medizinisch Gelehrte wie im deutschsprachigen Raum Theophrastus Bombastus von Hohenheim, kurz Paracelsus genannt, wirken aufklärend und veröffentlichen medizinische Schriften wie 1562 das „Baderbüchlin“. Schon 1535 war diesem Werk die Schrift „Von des Bades Pfäfers Tugenden“178 vorausgegangen. Den wesentlichen Fortschritt aber bringen wissenschaftliche Bearbeitungen dieser Thematik; mit der sogenannten Balneologie. Dazu schafft der Heidelberger Professor der Medizin Tabernaemontanus 1581 mit dem „Neuw Wasserschatz“ hierzulande Voraussetzungen. Sulzbäder spezialisieren sich daraufhin auf Gesundheitsfürsorge, medizinische Versorgung hat Priorität. Nun wird die heilende Wirkung von Wasser wiederentdeckt, speziell von Sulzwasser. Allmählich wird dessen Ruf in sein genaues Gegenteil verkehrt. Auch Cannstatt hat sich in der Zwischenzeit als „Heilbad“ bewährt und herum gesprochen: Denn 1596 bezeichnet der Tübinger Professor Martin Crusius (Kraus) in seinen Annales Suevici neben dem Weinbau und Handel zum ersten Mal die Mineralquellen von Cannstatt als Heilbäder (balneae salubres), dass diese gegen Krätze sowie Erkältung heilsam seien, Zitat: „(...) Balneae salubres, extra oppidum, vtiles scabiosis, et è frigore morbidis. Aedificia, non ad splendorem, sed ad vsum, parata. (…) Aestate, puerorum natationes per Nicrum.“179 Die Gebäude seien nicht auf Pracht, sondern auf den Nutzen hin ausgerichtet. Besonders trifft dies auf die Bäder zu. Crusius180 erwähnt erneut das außerhalb der Stadt gelegene Bad. Im Sommer würden die Jungen im Neckar schwimmen.181 Schon zwei Jahre später werden die Cannstatter Sulzquellen nochmals kurz erwähnt, und zwar bei dem Schweizer Mediziner Johann Bauhinus, der ebenfalls an der Universität Tübingen studiert hatte, in seiner Beschreibung des Wunderbads Boll.182 Gleich nach der Entdeckung von Schwefelquellen in Boll um 1595, welchen Bauhinus sein Werk widmet, folgt im Jahr darauf der Bau des Badhauses durch den Baumeister Heinrich Schickhardt. In Auftrag gegeben hat dieses neuartige Heilbad mit Gastunterkünften der württembergische Herzog Friedrich I.183 Mit Lustgarten soll es ebenso für den Herzog nutzbar sein. Die Grabungen in Boll galten eigentlich der Suche nach Salz, das in Württemberg Mangelware ist. Dazu wird an verschiedenen Stellen gesucht; auch in Cannstatt wird mit dem Sulzwasser der Versuch gemacht, Salz zu gewinnen. Einfache Siedepfannen sollen Salz aus dem Quelltopf der Sulz schöpfen, und ein Gradierwerk wird erbaut, doch die Mühen scheinen ohne Erfolg zu bleiben. Um 1599 verkauft der Sulzbader Ulrich sein Bad am Cannstatter Zwinger samt den beiden Quellen für 610 fl an die Stadt Cannstatt. Drei einfache Bäder sind es, die am Beginn des neuzeitlichen Heilbades Cannstatt stehen: Das Stadtbad, das Sulzbad und das Bad am Zwinger. Diese Bäder warten auf eine ähnliche Zuwendung, wie das württembergische Bad Boll sie bereits erhalten hat. Die in den Wildbädern wiederentdeckte Badekur hat sich in Form des Sulzbades urbanisiert und insbesondere das vorgelagerte Bad wendet sich an Gäste.184 Die Lage des Bades an der Stadtmauer ist in städtebaulicher Hinsicht ziemlich typisch für mittelalterliche und auch neuzeitliche Bäder. Die Randlage ist aus praktischen Gründen gewählt, möglicherweise zum Brandschutz, besonders aber 177 Siehe hierzu Bitz 1989, S. 38 ff. 178 Beschrieben ist u.a. das Alpen-Bad Pfäfers im Kanton St. Gallen – zu Zeiten des Herzogtums noch schwäbisch. 179 Crusius 1596, Bd. 3, „Liber paraleipomenos“, S. 29. Vgl. deutsche Übersetzung von Johann Jacob Moser: „Schwäbische Chronik aus dem Lateinischen übers. und mit einer Continuation vom Jahr 1596 biss 1733 ausgefertiget von J. J. Moser“, Frankfurt a. M. 1733. 180 M. Crusius, auch Kraus/ Krauß, wurde 1526 in Walkersbrunn (Oberfranken) geboren und starb 1607 in Tübingen. 181 Dies dürfte einer der ersten Hinweise auf Schwimmen im Neckar, Schwimmsport in Württemberg insgesamt, sein. Vermutlich wurde zu der Zeit auch in den Universitätsstädten Heidelberg und Tübingen im Neckar geschwommen. 182 Hierzu mehr im folgenden Abschnitt (1600). 183 Die Grabungen galten eigentlich der Suche nach Salz, das in Württemberg damals noch Mangelware ist. Das Werk von Heinrich Schickhardt ist von ihm selbst aufbewahrt worden und seine Pläne sind noch heute fast vollständig erhalten: Hierzu u.a. Sönke Lorenz/ Wilfried Setzler (Hrsg.): „Heinrich Schickhardt. Baumeister der Renaissance“, Leinfelden-Echterdingen 1999. 184 Wahrscheinlich diente dieses Bad eben nicht allein den Cannstattern, sondern auch Fremde konnten dort baden, ohne das Stadtinnere zu betreten. 33 zur Abwasserentsorgung.185 Das Abwasser aus der Badstube kann von dort direkt in den Stadtgraben bzw. Badgraben abgeleitet werden sowie über den Sulzbach in den Neckar. Ebenso in den Sulzbach entsorgt werden die Abwässer des Stadtbades an der oberen Sulz und des Bades an der Rathaus- Sulz. In Relation zu der demographischen und räumlichen Größe der Stadt Cannstatt ist die Anzahl an Badhäusern durchschnittlich. In vielen größeren Städten gab es bereits im Spätmittelalter zahlreiche Badstuben. In Ulm zählte man gegen Ende des 15. Jahrhunderts neun Bäder und in Straßburg sogar vierzehn.186 In der Neuzeit begann der Niedergang der städtischen Badstuben, die meistens ganz gewöhnliches Grundwasser nutzten, gleichzeitig kam die Konjunktur der Wildbäder, Sulzbäder und Heilbäder.187 Ein Großteil der alten Stadtbäder aus dem Mittelalter musste dagegen geschlossen werden; aus hygienischen Gründen, wegen Zerstörung, aber auch wegen steigender Holzpreise.188 In den von Badeärzten, die nun profunde medizinische Kenntnisse haben, betriebenen Heilbädern gilt es, höheren Ansprüchen und Standards zu genügen. Teils änderten sich die Badegewohnheiten, zumal die fragwürdigen chirurgischen Eingriffe, und auch Schwitzbäder, an Bedeutung verloren.189 Zahlreiche Bader des traditionellen Handwerks konnten, speziell im Winter, ihre Badewässer und Schwitzstuben allein aus Kostengründen nicht mehr beheizen. Manche Bäder verfügen dagegen über Thermalquellen, die eben nicht künstlich erhitzt werden müssen. Ähnlich sind die kühleren Sulzbäder in der Regel immerhin so lauwarm, dass darin auch in den frostigen Monaten, zur Not in ihrer natürlichen Temperatur, ein Betrieb möglich ist. Die mäßige Wärme sämtlicher Cannstatter Sulzquellen bleibt auch im strengsten Winter bei 16 bis 20 Grad Celsius bestehen. Auch am Ende des 16. Jahrhunderts kann die Stadt Cannstatt ihre traditionellen Sulzbäder weiter führen und tritt nicht zuletzt in Erscheinung als ausgewiesenes Heilbad. 1600. Brunnenkuren mit Sulzwasser Im Jahr 1601 beantragt der Bader Hans Öchslin den Neubau des Sulzbades, neben dem Rathaus.190 Er bittet um dasselbe Recht, das schon seine Vorgänger gehabt hätten, zum einen, ihren Wein von außerhalb Cannstatts zu besorgen und zum anderen, die traditionellen Johannisbäder abgeben zu dürfen.191 Ob dieser Plan ausgeführt wurde, ist unsicher. Am 3. August werden Verhaltensregeln für die Bäder aufgestellt, welche bei einem widrigen Verhalten Strafen nach sich ziehen. Gebadet wird nach Geschlechtern getrennt und körperliche Gewalt ist zu unterlassen. Seit etwa 1550 lebt das Badewesen wieder auf – das Sulzwasser192 wird ebenso neuentdeckt, als gesundes Getränk. Johann Bauhinus, 1572 zum herzoglich württembergischen Leibmedicus berufen, wirft 1601/02 zum ersten Mal die Frage auf, ob das Sulzwasser des Brunnens zu Boll wie auch andere Wässer nicht nur zum Baden benutzt, sondern auch getrunken werden könnten. Die ersten Erfahrungen mit dem Brunnentrinken gab es seit einigen Jahrzehnten mit dem Egerer Sauerbrunnen in Böhmen, wie Caspar Brusch von 1542 berichtet. Fast gleichzeitig mit dem neuartigen Kurbaden ist also die 185 Vgl. Arnold 1996, S. 29. Andererseits wurden fast alle Häuser in der Stadt, auch Wirtshäuser, mit Feuer beheizt. 186 Ebd., S. 14. In Ulm wie in Straßburg sind allerdings bis heute keine hoch mineralisierten Heilquellen bekannt. 187 Hierzu u.a. Föhl 1988 (Wildbad)/ Fuhs 1992, S. 21 ff./ Ziegler 2004, S. 74 ff. 188 Vgl. Martin 1906, S. 207 ff. Vgl. auch Bitz 1989, S. 38 ff. Vgl. Susanne Arnold, in: Denkmalpflege BW 1996, ebd. 189 Vgl. Bitz, ebd. Schwitzbäder nach dem mittelalterlichen Modell bestanden zwar weiterhin, wurden aber unrentabel. 190 Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 903 – Inv. Nr. 2410/8. 191 Vgl. Rilling 1967, S. 182. Als „Johannisbad“ wird ein Bad von ganzen 24 Stunden am Johannistag bezeichnet. Siehe auch Theodor Griesinger: „Schwäbische Familien-Chronik. Vaterländische Novellen, Sagen und Geschichten“, 1. Bd., Stuttgart 1859, S. 221-222. Vgl. Alfred Martin: „Deutsches Badewesen in vergangenen Tagen“, Jena 1906, S. 20. Wenig später scheinen die Johannisbäder wegen Bedenken über ihre Wirksamkeit aufgegeben worden zu sein. 192 Der Begriff „Mineralwasser“ ist ein naturwissenschaftlicher und anfangs noch nicht oft verwendet. Stattdessen wird bis etwa nach 1750 von Laien häufiger noch von „Sulzwasser“ gesprochen. Siehe auch die folgende Anmerkung. 34 Brunnenkur aufgekommen. Schon 1599 berichtete Bauhinus aus dem Bad Boll über Heilerfolge in den Jahren 1596-1599 mit dem Boller „Wunderbrunnen“. Im Kapitel „History vom Wunderbrunnen zu Boll / Das etliche Mineralische Wasser unnd Bäder schedlich seyen / doch nicht alle: Ja daß die Alten / ihrer etliche vor zeiten im Trincken eben so wol gebraucht / als wir heutiges Tages; Auch / ob das Wasser zu Boll ohne Schaden und heilsamlich mit nutzen zu trincken sey“ geht Bauhin dieser Frage nach und nennt einige Beispiele, auch Cannstatt: „(...) Wann man in die Wasser zu Canstat bey Stuttgart Fische wirfft / so sterben sie / wie ich selber erfahren habe. Es hat aber vier Brunnen daselbst / oder vielleicht noch mehr / einen in der Statt / den andern ausserhalb der Mauren / da das Bad ist / den dritten etwas weiter darvon auff einer Wisen / welcher gar tieff ist. Den vierdten findet man am Necker. Man hat mich auch berichtet / das vor zeiten / da der eine Brunn noch enger eingefast gewesen / unnd der Dampff nicht so frey herauß gehen können / seyen die Vögel / so fürüber geflogen / zu boden gefallen. Dise unnd dergleichen Exempel sein wol zu mercken / un were zu wünschen / daß die Medici zu Mompelier zur Sache theten / und das Wasser auß dem Brunnen zu Peraut einem zu trincken geben / der ohne das den Todt verwirckt hette / damit man eigentlich erführe ob solch Wasser auch den Menschen schedlich were / oder nicht. Wie ichs zwar ein wenig gekostet / hat michs gedaucht es sey etwas sewrlich.“193 Unter anderem mit dem Beispiel Cannstatt, neben Peterstal-Griesbach, fordert Bauhinus damit europäische Mediciner auf, etwas zu unternehmen, um die Sulzbrunnen nutzbar zu machen. Noch gibt es nur wenige, aber deutlich wahrnehmbare Heilerfolge mit mineralischem Sulzwasser und es muss zunächst zu weiteren genauen Untersuchungen kommen, denn es herrscht offensichtlich noch eine gewisse Unsicherheit über den Umgang mit dieser Form von Heilmitteln. 1612 wird der neue Kirchturm erbaut, den der Baumeister Heinrich Schickhardt im Renaissance- Stil dem gotischen Hallenbau angegliedert hat, wenige Jahre zuvor entwarf er das Badhaus zu Boll. Der Lehrer Jakob Frischlin, Praeceptor an der Lateinschule zu Cannstatt von 1579-1581, beschreibt ausführlich die Sulzquelle am Rathaus. Um 1613 wird seine Beschreibung veröffentlicht: „(…) es entspringet auch gleich an der Lateinisch Schuel zu Canstat ein Wasser, Sultz genant, weil es ein Saltzwasser ist, und hatt sehr viel Schwebell, also daß es vor Schwebell stinckt und dampft, am Wintter, wanns über die Maßen kalt ist, so ist das Wasser sehr warm, also daß man drauß wäschen und spuelen kann, waß man will. Es frißt aber Schuch und Häß, waß man drauß wäschet, so herb ist es. Wann man ein frosch oder füsch darein würfft, so stürbt der gleich. Es ist gut für die Räudig und Schaebig, und kann einem den Harnisch buzen und fegen. Vor dißem hat eß vor der Statt ein gut Saltzbaudt gehabt, wie eß dann ein aygen Baudt von dem Wasser Saltz vor der Statt gebauen hatt unndt offt viel Leüth drinnen baden. Doch muß mann daß Wasser wärmen, dann zum Sommer ist eß sehr kalt, zum Winter sehr warm. Es ist ein perpetua scaturigo und ewig quell. Dan eß für und für uffsteigent auß seim grûndt mit hellem plätterlein und quellen und hatt einen gewißen kalender bey der Schuel, da er kann wissen, wann Unwetter vorhand ist. Dan wan das Wasser hell ist, daß einer ein pfenning uff dem boden sehen kan, so ist gut Wetter vorhand. Wann es aber anfengt trueb werden und sein grundt sich oder wüst vom boden uffwerffen, dan eß merkhet einer lang zuvor, uffsteigende lümplin von Moß, so besehe er den himell, welcher zuvor hüpsch hell und blau geweßen ist, fangt er an, wie daß Waßer Sultz trübe Wolkh auffwerffen und kompt der Reg und wirdt die Sulz also trüeb, daß du weniger uff dem boden sehen kannst. Man braucht daß Waßer allein zu der Gych zu Canstatt, daß man die Faß eyche und außschwenckhe: Sonst ist es nit vil zu brauch, weil es allerding ver zehrt und frißt. Es hatt dergleichen Waßerquellen und scaturigines viel umb Canstatt uff den Wißen, also daß wann du ein erden Schollen in solchen grundt wirffst, das Wasser gegen dir uff steigent und anfangt sieden und toben, nit anderß alß ein goren Haff oder Suppen, die über den Hafen außlauffen will. Ist wunderlich zu sehen.“194 Frischlin greift also die Beschreibung von Bauhinus auf und ergänzt sie um einige weitere Details. 193 Bauhinus 1602, „das ander Buch“, S. 4. Bemerkenswert ist die Verwendung des Fachbegriffs Mineralische Wasser. 194 Jacob Frischlin, „Chorographia des …Wirtemberger Lands“ (Landesbeschreibung) 1613, S.79. „Kanstatt“: S.77-82. Vgl. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Sign. J 1 Nr. 29. Lateinisch scaturigines bedeutet Sprudelquellen (Sg. scaturigo). 35 Anno Domini 1613 wird laut Frischlin das Sulzwasser hauptsächlich zur Behandlung der Gicht genutzt. Die Sulzquelle ist eine der ergiebigsten und ältesten Cannstatts. Das unter Druck stehende Wasser hat einen natürlichen Quelltopf gebildet, es muss nicht erbohrt werden und trat vermutlich schon in der Antike von selbst aus. Der Quelltopf liegt exakt im Zentrum der Stadt. Womöglich ist unsere Stadt gezielt um die Quelle herum entstanden. Neben dem Rathaus und der Kirche Sankt Cosmas und Damian, die 1613 nebenan stehen, befindet sich die erwähnte Lateinschule auf diesem Platz.195 Als Marktplatz dient der Holzmarkt mit dem oktogonalen Brunnen196 sowie der Platz auf beiden Seiten des Kirchenchores. Schon 1597 wurden mit dem leicht salzhaltigen Mineralwasser Salzsiede-Versuche unternommen, mit Siedepfannen.197 Andernorts, wie im Königreich Böhmen, gelten schwefelhaltige Wässer bereits als Heilquellen, ihre Umgebung wird erschlossen. Der Engländer Robert Burton (1577-1640) empfiehlt in seiner Anatomy of Melancholy Bewegung, das Spazierengehen, als Heilmittel gegen Melancholie.198 Die ersten „Kurspaziergänge“ kommen auf. Im Dreißigjährigen Krieg von 1618-1648 werden zahlreiche Badhäuser in Mitteleuropa völlig vernichtet. Vielen Städten fehlen die Mittel zum Wiederaufbau und den Bürgern das Geld für den Bäderbesuch. Traditionelle Einrichtungen gelangen nicht selten in Konkurs oder bald fast ganz in Vergessenheit. Erneut kommen zu den Erschwernissen während der Kriege die heimtückischsten Epidemien hinzu. In der Folge kommt es wieder zu einer regelrechten Wasserphobie, es ist eher eine Hypochondrie. 1638 wird die erste Apotheke Cannstatts durch Hofapotheker Hans Jacob Kühnle gegründet.199 Die Stadt Cannstatt kann den Wiederaufbau des kaputten Sulzbades finanziell nicht selbst tragen und so verkauft sie es. 1643 geht das bislang städtische Badhaus bei den Quellen Männlein und Weiblein damit von der Stadt für 200 fl in Privatbesitz über. In der Kaufurkunde ist auch der neue Besitzer erwähnt, eine Frau: Die Witwe Barbara Welt, geborene Körber, in erster Ehe verheiratet mit dem Bader Johann Laisle.200 Ihr Sohn aus erster Ehe, Michael Laisle, erhält ebenfalls die Besitzrechte. Die beiden erhalten ein Privileg zur Verabreichung von mineralischen Bädern und sind damit die zwei einzigen offiziellen Badewirte in der Stadt. Noch dazu war nach der Zerstörung durch die Esslinger 1449 die alte Badstube vom Waiblinger Tor hierher verlegt worden. Laut einer in die Hauswand eingravierten Inschrift ist das Gebäude um 1538 errichtet worden und wurde nach dem Dreißigjährigen Krieg erneuert.201 Auf dem frühesten erhaltenen Stadtplan von 1655202 steht das Bad neben einer Metzgerei (Metz/ Metzig) vor dem Fischertor. Die Trinkkur spielt in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch deshalb die entscheidendere Rolle als die Badekur, weil im Barock das Baden erneut in den Hintergrund gedrängt wird.203 Der Adel bevorzugt es, sich nur die Füße mit Wasser zu waschen, der Körper wird ansonsten vielmehr gepudert, parfümiert und das fettige Haupthaar unter Perücken versteckt. Ursachen sind im Glauben an die toxische Wirkung von Badewasser zu finden, höfische Leibärzte warnen entsprechend.204 195 Um 1875 wurde die Quelle zugeschüttet, überbaut und als Platz hergerichtet, der heutige Marktplatz Bad Cannstatt. Bildbelege anhand von Karten und Plänen zwischen 1870 und 1880 hierzu. 196 Um 1831 wurde der steinerne Brunnen, vermutlich von Schickhardt (Renaissance), durch einen gusseisernen ersetzt. Vgl. PAC, Historischer Pfad https://www.proaltcannstatt.de/bad-cannstatt/historischer-pfad/polizeibrunnen/ 197 Carlé 1965, S. 205-210: Salzsiedungsversuche im Sulzbad am 19.4.1597, Quelle laut Carlé: Akten des Rates Pfau. Versuche des Rates Voigt 1709 und 1710. Bau eines provisorischen Gradierwerks an der Rathaus-Sulz 1710-1733. Berüchtigt war das Sulzwasser für fauligen Schwefelgeruch. Vgl.: Der schwefelhaltige Elisenbrunnen in Aachen. Am 2.6.2017 sorgte die Verzögerung des Baus eines neuen Marktplatzbrunnens für Aufsehen, weil die alte Quelle unter dem Marktplatz dadurch wieder allgemein bekannt wurde: Cannstatter Zeitung - „Marktplatzbrunnen kostet 280.000 Euro mehr“, von Uli Nagel. 198 Robert Burton: „Anatomie der Melancholie“ (übers.), 1. Aufl., München 1991. Vgl. Gunzelmann 2014, S. 5. 199 Hierzu Schön 1898, S. 411. Die Kron-Apotheke in der Marktstr. 59 wird seit 1977 in einem Neubau von Architekt Prof. Werner Luz betrieben. 200 Stadtarchiv Stuttgart, Kolb: „Totenregister Cannstatt II, 1604-1807“, S. 505 ff. 201 Vgl. Memminger 1812, S. 43. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist dieses dasselbe Bad, das um 1502 erwähnt wird. 202 Hauptstaatsarchiv Stuttgart N 200 Nr. 168/169, Plan der Stadt Cannstatt von Georg Wilhelm Kleinsträttl um 1655. 203 Vgl. Bitz 1989, S. 137 ff. 204 Im 18. Jh. z.B. Albrecht von Haller (1708-1777) oder John Brown (1735-1788). Vgl. Vigarello 1988 (Anm. 141). 36 Durch die Hautporen könnten gefährliche Substanzen in den Körper gelangen und krank machen. Wasser gerät erneut in Verdacht, weil sich im Krieg an einigen Orten wieder Viren ausgebreitet haben. Ohnehin hat der lange Kampf die Fortschritte der Renaissance in Mitteleuropa weit zurück geworfen. Auf der anderen Seite aber wird der innerliche Gebrauch von Sulzwasser wiederentdeckt. Es ist keimfrei, wie sich herausstellt. Vielmehr enthält es wertvolle Stoffe, die wissenschaftlich untersucht und dokumentiert werden. Auch antike Schriftquellen sind teilweise zugänglich und berichten von Trinkkuren bei Griechen und Römern.205 Ärzte wie gebildete Laien besinnen sich nicht zuletzt auf die Heilkunst des Altertums. Sauberes und hochkarätiges Wasser ist kostbar und selten genug. 1660 hebt schließlich Narcissus Schwelin in dem Werk Kleine württembergische Chronica die Heilbäder des Landes an den Beispielen Teinach, Göppingen, Wildbad, Zell, Ebenhausen, Cannstatt sowie Bläsibad bei Tübingen hervor und empfiehlt mitunter das Cannstatter Sauerwasser erstmals, wenn auch vorsichtig, zur Trinkkur: „(...) Zuwissen ob wol das Sulzwasser zu Cantstatt welches ein zeitiges und Corporalisch Salz in sich hat und führet vil nutzlicher und dienstlicher zu den äusserlich : dann zu den innerlichen Leibs-Gebrechen in Erwegung daß der innerlich Gebrauch etwan zu vil Durst erwecken : Item dem Magen und Gedärm schaden : zu allerhand Rauden und anderer Unreinigkeit etwan verursachen möchte / jedoch so erweichets warhafftig dem Bauch und führet und fürdert den Stulgang gewaltig“.206 Eine lange Liste von Indikationen des äußerlichen Gebrauchs als Bad folgt: „(...) und vertreib das schwerlich Athemen / Astma (…) den Dampff von heissem Sulzwasser in die Ohren empfangen vertreibt die Schwermütigkeit deß Haupts und mildert dem Schmerzen der Ohren / Sulzwasser vertreibt die Läuß in den Augbrauen und tödtet sie so sie wol und offtermals darmit gewaschen und gerieben werden / es ist auch gut zu den Spinnenbissen (...)“.207 1688 veröffentlicht der Aachener Badearzt François Blondel (1613-1703) Schriften, in welchen er seine eigenen medizinischen Erkenntnisse mit der Anwendung von Schwefelwasser beschreibt: Auszführliche Erklärung und augenscheinliche Wunderwirckung deren heylsamen Badt- und Trinckgewässern zu Aach, in welchen derselben wunderbarliche Natur und Aigenschaften, auch vielfaeltige und bewehrte durch Baden und Trincken erhaltene Curen, beneben nothwendiger und nützlicher Underrichtung, wie sich die Gesunden so woll Krancken in deren Brauchung zu verhalten haben, gruendlich beschrieben werden in Buchform im Badeort Aachen. Begriff und Praxis der Kur sind nun eingeführt. Auch der Leidener Mediziner Franciscus Sylvius beschäftigt sich intensiv mit den körperlichen Verdauungsvorgängen.208 Deutlichen Aufschwung in den europaweiten Kurbetrieb bringt aber erst die Trinkkur. Seit 1660 hat diese dem menschlichen Körper als Getränk zugeführte Form der Kur das zumeist rückständige Badewesen überholt und das Aufkommen von Heilbrunnen initiiert, wenngleich ihre Einführung schon mindestens einhundert Jahre vorher belegt werden kann.209 Spa210 in den belgischen Ardennen erzielt hohe Absätze mit dem Versand von Sprudel, ebenso Franzensbad und Selters. Das sind hochwertige Mineralwässer, die sich rasch einen Namen machen. Erst allmählich aber verbreiten sich solche Erkenntnisse über den Kontinent, weiter verzögert entstehen nun die ersten Kurparks: Mit einem Gesellschaftshaus, einem Konzertsaal und die Bauten verbindenden Alleen. An den Brunnen versammelt sich im Sommer eine Gesellschaft, zusehends kommt es in den Heilbädern zu saisonaler211 Urbanität, wenigstens als 205 Siehe z.B. Bauhinus 1599; Jahre 1601/02. 206 Schwelin 1660, S. 638-643. 207 Ebd., S. 641. Vgl. Rilling, S. 182. 208 Vgl. Steudel 1962, in Amelung/ Evers (Hrsg.): „Handbuch der Bäder- und Klimaheilkunde“, S. 9. 209 Bereits Caspar Brusch berichtet in der Beschreibung des Egerer Sauerbrunnens um 1542 von Trinkkuren: Caspar Brusch: „Beschreibung des Fichtelgebirges“ (transkrib.), Erstveröff. Wittenberg 1542/ Vgl. Georg Lorenz Sommer: „Kaiser Franzensbad bei Eger und seine Umgebungen“, Eger 1848, S. 249. 210 Bei dem Spruch Sanitas per aquam (Spa) handelt es sich um ein Backronym; der Stadtname hat andere Ursprünge. 211 Vgl. Fuhs 1993, S. 39 ff.; S. 336. 37 urbane Fassade.212 Vor dem 17. Jahrhundert wurde das Cannstatter Sauerwasser wohl nur selten zu medizinischen Zwecken getrunken.213 Kenntnisse davon, sowie Erfahrungen mit der Heilkraft dieses Wassers, sind dennoch anzunehmen, für Cannstatt allerdings nicht in schriftlicher Form belegt. Bedenkt man, dass der Wunderbrunnen in dem benachbarten Bad Boll schon um 1597 getrunken wurde und mehrere Brunnen im nahen Schwarzwälder Wildbad sogar seit dem 15. Jahrhundert, dann dürfte auch das Cannstatter Sulzwasser bereits zu diesem Zeitpunkt als Heilquelle gegolten haben, aber sie war noch wenig beachtet, untersucht oder in eine Kurarchitektur eingebunden.214 Dies ändert sich erst um 1660. Anders als bei den bescheidenen Stadtbädern entstehen nun prachtvolle Kuranlagen: 1665 lässt erstmals Ferdinand von Fürstenberg in Driburg eine Brunnenallee anlegen. 1668 legt der Graf Georg Friedrich zu Waldeck eine Brunnenallee in Pyrmont an als eine der ersten neuzeitlichen Kuranlagen überhaupt. Unter den Linden Pyrmonts promeniert bald halb Europa.215 1699 folgt eine Hainbuchenallee an der Enz im württembergischen Wildbad.216 Die zentrale Stellung von Cannstatt in Württemberg und das Potenzial dieser Stadt erkannt hat der Leipziger Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz. In der im Mai 1669 über den Statthalter Habbeus dem württembergischen Herzog Eberhard III zugesendeten Denkschrift nennt dieser einige „Ursachen worumb Canstatt füglich zur Hauptstatt des Herzogthums Würtenberg zu machen“217 wäre. Neben Hauptgründen der Logistik und Verkehrslage, räumlicher Ausdehnungsmöglichkeiten, einem fischreichen Fluss, mildem Klima, fruchtbarem Boden, Bildung, Handel, etc., wozu denn meines Erachtens das städtlein Canstatt sich am besten schickt, nennt er in Paragraph 21 auch den großen Vorzug des Cannstatter Naturraumes für die Medizin: „(...) Die gesundheit wird von den H. Medicis erhalten, zu welchem ende man ihnen dann alle gewündschte gelegenheit die natur zu erforschen verschaffen soll“. In § 53 argumentiert Leibniz weiter: „(...) Die Medici solten auch billig an einem fürnehmen orth ihr studium begreiffen, denn weil die Experienz der medicin grund ist, und keiner ohne erfahrung ein Medicus seyn kan (…), als ist auch dem Medico für andern nöthig in einer vornehmen stad und bey guther conversation seine kunst zu begreiffen“.218 Cannstatt ist für Leibniz ein strategisch günstiger Platz und darüber hinaus ein naturnaher Ort mit hinreichend medizinischer Erfahrung, der auch gute Gelegenheiten für Mediziner biete, fachliche Konversation mit Kollegen zu halten. Sodann schlägt er vor, die Residenz von Stuttgart hierhin zu verlegen, samt Umsiedlung der Tübinger Universität. Es bringe Vorteile mit sich, Residenz, Festung, Handelsstadt und Universität auf einen Ort zu konzentrieren anstelle der Verteilung auf verschiedene Städte im Land. Offensichtlich ist aus dem Vorschlag nichts geworden und man führt das Beispiel daraufhin immer wieder an: Die einen kritisieren Leibniz' Vorschlag, die anderen trauern dem Scheitern seiner Umsetzung nach.219 Das ändert jedoch nichts an Cannstatts Qualitäten und kann die Entwicklung des Gesundbrunnens nicht aufhalten. Eine der Anregungen von Leibniz wird dennoch erhört: Die Aufforderung zur Naturkunde. Schließlich sind es Forscher, Badeärzte und Naturwissenschaftler, die den äußerlichen und innerlichen Gebrauch von Sulzwasser untersuchen und vorantreiben. 212 Hierzu mehr unter Kapitel XX. 213 Vgl. Memminger 1812, S. 41/ Lentilius 1710, S. 4. 214 Dafür spricht die Erwähnung Cannstatts in Bauhinus' Bericht des Wunderbads und Brunnens zu Boll 1598, S. 89. 215 Der „hyllige Born“ in Pyrmont wurde schon Mitte des 16. Jh. besucht. Hierzu Mehrdorf/ Stemler 1985, Anm. 152. 216 Im Zusammenhang mit der verbreitet landesherrlichen Förderung von Kurorten entstehen vielerorts verbesserte Anlagen. Schließlich kann sich ein Monarch mit der Förderung der öffentlichen Gesundheitsfürsorge beim Volk Ansehen verschaffen und die Sommerfrische zu seiner Sommerresidenz machen. Vgl. Bitz 1989, S. 81 ff. 217 Gottfried Wilhelm Leibniz „ad rogata Dn. Habbaei“, Ffurt mense Maio 1669. Die oft erwähnte Denkschrift soll hier zu Teilen im Wortlaut wiedergegeben werden. Quelle: Akademie der Wissenschaften der DDR (Hrsg.): „Gottfried Wilhelm Leibniz. Sämtliche Schriften und Briefe“, 4. Reihe, Politische Schriften, 1 Bd., Berlin 1983, S. 101-111. Möglicherweise ist nicht Leibniz der Verfasser der Denkschrift, sondern Habbeus: Ebd., S. 589. 218 Ebd. 219 Leibniz' Vorschlag wird von Gegnern des neuen Tiefbahnhofs gerne in die Diskussion um Stuttgart 21 eingebunden. 38 1700. Sauerbrunneninsel bis Sulzrain Um 1700 fangen wenige Leute an, das Cannstatter Sauerwasser zu trinken, und es bekommt ihnen gut.220 Von dem Gebrauch einer wirklichen Trinck-Cur in Cannstatt erfahren wir erstmals 1710 bei Rosinus Lentilius, dem herzoglichen Leibmedicus Eberhard Ludwigs (1676-1733).221 Der Chirurg und Badmeister zu Cannstatt, Johann Georg Greiß, bittet darin um einen Zuschuss, sodass er einen inzwischen notwendig gewordenen Trinkpavillon errichten kann.222 Der Badmeister J. G. Greiß sei nach eigener Aussage „(...) allhier zweyer der edlesten Sultzquellen Besitzer“ geworden: „bey meinem vieljährigen Hierseyn viel herrliche Proben von der Würckung dieser Wasser gesehen, auch aus einigen Umständen sowohl, als verschiedener Cur-Gäste Erfahrung / geschlossen habe / es seyen diese Wasser nicht zum baden allein / sondern auch zum trincken sehr dienlich / solchemnach deren innerliche Tugenden und Kräfften nicht genugsam untersuchet; Als habe davor gehalten / es erfordere meine Pflicht / solche genauere Untersuchung zu veranlassen.“223 Er bittet also den Fürsten Eberhard Ludwig daraufhin, ihm „unter die Arme zu greiffen, damit ich einen bequemen Bau / zum Trincken / Baden und Bewirthen / über und auff die beyde Quellen zu richten“. Das Sulzbad sei lange und weithin bekannt, dass sein Wasser aber auch medizinisch anwendbar ist, vor allem innerlich, sei bisher kaum bekannt. Aber der Ruf der Quellen wird sich bald im Land verbreiten, wenn auch die möglicherweise gesundheitlich positive Wirkung einer Trinkkur zunächst noch umstritten bleibt. Nun promenieren inzwischen vereinzelt „Cur-Gäste“ in Cannstatt. [010] Zwischen 1712 und 1713 wird am schiffbar gemachten Fluss beim Mühlgrün ein Hafen angelegt. Diese Infrastruktureinrichtung verhilft der alten Handelsstadt zu einer deutlichen Steigerung ihres Umsatzes, erste Gewerbebetriebe siedeln sich um den Hafen am Mühlgrün an. Dort befindet sich auch die von Heinrich Schickhardt einhundert Jahre zuvor geplante Stadtmühle. Anno 1721 besingt der Teinacher Vikar Jacob Friedrich Jung die Württemberger Quellen im Werk Würtembergischer Wasser-Schatz oder: Das mit Gesund-Brunnen und heilsamen Bädern geseegnete Würtemberg.224 Verse über Sulz-Wasser zu Canstadt finden sich: „Ihr Musen wendet euch vom Wald der schwarzen Nacht zum Glanz der Felder hin, vom Mooß zum bunten Pracht, von hohen Tannen-Bäum zu tieffgebognen Reben, Die den gepreßten Safft so reichlich von sich geben, Als ein gesunder Brunn sein frisches Wasser quillt, Und der Gesunden Durst mit seinen Quellen stillt, Ists möglich, daß man auch in Most-erfüllten Gründen, kan Wasser vor das Heil der krancken Glieder finden? Ja Canstadt pranget nicht so mit dem Reben-Safft, Als mit der Brunnen Ruhm und ihrer Quellen Krafft, Die zwar dem dummen Vieh abstricken Geist und Leben, Dem Menschen aber Heil und Trost in Kranckheit geben. Es heilt das scharffe Salz, so diese Quelle führt, Den Leib, wenn ein Geschwühr und Krätze ihn berührt, Wann kalte Feuchtigkeit und zäher Schleim den Magen, Und gifftige Geschwulst den Leib und Schenckel plagen, Wann kalte Feuchte sich in Füß und Hände setzt, 220 Schon 1660 hatte Schwelin das Cannstatter Sauerwasser wie erwähnt zum Trinken empfohlen: Schwelin, S. 638 ff. 221 Lentilius 1710, Arbeitstitel: „Fons aquae vitae Cantstadiensis“ (übers. = Cannstatter Lebenswasserquelle), S. 1 ff. 222 Eberhard Ludwig war es, der die Residenz von Stuttgart nach Ludwigsburg verlegte und das dortige Schloss baute. Quelle: Brockhaus Online Enzyklopädie https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/eberhard-eberhard-ludwig. 11.3.2022. 223 Greiß, in: Lentilius 1710, S. 4. 224 Jung, (Titel im Fließtext) Reuttlingen 1721, S. 13-14; 54-56. 39 Die Glieder krämpffig macht, die Flaisch und Bein verletzt, So kan das edle Bad dem Glieder-Schmerzen wehren, und alle Feuchtigkeit, so schädlich ist, verzehren, Doch soll diß Wasser auch getruncken schädlich seyn, Dem Magen und Gedärm erwecken grimme Pein: und wer hier nur zur Lust und allzuviel will baden, Dem wird der scharffe Dampff an seinen Augen schaden.“ Der erste Kur-Trinkbrunnen Cannstatts befindet sich weder am Sulzrain225 noch in dem Badgarten, sondern auf der sogenannten „Berger Insel“ im Neckar, die auch als Sauerbrunneninsel bekannt ist. Hier steht 1724 bereits ein Trinkbrunnen. Das Wasser der Quelle sei schon im 17. Jahrhundert zum Baden genutzt worden. „(...) Vor ungefähr 12 Jahren aber ist dieses Wasser, da man es angefangen zu trincken, jährlich mehr in grössern Ruhm gekommen (…). Es ist dieser Sauerbronnen unbedeckt, nicht formlich gefast, sondern nur mit Brettern umgeben, hat einen kleinen Steig, da man auf diese Insul kommen kan, ohnerachtet dieses Wasser im Sommer so häuffig abgeholet wird (…) von einiger Gelegenheit, diesen Sauer-Bronnen gebührend und bequemlich zu trincken (...)“.226 Mittlerweile ist Cannstatt als Kurort weit bekannt, wie z.B. in Leipzig anno 1727: „Canstadt, kleine Stadt am Neckar, 1. Meile von Stutgard im Herzogthum Würtemberg. Sie ist nach Stutgard und Tübingen eine der feinesten Städte im Würtembergischen, hat guten Weinwachs, und ausserhalb der Stadt ein Bad“.227 Erneut ist hier das Bad bei den Quellen Männlein und Weiblein kurz erwähnt, als das älteste und beständigste in der Stadt. Der Berger Amtmann Johannes Andreas Belling lässt die Inselquelle 1739 neufassen und überdachen. Johann Albrecht Gesner erwähnt 1749 unter anderem den „(...) Sauerbronnen zu Berg, der auf einer Insul, welche der getheilte Neccar- Strom macht, entspringet“.228 Obwohl die Insel mitten im Neckar, zwischen Cannstatt und Berg liegt und der Kanal auf der Berger Seite wesentlich schmäler ist, gehört der Sauerbrunnen allezeit der Stadt Cannstatt. Die Brunnengäste auf der Berger Insel sind demzufolge offizielle Kurgäste von und in Cannstatt. Christian Friedrich Sattler erwähnt 1762 ebenfalls die Mineralquelle, über welcher der seit 1710 gewünschte Trinkbrunnen entstanden ist. [011] Im Jahr 1727 wird diese Quelle neu und ergiebiger gefasst: „(...) Nicht gar weit von der zweyten Quelle befindet sich zu Berg, einem theils auf Stuttgarder – theils Canstatter Markung ligenden Dörflein, ein guter Sauerbronnen, welcher aber erst anno 1727. das Glük gehabt wegen seiner guten Würkungen berühmt zu werden, indem er darinn dem Egerer Wasser wenig nachgibet. Die Quellen, so ungefehr mitten in einer Insul, welche von dem Neckar auf beeden Seiten umgeben ist, entspringen, liegen fast in einem Viereck und steigen beständig und stark auf, so, daß, wann auch der Neckar dies Insul überschwemmt, dennoch das Wasser diser Quellen hell bleibt und das Neckar-Wasser abtreibt“.229 Daraufhin etabliert auch der privilegierte Cannstatter Badmeister Weissinger, nachdem dieser das Badhaus sowie beide Quellen gekauft hatte, die Trinkkur bei sich im Badgarten: „(...) Das Wasser zur Trinck-Cur solle nicht in dem Badhauß, sondern bey denen Quellen in dem Garten, und zwar von dem Männlein, genommen werden, woselbsten zugleich Gelegenheit ist, sich bey gutem Wetter mit einer Promenade gelinde Bewegung zu machen“.230 Krüge könnten ebenso an entfernte Orte geliefert werden, behauptet er.231 [010] Jedoch kommen erst wenige Kurgäste an den Brunnen auf der Insel. Gesner fügt hinzu: „(...) Es 225 Diese Cannstatter Anhöhe wird in älteren Dokumenten meist noch „Sulzrain“ oder „Sulz Rain“ genannt, später setzt sich die Bezeichnung „Sulzerrain“ durch. Der Verfasser wählt für die Zeit vor 1830 den alten Namen: [030] [031]. 226 Gmelin 1736, S. 21-22. 227 Johann Hübner bei J. F. Gleditsch: „Reales Staats- Zeitungs- und Conversations-Lexicon“, 12. Aufl., Leipzig 1727, Seite/ Spalte 364. (Informationen übernommen von Matthäus Merian 1643). 228 Gesner 1749, Nachricht von dem Canstatter Sultz-Wasser, S. 20. Vgl. Sattler 1762, S. 66 ff. 229 Sattler 1762, S. 74. 230 Ebd. 1749, S. 39. Auf S. 40 heißt es weiter: „(...) man findet auch einen mercklichen Unterschied in dem Wasser, welches in das Bad-Haus geleitet, und unter dem, welches bey dem Bronnen getruncken wird“. 231 Siehe Gmelin, S. 40: „Es hat das Bad-Haus dermahlen 8. artige und bequeme Stüblen zum logiren (...) und einem großen Speiß-Saal“, gemeinschaftliche und einzelne Badekabinette. 40 hat der oben belobte Seel. Lentilius (...) sich allbereit gewundert, warum solches nicht mehrers innerlich gebraucht oder getruncken würde, da es doch wegen seines Eisen-Gehalts dem Egerischen sehr nahe komme“.232 Überdies würde der eigenartig bittere Geschmack dieses Wassers abschrecken und Ekel hervorrufen. Er habe außerdem keine Erklärung für die geringe Anzahl an Brunnengästen, geht jedoch davon aus, dass die Bewohner ihre eigenen Reichtümer nicht sehen. Insofern ruft er damit indirekt die Cannstatter selbst zur Verbesserung der Anlagen auf. Nach der Analyse von Lentilius 1710 sei das Wasser laut Gesner insofern wirksam, als es besonders Salz, Magnesium und Eisen enthalte. Die Wirkung beginne im Magen, das Sauerwasser rege u.a. den Appetit an, löse Schleim, fördere die Verdauung, reize die Därme, begünstige die Durchblutung und wirke harntreibend. Gegen mehrere, u.a. bei Lentilius und ihm, aufgelistete Krankheiten sei das Cannstatter Sauerwasser hilfreich, jedoch nicht bei jedem Patienten könne sich eine Heilwirkung einstellen. Im Übrigen klärt Gesner auch über neue Erkenntnisse bezüglich der lange unterschätzten Wirkung einer Badekur auf und äußert zuletzt noch Empfehlungen für den Gebrauch beider Kuren in Kombination.233 Durch Zufall wird 1772 eine weitere Heilquelle in Cannstatt entdeckt: Salz ist im gesamten Herzogtum Württemberg immer noch eine Rarität und muss zumeist von den Nachbarländern abgekauft werden.234 Die einzige echte Saline des Landes befindet sich in Sulz am Neckar. Dieses kostbare Gut brauchen die Menschen zum Kochen und Konservieren. Um diesen Umständen abzuhelfen, wird nun wiederholt an vielversprechenden Stellen des Herzogtums nach Speisesalz gesucht. An einigen Orten werden unterirdische Salzvorkommen seit langer Zeit vermutet. Bereits 1473 wurde mitunter eine Cannstatter Örtlichkeit als der „Sultz Rain“ erwähnt, allein der Name weist bereits auf ein dortiges Salzvorkommen hin, denn „Sulz“ ist die altdeutsche Bezeichnung für eine Quelle oder Salzwasser. In der Vergangenheit ist mehrfach ohne Erfolg an dieser und anderen Stellen versucht worden, reines Kochsalz zu gewinnen: 1587 und 1709 etwa. Nun ist man technisch als auch wissenschaftlich weiter und erhofft sich, wirksamere Maßnahmen ergreifen zu können als zuvor. In dem von Johann Friedrich Stahl (1718-1790) herausgegebenen Allgemeinen oeconomischen Forst-Magazin von 1765 wird daraufhin sogar angegeben, dass die Cannstatter Sole, oder besser das Mineralwasser, bis zu 7,1 Gramm Kochsalz in einem Liter Wasser enthalte.235 Sollte die Angabe stimmen, dann wäre mit dem Wasser theoretisch eine Salzgewinnung möglich. Im Jahre 1770 gründen einige Männer auf die Veranlassung des Herzogs Carl Eugen (1728-1793) daraufhin eine erste Salzquellen-Ergrabungs- und Bohrversuchungs-Gesellschaft bei der Sulz am Rain und sammeln Gelder. Um 1772 können damit neue, gründlichere Bohrversuche erfolgen. Mehr als dreißig Meter tief236 ist der Bohrer in einem Schacht um 1773 vorgestoßen, als unverhofft stark kohlensäurehaltiges Grundwasser ausbricht. Plötzlich entweicht eine gefährlich hohe Konzentration an Gasen, ja explosionsartig, und lässt die Bauarbeiter im Bohrschacht beinahe daran ersticken. Das Weiterbohren muss abgebrochen werden. Danach zeigt sich aber, dass der Salzgehalt dieses Wassers nicht ausreicht. Überdies hat sich die Hoffnung zerschlagen, möglicherweise sogar auf ein Salzlager zu stoßen. Von dem tatsächlich hier vorhandenen „neun Meter mächtigen Salzlager“237 im Mittleren Muschelkalk kann man nicht wissen, geschweige denn dieses erreichen. So wird es um einige Meter verfehlt. Das ernüchternde Ergebnis wird zur Kenntnis genommen, die Mineralquelle aber hat einen so starken Überdruck, dass damit eine anderweitige Nutzung sinnvoll zu sein scheint. So beschließt die Gesellschaft, diese kräftige Quelle im Bohrloch zu fassen, den Druck ihrer Fontäne in einem 232 Ebd., S. 27: Er verweist auf das Heilbad Eger in Böhmen und nennt zum Vergleich auch Pyrmont. 233 Zur gleichen Zeit entstand der von B. Neumann entworfene Kurgarten Kissingen 1737. Der Badenweiler Kurpark folgte ab 1758. Das sind in Deutschland mit die ersten Alleen/ Grünanlagen um Heilquellen. Vgl. Ziegler, S. 100 ff. 234 Vgl. Carlé, S. 89/ Hagel 2002, S. 143-44. Die 1812 gegründete Saline „Friedrichshall“ wird namensgebend für einen ganzen Ort und geht auf das Glück König Friedrichs zurück, Salz entdeckt zu haben. Vgl.: „Schwäbisch Hall“. 235 Vgl. Carlé/ Hagel, ebd. 236 Vgl. Carlé, S. 90. 237 Hagel 2002, S. 144. 41 senkrecht stehenden Deichel in die Höhe zu treiben, um damit ein Mühlrad anzudrehen. Von dem Mühlenbetrieb mit anderen Mineralquellen weiß man, dass letztere im Winter nicht gefrieren und damit das ganze Jahr hinweg wirtschaftlich sind. Immer häufiger machen sich Unternehmer dies zunutze und gründen damit vor Ort unter anderem die ersten Gewerbebetriebe.238 Neben dieser Mühle, mit welcher Herr Beuttenmüller Kerne zermahlt und daraus Pflanzenöl herstellt, fangen Landwirte und Einheimische damit an, das Wasser nebenbei auch zu trinken. Die Cannstatter sind sich darüber im Klaren, dass diese saure Mineralquelle den Wässern auf der Sauerbrunneninsel und im Badgarten, der Heilwirkung nach, in nichts nachsteht. Sie wünschen die Anlage eines Trinkpavillons. Aber eine Baufinanzierung ist in wirtschaftlich schweren Zeiten noch nicht tragbar. Medizinisch Interessierte erkennen ebenfalls das Potenzial der Heilquelle. Allmählich versammeln sich die ersten Brunnengäste bei der Quelle am Sulzrain zur Trinkkur, nicht allein auf der Insel. 1787 dann wird schließlich der Oberamtmann Johann Friedrich Seyffer aus Lauffen nach Cannstatt versetzt, wo er das Gelände am Sulzrain neu anlegen und verschönern soll.239 So werden Sitzbänke aufgestellt, Säulenpappeln gepflanzt, Spazierwege angelegt und eine Brunnenallee.240 Die Allee verläuft entlang der Hangrichtung hinunter zur Quelle. Die Quelle wird neu gefasst und für das Kurtrinken hergerichtet. Der Sulzrain präsentiert sich bislang als kahle, felsige Anhöhe. Dort versammelt sich nun oft Publikum; die Trinkkur beschert dem Ort somit Fremdenverkehr. Bislang kennt man aber noch keinen modernen Begriff „Kurpark“, Ansprüche stellt man lediglich an das Vorhandensein von Alleen um Brunnen und Bäder sowie Spazierwege, die durchaus weit in die Landschaft, in den Wald oder zu Sehenswürdigkeiten in der Umgebung führen sollten, die Natur wird damit zugänglich gemacht und neu entdeckt. Insbesondere an der Quantität und Qualität von Spazierwegen wird der Rang eines Kurorts oder Wildbads ausgemacht.241 1774 hat Johann Jacob Frösner das Bad bei den Quellen Männlein und Weiblein erworben. Private Beziehungen ermöglichten Frösner erst den Kauf des Badhauses, denn er ist mit seiner Heirat zum Schwiegersohn des Badmeisters Weissinger aufgestiegen. Der Badebetrieb unter J. Frösner verläuft vielversprechend, mit einigen Ausbauten und Innovationen führt er sein Unternehmen zum Erfolg. So macht der Familienvater Johann Jacob Frösner beispielsweise seine Mineralbäder neuerdings transportabel, indem er Fässer und Badezuber mit Fuhrwerken einfach nach Stuttgart sowie in die Umgebung liefern lässt. Dort kann das Mineralwasser gegen Bezahlung bequem in Privathaushalten abgegeben werden. Das Wannenbad ist damit nicht einmal mehr an den Ort gebunden, es wandert in mobiler Form mitten in die Stadt. Zu nennen ist auch die 1793 von ihm als Arzt im Neckar errichtete Flussbadeanstalt, die erste ihrer Art in Württemberg und im Neckar. Sie hatte sieben hölzerne Badekabinen und Umkleidekabinen. Auf Stufen zwischen Ufer und Bad konnten die Badegäste sitzen und von dort die Aussicht auf die Uferwege genießen. Am 22. November 1792 hatte Frösner die Baugenehmigung erhalten.242 Nach dem Pariser Vorbild des Badeschiffs von 1760 ist bereits 1773 in Frankfurt am Main und 1777 ein Flussbad im Rhein bei Mannheim erbaut worden. 1781 folgte eine Flussbadeanstalt in der Wiener Donau. Cannstatt ist der erste europäische Kurort mit einem gebauten Flussbad.243 Doch diese positive Entwicklung ist nicht von langer Dauer und wird unterbrochen durch den Krieg von 1796. Auf der Cannstatter Neckarbrücke kämpfen die napoleonischen Truppen gegen die 238 Hierzu ausführlich Bonenschäfer 2016. Der Titel Bonenschäfers spielt auch auf die Heilkräfte des Wassers an. 239 Im Jahr 1758 wurden die württembergischen Amtsorte in Oberamts-Bezirke eingeteilt. Zu dem „Oberamt“ Cannstatt gehörte bis 1923 ein Gebiet von Zazenhausen über Mühlhausen, Oeffingen, Rommelshausen, Stetten im Remstal, Schanbach, Uhlbach, Hedelfingen bis Sillenbuch. Am 1.10.1923 wurde das Oberamt Cannstatt aufgehoben und die Gemeinden wurden verteilt an die Oberämter Esslingen, Waiblingen und Stuttgart. Hierzu Oberamtsbeschreibung Cannstatt, in: „Beschreibung des Königreichs Württemberg“, Bd. 9, Stuttgart 1895/ Wolfram Angerbauer: „Die Amtsvorsteher der Oberämter, Bezirksämter und Landratsämter in B.-W. 1810 bis 1976“, Stuttgart 1996, S. 59 ff. 240 Vgl. Hagel 2002, S. 144. 241 Hierzu Hirschfeld 1785, S. 91; Vgl. König 1996, S. 214; Gunzelmann 2014, S. 3 ff. 242 Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 335 L Bü 27. Vgl. Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 903 - 2410/13. 243 Vermutlich erkannte Frösner 1792 die therapeutische Wirkung von Flussbädern und integrierte sie den Kurmitteln. Hierzu mehr unter Punkt 1860er der vorliegenden Arbeit: „Heilanstalten und Flussschwimmbäder“. 42 Österreicher. Die Stadt ist nun feindlich besetzt und auch das Badhaus von Frösner wird geplündert und beschädigt. Wenige Jahre später wird das Bad erneut von Geschossen getroffen und Badmeister Frösner steckt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten.244 Doch schon bald entspannt sich die Lage, auf den Bade- und Trinkkurort Cannstatt wird sogar der württembergische Herzog aufmerksam. Die Gesundbrunnen stehen fast überall hoch im Kurs und werden landesherrlich gefördert. Wildbad, Boll, Teinach oder Liebenzell haben Cannstatt diesbezüglich noch einiges voraus. 244 Vgl. Schön 1898, S. 2. Daraufhin allerdings sind immer wieder Soldaten in Cannstatt einquartiert, teilweise bis zu 100.000 Mann jährlich. Deshalb sind um 1800 die meisten Gäste in den Lokalen und Bädern Soldaten. 43 XIX. DIE KURARCHITEKTUR UND KURSTADT Gleichzeitig mit dem modernen Kur- und Badewesen blüht in Mitteleuropa die Urbanisierung, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf das Engste mit der Industrialisierung einher geht. Für die neue Arbeit ziehen immer mehr Landleute in die Stadt und daneben verwandeln sich zahlreiche Orte von kleineren Dimensionen zusehends in regelrechte Städte, die Eisenbahnen und Industrien sind auf dem Vormarsch. Trotz der Simultanität von Bevölkerungswachstum, Städtewachstum und Moderne vollzieht sich in den meisten Badestädten die Urbanisierung anders als gewohnt, zugleich bilden sich für sie einige Charakteristika heraus: Bäder vermeiden in der Regel jegliche Ansiedlung von Industrie, die andernorts einen wesentlichen Zug der Verstädterung darstellt.245 Somit erhalten die Stadterweiterungen und Anlagen in Bädern häufig eine spezifische Form, die Traditionelles und Neuheiten aus der Kurarchitektur vereint.246 Cannstatt zählt zu den Gegenbeispielen,247 denn hier erfolgt der Ausbau zu einer Badestadt parallel mit der Entwicklung zur modernen Fabrikstadt. Ein ähnliches Städtewachstum ist im Lauf der Zeit auch in Wiesbaden zu beobachten. Doch vorerst prägt auch das Kurwesen das öffentliche Bauen: Conversation im Cursaal – die Gesellschaftsräume sind eine der zentralen Architekturtendenzen der Zeit um 1800: „(...) Die geforderten Bauaufgaben betrafen jetzt nicht mehr die fürstliche Sommerresidenz, sondern ein gesellschaftliches Zentrum für ein anspruchsvolles Bürgertum, das in Verbindung mit dem Adel nach Repräsentation drängte. Innerhalb dieser Entwicklung boten gerade die Kurstädte, in denen das gesellschaftliche Leben die herausragende Rolle spielte, die besten Voraussetzungen für das Entstehen einer neuen Gebäudegattung. Der wichtigste um 1800 entstandene Bautypus war das 'Gesellschaftsgebäude' oder der 'Conversationssaal', der sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zum eigentlichen Kurhaus, dem kulturellen Mittelpunkt jedes Badeortes, entwickelte“, stellt Rolf Bothe fest.248 Wir stehen hier am Beginn einer bürgerlichen Revolution: In den Sommerresidenzen und nahe der Gesundbrunnen wurden schon im 18. Jahrhundert die Konversationssäle der Schlösser zunehmend der Öffentlichkeit zugänglich. Daraus entwickelten sich Repräsentationsansprüche des Bürgertums, die im Bau einer eigenständigen Gebäudeart münden: „(...) Den entscheidenden Schritt zu einer neuen, der gesellschaftlichen Selbstdarstellung verpflichteten Architekturgattung unternahm Christian Zais mit seinen ab 1807 entstandenen Entwürfen zum Kurhaus von Wiesbaden“, so Bothe.249 Dieses von Christian Zais entwickelte neue Bauwerk kann als erster selbstständiger Bau seiner Art in der deutschen Kurarchitektur gelten. [018] Das Kurhaus neuer Art wurde von einem Cannstatter entwickelt. Christian Zais wurde am 4. März 1770 in Cannstatt als Sohn des Chirurgen Johann Wilhelm Zais und seiner Ehefrau Euphrosine, gebürtige Hauser, geboren. Er absolvierte eine Steinmetzlehre, studierte anschließend vier Jahre lang Architektur an der Stuttgarter Karlsschule. Mit Interesse widmete er sich unter anderem dem Fach Wasserbau und wurde darin unterrichtet von Karl August Friedrich von Duttenhofer (1758-1836).250 Jedoch ist Zais in Cannstatt nur am Rande tätig, während er 1805 nach Wiesbaden im Herzogtum Nassau berufen wird und dort das neue Kurzentrum plant.251 Als 1811 der neuerbaute Wiesbadener Kursaal nach dem Entwurf von Zais 245 Vgl. Fuhs 1993, S. 332/ Michael Hascher, in: Eidloth 2006, S. 159. 246 Vgl. Ziegler 2004, S. 176. 247 Hierzu mehr unter Kap. XX, unter Punkt 6. „Bestandsaufnahme“ sowie Punkt 7. „Bädervergleich“. 248 Bothe 1984, S. 22-23. Vgl. Fuhs 1993, S. 150. Im Folgenden einige Voraussetzungen zur Kurarchitektur des 19. Jh. 249 Bothe 1984, S. 23. Vgl. Spielmann 1904: „Das Kurhaus zu Wiesbaden 1808-1904“/ Hase 1974: „Wiesebaden. Kurund Residenzstadt“, in: Die Deutsche Stadt im 19. Jahrhundert, Grote (Hrsg.): Studien zur Kunst des 19. Jahrhunderts, Bd. 24, S. 129-149/ Struck 1979: „Wiesbaden in der Goethezeit“, S. 108-114/ Bitz 1986: „Die Place Gutenberg und das 'neue Gesellschaftshaus' in Wiesbaden“, S. 135 ff./ Fuhs 1993, S. 149 ff./ Ziegler 2004, S. 202. 250 Allerdings hätte Zais mit Cannstatt oder einem württembergischen Bad rechnen können, weniger mit Wiesbaden. 251 Aufgrund der vorges. Verlegung des Kurzentrums protestierten die alteingesessenen Badewirte an den Quellen der Wiesbadener Altstadt. Vgl. Bitz 1986, ebd. 1904 wurde das Kurhaus von Zais abgerissen für den bis heute stehenden Neubau von Friedrich Thiersch. Vgl. Bitz 1986/ Fuhs 1992, ebd. 44 bereits feierlich eröffnet wird, strebt Cannstatt als Bad gerade erst auf, doch ist es hier noch zu früh für aufsehenerregende Projekte. Im Herzogtum Nassau dagegen bekommt Zais die Möglichkeit, sein Können unter Beweis zu stellen. Das Wiesbadener Kurhaus ist deshalb eine Innovation, weil dieses erstmals überhaupt offiziell als Curhaus bezeichnet wurde, wesentliche Voraussetzungen sind zudem die völlige Herauslösung aus der Schlossarchitektur, Eigenständigkeit, Standortwahl und die Gebäudetypologie der Wandelhallen und Trinkhallen. Vorbilder für das neue Kurhaus sind daher nicht vorrangig in Schlössern zu finden, wenngleich der Festsaal des Weimarer Stadtschlosses als zumindest künstlerisch ähnlich angegeben wird.252 Nachdem der Ludwigsburger Nicolaus Thouret (1767-1845) einige Innenausbauten an dem Weimarer Schloss 1797 vorgenommen hatte, daraufhin die Gelegenheit zu umfangreichen Arbeiten allerdings verpasste, gestaltet ab dem Ende des Jahres 1800 schließlich Heinrich Gentz (1766-1811) den neuen Festsaal. Gentz sollte 1803 dann auch das Schießhaus zu Weimar253 planen, das zu einem Vorbild für das Wiesbadener Kurhaus von 1811 werden sollte. [018] Der ab 1776 entstandene Brunnenbau in Bad Lauchstädt und das ab 1777 errichtete Wilhelmsbad bei Hanau sowie die Aachener Redoute von 1786, diese Bauten stehen noch eng im Zusammenhang mit den traditionellen Schlossanlagen.254 Mehrgeschossig und von außen nicht klar als Saalbauten erkennbar, stehen die Gesellschaftshäuser um 1800 noch in der Tradition fürstlichen Bauens. Sehr losgelöst erscheint um 1811 hingegen das neuartige Kurhaus, obwohl der Bauherr in diesem Fall das Herzogtum Nassau ist, das zur Beteiligung der Bürgerschaft eine Aktiengesellschaft gründete.255 Zu dem unverzichtbaren Raumprogramm eines Kurhauses zählen langgezogene offene Kolonnaden oder Arkaden für die medizinisch verschriebene Kurpromenade; ausgeweiteter, naturverbundener und luftiger als diejenigen in einem fürstlichen Lustgarten. Diese fortan „Wandelgänge“ genannten Säulengalerien sind Teil der neuen Gesundbrunnen und der gesundheitsfördernden Architektur. Sie sind überdacht gegen den Regen, sodass die Kurgäste vom Brunnen aus mit dem Trinkbecher in der Hand hin und her laufen können. Erkennbar ist die Selbstständigkeit schon an der Schaffung eines eigenen, völlig freien Bauplatzes. So fällt die Wahl auf einen Standort im Nordosten Wiesbadens und ganz abseits der alten Badestadt. Das Wiesbadener Kurhaus wird dann vorbildhaft für andere Architekten wie z.B. für Friedrich Weinbrenner in Baden-Baden oder auch noch für den Aachener Elisenbrunnen, der nach Entwürfen von Johann Peter Cremer und Karl Friedrich Schnikel 1823 entstehen wird.256 Die neue Baugattung Kurarchitektur ist das folgerichtige Ergebnis aller aktuellen Entwicklungen: „(...) Das Wiesbadener Kurhaus wurde zu einem Zeitpunkt errichtet, als in den deutschen Staaten durch ihre häufig divergierende politische und geistesgeschichtliche Orientierung eine höchst heterogene Form des Klassizismus entstand, in dem sich die unterschiedlichsten Entwicklungsphasen verdeutlichten. Die Kurhausentwürfe von Zais und das ausgeführte Gebäude zeigen deutlich, wie das Fehlen einer eigenen stilbildenden Architektursprache durch die verschiedenen Einflüsse nationaler und internationaler Strömungen kompensiert wurde und zur Ausformung einer neuen und weiterwirkenden Architekturgattung führte. Entwicklungsgeschichtlich steht der Wiesbadener Kursaal in der Nachfolge der neo-palladianischen englischen 'assembly halls', denen er auch von der Funktion her eher entsprach, als dem aus dem Verband des barocken Schlosses herausgelösten Festsaal“, wie Bothe des Weiteren festhält.257 Dennoch darf wohl kaum davon ausgegangen werden, dass etwa eine einheitliche Architekturform 252 Vgl. Bitz 1986, S. 135-149/ Fuhs 1993, S. 150: Gemeint ist eine rein künstlerische, keine bautypologische oder funktionale Ähnlichkeit, abgesehen von dem Gesellschaftssaal (d. h. als Saalbau für Gesellschaften). 253 Hierzu ausführlich Jürgen Beyer/ Ulrich Reinisch/ Reinhard Wegner: „Das Schießhaus zu Weimar. Ein unbeachtetes Meisterwerk von Heinrich Gentz“, Weimar 2016. 254 Vgl. Bothe, S. 20 ff. Auch Freudenstadt (Kurort erst seit 1876) könnte mit seinen Arkaden ein Vorbild gewesen sein. 255 Mit 109 von 200 Aktien hatten die Nassauer Fürsten jedoch immer noch den größten Anteil an der AG und am Bau. Vgl. Wolf-Heino Struck: „Wiesbaden als nassauische Landeshauptstadt“, Wiesbaden 1979, S. 109. 256 Vgl. Bothe, S. 30. 257 Bothe, S. 24-25. 45 hervorgebracht wurde; doch schon bald beginnt sich das Ensemble der Anlage von Christian Zais weiter aufzuspalten. Sind bei Zais noch Saal, Brunnenhalle und die Wandelgänge unter einem Dach vereint, spalten sich wenig später auch die einzelnen Elemente und Funktionen weiter voneinander ab und verselbständigen sich wiederum zu reinen Gebäudetypen wie der Festhalle, Trinkhalle und Wandelhalle.258 Im württembergischen Bad Boll entwickelt der Architekt Gottlob Georg Barth 1823 beispielsweise die eigenständige Wandelhalle.259 Im Brunnentempel Bad Meinberg, 1842 errichtet, befindet sich ausschließlich die gefasste Heilquelle; bereits seit 1770 gab es hier ein oktogonales Brunnenhaus. Die Selbständigkeit der Wiesbadener Anlagen wird allein daran deutlich, dass sie in einem neuen exklusiven Kurbezirk ihren Platz fand, was jedoch mit einem heftigen Protest der Wiesbadener Badewirte in der Altstadt verbunden war, die durch Stadtplaner Zais unerwartet vor Existenzängste gestellt waren.260 Insgesamt wird hier eine neue Baugattung261 mit den Kurgebäuden dieser Zeit hervorgebracht, das ist die Kurarchitektur – eine Architektur mit historischen Quellen262 und ihrer baulichen Entwicklung. Die Gesellschaft beginnt nun selbständig zu bauen und entwickelt jetzt auch ein Opernhaus, Theater, Museum, Café, Kaufhaus, Circus, Zooarchitektur etc. Speziell in den Kur- und Badeorten, wo die breite Öffentlichkeit eine außergewöhnliche Stellung einnimmt, treffen die Tendenzen nicht zufällig aufeinander. Privatiers, Investoren und Bauspekulanten bauen. Noch dazu machen neuartige Reproduktionstechniken wie die Chromolithographie, Daguerreotypie und Photographie die modernen Errungenschaften auch in der neuen Presse publik. Man kennt sich und tauscht Ideen aus: Weinbrenner und Thouret sind Studienkollegen, Zais greift in Wiesbaden u.a. Stilelemente aus Weimar von Heinrich Gentz und Nicolaus Thouret wieder auf, später wird Thouret wieder auf die bei Zais ausformulierten Neuerungen zurückkommen, mit dem Cannstatter Kursaal. Angefangen bei dem einzelnen Brunnenpavillon als dem kleinsten Beispiel einer urbanen Kurarchitektur, über den Kursaal als gesellschaftliches Zentrum, bahnt sich die Urbanisierung der Kur im Idealfall ihren Weg zur Stadt. 1894 definiert das „Handbuch der Architektur“ von Mylius und Wagner zusammenfassend: „(...) Außer den eigentlichen Heil- und Bade-Anstalten ist nach den Anforderungen unserer Zeit das Cur- und Conversationshaus als für jeden Curort unbedingt nöthig zu bezeichnen; es soll den Leidenden die zum erfolgreichen Gebrauch der Heilquellen und Bäder gehörige Zerstreuung gewähren; es soll den Besuchern Ersatz für die Annehmlichkeiten und Anregungen bieten, die sie in großen Städten zu finden gewohnt und deren sie bedürftig sind, um den Aufenthalt auf dem Lande möglichst angenehm zu finden. Dieses Haus bildet dem entsprechend den Herd des geselligen Lebens für den Cur- und Badeort, dessen Schwerpunkt naturgemäß dahin verlegt ist.“263 Es gibt keinen Zweifel an einer fortschreitenden Verstädterung der Kur als auch der Kurorte: „(...) Kurstädte präsentieren sich (…) als Musterstädte, die ihren wohlhabenden Bewohnern und Gästen die Vorteile der 'Großstadt' ohne deren 'Nachteile' bieten wollen“, so Fuhs.264 Die meist kleinen Badestädte sind im Sommer oft und viel besucht, in einigen Fällen sind dann mehr Kurgäste als Einwohner in der Stadt. Auch daran sind sie als wahre Kurorte zu erkennen. Insofern kann eine „städtische Kur“ mitunter als „saisonales Phänomen“265 beobachtet werden. „(...) In Deutschland, dem Land ohne nationale Hauptstadt, boten sich die Bäder geradezu an für eine neue Kultur der 'Urbanität' im Übergang von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft“, wie Reinhold Kuhnert formuliert.266 In Bad Pyrmont, Bad Ems, Wildbad oder auch Baden-Baden herrscht im Winter, im 258 Vgl. ebd. S. 31 ff./ Ziegler 2004, S. 191 ff./ Eidloth (Hrsg.) 2012, S. 15 ff. 259 Hierzu mehr unter dem Kapitel 1830er. Zu Brunnentempeln s.a. die Sophienquelle in Bad Peterstal-Griesbach. 260 Vgl. Bitz 1986, S. 135 ff./ Fuhs 1993, S. 149 ff. 261 Bothe, Arbeitstitel. Auf die neuen Architekturtypen und ihre Funktionen wird im Folgenden detailliert eingegangen. 262 Durchaus beziehen sich im Kontext der Kurarchitektur die „Quellen“ auf die Mehrdeutigkeit dieses Begriffs. 263 Jonas Mylius/ Heinrich Wagner: „Baulichkeiten für Cur- und Badeorte“, in: Durm, Josef et al. (Hrsg.): Handbuch der Architektur 1894, IV. Theil, 4. Abtheilung: „Gebäude für Erholungs- Beherbergung- und Vereins-Zwecke“, S. 1. 264 Fuhs 1993, S. 328. 265 Ebd., S. 336. 266 Kuhnert 1997, S. 17. 46 Gegensatz zu den Sommermonaten, verbreitet Stille: „(...) Die Bewohner solcher glänzenden Badestädte sind häufig im Sommer Bürger, im Frühling und Herbste Bauern und im Winter Proletarier. Da hört dann freilich der Unterschied zwischen Stadt und Land auf“,267 so Wilhelm Heinrich Riehl (1823-1897). Die „wirtschaftliche Monostruktur“268 solcher Bäder, als „frühe Dienstleistungszentren“,269 mache sie allerdings anfällig für Krisen. Wenn der Badebetrieb weg fiele, stünde man an der Schwelle zum Ruin, allein die Landwirtschaft könnte eine große Abwanderung eindämmen, die Abwanderung der Kleinstadtbürger in die aufstrebenden Industriestädte. Das produzierende Gewerbe ist lange dem Dienstleistungsgewerbe überlegen. Während die Landwirtschaft von Urbanisierung betroffen ist, bis sie ebenfalls industrialisiert wird, steht das junge Dienstleistungsgewerbe erst am Anfang. Andere Kurstädte, wie Wiesbaden und Cannstatt, nähern sich einem ganzjährigen Kurbetrieb an.270 Anders als gewohnt entwickelt sich Cannstatt von einem kleinen Kurort mit Sommerresidenz, was schon nicht die Regel ist, zum Bad, und daraufhin zur Industriestadt, was eher die Ausnahme ist. Wirtschaftlich wird die Stadt dafür allerdings in vergleichsweise hohem Maße profitieren. Manch einem Kurort werden die vermeintlichen Vorteile durch den technischen Fortschritt, in erster Linie für die Förderung des Fremdenverkehrs bzw. zur Beförderung von Personen getroffen, später zum Nachteil.271 Die attraktive Infrastruktur und alle anderen Vorzüge der Kur- und Badeorte, besonders die überdurchschnittlich frühzeitige wie hochwertige Trink- und Brauch-Wasserversorgung, locken nicht zuletzt Industrielle und andere Unternehmer an. Die zunehmende Umweltbelastung in der Luft und in den Gewässern verschärft unterdessen allerdings schleichend die ohnehin schwierigen Lebensbedingungen der Städter und insbesondere auch ihren Gesundheitszustand, was zum Ende des Jahrhunderts durchaus erkannt wird.272 Noch entscheidender als die Verselbständigung der Kurarchitektur sind ihre Auswirkungen auf den Städtebau ihrer Zeit. Neben dem genannten Beispiel Wiesbaden können etwa auch in Baden-Baden ähnliche Entwicklungen in der Anlage eines Kurviertels beobachtet werden, die sogar schon früher eingesetzt haben. Bereits 1765-66 wurde außerhalb der Stadtmauern das kleine Promenadenhaus aufgestellt. Eine „Kurstadt“ bzw. ein Kurviertel beginnt sich typologisch zu entwickeln: „(...) Im Jahr 1808 folgte ein nach dem Entwurf Friedrich Weinbrenners gebautes anspruchsvolles Stadtpalais für einen bürgerlichen Privatmann, das ebenfalls außerhalb der Stadtgrenze errichtet wurde, wodurch das Gebiet zwischen Stadt und Promenadenhaus als vollwertiges Wohnterrain erschlossen wurde. Die zunehmende Bedeutung dieses Gebietes manifestiert sich auch darin, daß es sich vom Agrarland in einen englischen Landschaftsgarten mit Promenade entlang der Oos verwandelte und in unmittelbarer Nähe des Promenadenhauses ein, ebenfalls nach Weinbrenners Entwürfen, neues Theater entstand. Gleichzeitig begann man mit der Entfestigung der Stadt und der Anlage neuer Fahr- und Promenadenwege außerhalb der Stadtmauern. Zu einem neuen Zentrum entwickelten sich die Anlagen um das Promenadenhaus mit dem zwischen 1821 und 1824 von Weinbrenner erbauten Konversationshaus. Baden-Baden teilte sich durch die städtebaulichen Erweiterungen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, gleichsam Wiesbaden, in zwei deutlich unterschiedliche Bereiche mit heterogenen sozialen Funktionen. Das neue, im Tal gelegene, elegante Zentrum wurde zum gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Mittelpunkt, während die Altstadt an Bedeutung verlor“, schreibt Anke Ziegler.273 267 Wilhelm Heinrich Riehl: „Land und Leute“, in: „Die Naturgeschichte des Volkes als Grundlage einer deutschen Social-Politik“, 1. Bd., 3. Aufl., Stuttgart 1856, S. 90. 268 Steinhauser, in: Grote, S. 97. Vgl. Fuhs, S. 333. 269 Fuhs, S. 333 270 Siehe Heyfelder 1840, S. 95, Zit. „(...) Appartements für ganze Familien, durch welche einem wesentlichen Bedürfniss um so mehr abgeholfen wird, als Cannstatt immer mehr als zu Wintercuren geeignet vom Publicum und von Aerzten angesehen wird“. Hierzu ausführlich Peez 1840. Neben Wiesbaden und Wildbad ist Cannstatt Peez' bestes Beispiel. Die Eignung Cannstatts zu Winterkuren ist schon bei Lentilius 1710, S. 42 ff., beschrieben. 271 Hierzu mehr unter Kap. XX sowie Punkt 7 „Bädervergleich“: Industrialisierung und Großstädte mit Kurbetrieb. 272 Hierzu Dolf Sternberger: „Panorama oder Ansichten vom 19. Jahrhundert“, Hamburg 1938/ Reulecke 1985. 273 Ziegler 2004, S. 175. Vgl. Bothe 1984. 47 Zwei Phasen des Städtebaus lassen sich für das XIX. Jahrhundert zusammenfassend bestimmen, ja sogar vereinfachend in die erste und zweite Jahrhunderthälfte einteilen: In der ersten Hälfte kommt es nach den napoleonischen Kriegen zur Entfestigung vieler mittelalterlicher Städte und daraufhin zur Anlage eines neuen klassizistischen Kurviertels in der Peripherie.274 Der neue Typus Kurstadt tritt in Erscheinung. Beispiele hierzu sind etwa Wiesbaden, Baden-Baden, Homburg, Aachen. Nach Astrid Krüger sieht man: „(...) Hier die elegante, moderne Kurstadt mit internationaler Gästeschar, dort die enge, winkelige Altstadt mit kleinen Gässchen und ruhigen Plätzen“.275 An dem Beispiel Cannstatt ist dies bestens nachvollziehbar. Darüber hinaus zählt zu Kurarchitektur und Kur-Städtebau im weiteren Sinne sehr häufig ein expandiertes Netz von Spazierwegen, die sowohl in die nähere als auch in die weitere Umgebung führen.276 An bevorzugten Stellen werden vereinzelt Kurarchitekturen im weitesten Sinn errichtet, z. B. Belvederes, Aussichtstürme, Unterstehhallen, Sitzplätze, später Kneippbecken, die wie Satelliten weit entfernt vom eigentlichen Kurzentrum stehen können.277 Bestehende Gebäude wie Schlösser, Burgen, Ruinen und Naturformationen werden eigens für Kurgäste erschlossen.278 Am Ende des Jahrhunderts bieten manche Kurorte erste Bergbahnen an, die bequem zu Ausflugszielen auf Anhöhen hinauf fahren.279 Bereits ab der Mitte des 18. Jahrhunderts verbreitet um die Kurorte etabliert, gehören weitläufige Spazierwege spätestens seit etwa 1810 zur Standardausstattung.280 Fast sämtliche Kurorte bewerben in Publikationen ihr Kurbad „und seine Umgebung“.281 Manch eine sogenannte „Kurlandschaft“282 hat tatsächlich eine therapeutische oder gesundheitsfördernde Wirkung, etwa der Kur-Wald oder das heilende Moor. Ein Heilklima und die Luftkur in Gebirgskurorten, salzhaltige Meeresbrisen in den Seebädern oder eben die Wälder mit gewisser Therapiefunktion sind naturgegebene Heilmittel. Weit außerhalb des städtischen Kurparks befindet man sich bisweilen in einer Kurlandschaft. In der zweiten Jahrhunderthälfte gesellen sich eine turbulente Industrialisierung und ein extremer Ausbau der außer- und innerstädtischen Verkehrswege durch Dampfschiff und Eisenbahn hinzu.283 Auf der anderen Seite werden einige Installationen in der Wasserversorgung sowie der Stadthygiene durchgeführt, welche die bürgerliche Gesundheit verbessern, jedoch öffentliche Bäder verzichtbar machen. Beide Faktoren bringen das Kurwesen in Bedrängnis. Es kommt zur Überlagerung von Idealen dieser unterschiedlich intendierten Stadtentwicklungsphasen. An einigen Stellen kann dieses Zusammenwachsen, vor allem wegen der bislang so nicht gekannten Wachstumsgeschwindigkeit, ausufernd wirken und dementsprechend zustande kommen. Für die Polyvalenz und die Ambivalenz zwischen Kurstadt und Industriestandort ist Cannstatt ein hervorragendes Beispiel. 274 Vgl. Ziegler 2004, S. 176. Astrid Krüger, in: Mattausch/ Pühringer 2016, S. 3. Mancherorts auch Industrieviertel. 275 Astrid Krüger, ebd. Weitere Beispiele: Bad Mergentheim, Bad Salzuflen, Bad Krozingen, Bad Wildungen u.v.m. 276 Erst die jüngste Forschung hat mit der Recherche, Untersuchung, Bestandsaufnahme und der Katalogisierung dieses Ausstattungselements von Kuranlagen begonnen, anlässlich der Bewerbung zum UNESCO-Weltkulturerbe 2012. Hierzu Eidloth 2012, S. 32-34/ Gunzelmann 2014, S. 40. 277 Z.B. der Aussichtsturm auf dem Burgholzhof von 1891, den der Cannstatter Verschönerungsverein aufstellen ließ; seit 1904 außerdem der Stuttgarter Bismarckturm am Kräherwald. Sehenswürdigkeiten wie die Grabkapelle auf dem Württemberg wurden vom Brunnenverein beworben, als Ausflugsziel empfohlen, Denkmäler errichtet. Selbst die ab 1787 zugänglich gemachten Felshänge des Sulzerrains zählen zu solchen Attraktionen. Siehe z.B. Abele 1844, S. 1. 278 Vgl. Eidloth 2012, S. 32. 279 Eine Bergbahn nach Schweizer Vorbild fuhr z.B. ab 1887 in Bad Ems (vgl. Eidloth, S. 33), 1906 in Wildbad (Föhl). Obwohl topographisch reizvoll, bekam Cannstatt keine Bergbahn. Das Konzept einer Seilbahn für den Stuttgarter Nahverkehr, 2020 noch in der Prüfungsphase, hätte neben der Brauchbarkeit zudem romantische Anklänge. 280 Hierzu ausführlich Gunzelmann 2014. 281 Vgl. Eidloth, S. 31-34. Siehe z.B. Memminger 1812; Cast 1836; Ortlepp 1847; Cannstatt und Berg 1867; Cannstatt - Berg - Stuttgart 1875; Brunnenverein 1887: sämtliche Publikationen mit dem Titelzusatz „und seine Umgebung“. 282 Vgl. Fuhs 1993, S. 80 ff./ Eidloth 2012, S. 31 ff./ Gunzelmann 2014, S. 1 ff. Der Erschließung dieser „Kur-Natur“ war eine neue, soziale Beziehung des Menschen zur Natur und die naturwissenschaftliche Herangehensweise voraus gesetzt. Hierzu ausführlich Fuhs und Gunzelmann. 283 Hierzu mehr unter Kapitel XX. 48 1800er. Württembergs Bellevue und Königsbad Um die Jahrhundertwende ist Württemberg noch ein Herzogtum, bestehend seit 1495, und Stuttgart wieder Residenz. 1803 werden in Verhandlungen zwischen den Franzosen, Österreichern, Russen und Deutschen dem Land Württemberg neue Gebiete zuerkannt, die aus den aufgelösten Herzogund Fürstentümern hervorgehen. Herzog Friedrich wird im Zuge dessen zum Kurfürsten erhoben und darf über Altwürttemberg und Neuwürttemberg mit Hauptstadt Ellwangen als eigenständiges Kurfürstentum regieren. Cannstatt in Altwürttemberg entwickelt sich unterdessen zu einem Curort.284 Die Heilbrunnen werden vornehmlich von den Stuttgartern, aber auch von Gästen, Reisenden aus weiter entfernten württembergischen sowie ausländischen Städten zum Kurtrinken aufgesucht. Das einzig laufende Mineralbad der Stadt ist das Frösner'sche Bad-Hotel am Badgraben. In den langen Kriegsjahren zwischen 1796 und 1803 betrieb Johann Jacob Frösner (1746-1813) das Badhotel bei den Quellen Männlein und Weiblein unter schwierigen Bedingungen, als nur wenige Gäste kamen, mehr mit Verlust als mit Gewinn. Von Einquartierten erhielt er keine Miete. Er musste die Preise erhöhen, speziell für die Badezuber, die er aufwendig mit Fuhrwerken nach Stuttgart liefern lässt.285 Die einzelnen Gäste, welche kamen, hatten durchaus unter den Folgen des Krieges gelitten und eine Kur daher nötig gehabt. Sie kamen teils aus dem Ausland.286 Mit dem Kauf von 1774 verbunden war darüber hinaus ein Privileg zur Verabreichung von Mineralbädern. Andere Hôteliers dürfen nur Gäste beherbergen und keine Bäder abgeben. Ein ehemaliges Fabrikgebäude am Badgraben wurde mit gekauft und als Gasthaus mit zwei Etagen, darin je 7 einzelne Zimmer, betrieben. Johann Jacob Frösner jun. beschließt, nachdem er das Bad von seinem Vater abgekauft hatte, die beiden alten Gebäudetrakte auszubauen und lässt bis 1804 einen neuen Tanzboden einbauen. Am Peter- und Pauls-Tag, den 29. Juni 1804, findet darauf der erste Ball statt.287 Danach werden regelmäßig Bälle veranstaltet, mittwochs, an Sonn- und Feiertagen darüber hinaus mit Kurkapelle und Tanzmusik. Frösners Badhotel288 hat drei Stockwerke, im Erdgeschoss ist die Wirtschaft mit drei Nebenräumen, Küche und Speisekammer. Im ersten Stock befinden sich zehn Zimmer und ein Saal, im zweiten Stock neun Zimmer und ein weiterer Saal mit Billardtisch.289 Elf beheizbare Zimmer, zwei Badkessel und sechs Badezimmer machen Frösners Bad zu einer vornehmen und verhältnismäßig seltenen Einrichtung. Daneben verfügt das Grundstück über drei Pferdeställe, ein kaltes Mineralbad in drei Kabinen und noch ein Gartengrundstück von fast einem Hektar Größe, mit Kastanienalleen und Gartenhaus mit einem Trinkbrunnen. Frösners Bad mit seinen zwei Gärten steigt um 1805 zum gesellschaftlichen Treffpunkt auf. Die politischen Umwälzungen haben zur Folge, dass mit dem 1. Januar 1806 Württemberg zum Königreich erhoben wird. Die Kurwürde ist damit hinfällig, sie bestand nicht einmal ganze drei Jahre. Basierend auf fortgeschrittenen Verhandlungen mit Napoleon tritt Friedrich als König mit Württemberg dem Rheinbund bei. Damit erfolgt gleichzeitig jedoch der Austritt aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Dafür entspannt sich allerdings das politische Verhältnis zu Frankreich. Noch im selben Jahr richtet Friedrich, inzwischen der erste König von Württemberg, seine königliche Aufmerksamkeit von Stuttgart auch auf den Gesundbrunnen Cannstatt. Als König lässt sich Friedrich I von Württemberg prompt durch Nicolaus Thouret einen großen Plan zur Neugestaltung des alten Stuttgarter Schlossgartens vorlegen, der auch neue untere Anlagen in Richtung Kahlenstein nach Cannstatt vorsieht. Der Nachbarort Stuttgarts ist ja bereits zu einem 284 Die Geschichtswissenschaft sieht sich angesichts der politischen Kurwürde (von hochdeutsch küren) im Vergleich mit der medizinischen Kur (Latein cura/curatio) durchaus vor ein Problem gestellt – wegen der Verwechselbarkeit. 285 Schwäbische Kronik 1798, S. 187. 286 Vgl. Schön 1898, S. 4: Am 8.2.1803 und 17.9.1805 bot Frösner seine Gebäude zwischenzeitlich zum Verkauf an. 287 Schwäbische Kronik vom 29.6.1804. Vgl. Schön, S. 4: Am Kahlenstein, in dem Fabrikgebäude von Wilhelm Zais, dann Bellevue, veranstaltete zu dieser Zeit auch die Schwester von Zais erste Bälle. 288 Gemeint ist hiermit das alte Badhaus am Neckar, nicht der Neubau von 1818 in der Badstraße. Vgl. 1810er. 289 Schön 1898, ebd.: „(...) es ruhte auf dem Hause die Badwirthschafts- und Billardgerechtigkeit“. 49 Kurort aufgestiegen und der König hat nun die Absicht, ihn zu seiner dauerhaften Sommerfrische werden zu lassen und will dort baulich präsent sein. Der ursprüngliche Weg, welcher in Richtung des Kahlensteins führt, wird Mühlbergweg genannt und ist von zahlreichen Weinbergen und Gärten bürgerlicher Besitzer umgeben, die erst angekauft werden müssen. Am 25. April 1807 wird mit der Anlage des neuen oberen Schlossgartens begonnen, aus Kostengründen aber aufgeschoben.290 Geplant ist unter anderem die Anlage einer langgezogenen Allee zwischen Stuttgart und Cannstatt. Sie soll als Fahrweg zwischen Fußgängerpromenaden eine schnelle Verbindung zu den Heilquellen u.a. herstellen. Cannstatt liegt zu Fuß nur über eine Stunde von der Residenzstadt entfernt.291 Erst später wird durch Sträflinge mit der Anpflanzung von Platanen begonnen, die in vier parallelen Reihen angelegt werden. Die Allee soll einen breiten Fahrweg für Kutschen in der Mitte erhalten, zwischen den Baumreihen, und an den Rändern je einen Fußgängerweg. Den Zielpunkt der Allee bildet ein Rondell als Aussichtspunkt auf dem Kahlenstein über dem Neckar bei Cannstatt. [012] An einem der schönsten Plätze der Cannstatter Randbereiche am Neckar eine Fabrik zu betreiben, das ist mit einem Kurort von überregionaler Bedeutung selbstverständlich nicht vereinbar. Direkt am westlichen Punkt des Neckarknies in Richtung Stuttgart, einer Biegung des Flusses zwischen der Altstadt und dem Kahlenstein, der eine topographische Erhebung bildet, ist das Gebäude einer Türkischrot-Färberei des Fabrikanten Wilhelm Zais errichtet worden. Um 1807 sucht dann König Friedrich aber einen romantischen Wohnsitz bei Cannstatt, den er in der kommenden Zeit als seine Sommerfrische zu nutzen gedenkt. Zuerst beabsichtigte er, hier ein Lustschloss zu bauen. Seine Residenz im Stuttgarter Neuen Schloss ist nur eine Stunde zu Fuß entfernt, sodass der Kahlenstein als idealer Sommersitz erscheint. Dort will er im Sommer einige schöne Tage verbringen können. Weil aber der Ankauf sämtlicher Grundstücke auf dem Kahlenstein mit anschließendem Schlossbau zu teuer wäre, fasst der König den Entschluss, das Anwesen von Zais für preiswerte 18.000 Gulden zu kaufen. Er überträgt dem Architekten Nicolaus Thouret daraufhin den Auftrag, das baufällige Gebäude jetzt zu einem Landschlösschen umzubauen. Aufgrund seiner idyllischen Lage direkt am Fluss, samt der angrenzenden Erhebung mit Ausblick auf den Neckar, die Altstadt und den Sulzrain gegenüber, nennt Friedrich das Anwesen Bellevue. Das ist französisch für eine schöne Aussicht.292 Thourets Umbau, das Landschlösschen, umfasst ein Hauptgebäude mit mehreren Nebengebäuden und großem Garten. Das Hauptgebäude ist „dreigeschossig nebst gepflastertem Hof und Brunnen, ein zweistockiges Nebengebäude mit einem Zwerchhaus, ein zweites dreistockiges Nebenhaus mit zwei Kellern, ein drittes einstockiges Nebenhaus hinter dem Hauptgebäude, ein Pferdestall zu 14 Pferden nebst Remise, ein weiterer Pferdestall zu 12 Pferden, ein Treibhaus mit holländischen Kästen, oben eine Wohnung für den Gärtner, ein achteckiger einstockiger Pavillon mit Terrasse auf der Seite der Landstraße gelegen, ein größerer Pavillon auf dem Hügel, eine eingezäunte Garten- Anlage von 11 Morgen, in welcher sich verschiedene exotische Bäume und Gesträuche befinden“.293 Hinter dem Schlösschen am Neckar zieht sich, den Hang hinauf, eine ausgedehnte Gartenanlage mit Schlängelwegen, Baumgruppen, Aussichtspunkten und Pavillons. [013] [014] Der Architekt Thouret gestaltete es um im Stil des Klassizismus mit nur wenigen Akzenten an der Fassade, wie etwa Dreiecksgiebeln über den Fenstern sowie mit aufgeblendeten Gesimsen. Für die Innendekoration von Bellevue294 zeichnet Ferdinand von Fischer (1784-1860). Er entwirft später zwei Zimmer im klassizistischen Stil.295 Im einen bemalt er die Tapete himmelblau, mit goldener Bordüre und einem gemalten Fries mit Feston und Vasen über der Türe. Er versieht den Entwurf mit Pilastern und Halbsäulen neben den Zimmertüren. [015] 290 Staatsarchiv Ludwigsburg D 39 Bü 1-3. 291 Nach anderen Quellen waren 1810 die Grundstücke erworben und es wurde erst 1813 mit dem Pflanzen begonnen: Staatsarchiv Ludwigsburg, E 19 Bü 6. 292 Staatsarchiv LB, E 21 Bü 300, „Plan zur Errichtung eines kgl. Badehauses auf der Insel u.a.“. 293 Zit. nach Gerhardt, S. 53-54. Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 9350: „Die Anlagen des Schlösschens Bellevue 1817“. 294 Das Schlösschen musste 1844 dem Bau der Wilhelma weichen, wurde in die Badstraße versetzt. Nicht erhalten. 295 Die aquarellierte Federzeichnung ist als Wandaufriss und Grundriss des mittleren Vorsaals und Speisezimmers des Landhauses Bellevue bei Cannstatt von 1815-16 erhalten im Stadtarchiv, Sign. F 05741. 50 Auf dem Weg von der Residenz Stuttgart nach Cannstatt lässt Friedrich erst später auch die Allee anlegen, welche über den Kahlenstein exakt auf die Sauerbrunneninsel, Cannstatt und die Erhebung zuführt, welche Sulzrain296 genannt wird.297 Wegen des Neckars und der topographischen Lage kann diese Achse zunächst nicht direkt in die Stadt Cannstatt hinein führen und endet deshalb auf einer Anhöhe über dem Neckar, wo sie einen Aussichtsplatz in Form eines Rondells bildet.298 Hierin ist der erste konkrete Schritt zu sehen, Cannstatt als Kurstadt auszubauen. Nachdem der König jetzt baulich am Neckar präsent ist, und damit über einen eigenen Sommersitz verfügt, plant er noch den Bau eines öffentlichen Kur- und Badehauses – das Königsbad: Auf dem Weg von Stuttgart nach Cannstatt befindet sich auf ungefähr halber Strecke, direkt zwischen dem unteren und dem mittleren Schlossgarten, seit dem 15. Jahrhundert ein öffentliches Bad, unmittelbar neben der sogenannten Hirschquelle. Nach einer Sage aus dem 12. Jahrhundert habe sich damals ein kranker Hirsch an dem Quellteich gestärkt, wovon der Name „Hirschbad“ abgeleitet wurde.299 1724 verfügte es bereits über ein zusätzliches Wirtshaus mit einem Saal und fünf Zimmern, das Bad über drei Kammern sowie zahlreiche Umkleide- und Ruheräume.300 Bei Erdarbeiten in der königlichen Meierei wird um 1809 eine weitere Mineralquelle entdeckt. Dies veranlasst den König Friedrich I dazu, das damalige Andreäbad nun dem Besitzer, Herrn Andreä, abzukaufen.301 Eine chemische Mineralwasser-Analyse ergibt daraufhin, dass diese Mineralquelle „dem berühmten Badwasser zu Boll gleichwertig“302 sei. Schließlich beauftragt der König Nicolaus Thouret mit dem Entwurf zu einem großzügigen Neubau eines Badhauses. Das Gebäude soll nicht weniger als sechzig Badezimmer enthalten sowie einen quadratischen Innenhof mit offenem Laubengang zum Wandeln bieten. Über dem Eingang wird eine Tafel angebracht mit einer Inschrift darauf: „Friedrich der leidenden Menschheit“.303 Der württembergische König gibt sich damit als Förderer der Gesundheit seiner Untertanen und als ein Wohltäter zu erkennen. Ein Bad kostet zwischen 20 und 30 Kreuzern, arme Leute, Kranke und Bedürftige müssen für ihr Zimmer nichts bezahlen. Das als Königsbad bekannt gewordene Haus mit Garten wird ab 1810 zu einem beliebten Ausflugsziel der Stuttgarter.304 [017] Friedrich I trifft bereits Überlegungen zum Bau von noch größeren, an anderer Stelle in Cannstatt vorstellbaren Bäder- und Brunnenanlagen, möglicherweise auf der Insel.305 296 Gelegentlich findet man auch die Bezeichnung „Sulzerberg“. Der Name „Sulzrain/ Sulzerrain“ ist zusammengesetzt aus Sulz (=Quelle) und Rain (=Ackergrenze); vgl. französisch 'rayon' = Strahl/ Landstrich. Aus dem ursprünglich deutschen Sulzbad wurde das elsässische 'Soultz-les-Bains', ein Mineralquellen-Kurort im Département Bas-Rhin. 297 Erst 1812 konnten die 481 Platanen dann angepflanzt werden: Vgl. Hagel 1996, S. 328/ John 2000, S. 20. 298 Später wird diese „Brunnen-Achse“ zwischen Stuttgart und Cannstatt als parallele Weiterführung verlängert über die König-Karls-Brücke 1891 und König-Karl-Straße von 1850 bis zum Wilhelmsbrunnen. Schon für den Bau der Eisenbahnbrücke mit Tunnel musste der Aussichtspunkt auf dem Kahlenstein geopfert werden. Vgl. John, ebd. 299 Geographisch-statistisch-topographisches Lexikon von Württemberg, Stuttgart 1833, S. 90. 300 Vgl. Gerhardt 1936, S. 48. Um 1762 wurde auch am Bopser in Stuttgart eine Mineralquelle bei der Suche nach Porzellanerde erschlossen, der Bopserbrunnen. Bereits um 1600 gab es am Bopser eine Quelle. Der Bopserbrunnen erhielt mehrmals (1840/ 1884/ 1991) einen neuen Pavillon. Das Wasser wurde ausschließlich zum Trinken genutzt. Die Quelle ist versiegt. Informationen von der Schautafel beim Pavillon am Bopser/ Jörg Menno Harms (Hrsg.): „Der Stuttgarter Bopser. Häuser, Familien, Geschichten“, Tübingen 2014, S. 23-24; 40-43/ Petzold 1989, S. 81-82. 301 Vgl. Schukraft/ Kress, S. 26: Der Stuttgarter Kaufmann Eberhard Friedrich Andreä hatte das Bad 1724 erworben. 302 Vgl. Färber 1949, S. 182/ Hagel 1996, S. 142/ John 2000, S. 21. 303 Vgl. Gerhardt, ebd. Das Gebäude stand bis 1944, ehe es durch Bomben zerstört wurde. 304 Staatsarchiv Ludwigsburg E 20 Bü 378. Darin: Grundriss vom I. u. II. Stock. Schon 1812 sollte der Mineralgehalt der Quelle aber so erheblich nachlassen, dass man auf chemische Zusätze angewiesen war. Vgl. Gerhardt, ebd. 305 Staatsarchiv Ludwigsburg, E 21 Bü 300, „Plan zur Errichtung eines kgl. Badehauses auf der Insel u.a.“. 51 1810er. Kurort mit Brunnenanlagen und Hotels Von der Sauerbrunneninsel aus hat die Trinkkur ihren Lauf genommen, aber die Insel ist zu klein für größere Parkanlagen und birgt mitten im Neckar immer das Risiko einer Überschwemmung. An den beiden Ufern befinden sich der privat betriebene Badgarten und auf der anderen Seite Bellevue. Am wenige hundert Meter östlich der Altstadt gelegenen Sulzrain wird dagegen Potenzial gesehen, hier neue Brunnenanlagen zu schaffen, sodass ein öffentlich zugänglicher Kurbezirk entstünde. Der neben der alten Ölmühle gefasste Mineralbrunnen wird von zahlreichen Brunnengästen frequentiert. Neben Privatgärten und landwirtschaftlichen Feldern befinden sich hier größere Wiesen mit einigen Bachläufen, als „Sulzrain“ selbst wird die felsige Anhöhe direkt im Osten des Geländes bezeichnet. Deutlich wahrnehmbar ist eine königliche Hinwendung zu den Mineralquellen und die Absicht, sie besser als bisher zu nutzen. Der Inselbrunnen im Neckar ist der erste Treffpunkt der Trinkkurenden in Cannstatt, gefolgt von der Quelle am Sulzrain. An einigen Morgen sind die Brunnen von zu vielen Menschen überfüllt, sodass allein wegen Platzmangels inzwischen neue, größere Kuranlagen notwendig geworden sind. König Friedrich I bittet um 1813 zuerst seinen Finanzminister Graf von Mendelsloh, die „Eigenthumsrechte“ an dem Sauerbrunnen vom Sulzrain zu klären.306 Er kauft den Brunnen der Stadt ab und hat nun den Plan, ein Kurviertel um ein neu zu errichtendes Kurhaus entstehen zu lassen. Schließlich wird der Cannstatter Oberamtmann Eccard mit dem Herrichten der baufälligen Brunnenanlagen beauftragt. Ein Förderkreis bittet daraufhin um Entwürfe zu einem ersten Brunnenpavillon. [024] [025] [026] [027] Bis Juli 1813 stellt Hofbaumeister Nicolaus Thouret den Entwurf zu einem neuen Brunnenpavillon fertig. Der Kupferstecher August Seyffer radiert das Blatt mit der Architekturzeichnung, um es in den Zeitungen veröffentlichen zu können. [030] Der Oberamtmann Eccard setzt am 9. Juli 1813 den Cannstatter Förderkreis darüber in Kenntnis, dass dieses Projekt „(...) im Verhältniß der mehreren oder wenigern Beyträge - entweder ganz oder zum Theil ausgeführt wird - und so diese eingehen, wird auch heuer schon mit der Errichtung der Anfang gemacht“.307 Der nunmehr schlichtweg als Rindenpavillon bezeichnete Brunnenpavillon steht auf zwölf hölzernen Pfeilern aus Baumstämmen mit ihrer Rinde, das Zeltdach ist mit Stroh bedeckt. Darunter befindet sich der Trinkbrunnen. Die Schwäbische Kronik informiert am 12. Juli 1813 dann die Öffentlichkeit: „(...) Kannstadt besitzt nicht weniger als 37 Mineralquellen und eine Reihe anderer lassen sich noch unter dem Boden vermuthen, indem es Plätze gibt, wo man deren Getöse im Innern der Erde deutlich vernimmt, wie denn eben deßhalb gewisse Wiesen 'Trommelwiesen' genannt werden“.308 Ein zweiter Füllbrunnen befindet sich am Trog der Mühle, wo die ärmeren Leute das Wasser abschöpfen. Und am 20. Juli 1813 heißt es in einem Schreiben des Cannstatter Oberamtmanns Eccard an König Friedrich, „das Publicum wünscht, die Quelle am Sulzrain zweckmäßiger zu faßen und die Umgebung zu verschönern“.309 [027] Kurz darauf scheint der Pavillon bereits aufgestellt worden zu sein. Als dann im April 1814 Kaiser Napoleon von Frankreich abgesetzt zu sein scheint, beginnt in Mitteleuropa eine neue Friedensphase mit einer Hinwendung zur gesellschaftlichen Gesundheit. 1814 kümmert sich auch Hofrat Carl Friedrich Sick mit den bislang angesparten Geldern des Förderkreises um neue Anlagen am und auf dem Sulzrain. [026] Er tut dies aus freien Stücken und nicht allein im Auftrag des Königs, sondern auch aus persönlichem Anlass, weil er nach eigener Krankheit durch die Heilquellen wieder gesund geworden war.310 1814 erklärt Eccard, der Nachfolger von Johann Friedrich Seyffer in diesem Amt, in einem weiteren Schreiben: 306 Staatsarchiv Ludwigsburg D 52 Bü 923. 307 Staatsarchiv Ludwigsburg, F 160 I Bü 274 a-e. 308 Schwäbische Kronik 12.7.1813, S. 283. Die Trommelwiesen liegen am heutigen Veielbrunnen, der um 1890 gefasst wurde auf Veranlassung von Dr. Theodor Veiel. Um 1930 aus Travertin mit Skulpturen aus Muschelkalk (Krebs und Schildkröte) neu gestaltet. Im 2. Wk. beschädigt und 1954 neu gefasst. Siehe auch Hermann Lenz: „Stuttgart. Aus zwölf Jahren Stuttgarter Leben“, Stuttgart/ Zürich 1983, S. 167. 309 Staatsarchiv Ludwigsburg E 173 III Bü 6049. Vgl. Hagel, S. 145. 310 Vgl. Dangelmaier 1820, S. 55-58. 52 „(...) Die Mineralquelle ist im ferndigen Sommer an Eure Königliche Majestät abgetreten worden. Dieses hat zur Folge gehabt, daß die städtischen Behörden sich nicht mehr für ermächtigt gehalten haben, die notwendig gewordenen Reparaturen an den Umgebungen dieser Quelle anzuordnen. Ich halte es aber für meine Pflicht, bei dem heuer besonders stark eintretenden Besuch dieser Heilquelle Eure Königliche Majestät auf einige polizeiwidrige Gegenstände aufmerksam zu machen und wegen der Abstellung um allergnädigste Verhaltungsbefehle unterthänigst zu bitten. a) Die Schranken, welche oberhalb der Anlage in dem ehemaligen Steinbruch angebracht sind, sind dem Einfallen nahe, wenigstens nicht mehr so fest, daß sie die nöthige Sicherheit gewähren. b) Die nächsten Umgebungen des Brunnens sind unreinlich und machen eine Säuberung nothwendig. c) Der Andrang der Krüge füllenden Personen ist besonders in den Stunden, in welchen die Kurgäste die Quelle besuchen, äußerst groß und letztere werden dadurch nicht selten in eine unangenehme Collission versetzt. Es wäre daher eine Brunnenordnung sehr erwünscht. d) Beinahe einstimmig ist der Wunsch der Brunnengäste, daß kein Gefährt mehr bis an die bei der Quelle liegende Ölmühle vorfahren, sondern vorne, wo sich der Weg gegen die Schmidener Straße scheidet, alle Wagen halten und aufgestellt werden. Da die Fußgänger bei der bisherigen Einrichtung sich mit Lebensgefahr durch die Gefährte und Pferde durcharbeiten müssen, so verdient dieser Wunsch allerdings große Berücksichtigung und dem Ganzen wäre am sichersten abgeholfen, wenn voran an der bezeichneten Stelle eine Barriere angebracht würde.“311 1814 wird „im Burgstall“ auf den Wiesen am Sulzrain eine weitere Mineralquelle erschlossen.312 Der Stuttgarter Hofrat [064] Carl Friedrich Sick (1780-1837) lässt die Anlagen von 1787 auf dem Sulzrain mit finanzieller Unterstützung des Königs ab 1814 und einem Kostenaufwand von ca. 150.000 Gulden verschönern.313 Der Hang des Sulzrains wird nun wirksam befestigt, gesichert und für Promenierende zugänglich gemacht. Erste Pflanzungen auf der Anhöhe und Wegeführungen für den Genuss der Aussicht sind erfolgt. Mit seinen Quellen hat Cannstatt nun einiges vor.314 Doch diese Entwicklung wird unterbrochen, nicht zuletzt wegen einer Naturkatastrophe. Seit dem 5. April 1815 bricht in Indonesien der Vulkan Tambora aus. Die Eruptionen des 10. und 11. April 1815 haben eine enorme Sprengkraft und werden noch im 2.600 Kilometer entfernten Sumatra von Engländern wahrgenommen. Dies ist einer der gewaltigsten Vulkanausbrüche der Geschichte.315 Die Presse berichtet weltweit darüber. Eine urgewaltige Aschewolke verdunkelt die Atmosphäre. Der dunkle Schleier breitet sich bis in unsere nördliche Hemisphäre aus und bewirkt eine globale Kältewelle, die auch ganz Europa trifft. Nach ungewöhnlich strengem Winter wird im Jahr 1816 kaum ein Sonnenlicht erblickt und es wird zu einem Jahr ohne Sommer. Wegen des Ernteausfalls, auch die Jahre zuvor waren nicht sehr ertragreich, kommt eine schwere Hungersnot auf. Als Mitte Oktober 1816 dann auf dem Cannstatter Seelberg ein steinzeitliches Lager von Mammutstoßzähnen entdeckt wird, reist König Friedrich mit Interesse zur Fundstelle und besichtigt sie. Er erkältet sich dabei schwer und stirbt darauf infolge einer Lungenentzündung am 30. Oktober 1816. Württemberg beklagt den Tod seines Königs, Stuttgart als auch Cannstatt trauern und sind in Erwartung des Thronfolgers. Für Friedrich Wilhelm Carl ist der Tod des Vaters vielmehr eine Befreiung, das Verhältnis war ein schwieriges. Er nennt sich als neuer König von Württemberg nicht Friedrich II, sondern Wilhelm I. Im Jahr seines Todes hatte Friedrich das Schlösschen Bellevue anlässlich ihres 28. Geburtstags am 22. Mai und auch als Hochzeitsgeschenk seiner Schwiegertochter Katharina Pawlowna vererbt. Am 27. und 28. Mai 1817 allerdings kommt es in Folge der Klimaveränderungen am Neckar nach wochenlangem Regen zu einem der schlimmsten Hochwasser, die Stadt Cannstatt ist betroffen und 311 Staatsarchiv Ludwigsburg E 173 III Bü 6049. Vgl. Färber 1949, S. 332. 312 Schwäbische Kronik 1846, S. 1325. 313 Staatsarchiv Ludwigsburg E 173 III Bü 6049. 314 Von Juli 1815 ist der Entwurf zu einer Abortanlage am Sulzrain überliefert: Stadtarchiv Stuttgart, Inv. Nr. B 1419, die durch Thouret zur Ausführung kam und sich aufgrund des harntreibenden Wassers als notwendig herausstellte. 315 Ähnliche Auswirkungen auf das Klima hatte der Samalas-Ausbruch 1257; Vgl. Kap. „Badewesen im Mittelalter“. 53 auch das Landschlösschen Bellevue ist überschwemmt. Sogar das königliche Ehepaar soll sich gerade dort aufgehalten haben und musste mit einem Boot gerettet werden.316 Nach wie vor ist das gegenüberliegende Frösner'sche Badhotel317 das größte und bisher einzige offizielle Heilbad im Kurort. Das Jahr 1816 brachte mit König Wilhelm I von Württemberg einen „Reformer“318 auf den Thron. Dieser widmet sich in der Folge nicht zuletzt dem weitgehend von einem Privatmann betriebenen Kurort Cannstatt und unterstützt zunächst, anhand von Verfügungen, neue Betreiber der Bäder. Drei große Bad-Hotels sollen zwischen 1816 und 1818 erweitert werden: Das Frösner'sche Bad, das Badhotel zum Ochsenwirt sowie das Zoller'sche Bad. Seit 1643 war das vormals in städtischem Besitz befindliche Badhaus bei den Quellen Männlein und Weiblein an private Eigentümer weiterverkauft worden, die darüber hinaus das alleinige Recht erhalten hatten, in Cannstatt öffentlich Bäder abgeben zu dürfen. An diesem Privileg änderte sich lange Zeit wenig, bis in das Jahr 1816 hinein, als sich im örtlichen Kurbetrieb unter der neuen Regierung Wilhelms I diesbezüglich entscheidende Neuerungen zu entwickeln beginnen. Bereits 1806 hatte Johann Jacob Frösner d. J. dieses Bad erworben und erweitern lassen. Weil sich eben dieses Badhaus aktuell in einem Umbau befindet und den steigenden Besucherandrang nicht mehr alleine aufnehmen kann, beschließt der König, nun u.a. den Anfragen von mehreren Privatleuten stattzugeben.319 Die Witwe Zoller, Chirurgentochter, die Schwester des Fabrikanten Wilhelm Zais und des Baumeisters Christian Zais, sowie der Neffe des Ochsenwirts Jacob Linckh sen. hatten seit 1815 entsprechende Gesuche an das Ministerium des Innern im Oberamt Cannstatt gestellt.320 Mit dieser Übereinkunft verbunden sind auf der anderen Seite die durchaus im Interesse der Königsregierung liegenden Zielsetzungen, aus dem bisherigen Privatbad mit einem Monopol in Person von Herrn Dr. Frösner endlich einen konkurrenzfähigen Kurort internationalen Formats zu schaffen, denn die Konkurrenz im Wirtschaftswesen belebt bekanntermaßen das Geschäft. Daraufhin erhalten die Witwe Zoller und der Ochsenwirt Linckh dieselben Rechte, wie sie Johann Jacob Frösner längst und als bislang einziger Hôtelier im ganzen Kurort besaß. Diese in den Jahren von 1816 bis 1817 verabschiedeten Gesetzesänderungen bringen enormen Aufschwung in das örtliche Badewesen und spielen deshalb eine Schlüsselrolle. Bereits 1812 baute Frösner das alte Badhaus um, er fing „(...) gleich nach der Besitznahme dieser Badwirthschaft an, dem Gebäude eine verbesserte und verschönerte Einrichtung zu geben, und führte 1812 unmittelbar an dem alten Gebäude ein neues und geschmackvolleres auf, das er zu Wohnungen der Kurgäste bestimmte (…)“321 Wegen eines Brandes muss das alte Bad teuer saniert oder ersetzt werden. 1818 wird deshalb näher bei den zwei Quellen ein neues Badhaus errichtet, dazu am Eingang in den Badgarten ein Konversationshaus als Hotelbau mit Gästezimmern neben Pferdeställen, auf der gegenüberliegenden Seite ein Tanzsaal. Johann Jacob Frösner jun. überträgt seinem Bruder Max Frösner den Betrieb des Kurgebäudes und generiert selbst die Einnahmen aus dem Badebetrieb.322 Die Neubauten werden nun nicht exakt an der Stelle des alten Bades errichtet, sondern um ca. 150 Meter nach Süden versetzt vor dem Badgraben. Das neue Hotel und das neue Badhaus rücken damit näher an die Austrittsstelle der Quellen „Männlein“ und Weiblein“ heran, die neu gefasst wurden. Der offene Kanal, durch den das Mineralwasser in das alte Bad geleitet wurde, 316 Hierzu Jakob Merkle: „Katharina Pawlowna, Königin von Württemberg. Beiträge zu einer Lebensbeschreibung der Fürstin, besonders nach neueren russischen Quellen“, Stuttgart 1889. 317 Hierzu ausführlich Maximilan Grimm: Frösner'sches Bad, publiziert am 19.04.2018 in Stadtarchiv Stuttgart, Digitales Stadtlexikon Online: URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/71eb548a-bf1e-4824-8164- 4fcda25a1fa2/Froesner%27sches_Bad.html. Aufgerufen am 11.03.2022. 318 Vgl. Paul Sauer: „Reformer auf dem Königsthron. Wilhelm I. von Württemberg“, Stuttgart 1997, Arbeitstitel. 319 Staatsarchiv Ludwigsburg D 52 Bü 870, Bü 740 und Bü 747. 320 Ebd. E 173 III Bü 6049. Ein Cousin des Griechenlandforschers Jacob Linckh jun. (1787-1841), namens Christoph Adam Linckh. Siehe auch Correspondenzblatt des Württembergischen Landwirthschaftlichen Vereins, 15. Bd. 1829, S. 285. 321 Dangelmaier 1820, S. 55. 322 Nach den fertigen Umbauarbeiten präsentiert sich das Badhotel 1822 als viergeschossiger Bau mit den zwei Flügeln und einem Dachgeschoss. Vgl. Bitz, S. 358. 54 fällt weg. Somit bleibt auch das alte Badhaus vorerst erhalten, es befindet sich seit der Versetzung des Sulzbades im Jahre 1538 beim Stadttor, neben der Neckarbrücke, dem Klösterle und dem Wehr. Im Erdgeschoss der neuerrichteten Dreiflügelanlage werden weitere Säle, ein großer Speisesaal, Konversationszimmer, Lesezimmer, Billardzimmer, Kabinette und Pferdeställe untergebracht. Ein Walmdach bedeckt das neue Gebäude, das zahlreiche Fensterachsen mit zeittypischen Fensterläden hat und von der Gartenseite aus über eine zentrale Freitreppe betreten wird. Über eine sogenannte Seufzerbrücke, einen überdachten Holzsteg als Bauten-Verbindungsbrücke, ist das Hotelgebäude mit dem Badhaus verbunden. Das Badgebäude ist ähnlich gestaltet und hat drei Geschosse. In den insgesamt 33 Badkabinetten steht je eine Wanne, darin kann kalt oder heiß gebadet werden.323 [021] Die Bad-Kabinette befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Neckar, mit reizvollem Blick auf das Schlösschen Bellevue, den Kahlenstein sowie die Neckarbrücke. Das Hotelgebäude enthält einen Speisesaal und 48 Zimmer, deren Wände beides, „entweder tapezirt oder gemalt“324 sind. Dieses Konversationshaus misst in etwa 40x20 Meter, mit einem Wohnzimmer für den Besitzer und einem Gästezimmer sowie zwei gesonderten Kabinetten. Das Badhaus am Neckar misst in der Länge über vierzig Meter und enthält „(...) in einer doppelten Reihe 20 Badekabinete nebst 2 Abtritten. In 4 Zimmern sind 2 Badwannen angebracht, (sie) sind in den Boden versenkt, so daß man gleichsam in das Bad hinabsteigt. Eine dieser Wannen ist von Kupfer, die übrigen von Holz (...) jede ist so geräumig und lang, daß man komod sich mit dem ganzen Leibe baden kann“.325 Aber es sind keine Bewegungsbäder, sondern nur einfache Wannen. In dem Remisenbau gibt es noch vier kleine Kabinette für ärmere Leute, wo ein Bad 15 kr kostet. Direkt vor dem Badgarten am Neckar befindet sich die Sauerbrunneninsel, deren Gäste in den Frösnerschen Garten kommen und umgekehrt. [010] Der von Thouret um 1818 entworfene326 Tanzsaal [022] misst im Grundriss ca. 28x10 Meter. Der eigentliche Tanzsaal liegt bei ca. 20x10 Metern, ist auf der Seite zum Neckar mit sieben Fenstern in Form von hohen Oberlichtern versehen, zur Gartenseite hin öffnet er sich mit drei Segmentbögen. Von einer Empore aus blicken die Zuschauer auf den Tanzboden herab und zugleich aus den hohen Rundbogenfenstern hinaus in den Badgarten.327 [023] Der Bau hat neben dem Saal mit Satteldach einen niedrigeren Anbau mit Küche, ein Vorratsmagazin und darunter einen Keller. Der Tanzsaal ist sehr stattlich, etwa dreizehn Meter hoch, hat auf jeder Seite sieben Fenster, die alleine schon fünf Meter hoch sind. Auf einer erhöhten Tribüne, die von zwei Pfeilern gestützt wird, steht innen an der Seite das Orchester. Eingerichtet ist der Saal lange Zeit so, dass auf der einen Seite viel Platz für Speisetische bleibt, an das andere Saalende mit dem Anbau allerdings ist direkt eine Rutschbahn angebaut, ein sogenannter russischer Rutschberg. Der Remisenbau für Ställe neben dem Hotel ist vierzig Meter lang, steht zwischen Konversationshaus und Badhaus. Er enthält anfangs Ställe für ca. 109 Pferde sowie einen Raum für Kutschen. Das neue Hotelgebäude bzw. Konversationshaus von 1818 ähnelt zumindest auf der Straßenseite dem 1813 errichteten Erbprinzenpalais [019] in der Wilhelmstraße in Wiesbaden von Christian Zais. Möglicherweise wurden beide Gebäude von Zais 323 Das Frösner'sche Bad wurde 1844 von Carl Heinrich Herrmann und Andreas Formis übernommen und erfolgreich weitergeführt. In den 1850er Jahren kamen Gäste aus dem Ausland sowie Adelige. Das Hotel wurde 1871 mangels Interesses zu einem Wohnbau umgebaut. Karl Mehl ließ in direkter Nachbarschaft 1887-89 ein neues Mineralbad mit Wannenbädern erbauen, das als „Mineralbad Schiffmann“ bis 1972 in Betrieb war. Der Tanzsaal wurde 1890 zur Werkstatt von Wilhelm Maybach umfunktioniert. Vor dem 1. Wk. wurde der Tanzsaal abgerissen und der Garten mit einem Wohnviertel bebaut. Im 2. Wk. wurden die Gebäude zerstört, nur das Hotel konnte erhalten werden. Seit dem Ersten Weltkrieg wurden die Räumlichkeiten als Reservelazarett genutzt und danach vom Roten Kreuz. 1995 wurde das alte Konversationshaus abgerissen und das Rotkreuz-Krankenhaus bezog 1998 den heutigen Neubau. Der Schiffmann-Brunnen ist heute das einzige Überbleibsel des jahrhundertealten Badebetriebs. Siehe Grimm, ebd. 324 Dangelmaier, S. 58. 325 Ebd., S. 60: Um 1821 sollte es auf 171 Schuh Länge – ca. 50 m – erweitert werden. 326 Vgl. Hagel 1996, S. 180. Möglicherweise wurde der Tanzsaal von einem anderen Architekten entworfen, aber von Thouret äußerlich umgestaltet oder zumindest ergänzt. 327 Eine vergleichbare Empore wird 1842-46 übrigens auch der kleine Festsaal im Badhaus der Wilhelma auf der genau gegenüberliegenden Neckarseite erhalten, die gesamte kgl. Anlage ist auffallend an Kurarchitekturen orientiert. Hierzu mehr unter Punkt 1840er sowie in der Publikation des Verfassers vorliegender Arbeit mit dem Titel „Die historische Wilhelma. Faszination Orient im 19. Jahrhundert“, München 2016. 55 entworfen, oder aber der Frösner'sche Hotelbau ist durch einen anderen Architekten an dem Vorbild orientiert. [020] Das kleine Badhotel Ochsen oder Hôtel et bain au boeuf kann mit der königlichen Genehmigung nun erweitert werden: „(...) Der Inhaber des Gasthofs errichtete diese Anstalt im Jahr 1816 aus der Veranlassung, weil damals mehrere Kurgäste sich bei ihm einlogirten, die in der Frösner'schen Anstalt nicht mehr unterkommen konnten, weil Frösner damals sein Badhaus noch nicht errichtet hatte, und die Bäder auf den Wohnzimmern genommen werden mussten“.328 Das Haus ist bereits seit dem 14. Jahrhundert als Gast- und Wirtshaus bekannt. In dem Gasthof befand sich zudem eine Mineralquelle, die zunächst nur zum Frischhalten von Speisefischen genutzt wurde. Der Ochsenwirt Linckh möchte sie nun auch für Kurzwecke und Bäder nutzen. Neben dem Herrichten der alten Gästezimmer und der Aufstockung mit neuen Hotelzimmern erhält das frühneuzeitliche Gebäude auch einen Anbau für 18 Badekabinette und 28 Wannen. Ein besonderer Baderaum verfügt zudem über ein Duschbad. In dem „sogenannten Ochsengarten ist eine Pumpmaschine, die das Wasser in die Höhe hebt und in Deicheln in einem oben an der Decke hinter den Badkabineten angebrachten Behälter treibt“.329 Die hölzernen Badewannen verfügen standardmäßig über Hähne für kaltes und erstmals in Cannstatt auch für heißes Wasser.330 1819 kann das Badhotel nach dem abgeschlossenen Umbau dann neueröffnet werden. Seither steht es mit zwei kleinen Nebengebäuden in Verbindung und sei nicht nur während der „frequentern Bademonate“, sondern das ganze Jahr über gut besucht. Im Hinterhof gibt es einen eigenen Garten mit dem Brunnen. Auf der anderen Seite profitiert die Wirtschaft von ihrer vorzüglichen Lage direkt am Fluss und an der alten Neckarbrücke mit der vielbefahrenen Straßenkreuzung.331 Weil das Geld für einen Neubau fehlte, hatte Linckh einfach das alte Gebäude erweitert und im klassizistischen Stil dezent aufgewertet, saniert und neu verputzt. Dahinter ist zwar keine künstlerische Sehenswürdigkeit zu vermuten, aber das Haus erfüllt seinen Zweck und wird gerne und viel besucht. [047] Das Badhotel Zoller wird ebenfalls 1816 zu Badezwecken erweitert.332 Die Bauherrin, die Witwe Zoller, hatte seit 1815 ein Unterstützungsgesuch zum Bädergebrauch an das Ministerium des Innern gestellt.333 Schon um 1817 kann das neue Bad eröffnet werden. Das Gebäude enthält 24 Zimmer und insgesamt 33 gesonderte Badekabinette. Später verfügt es über weitere 32 Zimmer, insgesamt 56 Zimmer.334 Das zentrale, in der Form rechteckige Gebäude hat vier Stockwerke, ein Satteldach mit zwei Giebelseiten, vier Dachgauben im obersten Stock und an der offenen Straßenfront sieben Fensterachsen. Die Fenster nehmen einen großen Teil der Wandfläche des im klassizistischen Stil errichteten schlichten Bauwerks ein. Der Hauseingang befindet sich auf der rechten Seite, in der zweiten Fensterachse von rechts. Auf der linken Hausseite schließt ein einstöckiger Vorbau an, der mit drei Fenstern zur Straßenseite geöffnet ist, der Tanzsaal, über eine rundbogige Türe mit einem Straßencafé verbunden. Einen optischen Akzent setzt ein Dreiecksgiebel an der Schmalseite des Hauses. Erst später sollte dieses Lokal unter dem Namen „Wilhelmsbad“ seine Blütezeit erleben.335 328 Dangelmaier, S. 65. Das Haus ist erhalten in der Brückenstr. 1 an der Wilhelmsbrücke, steht unter Denkmalschutz. Hierzu mehr bei Kieferle 2016, S. 45. 329 Dangelmaier, S. 65. 330 Tritschler, S. 37-38. 331 Bis 1852 ist ein Badebetrieb in dem Hotel überliefert: Veiel 1852, S. 120. Seitdem scheint es an Bedeutung verloren zu haben: Vgl. Veiel 1867 – darin ist das Bad dann nicht mehr erwähnt. 332 Laut Paul Färber 1953, S. 333, war Nicolaus Friedrich Thouret der Architekt des Erweiterungsbaus. 333 Staatsarchiv Ludwigsburg D 52 Bü 870, Bü 740 und Bü 747. 334 Veiel 1852, S. 118. 335 Im Jahr 1824 verpachtete die Witwe Zoller das Bad an Heinrich Dürr, es erhielt den Namen „Wilhelmsbad“. Das alte Hotel wurde 1829 abgetragen und durch einen dreigeschossigen Neubau ersetzt. Nach der Witwe Zoller führte es von 1830 bis 1868 sehr erfolgreich Major von Brandenstein. Es folgten die Besitzer: Johann Christoph Salomo Tritschler, dann Wehrle & Nüßle (bis 1872), von 1876-1881 hieß es „Dr. Loh'sche Naturheilanstalt“, und 1882-1889 die „Fischer'sche Heilanstalt für Nervenkranke“. 1889 kaufte die Stadt das Gebäude und nutzte es als Gymnasium. Nur noch der Name Brunnen-Realschule und ein benachbartes Lokal mit dem Namen Wilhelmsbad erinnern an die Geschichte. 1944 wurde das Gebäude zerstört und an seine Stelle trat das 1958 erbaute Schulhaus. Quellen u.a.: Veiel, ebd./ Abele 1844, S. 6; 178/ Tritschler 1841, S. 38 ff./ Loh 1877, Gesamtwerk/ Beck 1900, S. 348. 56 Weitere Gebäudeflügel werden in der Folgezeit auf der Gartenseite angegliedert. Christian Zais als Erbauer des ersten Kurhauses in Wiesbaden erstellt 1819 den Ballsaal für das Zoller'sche Bad.336 Dieser ist wesentlich kleiner und viel niedriger, nur halb so hoch wie der große Tanzsaal im Frösner'schen Badgarten, hat zur Straßenseite hin vergleichbare drei Rundbogenfenster. Die längste Zeit ist der Saal sehr klein und wird erst später um mehr als die Hälfte vergrößert mit nun sechs Rundbogenfenstern. Die Witwe Zoller ist die Schwester von Christian Zais, gebürtige Zais, und hatte ihren Bruder um 1819 für einen Entwurf gewinnen können. [037] „(...) Die Zoller'sche Badquelle entspringt am Fuß des Sulzerrains in einer kesselförmigen Wiese, und muß durch Pumpen in das entlegene Badhaus getrieben werden“.337 1814 war sie erschlossen worden: „Die Zollerische Quelle, ganz nahe bei der vorigen auf einer Wiese, im Burgstall genannt (…) zeigte sich erstmals 1814; der Eigenthümer des Guts wollte sie durch Auftragen eines Hügels abtreiben, aber als man ihr im Frühjahr 1817 etwas Luft machte, brach sie neuerdings mit Macht in einem mannsdicken Strahle hervor und fließt nun seitdem in üppiger Fülle. Sie ist bedeckt und versieht das Zollerische oder Wilhelmsbad mit Wasser“.338 Der Bruder von Frau Zoller, Fabrikant Wilhelm Zais, habe die Quelle gekauft und erst für seine Fabrik nutzen wollen, dann aber seiner Schwester überlassen. Der wirtschaftliche Erfolg des von der tüchtigen Unternehmerfamilie Zais betriebenen Wilhelmsbades trägt mit dazu bei, dass nun weitere Anlagen am Sulzerrain entstehen können. Somit hat auch das Wilhelmsbad entscheidenden Einfluss auf die Vorgänge in Cannstatt und seine Entwicklung zum Kurort insgesamt. Um dem verstärkt aufkommenden Konkurrenzdruck von Seiten des Sulzerrains entgegenzuwirken, hatte sich der Badewirt Dr. Frösner 1817 unterdessen etwas einfallen lassen: Bisher hatte er sich hauptsächlich auf die Badekur konzentriert. So erklärt er die Mineralquelle Weiblein im Badgarten offiziell als Heilquelle für Trinkkurzwecke. Er stützt sich damit auf die chemischen Untersuchungen an den dortigen Quellen seit 1710. Somit scheint er wiederum auf die jüngsten Entwicklungen am Sulzerrain reagiert zu haben, weil dort zeitgleich die Quelle neu gefasst und Überlegungen zu ihrer zweckmäßigeren Nutzung getroffen werden. Während die überwiegende Zahl an Badekuren weiter wie gewohnt in Privatbetrieben stattfindet, gesellt sich nun ein städtisches, vor allem oberamtliches Interesse an der Trinkkur hinzu. Die Betreiber erhalten öffentliche Konkurrenz. Zur Steigerung des Ernteertrags in der Landwirtschaft und zur Verhinderung weiterer Hungersnöte initiieren König Wilhelm I und Königin Katharina von Württemberg am 1. August des schweren Jahres 1817 die Gründung der Centralstelle des landwirtschaftlichen Vereins.339 Dieser Initiative folgt am 26. März 1818 in der Hoffnung auf eine ertragreichere Ernte die „Bekanntmachung eines jährlich am 28. September zu Canstadt abzuhaltenden landwirthschaftlichen Festes“340 Seit der Reformation wurde das christliche Erntedankfest meist an Michaelis, den 29. September, gefeiert.341 Der König, dessen Geburtstag der 27. September ist, gibt vor, das landwirtschaftliche Fest am Tag nach seinem Geburtstag und am Tag vor dem Erntedankfest einzuführen, dies ist der 28. September. Zunächst an nur einem Tag veranstaltet, später dann an zwei Tagen, entwickelt sich dieses profane Erntedankfest bald darauf unter dem Namen Cannstatter Volksfest zu einer Großveranstaltung von überregionaler Bedeutung. Schon im ersten Jahr sollen ca. 30.000 Menschen das landwirtschaftliche 336 Siehe Dangelmaier, S. 67; Cast, S. 64; Tritschler, S. 38. Vgl. Bitz, S. 358-360. 337 Siehe Dangelmaier 1820, S. 83/Veiel 1867, S. 17. 338 Memminger 1832, S. 110. Weitere Hotels entstanden später: U.a. Hotel Bellevue, Hotel Wilhelm Föhrenbach und ein Hotel garni von David Mertz – Hierzu Ebner 1868, S. 43-46. 339 Königlich Württembergisches Staats- und Regierungs-Blatt, Jg. 1817, S. 382. Zur Erholung von den Hungerjahren erhielt die Stadt Cannstatt 1817 eine königliche Spende von 2.000 Gulden. 340 A. L. Renscher (Hrsg.): „Vollständige, historisch und kritisch bearbeitete Sammlung der württembergischen Gesetze“, 15. Bd., Tübingen 1846, S. 1016 (Gesetz-Nr. 2455). Am 20.11.1818 folgte außerdem die Gründung der „Landwirtschaftlichen Unterrichts- Versuchs- und Musteranstalt“, aus der die Universität Hohenheim hervor ging und 1829 deren sehenswerter Botanischer Garten. Das 500 m lange Schloss von R. F. H. Fischer wird noch genutzt. Hierzu u.a. Robert Gliniars/ Adolf Martin Steiner: „Die Hohenheimer Gärten“, Stuttgart 2018. 341 Heute wird nach dieser Tradition jährlich am ersten Oktobersonntag das bekannte „Erntedankfest“ gefeiert. 57 Fest besucht haben.342 Als Festplatz wurde der Cannstatter Wasen343 am Neckarufer auserkoren.344 1817 lässt König Wilhelm das Gelände nutzbar machen als militärischen Exerzierplatz. Darauf findet am 28. September 1818 das erste Cannstatter Volksfest statt: Nicolaus Thouret entwarf eine Fruchtsäule nach der Form antik dorischer Säulen wie am Hera-Tempel in Paestum. Als Kapitell ruht ein Fruchtkorb als Symbol der Ernte auf der über 20 m hohen Säule. Das landwirtschaftliche Fest ist insbesondere eine Feier der Viehzüchter, Bauern und Fischer, neben Rinderschauen und einem Fischerstechen werden Pferderennen veranstaltet. Als besonderes Spektakel werden wenig später Wagenrennen wie im antiken römischen Circus veranstaltet. Dazu entwarf Thouret eigens ein Hippodrom,345 als eine Pferderennbahn nach antikem Vorbild, mit Zuschauerrängen zu allen Seiten. In der Mitte befindet sich die Königsloge, gekrönt von der Fruchtsäule – von dort beobachtet der König neben vielen teils adeligen Gästen die spektakulären Pferderennen,346 in denen unter anderem Araberpferde galoppieren, deren Zucht Wilhelm I wenige Jahre zuvor persönlich in Württemberg und in Deutschland eingeführt hatte. Unter den Zuschauern dieser anziehenden Veranstaltung sind Bauern ebenso wie Fürsten, eingeladen sind neben Viehwirten und Einheimischen auch Kur- und Badegäste, die vermutlich, wie beim Glücksspiel, auf den Sieger wetten. Die Züchter erhalten bei Sieg einen von der württembergischen Krone ausgeschriebenen Preis.347 Die seit 1818 einmal im Jahr auf dem Wasen ausgetragenen Cannstatter Pferderennen sind die ersten regelmäßigen in einem deutschen Kurort.348 [028] [029] Wie in dem neben dem Wasen gelegenen Badgarten des Frösner'schen Badhotels, wo das Jahr über die größten Feste gefeiert werden, gibt es von Beginn an auch „Fahrgeschäfte“ wie etwa Schaukeln, Rutschberge und Karussells.349 In zahlreichen Bierzelten wird Festbier ausgeschenkt, manch eine Brauerei braut mit Mineralwasser. Schausteller warten mit Kuriositäten auf. Damit gibt es durchaus Ansätze einer Entwicklung zum Modebad und saisonale Vergnügungsparks nach der englischen Art der Vauxhalls in Württemberg. „(...) Den Schlußstein der Sommervergnügen und der Badsaison bildet das weit und breit berühmte (…) Cannstatter Volksfest.“350 Das Volksfest lockt von nun an jährlich tausende Menschen aus aller Welt an den Neckar, belebt das internationale Badegeschäft neu und lenkt in städtebaulichem Kontext insbesondere den Blick auf die umliegenden Freiflächen. Besonders die Gemahlin Wilhelms I, Königin Katharina von Württemberg, hat bei den Untertanen ein hohes Ansehen. Katharina Pawlowna (*1788) ist die Tochter des russischen Zaren Paul (1754- 1801) und seit 24. Januar 1816 mit Wilhelm verheiratet. Auf ihr Engagement geht die Gründung des Zentralen Wohltätigkeitsvereins351 vom 29. Dezember 1816 zurück, der eine Hilfe in der Not ist. Die Königin stirbt jedoch überraschend am 9. Januar 1819 an einem Schlaganfall nach einer Grippe. Zu ihrem Gedenken lässt Wilhelm auf dem Württemberg eine russisch-orthodoxe Grabkapelle nach den Plänen von Giovanni Salucci errichten. Für den Bau musste allerdings die Stammburg des Hauses 342 Mit dem Fest sollten auch agrartechnische, maschinelle Innovationen gefördert werden. Vgl. Tritschler 1841, S. 20. 343 Der Begriff „Wasen“ bezeichnet eine feuchte Wiese oder einen nassen Rasen. Siehe folgende Anm. 344 Vgl. Daniel Kuhn: „Cannstatter Wasen“, publiziert am 19.04.2018, Digitales Stadtlexikon Online: URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/1a01d737-c874-463a-982c-a4e2ff3f65e8/Cannstatter_Wasen.html. 345 Die Hippodrom-Form der provisorischen Pferderennbahn auf dem Cannstatter Wasen griff Karl Ludwig Zanth 1842 bei der Anlage der Wilhelma wieder auf. Hierzu Maximilian Grimm: „Die historische Wilhelma“, 2016, S. 76 ff. 346 Pferderennen nach englischem Vorbild (St. Leger Stakes 1776) gehören ansonsten erst in der zweiten Hälfte des 19. Jh. zu den Attraktionen in deutschen Badeorten. Vgl. Eidloth 2012, S. 31: Die erste dauerhafte Pferderennbahn entstand in Deutschland 1823 in Doberan-Heiligendamm. Die Cannstatter Pferderennen auf dem provisorischen Hippodrom von Thouret zur Volksfestzeit, als Finale der Badesaison, sind die ersten regelmäßigen in Deutschland. 347 Renscher 1846 (Anm.oben). Am 30.9.1860 sah Hans Christian Andersen das Rennen. Quelle: R. Gröper 2017/2022. 348 Siehe auch Joseph von Hazzi: „Ueber die Pferderennen als wesentliches Beförderungs-Mittel der bessern, vielmehr edlen Pferdezucht in Deutschland und besonders in Bayern“, München 1826, S. 28. 349 Die ersten Karussells wurden von Menschenhand und Pferden angedreht, spätere von Dampfmaschinen und Motor. Siehe auch: Brockhaus Online Enzyklopädie https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/karussell . Aufgerufen 11.03.22. 350 Abele 1852, S. 218. Zum 200. Jubiläum des Cannstatter Volksfests wurde 2018 zusätzlich zum landwirtschaftlichen Hauptfest und dem Schaustellerfest des Cannstatter Wasens auch auf dem Stuttgarter Schlossplatz ein „Historisches Volksfest“ gefeiert. 351 Staatsarchiv Ludwigsburg E 191, E 192, E 193. 58 Württemberg abgetragen werden und ging als Kulturzeugnis verloren. Für ihre Verdienste,352 die sie in nur zwei Jahren und zwei Monaten an Regierungszeit in die Wege leitete, entsteht nach Plänen von Thouret in Stuttgart ab 1820 außerdem das Katharinen-Hospital. Zuerst war es Friedrich I, der den Kurort für sich und seine Untertanen entdeckte; doch 1816 schenkte er als Schwiegervater sein Landschlösschen Bellevue Prinzessin Katharina zu ihrer Hochzeit. Beide, Wilhelm und Katharina, hielten sich zwischen 1816 und 1818 sehr gerne in dem Cannstatter Schlösschen auf. Vermutlich stammt manch eine Initiative oder Idee zu der Förderung Cannstatts als Kurort auch von Königin Katharina. Vom Mittelalter bis zur napoleonischen Zeit war Cannstatt von der Stadtmauer eingeschlossen. Seit 1817 lässt der nun regierende Wilhelm I die Stadtmauer abtragen, weil nach den Kriegsjahren erstens keine ernsthafte Gefahr mehr gesehen wird und zweitens viel neuer Platz für das städtische Wachstum benötigt wird.353 Der Weg wird damit frei für neue Stadtquartiere und ein Kurviertel. 1820er. Füllhaus und Trinkhalle mit Brunnenallee Um einen Ausbau der bescheidenen Kuranlagen in Cannstatt zu ermöglichen, soll ein Verein helfen. Am 16. April 1821 wird im Anderwerth'schen Haus in der Wilhelmstraße 20354 auf die Initiative des Königs hin der Brunnenverein oder Verein zur Verbesserung der Bade- und Kuranstalten gegründet. Damit rückt die Finanzierung des Projekts zu einer Trinkhalle in greifbare Nähe. Durch Ernennung des Königs wird Vorsitzender des Vereins Franz Xaver Freiherr von Spitzemberg (1781-1864).355 Der Verein hat bei seiner Gründung 13 Mitglieder, etwa zehn von ihnen wurden vom Adjutanten des Königs aus der Bürgerschaft ernannt: „General Major, erster Adjutant des Königs Majst. Von Spitzemberg; Anderwerth (Kaufmann); v. Becher (Oberamtmann); Fackler (Stadtpfleger); Grotz (Obmann des Bürger-Ausschusses); Pfähler (Stadtschultheiß); v. Seeger (Oberamtsrichter); Seeger (Apotheker); Sick (Ökonomierath); Tritschler (Oberamtsarzt); Weckherlin (Bürgermeister); Zais (Kaufmann); Beutemüller (Kaufmann)“.356 Sieben Männer des Cannstatter Gemeinderats sind im Verein vertreten.357 Frösner übrigens ist nicht Mitglied.358 Die Mitglieder müssen keine Beiträge zahlen und die Tätigkeit im Verein ist jederzeit ehrenamtlich. Der Verein ist somit auf Geldspenden von außen angewiesen. Ein Kurgast namens Jakob David Dangelmaier berichtet, Ökonomierat Sick habe sich bereits um die Kuranlagen verdient gemacht. Durch ihn mehrfach angeregt, wie im März 1818, wurden nach Jakob David Dangelmaiers Angaben „(...) noch weit größere und herrlichere Schöpfungen und zwar diejenigen beschlossen, welche der hiesige Quellenverein unterm 26. August v. J. auf nachstehende Weise öffentlich bekannt gemacht und zugleich einen lithographirten Grundriß des Plans vorgelegt hat“.359 In einer daraufhin im Schwäbischen Merkur veröffentlichten Erklärung mit Spendenaufruf heißt es wörtlich: „Die Heilquelle Kanstadts – früher wenig gekannt – hat, seit dem sie in der neuern Zeit ihren verdienten Rang unter den Gesundbrunnen Schwabens eingenommen, so segensvoll auf das Wohlseyn ihrer Besucher gewirkt, so manche gestörte Gesundheit wieder hergestellt, daß ihr Ruf 352 Auf Katharina, auch Catharina geschrieben, gehen u.a. das Katharinenstift in Stuttgart, die württembergische Landessparkasse und das Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg zurück. 353 Staatsarchiv Ludwigsburg D 52 Bü 754. 354 Die Wilhelmstraße wurde erst um 1835 so benannt – nach König Wilhelm I von Württemberg (1781-1864). 355 Im Jahr 1848 sollte Spitzemberg das Amt schließlich an das Vereinsmitglied Wilhelm von Taubenheim abgeben. 356 Dangelmaier 1822, S. 15. Das Werk Dangelmaiers umfasst mehrere Bände, erschienen zwischen 1820 und 1822. 357 Stadtarchiv Stuttgart, N 6.9.3.3.2/ Kulturamt Stadtarchiv 29.7.1975. 358 Vgl. Bitz 1989, S. 358. 359 Dangelmaier 1822, S. 11. Vgl. Hagel 1996, S. 331. 59 sich immermehr ausbreitet, – die Zahl ihrer Gäste jedes Jahr vergrößert. Die Nähe der – durch die schönen königlichen Gartenanlagen mit dem hiesigen Ort verbundenen Hauptstadt – der gesunde milde Himmelsstrich, – die Reize der wunderschönen Gegend – die hier zusammentreffenden nach jeder Richtung hin sich ziehenden schönen Landstrassen sind beinahe ebenso einladend den hiesigen Kurort zu besuchen, als die Wirksamkeit, mit welcher sich das hiesige Mineralwasser schon so vielfältig erprobt hat. Dem ungeachtet fehlt noch vieles zu Befriedigung aller billigen Forderungen, die ein Gast an die hiesige Quelle machen kann, um den Genuß des Brunnens ihm zu erleichtern und widrige Eindrücke von ihm zu entfernen. Selbst die Umgebungen der Quelle am Sulzerain und der dahin führende Weg lassen auch für den genügsamsten Fremden vieles zu wünschen übrig. Laut und allgemein sprach sich daher längst der Wunsch aus, daß jene Quelle mit der Stadt durch Schatten gebende Alleen in Verbindung gesetzt und für Fußgehende und Fahrende gleich bequeme Wege hergestellt – der Platz bei der Quelle vergrößert, und zu diesem Ende die dort befindliche Oel-Mühle weggeschafft werden möchte. So sehr diese Forderungen in Kanstadt als gerecht anerkannt werden, so wenig gestatten die Kräfte der Gemeinde, dieselben aus eigenen Mitteln zu befriedigen, da so manche widrige Umstände – besonders die langwierigen Kriege, durch welche Kanstadt als Etapen=Platz immer am meisten zu leiden hatte, vieljähriger Mißwuchs – große Überschwemmungen, die öffentlichen Kassen und die einzelnen Einwohner – meistens Weingärtner – so sehr entkräftet haben, daß der beßte Wille dem Unvermögen sich unterordnen muß. Was indessen die Kräfte der hiesigen Stadt übersteigt, das kann der vereinte Wille aller Freunde der hiesigen Badanstalt möglich machen, die Unterzeichneten haben sich daher zu dem Zweck vereinigt, die oben ausgesprochenen Bedürfnisse und Wünsche zu befriedigen. Seine Königliche Majestät haben dieses Unternehmen nicht nur Allerhöchst Selbst vollkommen gebilligt, sondern auch ermunternd zu dessen Entstehung allergnädigst mitgewirkt. Nach dem hier beigelegten Plan sollen nämlich von der Stadt bis zu der Quelle am Sulzerain eine breite Fahrstraße und an beiden Seiten derselben geräumige Wege für Fußgänger angelegt mit vier Reihen Schatten gebenden Bäumen besetzt, die Mühle bey der Quelle weggeschafft und dort eine angemessene Anlage gemacht werden. Die Ausführung dieses Plans erfordert einen großen Kostenaufwand. Nach vorläufigen Berechnungen wird zum Ankauf mehrerer Morgen der besten Güter, Anschaffung der Bäume, zum Bau der Wege und Straßen – zu Entschädigung des Mühlbesitzers ungefähr die Summe von –:- 10,000 fl erforderlich seyn. Der Verein verspricht sich angemessene Unterstützung von der hiesigen Stadt; da aber diese bey den oben angezeigten Umständen unmöglich auch nur einigermaaßen zureichend seyn kann, so werden alle Freunde der hiesigen Quelle, – besonders aber alle, welche die Heil=Kräfte derselben empfunden haben, aufgefordert, das Unternehmen mit Beyträgen freundlich zu unterstützen. Herr Stadtpfleger Fakler allhier hat die Erhebung der Beyträge übernommen und seiner Zeit wird über sämtliche Einnahmen und deren Verwendung, öffentliche Rechnung abgelegt werden. Würden Freunde dieses Unternehmens den Verein mit angemessenen Vorschlägen zu Verbesserung des gemachten Plans beehren, so würde solches dankbar erkannt werden. Sollte nicht jeder Gestärkte oder Genesene sich verpflichtet fühlen, ein Dankopfer zu Verschönerung des Borns niederzulegen, aus dem er das wohlthätige Gefühl zurückkehrender Gesundheit geschöpft hat. Kanstadt den 26. August 1821.“360 Der Brunnenverein bedankt sich am 6. September 1821 für einen Geldzuschuss des Königs zur Verschönerung der Anlagen am Sulzerrain mit diesen Worten: „(...) Mit froher Hoffnung sehen wir dem gewiß nicht entfernten Zeitpunkt entgegen, wo unser Cannstatt als Bad- und Kurort durch seine immer freundlichere Umgebung eine Berühmtheit erlangen wird, der sich nicht leicht eine Anstalt dieser Art in Deutschland erfreuen dürfte.“361 360 Schwäbischer Merkur vom 26.8.1821. Zitiert nach Dangelmaier 1822, S. 11 ff. Vgl. auch Staatsarchiv Ludwigsburg, F 160 I Bü 274 e. 361 Zitiert nach Dangelmaier 1822, S. 11. Vgl. Färber, S. 330. 60 Über die Zeitungsanzeige mit beigelegtem Plan bittet der Brunnenverein um freiwillige Spenden.362 Der Plan sieht vor, entlang der Ackerfläche zwischen Trinkbrunnen und Zoller-Bad eine Allee aus vier Baumreihen anzupflanzen, wobei der mittlere, breite Weg dazwischen als Fahrweg von 30 Schuh oder Fuß Breite – aufgerundet fast 10 m – und die beiden flankierenden als Fußwege von 12 Schuh Breite – ca. 4 m – konzipiert sind. [038] Die Allee würde vom Zoller'schen Bad direkt auf den Rindenpavillon zuführen, der sich vor der Brunnenfassung am Hang befindet. Das Rondell nimmt die Baumreihen auf und führt sie als Endpunkt im Kreis um den Pavillon herum. Primär stellt die Allee die notwendige Direktverbindung zum Ortskern von Cannstatt her, der Luftlinie nur etwa 500 Meter südwestlich des Sulzrains liegt. Vorgesehen ist darüber hinaus auch eine Anbindung an den Neckar sowie zum Frösner'schen Hotel. Mühlbesitzer Langjahr soll zum Brunnenaufseher ernannt werden, wofür er 30 Kreuzer täglich verdienen würde. Er hat auch nachts Aufsichtspflicht und muss anfangs in einer Bretterbude nächtigen.363 Mit insgesamt vier parallelen Baumreihen bildet sich eine dreifache Allee. Die mittlere, breitere Allee kann als Fahrweg für Kutschen und Pferde genutzt werden. Die beiden schmalen Baumreihen daneben sind Fußgängerwege, weil sie schmäler sind, bilden diese ein schützendes, geschlossenes Laubdach. Der Alleen-Plan hat nachweislich die ebenfalls dreifache Allee aus Pyrmont zur Vorlage, welche bereits 1668 von Georg Friedrich zu Waldeck (1620-1692) angelegt wurde: Dangelmaier nennt das Vorbild.364 Allerdings handelte es sich bei den Pyrmonter Anlagen um ein ganzes Alleen- System nach französischem Vorbild. Schon bald promenierten unter den Linden Pyrmonts Kurgäste aus aller Herren Länder. [040] Sehen und gesehen werden lautet die Devise der Promenierenden im Schatten der hohen Bäume. Eine Brunnenallee ist nun der Treffpunkt in jedem größeren Kurort. Als Alleebäume wählt Oberhofgärtner Johann Wilhelm Bosch in Cannstatt Platanen und Akazien.365 Im Frühjahr 1822 kann damit begonnen werden, die Allee Richtung Sulzrain anzupflanzen.366 Sie ist so projektiert, dass der 1813 errichtete Rindenpavillon mitten in ihrer Blickachse liegt und den Zielpunkt der Allee [039] - französisch aller für gehen - dieser geradlinigen Wegeführung darstellt. Alleen sind in der Form den großen Barockgärten entnommen, aber wohin führen diese Alleen? Wenn in Versailles noch die Hauptallee auf das Schlafzimmer des Sonnenkönigs zuführte, und dieser damit im Zentrum der Macht stand, steht im Klassizismus inzwischen etwas grundlegend anderes im Mittelpunkt:367 Eine Achsen-Verschiebung um neunzig Grad hatte stattgefunden, denn hier führen die Wege auf ein neues Zentrum zu, und zwar auf den bürgerlichen Gesellschaftssaal. Bei den Kur-Alleen steht ja offensichtlich der Heilbrunnen in der Blickachse, dies zeigt, welche Bedeutung ihm und dem Interesse an der Natur derzeit beigemessen wird. Deutlich wahrnehmbar spiegelt sich die soziale Entwicklung im Kurpark wider. Diese Allee ist nicht mehr barock, sie wurde auch nicht etwa von einem Fürsten in Auftrag gegeben. Das neue Bürgertum zeigt sich damit selbstbewusst auf seinen eigenen Alleen – in Württemberg mit Unterstützung des Königs.368 Bisher war der gebürtige Ludwigsburger Thouret meist an Umbauten beteiligt, wie am Stuttgarter 362 Schwäbischer Merkur 48 (Jg. 1821). Das Original des Lageplans wird im „Ludwigsburg Museum“ aufbewahrt. 363 Vgl. Färber 1949, S. 333. 364 Siehe Dangelmaier 1820, S. 55 ff. 365 Vgl. August Lewald (Hrsg.): „Europa. Chronik der gebildeten Welt“, 3. Bd., Stuttgart 1837, S. 334/ Ders.: „Bad- Almanach“, Stuttgart 1836, S. 335. Weil die Alleebäume in Cannstatt nicht gediehen, mussten sie um 1880 durch Rosskastanien ersetzt werden. Nach dem 2.Wk. wurden diese wiederum durch Linden ersetzt. Vgl. Färber, ebd. 366 Staatsarchiv Ludwigsburg, F 160 I Bü 274 a-g. 367 Vgl. Hans-Christian und Elke Harten: „Versöhnung mit der Natur“, Reinbek 1989, S. 15 ff. Es handele sich um barocke Alleen im Klassizismus. Jedoch widerspricht dieser These die Tatsache, dass in den barocken Kurgärten tatsächlich noch der fürstliche Saal im Zentrum steht und nicht der Bürgersaal. Vgl. Bothe 1984, S. 22 ff. 368 Herzog Friedrich II, der spätere König Friedrich I von Württemberg, ernannte Thouret 1800 zum Hofbaumeister. Vor allem die Innenarchitekturen zahlreicher Schlösser durfte Thouret anfangs gestalten. 1808 wurde er mit dem Ritterkreuz des Civil-Verdienst-Ordens geehrt und damit in den Adelsstand erhoben. Seither durfte er sich „von Thouret“ nennen. Im Jahr 1816 starb sein Befürworter Friedrich I, unter Nachfolger Wilhelm I war er nicht mehr Hofbaumeister, er war Professor der Baukunst. Zum Leben Thourets siehe die ausführlichen Monographien, zwei von Paul Färber und eine Dissertation von Axel Burkarth 1991. 61 Neuen Schloss.369 Bereits um 1818 hatte er einem Cannstatter Förderverein auf dessen Bitten hin Entwürfe zu einer Brunnenhalle als Ersatz für den fünf Jahre zuvor erstellten, recht bescheidenen Pavillon über der viel getrunkenen Sulzrainquelle versprochen.370 Die noch von König Friedrich erworbenen Eigentumsrechte an der Quelle hatte Thronfolger Wilhelm zuvor wieder an die Stadt abgetreten.371 In einer Brunnenhalle soll der Brunnen möglichst von allen Seiten begehbar sein, mit vier Türen, oder Zugängen zu allen Seiten und ebenso vielen Wasserspendern zum Füllen des Mineralwassers in den Becher. Je mehr Wasserspender vorhanden, desto geringer ist die Staugefahr. An ergiebigen Quellen können 8 oder mehr Personen gleichzeitig ihr Wasser abfüllen. Das Quellwasser läuft bei einem Brunnen gewöhnlich kontinuierlich aus dem Spender, im Gegensatz zu den eher seltenen, verschließbaren Varianten mit Wasserhahn oder Handpumpe. Allerdings ist doch bemerkenswert, dass sich der Brunnengast bei auffallend vielen Brunnen umständlich nach dem Wasser strecken muss, weil es in unbequemer Höhe oder Entfernung ausläuft. Die Erklärung liegt auf der Hand: Das Trinken mit dem Kopf direkt aus dem Brunnen wird nicht gern gesehen. Ebenso trinkt man bei einer mobilen Trinkkur auch nicht aus der Flasche, sondern füllt das Mineralwasser sittlich in einen Biedermeier-Becher oder ganz vornehm in ein kunstvoll gefärbtes Kurglas bzw. Bäderglas. Jakob David Dangelmaier ist ab 1820 nach Johann Daniel Georg Memminger anno 1812 der erste, der eine umfassende Geschichte zum Kurort in Buchform veröffentlicht. Dies tut er hauptsächlich aus Dank für seine erfolgreich verlaufende Kur. Die Stadt dankt ihm ihrerseits für seinen Beitrag: „Wohlgeborner hochzuverehrender Herr Doktor! Der hiesige Stadtrath, den Euer Wohlgeboren mit dem von denselben herausgegebenen Werk über die Gesundbrunnen und Heilbäder von Kanstadt, unlängst zu beehren die Güte hatten, ertheilte mir den angenehmen Auftrag, Ihnen für diese große Aufmerksamkeit seinen verbindlichen Dank abzustatten“. Es sei in Aussicht, „(...) daß der hiesige Kurort, der sich vorzüglich durch die angestrengtesten Bemühungen des Herrn Dr. Frösners, und – wenn wir billig seyn wollen – auch durch den lobenswerthen Eifer der übrigen zwei Badinhaber seit einigen Jahren schon so hoch gehoben hat, um in kurzer Zeit sich unter die besuchtesten von Teutschland werde zählen dürfen. Ich selber werde es mir zur angelegensten Pflicht machen, in Gemeinschaft mit dem Stadtrath auf dieses schöne Ziel hinzu wirken, so weit es in meinen Kräften steht. (…) Kanstadt d. 4. Juli 1820. Euer Wohlgeboren gehorsamster Diener Stadtschultheiß Pfähler“.372 Dangelmaier ist nach seiner eigenen Aussage „(...) mit ganzer Seele (...) einer der teilnehmendsten Freunde“ von dem Plan, Cannstatt zu einem der bestbesuchten Kurorte Deutschlands zu machen. Er spricht sich daraufhin für den Ausbau der Kuranlagen aus und fordert zunächst die Erbauung von einem ähnlich einfachen „Chiosk“373 wie etwa dem Kiosk in Baden bei Wien, als kostengünstiger Ersatz für einen zu „kostspieligen Kursaal“, wie er meint: „(...) 1. Kann nicht mißkannt werden, daß, um vor den heißen Sonnenstrahlen, dem Regen und den kühlen Winden geschützt zu seyn, über dem Rondel, in dessen Mitte die Trinkquelle angebracht ist, nothwendig eine Bedachung angebracht werden muß“.374 Neben der Quelle solle „eine Wohnung für den (...) Brunnenmeister“375 erbaut werden. Am Ende empfiehlt er doch den Bau eines Kursaals.376 Darüber hinaus schlägt er 369 Vgl. Burkarth, S. 110. Als Kuriosität sei bemerkt, dass Thourets Wohnhaus in der Schlossstraße 1844 übrigens dem ersten Stuttgarter Hauptbahnhof weichen musste. 370 Staatsarchiv Ludwigsburg D 52 Bü 923. Decret vom 28.8.1818. 371 Staatsarchiv Ludwigsburg E 19 Bü 810. Decret vom 1.9.1817. 372 Zitiert nach Dangelmaier 1822, S. 5 ff. Mit Stolz zitiert der Autor diesen Dankesbrief in der Fortsetzung seines eigenen Werks (1822) und fügt an: „(...) Auch Se. Königliche Majestät ließen mir für dieses Werk Allerhöchstdero Wohlgefallen Allerhuldvollst zu erkennen geben“. 373 Auch König Wilhelm I wollte sein Badhaus in der Wilhelma 1842 zeitweise als „Kiosk“ benannt wissen, vermutlich aufgrund des bescheiden klingenden Baus und der Assoziation, die sich damit (sprich Gartenhaus) verbindet. Zudem verrät der Begriff aber auch den Zweck des Bauwerks, den eines Garten- und Kurhauses. Vgl. von Schulz 1976. 374 Dangelmaier, 2. Theil 1822, S. 18 ff. 375 Ebd., S. 20. 376 Ebd., S. 48. 62 vor, die alte hölzerne Neckarbrücke durch eine neue aus Stein zu ersetzen. Solcherart Forderungen scheinen König Wilhelm und der Brunnenverein fast wörtlich genommen zu haben, wie das weitere Vorgehen zeigt. Die Bitten von Privatleuten und die des Brunnenvereins nimmt Wilhelm I sehr ernst: Von der Königlich Württembergischen Bau- und Gartendirektion wird ab 1821 der Zeichenlehrer Ludwig Friedrich Autenrieth (1773-1857) zum Bauinspektor ernannt.377 Er war Schüler der Hohen Karlsschule in Stuttgart. Drei Jahre später sollte er darüber hinaus zum Baumeister bei der Hof-Domänenkammer ernannt werden.378 Wahrscheinlich ist er der Inspektor über die Entwürfe, welche der Brunnenverein zum späteren Kursaal in Auftrag gegeben hat. Als Bauinspektor legt er jedenfalls eine Mappe an mit Projekten für „Trinkhallen beim Cannstatter Sauerbrunnen“.379 Die Mappe enthält insgesamt sechs Blätter. Darunter zwei Wohnhäuser. Das erste Blatt zeigt vier Varianten einer Trink- oder Wandelhalle als freistehender Pavillon. Ein einfacher Saalbau auf rechteckigem Grundriss könnte jeweils längsseitig in einer geraden Linie durchschritten werden und wäre zu beiden Langseiten mit einer Pfeilerstellung aus vier Pfeilern geöffnet. Eine kleinere Variante würde stattdessen über drei Portale verfügen. Gemeinsam haben alle vier Varianten aber auch ein vorgesehenes Walmdach. Einmal würde die Pfeilerstellung eine Kolonnade mit Säulen dorischer Ordnung bilden, dann eine Arkade mit viereckigen Pfeilern und Rundbögen auf romanische Art, drittens fünf eher gotische Spitzbogenportale mit orientalisierenden Eselsrücken, ein tempelartiger Entwurf mit weitgehend verdrängter Fassade, schließlich einfach klassizistische Türrahmen. Die beiden kleineren Entwürfe auf der rechten Hälfte des Plans sind, übrigens genau wie von Dangelmaier vorgeschlagen, tatsächlich als Pavillon bzw. Kiosk mit einem schirmartigen Dach projektiert. Als ausgesprochen bescheidene Gartenhäuser wären diese die wohl kostengünstigste Alternative und leicht zu realisieren gewesen, vermutlich dann allerdings doch zu unspektakulär. [033] Das zweite Blatt zeigt auch einen Pavillon mit Walmdach, der auf der Schauseite aus fünf Achsen gebildet sein würde, von denen die Achsen Nr. 2 und 4 als Eingänge ausgespart worden wären, sodass in der Mitte eine merkwürdige Trennwand stehen geblieben wäre. Rechts und links hätten die Achsen gegebenenfalls begrünt werden können, wie in der Darstellung vorgeschlagen. Pilaster dorischer Ordnung hätten das Bauwerk charakterisiert, das etwa 45 Schuh lang und von allen Seiten begehbar konzipiert wäre. An der hinteren Wandfläche würden in der Halle Sitzbänke aufgestellt. Das Blatt ist signiert mit Autenrieth, der das Projekt wahrscheinlich selbst entworfen hat. Nicht weniger eigen ist Blatt 3 mit einem zweigeschossigen Bau auf quadratischem Grundriss. 40x40 Fuß. Eine Künstlersignatur fehlt. Der Entwurf erinnert an ein Wohnhaus, war aber tatsächlich als Trinkhalle vorgesehen. So gäbe es im Erdgeschoss auf der Frontseite drei Rundbogenportale, die in eine Halle mit viereckigem Brunnen führen würde, daran angeschlossen wäre in der Mitte ein länglicher Raum, der als Magazin für Krüge bezeichnet wird, auf der Rückseite des Baus gäbe es noch eine Halle. Von der Brunnenhalle hätte eine Treppe in das Obergeschoss geführt, in dem es unter anderem eine Wohnstube, Küche und einen Abtritt für Damen gegeben hätte. Der Bau hätte wieder ein Walmdach erhalten und oben auf jeder Seite über drei Fenster verfügt. Im Erdgeschoss waren auf allen Seiten Eingänge für die Brunnengäste vorgesehen. Beeindruckender wirkt das Blatt 4 der Mappe mit einem Entwurf, welcher in der Gliederung dem durch Nicolaus Thouret eingereichten Ausführungsprojekt ähnelt. Hier ist ein eleganter kreisrunder Mittelpavillon vorgeschlagen, der von Westen aus über rechteckige neunachsige Wandelgänge mit abschließenden Pavillons auf rechteckigem Grundriss verbunden worden wäre. Das Bauwerk wäre an die 200 Fuß (ca. 60 m) lang geworden. Dekorativ hätte es sich aber äußerst schlicht präsentiert, eine mit zierlichen Balken gezahnte Traufkante unter dem Dachverlauf sowie vertikale Zierleisten mit Raster hätten noch das auffälligste Stilelement dargestellt. Die beiden Eckpavillons hätten ihre Langseiten je auf der Nord- und Südseite gehabt und dabei drei Eingänge sowie je einen vorne und 377 Thieme-Becker 1799-1806, 65a-65b („Autenrieth, Ludwig Friedrich“). 378 Regierungsblatt für das Königreich Württemberg 1824, S. 2. 379 Staatsarchiv Ludwigsburg E 19 Bü 530. 63 hinten am Bau. Es handelt sich um das Projekt einer offenen Wandelhalle, die laubenartig begrünt worden wäre. Der Laubengang zu ihrer rechten Seite und in der Mitte täuscht eine Rundbogen- Architektur vor. Eine Signatur fehlt auf dem Blatt, sodass der Künstler von diesem Entwurf schwer zu ermitteln ist. Doch führte eine Exkursion zur entscheidenden Entdeckung: Dieses Projekt scheint dann in auffallend ähnlicher Form an einem anderen Standort, mit den alternativ vorgeschlagenen Rundbögen, tatsächlich ausgeführt worden zu sein. Und zwar in dem nahen Bad Boll. Die dortige Wandelhalle wird zwischen 1823 und 1825 gegenüber dem zeitgleich erweiterten alten Kurhaus von Heinrich Schickhardt (1558-1635) nach Entwürfen von Gottlob Georg Barth (1777-1848) errichtet. Der Entwurf hierzu gilt in Bad Boll als verschollen. Nun ist er höchstwahrscheinlich in der oben genannten Mappe wieder aufgetaucht.380 Gottlob Georg Barth scheint ursprünglich also an dem vom Cannstatter Brunnenverein erstmalig ausgeschriebenen Wettbewerb für eine Wandel- und Trinkhalle in Cannstatt beteiligt gewesen zu sein. Danach könnte er durch die Vermittlung König Wilhelms persönlich mit dem ansprechenden Entwurf, der wahrscheinlich relativ kostengünstig umgesetzt werden konnte, in das württembergische Boll berufen worden sein. Der dortige Brunnen tritt damals nur noch schwach aus und so benötigt das Bad Boll ebenfalls eine Aufwertung und Erneuerung des alten Kurhauses mit neuen Nebengebäuden. [034] [035] Ein weiteres Alternativprojekt zu dem von Thouret stammt von Joseph Aloys Maucher um 1823.381 Es ist bezeichnet als Projet eines Cursaals zu dem Sauerbrunnen bei Cannstadt und signiert mit Architect Maucher. Über Joseph Aloys Maucher ist nur sehr wenig bekannt; er wirkte jedenfalls in Württemberg als Architekt und war ein Vertreter des klassizistischen Stils. Eben dieser Schule entspricht auch der vorliegende Entwurf. Maucher entwirft einen dreiflügeligen Bau in T-förmigem Grundriss. Dabei gäbe es einen optisch betonten Mittelrisalit, der rückwärtig in die Tiefe gestreckt worden wäre. Anschließend an den Mittelbau wären rechts und links zwei Flügel angegliedert, die im Aufriss das Bild eines deutlich in die Länge gestreckten Baukörpers ergeben hätten. Die beiden symmetrisch angeordneten seitlichen Flügel sind wesentlich länger und schmäler vorgesehen als der mittige, der von diesen aus im 90 Grad Winkel angeschlossen wäre und als Saal bezeichnet wird. Wohingegen die beiden langen Flügel als Galerien konzipiert sind. Diese wären zu den Enden jeweils mit einem rechteckigen Pavillon abgeschlossen, der gemauert wäre und vorne mit einem Säulenpaar geöffnet. Die Galerien würden hier als offene Kolonnaden mit einer Pfeilerstellung ausgebildet. Rückwärtig wären einige Buden vorgesehen, womöglich als Verkaufsbuden gedacht. Im linksseitigen Pavillon befände sich ein Füllbrunnen, durch die Galerie würde man in den Mittelbau gelangen, zunächst in ein Nebenzimmer, dann in das Vestibül, das zum eigentlichen Saal abzweigen und über ein weiteres Nebenzimmer in die nächste Galerie führen würde. Der Curbrunnen würde als Kostbarkeit in prominenter Lage direkt vor den Mittelbau gesetzt und mit halbkreisförmigem Vorbau überdacht sein. Besonders reizvoll in dem Plan wäre außerdem am gegenüberliegenden Ende des Saals eine offene Zurschaustellung der genau an dieser Stelle zutage geförderten Quelle gewesen. Bei Cast 1836 ist sie beschrieben: „(...) ein weiterer Brunnen befindet sich im Rücken des Cursaals, er ist unter dem Namen Felsenbrunnen bekannt, und wird, da er sein Wasser aus derselben Quelle erhält, ebenfalls zum Trinken benützt“.382 Um 1820 werden mit dieser selben Quelle insgesamt vier Brunnen gespeist.383 Somit wäre die Funktion des Baus betont gewesen. Jedenfalls hätte er über eine offene Quelle und zwei benutzbare Brunnen verfügt. Im rechten Pavillon wäre wahrscheinlich eine Restauration oder ähnliche Bewirtung vorgesehen gewesen. Der Mittelbau hätte sich nach vorne mit einer offenen Giebelseite präsentiert, aufgestockt und mit halbkreisförmigem Oberlicht, im gezahnt gestalteten Dreiecksgiebel wiederum ein eingepasstes Oberlicht und der halbkreisförmige Vorbau überdacht mit einem halben Zeltdach, das 380 Neben stilistischen Übereinstimmungen, zeitlichen und örtlichen Argumenten, spricht für den Urheber Barth, dass er seit der Zusammenarbeit bei der Ausstattung des Stuttgarter Neuen Schlosses eng mit N. F. Thouret in Kontakt steht: Siehe hierzu Färber, Neue Deutsche Biographie 1953, Bd.1, S. 602: „Barth, Gottlob Georg“. 381 Dieses ist nicht in der Mappe des Staatsarchivs Ludwigsburg, sondern es wird im Stadtarchiv Stuttgart aufbewahrt. 382 Cast 1836, S. 22-23. 383 Memminger 1832, S. 114. 64 an den Risalit angefügt wäre. Der deutlich erhöhte Saalflügel hätte ein stumpfwinkliges Satteldach erhalten, die Galerien dagegen ein Sparrendach. Rechteckige Tür- und Fensteröffnungen, runde Säulen oder Pfeiler und eckige Pilaster, alles in dorischer Ordnung, hätten das klassizistische Gepräge des Baus klar zu erkennen gegeben. Dagegen ungewöhnlichere Besonderheiten wären die halbkreisförmigen sowie die dreieckigen Oberlichter gewesen. Im Schnitt erkennt man die Langseite des Saals mit vier Achsen, je mit halbkreisförmigem Oberlicht und zu den Saalenden jeweils schmale Eingangshallen. Er hätte nochmals über eine schmale integrierte Säulengalerie verfügt. Vermutlich hätte der Bau blecherne Dächer erhalten. Ein Triglyphenfries mit Medaillons hätte das Saalinnere geschmückt, Einfassungen und Rahmungen der Rundbogenfenster wären mit Stuckreliefs verziert und die Säulen im Saal kanneliert worden. Das ambitionierte Projekt scheitert wahrscheinlich an der Finanzierung. [036] Nur Blatt 4 der Entwurfsmappe aus Ludwigsburg, vermutlich von Gottlob Georg Barth, und das Projekt von Maucher hätten ernsthaft mit Thouret konkurrieren können, das letztgenannte Projekt besticht vor allem durch Form und Linienführung des Baukörpers. Aller Wahrscheinlichkeit nach gibt es eine ganze Reihe weiterer Projekte, die aber nach derzeitigem Stand der Recherche leider nicht gefunden werden konnten, weil wohl verschollen. Unter den möglichen Architekten wären: Giovanni Salucci (1769-1845), Carl Alexander Heideloff (1789-1865),384 oder Ludwig Mäntler.385 Womöglich bat man außerdem Namen der Kurarchitektur wie einen alten Bekannten von Thouret, Baumeister in Karlsruhe und Baden-Baden, Friedrich Weinbrenner (1766-1826), um einen Entwurf. Unterdessen war aber ausgerechnet Weinbrenners Schüler, der gebürtige Cannstatter Christian Zais (1770-1820), dessen Hauptwerk fast die gesamte Kurstadtplanung von Wiesbaden ist, überraschend im Alter von 50 Jahren verstorben, als der Brunnenverein Cannstatt einen Kursaalbau annähernd finanzieren konnte. Das Todesereignis könnte allerdings einen der Beweggründe zu dem weiteren Forcieren des Bauvorhabens gebracht haben; Zais hatte ja bereits den Tanzsaal im Cannstatter Wilhelmsbad für seine Schwester entworfen. Ein Baugesuch des Brunnenvereins ist nicht bekannt. Am Projektverlauf kann aber abgelesen werden, dass ein multifunktionaler Saal zu verschiedenen Zwecken gewünscht wurde, der als Brunnenhalle und Wandelhalle ebenso wie als Festsaal oder für Veranstaltungen aller Art genutzt werden kann. Eigentlich entwarf Thouret ursprünglich ein komplettes Saalgebäude mit Mittelbau zwischen zwei langen Saalflügeln als offene Wandelbahnen zu den Seiten. Damit entspricht es in der Form dem Typus der Wandel- und Trinkhallen der Zeit, welche der Cannstatter Christian Zais nach englischem Vorbild mit dem Wiesbadener „Cursaal“ erst in deutschen Landen etabliert hatte.386 Die auffälligste Abweichung gegenüber dem späteren Ausführungsprojekt weist bei Nicolaus Thouret besonders der Mittelbau auf, hier noch zweigeschossig oder aber mit einer weiteren Fensterzone aufgestockt. Direkt am Steilhang des Sulzrains befindet sich die Mineralquelle, also auf der östlichen Seite des Gebäuderiegels. Seine Schaufassade, die im Aufriss auf dem Plan gezeigt ist, wird von der im Westen untergehenden Abendsonne beleuchtet. Links dazu hat der Baukörper somit seine Nordseite, rechts die Südseite. Damit war die Hauptfassade ursprünglich flächig vorgesehen, ohne halbrunden Vorbau. Der Risalit des Mittelbaus hätte der geradlinigen Form der Flügel entsprochen. Auch hier war ein Halbrund eingeplant, welches der Mittelbau aber auf seiner Rückseite zum Hang hin haben sollte, wo der Trinkbrunnen ist. So hätte der Akzent mehr auf dem Nutzungszweck gelegen. [031] Der Vorbau auf Seiten der Allee sollte ein Portal mit vier Pfeilern erhalten, akzentuiert von einem freien Dreiecksgiebel in der mittigen Zone zwischen Erd- und Obergeschoss. Letzteres zeigt an der vorderen Fassade eine Fensterreihe mit fünf rundbogigen Fensteröffnungen römischer Prägung. Der aufgestockte Mittelbau sollte mit einem Walmdach, die Flügel mit einem Satteldach gedeckt werden und Giebelseiten erhalten. Vermutlich sollten die beiden Flügel aber zunächst überhaupt nicht mit Fensterreihen geschlossen werden, sondern offene Kolonnaden darstellen; dies der wesentlichste 384 Heideloff ist 1821 in Nürnberg tätig: Neue Deutsche Biographie/ Thieme-Becker („Heideloff, Carl Alexander“). 385 Auch ein gewisser Architekt Würger ist in den Akten teils erwähnt – nähere Informationen über diesen fehlen aber. 386 Vgl. Bothe 1984, S. 23 ff./ Fuhs 1993, S. 149-150/ Ziegler 2004, S. 212-217. 65 Unterschied. Eine Rampe mit flankierenden Auffahrten hätte auf die Saalebene geführt, mit einer Nische in der Mitte und einem Brunnen darin. Im Gesamteindruck hätte dieses Bauwerk etwa den gleichen Eindruck, nur in umgekehrter Ausrichtung, vermittelt. [032] Der erste Bau aus dem Gesamtverbund um das große Kursaalprojekt ist im Jahre 1824 ein eigenes Abfüllhaus.387 Aus den Plänen und ihrem Entwicklungsverlauf lässt sich schließen, dass von Anfang an ein Nebengebäude vorgesehen war, wahrscheinlich zunächst ohne jegliches Pendant. Um 1824 wird für 4.465 Gulden nach Entwürfen von Salucci, Maucher oder Würger – nicht von Thouret – schließlich das Füllhaus erbaut, in welchem von einem Brunnenmeister Mineralwasser in Tonkrüge abgefüllt wird.388 Das ausgeführte Füllhaus weicht deutlich von dem Entwurf Mauchers ab [042]: Der halbrunde Vorbau wurde weggelassen und das Gebäude ist eingeschossig. Das Bauwerk hat nun einen Mittelbau mit rundbogigem Portal zwischen Pfeilern. Rechts und links sind zwei kleine giebelseitige Anbauten mit Fensterpaar an der Giebelseite angegliedert. Der Mittelbau ist mit einem Walmdach gedeckt, während die schmalen, niedrigeren Seiten Satteldächer haben. Ein umlaufender Mäander-Fries fällt auf, dieser ziert den Bau unterhalb des Walmdachs. Maucher hatte umgekehrt neben dem Vorbau halbe Walmdächer für die Seiten und für den zweigeschossigen Mittelbau ein Satteldach mit Giebel zur Schaufassade vorgesehen.389 Bisher hatte es am Sulzrain nur einen abgezweigten Kanal zum Befüllen von Krügen gegeben, der erst mit der Neufassung der Quelle 1819 angelegt worden war, „(...) außer diesen vier Röhren ist noch ein besonderer Ausflußkanal zur Füllung der Krüge angebracht. Über dieses Füllwesen hat das Stadtschultheißenamt und der Stadtrath schon 1820 eine weitläufige Bekanntmachung in den Schwäbischen Merkur einrücken lassen“.390 Eine Abgabe für das Füllen der Krüge hatte bisher nur teilweise bestanden, nun kostet ein Krug je nach Verschluss oder offen zwischen 1,5 kr. und 1 hl. Am günstigsten der Heller. Bei auswärtigen Bestellungen werden für einen Krug bis zu 8 Kreuzer verlangt. Schon in den 1790er Jahren hatte Frösner Mineralwasser in Krügen versendet. Er bewarb dies so: „(...) Es ist schon bekannt, daß das hiesige Sauer-Wasser dem Selter-Bronnen den Bestand-Theilen nach zum nächsten kommt; so daß wenn die Krüge ordentlich verpicht sind und man dieselbige nur einige Tage vor dem Gebrauch im Keller liegen läßt, der beste Kenner auch dem Geschmack nach keinen Unterschied spüren wird. Der Krug kostet zu füllen und verpicht 1 kr., unverpicht ½ kr., den letzten wird allemal eine Marque mitgegeben, welche bei Unterbringung des Wassers allezeit abgefordert werden muß, damit eine Marque nicht beim wieder holen zum Betrug dienen kann, weil sich noch mehrere Quellen hier befinden. Auch ist das nächst an der Sauer-Brunnen-Quelle befindliche kalte Mineral-Bad, welches vor etlichen Jahren neu errichtet und zu 2 Apartements und mehrerer Bequemlichkeiten versehen worden. Es wird übrigens den Gästen an Kost, Logis und übriger Bedienung alle mögliche Bequemlichkeit zugesichert. Bad-Meister Frösner.“391 In der Regierungszeit Wilhelms I sollte auch dieses Monopol von Frösner Konkurrenz bekommen. Schon zwei Jahre nach Errichtung des Füllhauses von 1824 wird das Mineralwasser in einem der gestiegenen Anfrage gerecht werdenden, größeren Neubau als unterirdisches Füllgewölbe abgefüllt, das Haus wird zur Wohnung des Brunnenaufsehers umfunktioniert. Bis zu 200.000 Krüge jährlich werden befüllt. „(...) Das Kannstatter Mineralwasser wird auch nah und weit versendet, muß aber 387 Die genaue Entwurfsvorgabe, die der Brunnenverein 1821 im Bauprogramm formulierte, ist nicht überliefert. 388 Um 1936 wurde es abgerissen und ein Ersatz in der Sulzerrainstraße 8 errichtet. Im Frühjahr 1950 fertiggestellt. 389 Weil sich die vollständige Projektausführung aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten verzögerte, fasste der Brunnenverein 1824 den Entschluss, zuerst das Füllhaus zu errichten, um in weiser Voraussicht über die Einnahmen aus dem Verkauf von Mineralwasser den eigentlichen Saalbau bezahlen zu können. Das Füllhaus, dessen Grundriss auf dem Plan von Thouret kleinteilig erhalten ist, sollte so nicht ausgeführt werden. Überhaupt weist sein Entwurf zu dem Nebengebäude andere Charakteristika auf als das Ausführungsprojekt. Thouret sah zuerst einen kleinen zweiflügeligen Bau in T-förmigem Grundriss vor, mit flächiger Fassade ohne Vorsprung. Der längere und breitere Hauptflügel sollte auf den Hang ausgerichtet sein, die schmäleren Seiten sollten zusammen mit der Hauptfassade die Richtung des Kursaals aufnehmen. Vermutlich hat der Entwurf eines anderen Architekten den Bauauftrag erhalten. 390 Dangelmaier 1822, S. 9. 391 Der Anzeiger 1791, S. 351. 66 unter dem Wasser verpfropft und sehr gut verpicht oder verharzt werden, indem die Kohlensäure sehr gerne verfliegt. Dieses Wasser ist versendet nicht so angenehm zu trinken; verliert bedeutend an Wirkung und hält nicht sehr lange, daher es, wenn man Zeit und Geld nicht sparen darf, besser ist, aus der Quelle selbst zu schlirfen“.392 Erfahrungen zeigen, dass die Behauptung durchaus stimmt, denn eine Kur wird direkt am Brunnen empfohlen. Dort wird die unmittelbarste und die heilsamste Wirkung erzielt – im Grunde geht es hauptsächlich darum, dass der Körper möglichst viele wertvolle Mineralstoffe aufnehmen kann. Bei übermäßigem Trinken können die Stoffe jedoch regelrecht herausgeschwemmt werden, was den gegenteiligen Effekt einer Kur bewirkt. Empfohlen wird seinerzeit, maximal 8 Gläser à ½ Schoppen zu trinken – 10 bis 15 Gläser könnten hier bereits schaden.393 Der Autor kritisiert darüber hinaus, dass in Cannstatt keine Gläser oder Becher angeboten würden; jeder Gast müsste sein eigenes Glas selbst mitbringen. So ist der Kurgast zum Kauf eines Krugs gezwungen. Hält sich ein Gast länger als acht Tage im Kurort auf, so muss dieser eine Brunnentaxe von 30 kr. bezahlen. Ein Bediensteter, Brunnenmeister, der später im Füllhaus wohnen würde, stellt bei Bezahlung eine Quittung aus. Bei der sogenannten Molkenkur, bzw. modern Milchkur, wird entweder Mineralwasser mit Milch vermischt verabreicht oder bisweilen reine Milch zu Kurzwecken getrunken. Erfunden wurde diese Form der Kur um 1749 in der Schweiz.394 Bis in das 19. Jahrhundert hinein übernahmen Modebäder die Molkenkur in ihr Angebot auf. So auch in Cannstatt. Am Felsenbrunnen hinter dem Kursaal gibt es eine entsprechende Einrichtung zur Aufbereitung und Erwärmung von Ziegen- oder Kuhmilch, Molkenkuranstalt genannt.395 Beliefert wird der Sulzrainbrunnen mit frischer Vollmilch aus der königlichen Meierei im Rosensteinpark.396 Auch Frösner bietet im Badgarten die Molkenkur an. „Preiße des Mineral-Wassers vom ersten Februar 1825 an: Für das Füllen eines Kruges ist zu bezahlen ½ Kreuzer. Für das Füllen und Verpichen 1 kr. Für das Füllen und Verpichen nebst Zugabe des Pfropfes 1 ½ kr. Cannstatt, den 1. Februar 1825. Stadtschultheissen-Amt und Stadtrath“.397 Bereits 1793 plante Badmeister Johann Frösner, am Sulzerrain eine „Sauerwasserkrug-Brennerei“ zu errichten.398 Sein Sohn habe die erforderliche Zusammensetzung der Tonerde bereits festgestellt. Die Ausführung scheint aber nicht erfolgt zu sein. Gebrannt werden die Mineralwasserkrüge direkt vor Ort, von Kannenbäckern, die aus dem Westerwald auswanderten. Jedenfalls gibt es dafür seit jeher den nötigen Rohstoff und die Stadt hat durchaus eine Tradition an Gefäßbrennereien. „(...) Zum Behuf der Verfüllung werden die zuvor mit Sauerwasser gefüllten Krüge entleert, und die atmosphärische Luft durch Kohlensäure, die durch einen künstlichen Apparat hineingeleitet wird, ausgetrieben; sodann werden diese mit Kohlensäure gefüllten Krüge unter dem Spiegel des Wassers mit Entweichung der künstlichen Kohlensäure durch eine Gasröhre vorsichtig mit Wasser gefüllt und unter demselben gepfropft. Die Krüge selbst sind gut gebrannt, mit dem Wappen von Cannstatt versehen. Die Pfropfen sind mit einer Colophoniumauflösung luftdicht gemacht und haben einen besonders gestempelten Staniolüberzug.“399 Auf kuriose Weise wird die Tradition der Kannenbäcker400 damit fortgesetzt.401 Verpichen bedeutet schlicht, den Flaschenhals vor dem Versand in eine pechartige Masse zu tauchen und der Tonkrug 392 Anonymus: „Cannstatt, seine Mineral-Quellen und Umgebungen“ 1842, S. 22. 393 Ebd., S. 5-7. 394 Um 1900 wurde im oberen Kurpark ein Schweizerhäuschen errichtet. Hierzu mehr unter Punkt 1900er dieser Arbeit. Ein „Schweizer“ ist ursprünglich ein in der Milchviehwirtschaft Beschäftigter. 395 Siehe Veiel 1852, S. 116-117. 396 Siehe Abele 1844, S. 104. 397 Staatsarchiv Ludwigsburg F 160 I Bü 274 f. Bad- und Brunnenanstalten. 398 Vgl. Mehring 1914, S. 75. 399 Veiel 1852, S. 94. Privatsammler versteigern Tonkrüge, nicht selten Plagiate. Der Verfasser konnte einen originalen Cannstatter und einen Leuzewasser-Krug aus der Sammlung von Richard Doegen in Fachingen (Taunus) erwerben. 400 Vgl. „Die Töpfe des Hilario. Antike Kannenbäcker am Neckar – Die römische Töpferei von Stuttgart-Bad Cannstatt im Lichte neuer Ausgrabungen“, eine Ausstellung im Stadtmuseum Bad Cannstatt vom 23.3. bis 25.9.2011. 401 Siehe Tritschler 1834/ Veiel 1852, ebd. Vgl. Schwäbischer Merkur 1861, S. 1556. 67 bzw. Steinzeugkrug erhält einen Verschluss aus Schafs- oder Ziegenleder, das fest um den Hals geschnürt wird. Der Transport der Krüge gestaltet sich alles andere als unproblematisch, denn die Inhaltsstoffe des Mineralwassers müssen konserviert bleiben. Einige Chemiker raten an, das Wasser nach zehn Tagen nicht mehr für die Trinkkur zu gebrauchen. Wegen logistischer Vorteile entwickelt sich aus der ursprünglich bauchigen Form der Krüge des 17. und 18. Jahrhunderts die zylindrische Form, die im 19. Jh. üblich ist. Auf die Lederverpichung folgen Zinnkapseln. Auch Glasflaschen, anfangs eckig in der Form, kommen später zum Einsatz und setzen sich bald durch. Trotz alledem ist die Brunnenkur vor Ort der Trinkkur aus dem Krug vorzuziehen. Das Mineralwasser bleibt weiter ein Luxus und ist für die meisten Leute kein alltägliches Getränk. Jeder Steinzeugkrug erhält nach dem Vorbild der Selters-Krüge eine Stempelgravur mit kreisrunder Marke, in der Mitte davon das Kannen-Wappen, der ringförmige Markenname lautet: „CANNSTATTERMINER-WASSER“. Darunter wird mit einem horizontalen Stempel die Gravur „SULZERRAIN“ eingeprägt. [044] In einer Sitzung des Brunnenvereins am 22. November 1823 wird der Bau des Kursaals nach dem Plan von Nicolaus Thouret beschlossen.402 Zwischen dieser Sitzung und dem 15. März 1824 sei der Verein wegen eines Streits zwischenzeitlich aufgelöst gewesen, sollte an jenem Märztag 1824 aber wieder neugegründet werden. Um 1825 muss dann die Quelle neu gefasst werden, dies kostet 5.145 Gulden, man sollte die Bauarbeiten dann auch sogleich mit der Grundsteinlegung zum Kursaalbau verbinden. Erst durch eine finanzielle Bewilligung König Wilhelms I kann das Projekt überhaupt realisiert werden: Vom 2. April 1825 ist überliefert, dass der König 10.000 Gulden bewilligt habe, um eine solide Neufassung der Quelle und die Erbauung des Saales beginnen zu lassen. Am 6. Mai desselben Jahres empfiehlt der Baurat Friedrich Bernhard Adam Groß dann den Steinhauer und Maurermeister Götz für die Erbauung; Prof. Thouret habe sich bereit erklärt, die Arbeiten an Götz zu übergeben.403 Der Baurat Groß hatte einen ersten Stadtbauplan angefertigt, dem der König am 13. September 1823 zugestimmt hatte. Neben der Anlage des Kurviertels ist darin insbesondere die neue Anlage und Auffüllung des Stadtgrabens vorgesehen. Auf der anderen Seite des Flusses sind neue Straßen geplant, eine Erweiterung der Neckarvorstadt und eine Stadterweiterung auf der anderen Seite, vom Waiblinger Tor ausgehend bis über den Seelberg hinaus mit neuen klassizistischen Wohnhäusern, die Waiblinger Vorstadt und die Schmidener Vorstadt. Dies sind die städtebaulichen Grundlagen für die nächsten Jahre. In den Hauptstraßen darf kein Gebäude weniger als zwei Stockwerke haben. Offen sichtbares Fachwerk muss dort so schnell wie möglich verputzt werden und Abstände sind einzuhalten.404 König Wilhelm I legt besonderen Wert auf ein ordentliches, einheitliches, modernes Stadtbild sowie auf ein gefälliges Landschaftsbild. 1830er. Kurspaziergänge sowie Uferpromenaden Der größte und bedeutendste Landschaftspark Cannstatts ist der Rosensteinpark, zuvor Kahlenstein, der aber seit 1829 königlicher Privatgarten ist und insofern nurmehr zu Teilen für Kurpromenaden öffentlich begehbar.405 Im Frühjahr 1821 war der Oberhofgärtner Wilhelm Bosch im Auftrag von Wilhelm I nach England und Schottland auf Bildungsreise geschickt worden. Dort sollte er die englischen Landschaftsgärten genauestens studieren, dokumentieren und zeichnen.406 Unmittelbar nach der Rückkehr konnte zu Beginn des Frühjahrs 1822 bereits mit der Anlage der Kurbrunnenallee und Kurspaziergänge den 402 Vgl. Cannstatter Zeitung vom 30.7.1934. 403 Staatsarchiv Ludwigsburg, F 160 I Bü 274 g Nr. 4 + 5. 404 Dieser „Generalbauplan“ enthielt zwar bereits die grundlegenden Neuplanungen, musste aber mehrmals angepasst werden, als die Stadtentwicklung weiter vorangeschritten war. Vgl. Hagel 2002, S. 50-52. 405 Hierzu Seyffer 1831, S. 22 ff. Vgl. Hartmann 1847, S. 71 ff. Siehe auch Anonymus 1842, S. 17 (Anm. unten). 406 Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 70 t Bü 34. 68 Hang hinauf begonnen werden, noch vor der Anlegung des Rosensteinparks, wofür ja Wilhelm Bosch eigentlich auf Reisen geschickt wurde.407 Damit sollte Bosch im Auftrag von König Wilhelm wohl eine Art Generalprobe ablegen, ganz so wie der König es bei großen Projekten des Öfteren zu tun pflegte.408 Dies für den weitgehend zu privater, aber teilweise dennoch auch zur öffentlichen Nutzung vorgesehenen Rosensteinpark. Lediglich die übrigen, unteren Gartenpartien zum Neckar hin, sind am Steilhang, an den Park-Übergängen und an Randbereichen zwischen Schlossgarten und Rosenstein sowie Flussufer und Rosenstein öffentlich begehbar und mitunter einem Kurpublikum überlassen. Die öffentlichen Anlagen befinden sich an der zum Fluss gewandten Hangseite, von den unteren Ausläufern des Schlossgartens, der nahtlos in den Rosenstein übergeht, zum Neckar. Das Vorfeld der königlichen Anlagen wurde auch für Kurzwecke und für Besichtigungen angelegt, der exklusive Rosensteinpark und das Schloss sind mit einer Eintrittskarte zugänglich.409 Der in früheren Zeiten als der Kahlenstein bezeichnete Berg, welcher westlich des Neckarknies bei Cannstatt liegt, war, lange bevor er eine gartenarchitektonische Neugestaltung erhielt, ein beliebtes Ausflugsziel zwischen Stuttgart und Cannstatt, mit beeindruckenden Aussichtspunkten.410 Von dort oben kann der Besucher das Neckartal überblicken und hat eine romantische Sicht auf die Stadt Cannstatt. Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert hatte das Gelände eine künstliche Verschönerung durch Bepflanzung erfahren, die in der Folgezeit immer weiter ausgedehnt und erweitert wurde.411 Die ersten Bepflanzungen des zum Neckartal gewandten Hangs erfolgten unter Herzog Carl Eugen (1737-1793). Herzog Friedrich II erweiterte die Anlagen vor allem als späterer König Friedrich I seit 1806 mit Bellevue. Wilhelm I hatte zwischen 1822 und 1829 die Grundstücke von mehr als 500 Privatbesitzern erworben.412 Unter der Leitung des Obergeometers Roth wurde das Gelände 1823 genau vermessen.413 Ein weiterer Schritt war 1826 der Erwerb des alten Prager Chausseehauses.414 Mehrere Architekten und Landschaftsplaner wurden um Entwürfe zum Rosensteinpark415 gebeten. Unter John Buonarotti Papworth (1775-1847), von der württembergischen Gesandtschaft in London empfohlen, dem Karlsruher Hofgärtner Menning und noch anderen setzte sich schlussendlich der württembergische Oberhofgärtner Johann Wilhelm Bosch durch. Natürlich profitierte Bosch vom Wissen Papworths, und er erhielt Unterstützung durch den Leiter der königlich württembergischen Bau- und Gartendirektion Ernst Eberhard Friedrich von Seyffer. Während der Arbeiten am Schloss verfügt König Wilhelm per Dekret, das neue Gebäude fortan „Landhaus Rosenstein“ zu nennen, und der Name Rosenstein wird auch für den ganzen Park verwendet.416 Während der Rosensteinpark den Gestaltungsidealen englischer Landschaftsarchitektur entspricht, wurde 1826 um das Schloss herum, diesen Lehren folgend, ein geordneter Blumengarten als dessen Pleasureground angelegt.417 Englische Gärten verstehen sich als idealisierte Natur. In der deutlichen Abkehr zu französischen Barockgärten wird nicht Wert darauf gelegt, der Natur den unbedingten Willen des Herrschers aufzuzwingen, sondern eher ihre Schönheit mit gestalterischen Eingriffen zu betonen.418 Englische Gartenarchitekten des 18. Jahrhunderts wie etwa William Kent (1685-1748), 407 Vgl. Memminger 1832, S. 116. 408 Um 1839 bereits durfte Zanth als erstes Gewächshaus am Ort ein Ananastreibhaus im Rosensteinpark erstellen. Staatsarchiv Ludwigsburg E 19 Bü 499. 409 Siehe hierzu u.a. Anonymus: „Cannstatt, seine Mineral-Quellen und Umgebungen“ 1842, S. 17 ff. 410 Z.B. spazierte am 4.5.1794 Friedrich Schiller mit seinem Verleger Johann Friedrich Cotta auf dem Kahlenstein. Hierzu Jan Bürger: „Der Neckar. Eine literarische Reise“, München 2013, Kap. 4 („Stuttgart und Cannstatt“). 411 Von Seyffer 1831, S. 322. 412 Ebd., S. 323. 413 Staatsarchiv Ludwigsburg E 21 Bü 296. 414 Ebd., E 19 Bü 469. 415 Die Rose soll die Lieblingsblume der Königin Katharina von Württemberg gewesen sein, daher wohl der Name. Hierzu Seyffer 1831, S. 7 ff. Nach Seyffer fand die Umbenennung 1825 statt. Vgl. Gerhardt 1936, S. 57. 416 Staatsarchiv Ludwigsburg E 19 Bü 27, Dekret vom 21.4.1824. 417 Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 14 Bü 175. 418 Siehe hierzu u.a. auch Adrian von Buttlar: „Der Landschaftsgarten. Gartenkunst des Klassizismus und der Romantik“, Köln 1989/ Christian Cay Lorenz Hirschfeld: „Die Theorie der Gartenkunst“, Leipzig 1785/ Eduard Petzold: „Fürst Hermann von Pückler-Muskau in seinem Wirken in Muskau u. Branitz, sowie in seiner Bedeutung - 69 Lancelot Brown (1716-1783) oder Horace Walpole (1717-1797) vertreten diese Positionen. Auf den zumeist sanft geschwungenen Wiesenflächen mit bestens gepflegtem englischen Rasen in sattem Grün wechseln hohe Bäume, zum Beispiel Eichen, Buchen, Linden oder Kastanien, sowie einzelne Baumgruppen dieser Sorten, Schlängelwege und organisch abgerundete Teiche und Bäche auf die Art miteinander ab, dass sie an möglichst vielen Punkten „Sensationen“ als Blickpunkte bieten, sogenannte Aha-Erlebnisse, beispielsweise eine besonders wirkungsvolle Aussicht. Die sogenannten Staffagebauten gehören ebenso in das Bild; solche stellen Kuriosa dar, die als Ruinen, Tempel oder Exotismen auf romantische Art und Weise in fremde Welten versetzen sollen. In selteneren Fällen wurden Staffagebauten von menschlichen „Schmuckeremiten“ bewohnt, um die Lustwandelnden durch ihre Anwesenheit zu unterhalten. Blühende Sträucher und Blumen sind auf den Bereich des Pleasuregrounds beschränkt. Der Pleasureground bezeichnet die Gartenpartien unmittelbar um ein bewohntes Haus oder einen Staffagebau herum. Er ist der klaren Linienführung von klassizistischer Architektur angepasst und ist deshalb wenigstens geometrisch, oder streng symmetrisch gegliedert. Zu den nennenswerten Landschaftsgärten in den deutschen Ländern zählt der Rosensteinpark, des Weiteren der Englische Garten in München von Friedrich Ludwig Sckell (1750-1823), der Fürst- Pückler-Park vom gleichnamigen Schöpfer in Bad Muskau oder der Georgengarten in Hannover von Christian Schaumburg (1788-1868). Welche original englischen Landschaftsgärten genau von Oberhofgärtner Bosch gesehen wurden, kann leider nicht genau gesagt werden, womöglich führte die Reise nach Stowe, Studley, Stourhead und Chiswick. Dort gab es prominente Exempel zu sehen. Schloss Rosenstein entstand zwischen 1824 und 1829 im Stil griechisch-hellenistischer Tempel. Damit steht es in der Tradition romantischer Parkbauten englischer Gärten. Gegen ernstzunehmende Bewerber wie John Buonarotti Papworth hat sich letztlich der Hofbaumeister Giovanni Salucci mit seinem teils auch an Palladio orientierten Entwurf durchgesetzt. Aufwendige Giebel-Reliefs mit mythologischen Themen, Elemente ionischer Architektur-Ordnung, Medaillons und Statuennischen mit antiken Musenfiguren darin veredeln dieses spätklassizistische Gebäude mit seiner eigentlichen Funktion als Landhaus.419 Prächtige Innendekoration mit antikisierenden Fresken von den Künstlern Joseph Anton Gegenbaur (1800-1876), Johann Friedrich Dieterich (1787-1846) und Gottlob Johann Gutekunst (1801-1858) schmückt das Schloss.420 Das rechteckige Gebäude misst etwa 75x47 Meter, es ist symmetrisch aus 3 Teilen zusammengefügt, mit einem hohen mittleren und zwei niedrigeren rechtwinkligen, es verfügt damit ursprünglich über zwei offene Innenhöfe.421 Es präsentiert sich mit hohen Kolonnaden, ist nach vorne mit dicken Sandsteinsäulen offen und erhält flache Blechdächer. Die Baukörper sind auf einer Ebene angelegt und stehen eng mit den Parkanlagen im Verbund. Als 1829 Schloss und Park fertiggestellt waren, veranlasst der König Bohrungen auf dem Gelände. Dabei stießen die Bauarbeiter wie erhofft auf mineralhaltiges Wasser, das sie zutage fördern und als Brunnen erschließen konnten.422 Wilhelm sinnierte derweil über die Verwendung der Mineralquellen in seinem Garten und fasste den Entschluss, ein Badehaus in Auftrag zu geben. Erste Entwürfe von Giovanni Salucci sind erhalten. Vorgegeben war vermutlich eine Rezeption römischer Thermen, das Badehaus in beachtlicher Größe und Ausstattung. Inwieweit dieses Projekt für wahre Kurzwecke vorgesehen war, kann bisher nicht schlüssig belegt werden. Fest steht, dass mehrere Badezimmer und Gesellschaftsräume geplant waren und dem Gebäude mehr die Funktion eines Kurhauses denn die eines Schlosses verliehen hätten. Vorerst blieben diese Pläne aber ohne Verwirklichung.423 Bevor für die bildende Gartenkunst Deutschlands“, Leipzig 1874. 419 Als „Landhaus“ wollte Wilhelm I den Bau benannt sehen, untersagte die Bezeichnung als Schloss: Seyffer 1831. 420 Seyffer 1831, S. 45. 421 Im Zweiten Weltkrieg 1944 sollte es zerstört werden und innen vollständig ausbrennen; ab 1950 wiederaufgebaut. 422 Nach Seyffer war schon um 1823 eine Süßwasserquelle entdeckt worden. Siehe ebd. S. 57: „Die Quelle, welche das Wasser in die Höfe des Landhauses (...) liefert, wurde außerhalb des Parks auf einer hiezu angekauften Wiese in den sogenannten Juden in einer Vertiefung am Fuß der Feuerbacher Heide im Jahr 1823 entdeckt“. Sie liefere reines und weiches Trinkwasser. Erst später gelang es, Mineral- und Süßwasser getrennt zu erschließen. Hierzu 1840er. 423 Was dann ab 1842 in der Wilhelma zur Ausführung kommen sollte, kann als eine sehr eigenwillige Mischung aus öffentlichem Kurhaus und privatem Sommerschloss bezeichnet werden. Treffender war dies ein Kurschlösschen mit Wandelgängen, Vergnügungsgarten und Festsaal im Stil türkischer Bäder aus Konstantinopel und mamlukischer - 70 der Landesherr sich der Realisierung dieses Vorhabens in ziemlich abgewandelter Form widmen wird, liegt das Augenmerk erneut auf der weiteren Gestaltung der Anlagen am Sulzerrain. Dort hat unterdessen seit 1833 die Schüttung des Hauptbrunnens erheblich nachgelassen, was man sich mit der vorhergegangenen Abzweigung neuer Brunnen erklärte. In dem Zeitraum von 1829 bis 1833 werden in der Stadt zahlreiche neue Brunnen erbohrt.424 Um den weiteren Kurbetrieb nicht zu gefährden, ist 1834 zum wiederholten Mal eine Neufassung nötig. Den Anlagen auf dem Sulzerrain, noch sind dies aber ausschließlich Spazierwege auf die Anhöhe neben vereinzelten Bäumen und Bepflanzungen, sollten diese Maßnahmen erneut ziemlich unverhofft zugute kommen, weil sie in der Folgezeit weiter verbessert werden.425 Erstmals entstehen kleine Park- bzw. Gartenanlagen auf der Höhe, speziell um den Aussichtspunkt mit Sitzbank. [041] Demgegenüber ist der Rosenstein ein Landschaftspark mit sehr großzügigen Rasenflächen und Baumgruppen. Dabei war der Rosenstein vormals ein dem Sulzrain gut vergleichbarer kahler Felsen, der sogenannte „Kahlenstein“. Vom neu angelegten Rosensteinpark aus genau auf der gegenüberliegenden Neckarseite befindet sich zudem der Frösner'sche Badgarten: „(...) Von jeher war Canstatt der Vergnügungsort der ganzen Nachbarschaft, vorzüglich der Residenz, und fand auch ein Wechsel in Ansehung der Plätze statt, blühte bald eine Insel, bald ein Kahlenstein, bald eine andere Anstalt (…). Gegenwärtig und seit mehreren Jahren ist nun der Badgarten der Vereinigungspunkt zu fröhlicher Unterhaltung. Hier versammeln sich, ausser den täglichen Erscheinungen, ordentlicher Weise alle Sonn= und Donnerstage zahlreiche Gesellschaften, um sich bey Tanz, Musik und Spiel oder anderm frohen Genusse zu zerstreuen; hier hat also auch der Badgast Gelegenheit sich Unterhaltung zu verschaffen.“426 Wegen der aufkeimenden Konkurrenz mit den königlich privilegierten Kurbetrieben am Sulzerrain hatte Johann Jacob Frösner um 1818 seinen Badgarten zusammen mit Gebäudeerweiterungen neu und großzügiger anlegen lassen. In erster Linie versuchte er damit sein Angebot breiter aufzustellen. Herrn Frösner gelang es, „(...) zuerst seine beiden Badgärten, die durch einen Fahrweg getrennt waren, miteinander zu vereinigen und durch Ankauf von angrenzenden Grundstücken zu erweitern“427 Eine Investition, die sich offenbar lohnte, wie sich danach herausstellen sollte. Aus dem Zusammenhang sei nochmal auf den ursprünglichen Zustand des Gartens zurückgekommen: „(...) Die Anstalt zum Baden besteht in der privilegirten Badwirthschaft, wozu derzeit das bisherige, ziemlich geräumige Badhaus, das auf der westlichen Seite der Stadt zwischen dem Neckar und der Stadtmauer steht, ferner ein ganz neues, erst im vorigen Jahre neben dem alten aufgeführtes, Gebäude, und endlich zwey schöne Gärten, wovon der eine die mineralischen Quellen enthält, der andere aber zum Nutzen und Vergnügen der Badegäste eingerichtet ist, gehören“.428 Dieser bis 1833 völlig neu angelegte Kurgarten mit schlanken Alleen, Bosketts, Tischen, Stühlen, Gartenhäuschen und einem Rondell mit Springbrunnen misst in diesem Zustand ca. 11 Morgen, das entspricht etwa 3 Hektar. Diverse Gesellschaftsspiele werden in Frösners Garten angeboten, nach Dangelmaier sind das „ein Rutschberg mit Rennbahn von 600 Fuß (ca. 200m); ein Karoussel in einem besonderen Gebäude; drei Schaukeln; eine Balancirmaschine; Balancirstange; Vogelschießstatt (Tontaubenschießstand); eine Menschenwage (Waage); ein Kegel- und Fortunaspiel“.429 Alle Anlagen sind von hohen Zäunen begrenzt, und für den Eintritt in den Badgarten, für ein Bad Moscheen aus Kairo. Entsprechend der Herkunftsländer der Araberpferde, die Wilhelm I persönlich in Deutschland eingeführt hatte, gestaltet: Grimm 2016. Die Wilhelma blieb bis 1880 nur für ausgewählte aristokratische Kreise zugänglich. Seit 1952 zoologisch-botanischer Garten, werden die Mineralquellen heute für die Tierhaltung genutzt. 424 Drei Brunnen in der Wilhelma, der Holzmarktbrunnen, der Kellerbrunnen, der Veielbrunnen, Schiffmannbrunnen, Jakobsbrunnen und die Leuzequelle wurden in diesem Zeitraum erschlossen. Ein Bohrverbot wurde 1833 verhängt. Vgl. Hagel 2002, S. 156. 425 Ein „Kurpark“ im modernen Sinn wird aber erst ab den 1880er Jahren angelegt werden. Hierzu der Punkt 1880er. 426 Memminger 1812, S. 45. 427 Dangelmaier 1820, S. 55. 428 Memminger 1812, S. 40. „ (...) Das Ganze ist Privateigenthum, und der Eigenthümer entrichtet für die Ausübung der Badgerechtigkeit jährlich eine kleine Abgabe an die königl. Cammer und den Armenkasten zu Canstatt.“ 429 Ebd., S. 64. 71 oder zur Trinkkur und Kurpromenade, erhebt Johann Jacob Frösner eine Gebühr. Mit seinem breiten Vergnügungsangebot ist der Garten vergleichbar mit englischen Pleasuregardens und Vauxhalls.430 Solche verfügen über auffallend ähnliche Grünanlagen, Promenaden, Wandelgänge, Konzertsäle, Musikpavillons, Casinos, Theater, Festsäle, Kiosks, Imbissbuden bis hin zu ersten Fahrgeschäften. Seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts orientieren sich internationale Badeorte zusehends an solchen öffentlichen Vergnügungsgärten nach englischem Vorbild, um dem Publikum neben Bädern auch ein Amusement im Trockenen bieten zu können. Ein richtiger Kurpark verfügt um 1830 längst über ein Theater, eine Spielbank und einen Konzertsaal. Es ist kein Geheimnis mehr, dass viele Gäste weniger zum Kuren als zum Amüsieren anreisen. In Frösners Badgarten finden in großer Gesellschaft rauschende Feste bei nächtlicher Beleuchtung sowie Tanzmusik und Feuerwerk statt: „(...) Sonntags versammeln sich auch viele Landbewohner und Leute aus dem Mittelstand, denen an diesen Tagen der Tanzsaal offen steht, weil er in der Woche bloß für die höhern Stände bestimmt ist“.431 Günstig wirkt sich nicht nur die Nähe der Residenzen in Stuttgart und Ludwigsburg, sondern überdies die unmittelbare Nähe zum großen Festplatz auf dem Cannstatter Wasen aus, wo seit 1818 am 27. September das landwirtschaftliche Fest stattfand. Von dort strömen zahlreiche Volksfestgäste alljährlich auch in den nahen Badgarten und umgekehrt. Es heißt, Cannstatt sei „(...) der natürliche Vereinigungspunkt aller Curgäste“,432 ein Vergnügungsgarten, „kleines Tivoli“433 und der Brunnen dessen Zentrum. Der 1827 aufgebauten Brunnenhalle fehlen bislang noch die ursprünglich, auch nach dem Plan von Thouret, vorgesehenen Flügel als Wandelhallen. Dabei kann es sich entweder um nach vorne hin geöffnete Säulengänge in Form von Kolonnaden bzw. Arkaden handeln, oder aber um geschlossene Bauten mit einer Glasfront bzw. durchgängigen Fensterreihe, ähnlich einer barocken Orangerie oder einem zeitgenössischen Gewächshaus. Auch die offenen Beispiele werden jedoch oft als „Hallen“ bezeichnet. Wichtigstes Merkmal sind ihre markanten Portale zu den Seiten, zumeist je über einen Eckpavillon begehbar: Wandelhallen werden vom Kurpublikum bevorzugt über ihre Flügel, und nicht über den Mittelbau, betreten, sodass darin eben längere Wege gegangen werden. Sie bieten vornehmlich Schutz vor plötzlich aufziehendem Regen, aber auch vor praller Sonneneinstrahlung, gewährleisten insofern das Erreichen des Mineralwassertrinkbrunnens im trockenen Schatten und eröffnen ganz nebenbei ungewohnte Aussichten auf die landschaftliche Umgebung. Die klassische Wandelhalle verfügt über einen Mittelbau, entlang der langgezogenen Wandelgänge ist dieser oft rechts und links mit zwei symmetrisch angeordneten Eckpavillons geschlossen und verleiht diesem Bau somit eine ähnliche Gliederung wie sie die bekannten Schlösser aus dem Barock aufweisen. In beiden Fällen entstammt die Gliederung den großen Kaiserthermen, die auch Andrea Palladio in der Renaissance zitierte. Der Spätbarock sowie auch der frühe Klassizismus markieren stilistisch die Anfänge der eigenständigen Baugattung von Kurgebäuden, die sich nun etablieren. Die öffentliche Kurarchitektur des Klassizismus beruft sich ihrerseits auf antike Vorbilder bzw. auch auf Anlagen der Renaissance und greift auf die elementaren Bestandteile davon zurück. So wird die altbekannte Kolonnade und Arkade zum neuartigen Zweck der Bewegungstherapie entdeckt, ebenso im Garten und Park die altbekannte Allee. Grundrisse der Kaiserthermen werden zum Teil auf die Badehäuser übertragen, ganz nach antikem Vorbild wird aus dem Kurhaus ein gesellschaftlicher Treffpunkt zur Konversation und der antike Mythos neu stilisiert in der Kunst: In Form von stilistischen Zitaten an Gebäuden. Ist der Neubau noch mit einer Trinkhalle/ Brunnenhalle oder einem Brunnenpavillon verbunden, so wird mit dem Becher in der Hand auf und ab gewandelt.434 Mit einem Zuschuss von 6.787 Gulden, gestiftet von König Wilhelm, kann am Sulzerrain ab 1834 430 Vgl. Philipp 2016, S. 33-45. Siehe Gustav Hauck: Die Heilquellen und Kurorte Deutschlands, Leipzig 1865, S. 30. 431 Dangelmaier, S. 141. 432 Memminger 1812, S. 44. 433 Gustav Hauck, ebd. 434 Manch eine Trinkhalle ist gleichzeitig eine Wandelhalle und unterscheidet sich von reinen Wandelhallen allein durch den vorhandenen Brunnen. Die Kombination ist häufig, weil das Umhergehen zur Trinkkur dazu gehörte. 72 der linke, nördliche Flügel der Brunnenhalle schließlich erbaut werden.435 [043] [048] Die Kosten dieses Bauabschnitts betragen 7.889 Gulden. Erst mit einem weiteren Geldzuschuss Wilhelms in Höhe von ca. 6.000 Gulden kann auch der rechte, südliche Saal-Flügel hinzugefügt werden. Dieser Bauabschnitt kostet dann weitere 5.984 Gulden.436 Anfang Juni 1837 steht das äußerlich vollendete Bauwerk, noch ohne Innendekorationen, und wird am 27. Juni feierlich eingeweiht. Das Bauwerk präsentiert sich nun, wie ursprünglich geplant, als eine langgezogene Trink- und Wandelhalle mit Satteldach über dem Mittelbau, dort gekreuzt mit den Satteldächern der Flügelbauten. Seitlich sind die Schmalseiten der Flügelbauten jeweils mit Dreiecksgiebeln versehen, darin noch einmal je ein halbkreisförmiges Fenster nach römischer Art. Im Jahr darauf wird der Brunnen im Hof mit einer neuen, eisernen Brunnenschale versehen. Ein eiserner Bogengang, errichtet von den Schloßermeistern Ostertag und Laisle,437 stellt sodann eine Verbindung zu dem Saalgebäude her, welches erst jetzt zu einer veritablen Trinkhalle geworden ist. Die eiserne Trinkhalle steht im 90 Grad Winkel zu dem Steinbau und sie überdacht die Baukörper lückenlos. Der Brunnen befindet sich unter einem eisernen Pavillon am Fuß des Hangs. Das Eisen stammt von der Hüttenverwaltung aus Königsbronn. Dem König als dem großen Förderer zu Ehren, wird die Sulzerrainquelle bis 1844 in „Wilhelmsbrunnen“ umbenannt werden. „Seine Majestät der König“ ist allerdings auch selbst ein häufiger Brunnengast, der vorzugsweise früh morgens an die Quelle reitet und neben dem einfachen Volk am Sulzerrain seine Trinkkur macht.438 Wilhelm I kurt außerdem in zahlreichen deutschen und europäischen Kurorten und Seebädern.439 Der Rindenpavillon von 1813 ist mit dem Bau des eisernen Pavillons 1838 abgebrochen worden, um den Sulzerrainbrunnen zu fassen. Bauten für „Wohlfahrt und Gesundheit“ werden gefördert von König Wilhelm I. Kurarchitekturen und Gebäude wie Wandelhallen dienen der ärztlich verordneten Bewegungstherapie. Kurpromenaden fördern die Gesundheit und werden während einer Trinkkur gemacht. Um sich auch bei nasskalter Witterung in ausreichendem Maße bewegen zu können, hat die Kurarchitektur die Wandelhallen/-bahnen hervorgebracht: Das sind langgestreckte überdachte Kolonnaden oder Arkaden, ob geschlossen oder offen, und dadurch belüftet. Als deutliches Charakteristikum und äußerliches Unterscheidungsmerkmal vom barocken Schloss lässt sich außerdem bei detaillierterer Betrachtung beobachten, dass Wandelhallen sehr häufig über exakt sieben, acht, neun oder zehn Achsen verfügen, der Mittelbau dabei über drei oder fünf. Die Hallen werden synonym manchmal auch als „Kursaal“ bezeichnet. In dieser Funktion werden sie darüber hinaus für Ausstellungen und öffentliche Veranstaltungen aller Art genutzt. Mit seinen zehn Achsen hat der Cannstatter Kursaal durchaus großzügige Wandelgänge, diese sind zusammen ca. 66 Meter lang. Barocke Schlösser sind in der Regel weniger breit angelegt, kompakter, die bewohnbaren Flügel entweder weniger lang, oder mehrgeschossig und dann aber viel länger, während die eigentlichen Wandelgänge einer klassizistischen Kurarchitektur stets nur auf der ebenen Zone des Erdgeschosses gehalten sind. Es handelt sich dabei nicht etwa um schmale Korridore, Enfiladen, Raumachsen oder Nebensäle aus dem barocken Schlossbau, sondern um reine Saal- oder Hallenbauten, großflächige Flure, die genügend Freiraum zum Promenieren bieten und für die breite Öffentlichkeit bestimmt sind.440 Vergleichsbeispiele solcher Art wären etwa die 1823 entworfene Wandelhalle im Kurpark 435 Vgl. Färber 1949, S.333. Zeitzeugenbericht E.H.Müller 2021: Bis 1940 gab es mit Becher wandelnde Kurgäste in C. 436 Vgl. Markus Numberger 2008, in: Landesamt für Denkmalpflege BW, Datenbank Bauforschung/ Restaurierung – „Großer Kursaal“, veröffentlicht am 15.10.2008, zuletzt aktualisiert am 21.11.2016, S. 3. 437 Staatsarchiv Ludwigsburg F 160 I Bü 274 g Nr 9. 438 Archiv des Hauses Württemberg (Schloss Altshausen), Hofdiarien 1823-1848. Vgl. Sauer 1997, Kap. IV, Anm. 149. Siehe auch die Anekdote „Brunnen-Scene am Sulzerrain“ im Stuttgarter Neuen Tagblatt vom 10.06.1847. 439 Siehe hierzu Sauer 1997, S. 233; 522. 440 Die 1861 erbaute Wandelhalle im oberen Cannstatter Kurpark weist acht Achsen auf. Die Flügel am großen Kursaal haben zehn Achsen, 8 sind mit Fenstern geöffnet, 2 vermauert. Typischer ist überraschend die Gliederung des kgl. Badhauses der Wilhelma. Mit dem dreiachsigen Mittelbau und anschließenden Wandelgängen, die gleichzeitig als Gewächshäuser dienen, mit 9 Achsen, verkörpert es das Idealbild der Wandelhalle 1840. Es erinnert in der Fenster- Achsengliederung sogar auffallend an die Neue Redoute in Aachen von 1782 als dem Prototyp eines Kursaals. 73 Bad Boll von Gottlob Georg Barth (1777-1848), ebenfalls mit neun Achsen, der Elisenbrunnen in Aachen von Johann Peter Cremer und Karl Friedrich Schinkel mit sieben sowie der Mittelteil des riesigen Arkadenbaus in Bad Kissingen, errichtet von 1834-38 nach Plänen Friedrich von Gärtners mit neun Achsen.441 Doch die Wandelhallen des Kursaals sind ja lediglich ein „Surrogat (Ersatz) für die Bewegung im Freien“,442 mit aufgemalten Landschaften, ja Kurlandschaften, an den Wänden und andererseits mit Durchblick auf die echte Landschaft Cannstatts. Die eigentliche Kurpromenade findet idealerweise unter den schattigen Alleebäumen und auf den Spazierwegen der Umgebung statt. Diese gleichsam „Wandelgänge“ zu nennenden Spaziergänge an der frischen Luft sollen von nun an ebenfalls um die Cannstatter Kuranlagen sowie in ihrer nahen und weiten Umgebung erweitert werden. Dazu wurde ein stadtplanerisch weitsichtiger Plan erarbeitet, der die Verbindung der neuen Kuranlagen und der ebenso jungen Parkanlagen des Rosensteinparks über die Neckarufer vorsieht. Eine besondere Qualität des Bades Cannstatt ist seine romantische Lage am Fluss, die selbst unter den Kurbädern durchaus nicht selbstverständlich ist. Baden-Baden an der Oos, Bad Pyrmont an der Emmer, Bad Wildbad an der Enz, diese etablierten Kurorte des Binnenlandes liegen nicht an einem so großen Fluss, wie es der mittlere Neckar einer ist. 1831 wird Cannstatt zum Freihafen erklärt, bereits seit 1713 ist ein hafenähnlicher Kanal am Mühlgrün eingerichtet, mit Kran zum Be- und Abladen der Schiffe und mit einer Warenhalle, die vergrößert und modernisiert wird. Nachdem beidseitig des Flusses neue Parkanlagen entstanden sind, geht es u.a. darum, diese über eine neue Brücke bestmöglich zu verbinden. Der Stuttgarter Stadtplaner Gottlieb Christian Eberhard von Etzel (1784-1840) legt 1832 einen neuen Stadtbauplan für Cannstatt vor.443 In diesem Stadterweiterungs- Plan sind, neben der Neukonzeption der Neckarbrücke, neue Straßen mit Wohnhäusern eingeplant, wie etwa die Badstraße, Brunnenstraße und Wilhelmstraße. Bad Schachen am Bodensee hat das Glück, seit 1474 zusätzlich mit Mineralquellen versorgt zu sein. Zu den Bädern an größeren Flussgewässern zählt Cannstatt mit seinem Kurbetrieb auf der Insel. Neben Wimpfen zu Hessen,444 wo um 1835 gerade das erste Kurhotel eröffnet, Jagstfeld und Niedernau bei Rottenburg ist Cannstatt das älteste und größte Kurbad am Neckar. Nun wird der Neckar in Cannstatt ebenfalls ab 1835, auf königliche Anordnung hin, wirksam in die Stadtplanung mit einbezogen. Die Stadtmauer ist auf der einen Seite schon länger gewichen, auf der anderen der Rosensteinpark angelegt, sodass die Voraussetzungen gegeben sind. Die Stadt wächst an den Fluss. Zum Schutz gegen Hochwasser und zum Antrieb von Mühlrädern ist bereits um 1600 ein Flusswehr eingerichtet worden, das von nun an eine terrassierte Schräge im Fluss darstellt. Als Mühlwehr dient es auch zum Antrieb der Stadtmühle von Heinrich Schickhardt (1558-1635).445 Im Dezember 1833 wird anstelle der alten Holzbrücke der Bau einer neuen, steinernen Brücke durch die Ständeversammlung beschlossen, die Stadt steuert 25.000 Gulden bei. Vorausgegangen war alledem eine ausgeweitete Neuordnung der wilden Uferbereiche. „(...) Im Jahre 1826 wurde das Bett des Neckars von der Untertürkheimer Markung an bis zum Wasserhaus, weil dort das Flußufer in höchstem Grade verwildert war und viele Krümmungen hatte, durch Generalmajor von Seeger in eine gerade fortlaufende Bahn gelenkt, und diese Correktion später bis Untertürkheim fortgesetzt“.446 Danach folgen einzelne Arbeiten in Cannstatt: An den Flussufern bei Bellevue, bei der Vorstadt, vor der Altstadt und am Mühlgrün. Man korrigiert den Flusslauf nicht zuletzt, um der oft drohenden Hochwassergefahr zu begegnen. Die alte und marode Holzbrücke wird im November und Dezember 1834 vollständig abgerissen.447 441 Vgl. auch die 1878 errichtete gusseiserne Wandelhalle in Bad Wildbad, v. Albert von Bok, nicht erhalten (Bilder). 442 Hartmann 1847, S. 29. 443 Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 903 Inv. Nr. 2416/23. 444 Zwischen 1803 und 1945 ist Wimpfen, das an Württemberg und Baden grenzt, isolierte hessische Exklave. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss ist es 1803 an die damalige Landgrafschaft Hessen-Darmstadt gegangen. 445 Staatsarchiv Ludwigsburg E 166 Bü 1492, 1493. Korrektion des Neckars beim Landhaus Bellevue 1826-1829. 446 Daiber 1878, S. 85. 447 Vgl. ebd., S. 97. 74 Passanten müssen solange auf einen provisorisch aufgebauten Steg ausweichen.448 Nachdem der Neckar korrigiert und begradigt ist, die Abbrucharbeiten beendet, können die Straßenbauarbeiten mit Frühlingsanfang 1835 beginnen. Über dem alten Badgraben wird die neugeplante Badstraße angelegt, die verbunden wird über die Marktstraße und die neue Brunnenstraße mit der ebenfalls neu angelegten Wilhelmstraße. Am Mühlgrün verläuft die neue Kanalstraße.449 Und auf der anderen Uferseite folgt die Neckarstraße als Promenade parallel dem Lauf des Flusses. Bis 1837 sind die Straßenarbeiten weitgehend abgeschlossen. Die meisten Straßen entsprechen einer älteren Führung; selbst die Badstraße passt sich dem Verlauf des alten Grabens um die Stadtmauer an und verläuft nach vorne bis zum Neckar. Die Wilhelmsbrücke erhält eine Fahrbahn in der Mitte, daneben zwei Trottoirs für die Fußgänger. Das gusseiserne Geländer sowie acht zierliche Laternen sind ein Geschenk des Namensgebers. Es sind oft die kleinen, aber feinen Details, welche mit wenig Aufwand die Stadt Cannstatt aufwerten: Entlang des Brückengeländers sind kleine Ausbuchtungen integriert, in die sich mehrere Personen hinein stellen können, um von dort die Aussicht zu genießen, ohne dabei den Passanten im Weg zu stehen.450 Die Brücke wird damit eines Kurbades würdig gemacht und ist das Werk des Stadtplaners Eberhard Etzel, die künstlerische Ausgestaltung liegt bei Nicolaus Thouret. Sie ist 133 Meter lang und über zehn Meter breit. [046] Am 27. September 1838, dem Geburtstag des Königs, wird die neue Wilhelmsbrücke feierlich eingeweiht und das Fest auf Erinnerungsbildern festgehalten.451 1832 wurde für 2.876 fl. ein neuer Weg vom Kursaal in Richtung Waiblinger Straße angelegt. Von den Ausläufern der Kuranlagen mit Grünstreifen am Fluss über die Hafenanlagen am Mühlgrün hinweg, erstreckt sich ein frisch verlegtes Straßennetz aus steinernen Promenaden, akzentuiert von niedrigen Geländern und Laternenreihen direkt am Flussufer, um die Aussicht nicht zu versperren. Daneben etablieren sich erste Villen, entlang der Neckarstraße sowie gegenüber an der Badstraße. Eine Besonderheit stellen die klassizistischen Neubau-Villen mit einer Kombination aus Walm- und Flachdach dar, die bedacht sind mit einem umlaufenden Geländer, worin das Dach mittig über eine Dachterrasse verfügt. Von diesen erhabenen Stellen aus eröffnen sich romantische Aussichten auf den Flusslauf sowie auf die gegenüberliegende Altstadt. Das schwäbische Cannes, ein kleines Paradies452 besonderer Art, ist Cannstatt.453 Mit der großen Umgestaltung des Neckarufers geht Cannstatt nun daran, auch die Sauerbrunneninsel im Neckar, direkt vor der Biegung des Flusses, als großzügige Parkanlage für die Kurgäste weiter auszubauen. Diese war nach dem Badgarten, der auf die erste Neckarwiese des alten Badhauses am Zwinger von 1538 zurückgeht, die älteste Kuranlage Cannstatts. Im Jahre 1836 gehen die Anteile der Stadt Cannstatt an dem Ort Berg ganz an Stuttgart, aber die Insel zwischen den beiden Ortschaften und insbesondere die Quelle in ihrer Mitte bleiben im Besitz des Kurorts Cannstatt.454 Schmale eiserne Stege verbinden von nun an die Sauerbrunneninsel mit der Stuttgarter Straße von den unteren Schlossgartenanlagen her kommend sowie mit dem Badgarten und mit dem Wasen auf der anderen Uferseite.455 Es werden Pappelreihen gepflanzt, Schlängelwege, Alleen und Promenaden zwischen Rasenflächen angelegt. Der Insel-Betreiber Koch veranstaltet Kurkonzerte und lässt einen Pavillon über der Inselquelle errichten. Ein Strand mit Flussbädern bereichert die langgestreckte Insel rings herum. 448 Der Steg befand sich etwa an der Stelle der heutigen Rosensteinbrücke. Siehe auch Hagel 2002, S. 192. 449 Die Kanalstraße, die parallel zu dem Hafen-Kanal am Mühlgrün verlief, wurde 1937 umbenannt in „Überkinger Straße“ (Stadtarchiv Stuttgart, Inv. Nr. 89-36). 450 Auf eben solch feine Details hat man bei der nachfolgenden Wilhelmsbrücke von 1929 nicht mehr geachtet. König Wilhelm I bezeichnete damals die Brücke als „(...) einen der wichtigsten und bedeutendsten Communications Punkte des Königreichs“ (bei Daiber) - freilich ohne die wortwörtliche Kommunikation auf der Brücke zu meinen. 451 Württ. Landesbib., Graph. Sammlung: „Feuerliche Einweihung der neuerbauten Wilhelms-Brücke zu Cannstatt“, Sign.: Schef.qt.8881. 452 Cast 1836/ Loh 1877, S. 9. Vgl. Jürgen Hagel: „Das Paradies des Neckars“, in: Niess/ Lorenz 2006, S. 56-75. 453 Der Schriftsteller Berthold Auerbach (1812-1882) kurte kurioserweise in beiden Kurorten, in Cannstatt und Cannes. 454 Veiel 1867, S. 16. 455 Heyfelder 1840, S. 108. 75 Auf der Insel wird ebenfalls eine Trinkkur gemacht, den Kurkonzerten gelauscht und erfrischende Flussbäder werden genommen. Eine Rettungsanstalt für Schwimmer mit Hilfsmannschaft wird nun eingerichtet. Auch für Übernachtungsmöglichkeiten wird auf und nahe der Insel gesorgt. Eine Reihe kleiner Gast-Unterkünfte entsteht. Zusätzlich zu der Inselquelle werden jetzt noch zwei weitere Mineralquellen genutzt: Der Koch'sche Sprudel und der Kunstmühlbrunnen, der zu Berg gehört.456 Beide dienen ebenfalls zur Trinkkur, der Sprudel darüber hinaus zur Badekur. Ein Kurgast kritisiert: „Die Anlagen sind daselbst äußerst unvollständig und nur auf einen 6-10 ' breiten Weg beschränkt, wo man bei guter Witterung sich beinahe beständig durch die hin- und herwandernden Gäste durchdringen und winden muß, und bei schlechter Witterung gleichsam ein Regenschirmkrieg entsteht“.457 Es gebe keinen Unterstand für Regenwetter auf dieser Insel. Das angesprochene Gedränge jedenfalls spricht für einen guten Besuch. Und nicht jeder Kurgast wird die beschriebenen Umstände genau gleich wahrgenommen haben.458 Auf der Insel und an den Mühlkanälen haben sich bereits die ersten Fabriken niedergelassen, wie die Bockshammer'sche Baumwollspinnerei, ab 1826 die Klotz'sche Tuchfabrik und die Koch'sche Fabrik. Die Fabriken nutzen den Kanal zum Antrieb ihrer Mühlräder, sie arbeiten noch ziemlich emissionsfrei. Die Inselquelle wird 1839 durch den Brunnenverein neu gefasst sowie gärtnerisch verschönert und ein neuer Pavillon errichtet.459 1833 hatte Ehrenfried Klotz eine Mineralquelle neben der Inselquelle erbohrt, um damit die Mühle seiner Baumwollfabrik zu betreiben. Der auf der Insel benachbarte Fabrikant Augustin Koch fasst den Entschluss, nebenher ein Bad zu betreiben und kauft Herrn Klotz seine Mineralquelle 1839 ab. Bis 1842 lässt er daraufhin ein Mineralbad erbauen, das Inselbad.460 Es wird das einzige Bad in der Stadt, in dem die Badegäste zugleich in Neckar- als auch in Mineralwasser baden können. Anfangs hat das Fluss- und Mineral-Inselbad einzelne hölzerne Badekabinen. 1851 wird es von Karl Ludwig Leuze abgekauft werden und in der Folgezeit zu einem Badhotel erweitert.461 Die Natur, ihre Wirkungssteigerung und Idealisierung, bestimmte das Bauen, die Gartenarchitektur und Landschaftsgestaltung in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Wie bereits in der Renaissance sind die großen Vorbilder dafür im alten Griechenland und Rom zu finden. Gärten, Villen, Foren, Tempel und Theater waren gleichermaßen auf die Kombination aus Architektur und gestalteter Natur ausgerichtet. Barocke Strenge, Symmetrie, Zwang und Wachstumsverhinderung gehörten nun endgültig der Vergangenheit an, waren aus der Mode. Reichere Bürger konnten sich wie im Italien der Renaissance ihre eigenen Villen erbauen und sie ahmten dabei nicht zwingend die Königshäuser nach, das Gegenteil war ungewöhnlich oft der Fall. Im Idealfall war ein Gebäude von Laubengängen umgeben, einer Pergola als offener Wandelgang, oder auch geschlossen in Form von gläsernen Hallen, Gewächshäusern, manchmal als ganzjährig bewohnbarer Wintergarten. Modernste Industrieprodukte wie Gusseisen und reines Glas machten es technisch möglich. Glas ist bald selbstverständlich, auch Gusseisen kommt häufiger zum Einsatz. Im Kontext der Antike sei bemerkt, dass Bauen mit großflächigem Glas seit dem 1. Jahrhundert nach Christus bekannt ist. Eine wichtige Quelle zur neuen Naturidealisierung um diese Zeit sind die Gärten des Hermann von Pückler-Muskau.462 Das neue Wohnverständnis um 1830 schlägt sich insbesondere auch nieder in der klassizistischen Kurarchitektur, allein mit ihren zeittypischen Wandelgängen, den Kolonnaden und Arkaden, die im 456 Abele 1844, S. 11; 27; 186-187. Gravur am Brunnen: „Den Gesunden zur Stärkung, den Kranken zur Heilung“. 457 Anonymus: „Cannstatt, seine Mineral-Quellen und Umgebungen“ 1842, S. 12. 458 Bis zur Kanalisierung des Flusses 1929 war die Berger Insel noch erhalten, verschwand dann aber: Karten-Belege. 459 Siehe hierzu ausführlicher Ulrich Gohl, „Mineralbad Leuze“, publiziert am 21.01.2021 in: Stadtarchiv Stuttgart, https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/c1da0f47-3018-4a97-8554-ba4fe81afddb/Mineralbad_Leuze.html König Wilhelm I machte 1842 auf der Sauerbrunneninsel eine Trinkkur, initiierte den neuen Pavillon. (Gohl, ebd.). 460 Dieses Mineralbad mit 17 Badezimmern wurde ursprünglich auch „Koch'sches Bad“, nach dem Betreiber, genannt. Hierzu mehr unter Punkt 1980er. Vgl. Schukraft/ Kress 2006, S. 51 ff. 461 Hierzu mehr unter Punkt 1980er der vorliegenden Arbeit. Die Familie Leuze wiederum verkaufte das Bad am 20.11. 1919 an die Stadt. Seither wird es von den städtischen Bäderbetrieben geführt. Vgl. Schukraft/ Kress, S. 53 ff. 462 Pückler-Muskau, S. 51 ff. 76 Wechsel von Licht und Schatten, Durchsicht und Bebauung, die Wirkung einer schönen Aussicht umso mehr zu steigern im Stande sind. Auf einer Ebene angelegt und in die Breite statt in die Höhe gehend, versperren diese Werke selten die Sicht, betonen eher die Aussicht und unnachahmlichen Reize der Natur, als für einen Kurpark nötig. Speziell in einer kontinuierlichen Nutzbarmachung der reizvollen Flusslandschaft am Neckar, als urbanes Kur-Flussufer, liegt ein zentraler städtebaulicher Schritt. [045] Ferner erschließt man für Kurpromenaden die den Ort umgebende Landschaft.463 Da in dem früh agrarisch geprägten Umland von Cannstatt weniger Wälder aufzufinden sind als „offene Natur“464 mit Äckern, Feldern und Wiesen, führen die Spazierwege hier zum Beispiel an den Flussufern und Neckarauen entlang, auf Weinberge oder auf den Kahlenstein, auf dem ja 1829 der Rosensteinpark vollendet war. Die Gegend verfügt anstatt über Wälder über einige topographische Reize in Form hoher Berge mit Weinreben. Bei Luginsland, das ist schwäbisch für „Schau ins Land“, auf dem Kernen-Berg, Kappelberg und dem Rotenberg, gibt es bis zu 500m hohe Erhebungen. Diese Berge sind allesamt von Cannstatt aus zu sehen und liegen um den Württemberg, nach welchem das ganze Land benannt ist und auf dem früher die Stammburg der Württemberger thronte, neuerdings die Grabkapelle mit dem Grab von Königin Katharina. In Führern wird, wie überall, seit etwa 1812 geworben mit positiven Worten.465 Von einigen Anhöhen aus bietet sich eine Aussicht nach Süden, auf Berge der Schwäbischen Alb. Wer aber anstelle von Ruhe eher Gesellschaft sucht, der hat mit der nahegelegenen Residenzstadt Stuttgart einige Möglichkeiten, was für Kurorte nicht selbstverständlich ist. Mit der Eröffnung der Orthopädischen Heilanstalt durch Jakob Heine 1829,466 der Veiel'schen Hautklinik 1837 als erste in Deutschland, mit dem städtischen Krankenhaus auf dem Seelberg 1832 und dem „Krankenhaus für Dienstboten“ im Jahr 1835 ist der Medizinort Cannstatt weiter angewachsen.467 Obwohl die positive Wirkung einer Landschaft auf den Menschen medizinisch kaum bewiesen werden kann, kommen Empfehlungen wie die genannten nur durch die innere Überzeugung zustande, dass sich die natürlichen Reize sehr fördernd auf Gemüt und Gesundheit auswirken.468 Hierauf besinnt man sich auch in der Architektur. 1840er. Theater und Kursaal mit Nebengebäuden Zu den wirkungsvollsten Attraktionen der Kurorte zählt das Glücksspiel.469 Als Mitte der 1830er Jahre das Neckarufer neugestaltet wurde und die Planungen für die neue Wilhelmsbrücke voran schritten, wünschte sich die Stadt ein Casino an den Promenaden. Schon beim Regierungsantritt Wilhelms I um 1816 hatten sich wirtschaftlich Interessierte grundlegende Änderungen erhofft, was die Einstellung zum Spielen um Geld angeht. Mit Unternehmergeist versuchten sie, den König um Erlaubnis zum Bau einer Spielbank zu überreden, aber ohne Erfolg. Schließlich kann der Monarch kein Interesse daran haben, Betreibern zu Reichtum zu verhelfen. In den Territorialstaaten herrschen 463 Vgl. Eidloth 2012, S. 31 ff.; Gunzelmann 2014, S. 1 ff.; Mattausch 2016, S. 69 ff. Die neueste Forschung weist auf die „therapeutische“ Wirkung solcher Landschaften hin; die zeitgenössischen Quellen wollen wohl darauf hinaus. 464 Der Sammler – Ein Unterhaltungsblatt für alle Stände, 34. Jg., Wien 1842, S. 415. Zu Wäldern vgl. Pkt.8 der Arbeit. 465 Memminger 1812, S. 7-9. 466 Hierzu mehr unter Punkt „1860er. Heilanstalten und Flussschwimmbäder“ der vorliegenden Arbeit. 467 Hierzu Memminger 1832, S. 100; Leipner 1981, S. 40. Anlass zum Bau des Krankenhauses war die Cholera. Bürger Cannstatts finanzierten durch freiwillige Spenden diese Einrichtung, ein „Anhang“ des Cannstatter Spitals, mit. Es war in erster Linie ein Krankenhaus für arme oder obdachlose Patienten. 468 Vgl. Mattausch 2016, S. 69 ff. 469 Z.B. nach dem Vorbild Ems – dort wurde bereits seit 1700 in Einrichtungen gespielt. Vgl. Simon/ Behrens, S. 85 ff. Oder die klassizistische Spielbank in Bad Homburg, eröffnet 1841 in dem von Jean Baptiste Métivier (1781-1853) entworfenen Kurhaus. Prachtvoller 1863 das Casino von Monte Carlo; Betreiber derselbe F. Blanc wie in Homburg. 77 unterschiedliche Einstellungen zu der Zulassung von öffentlichen Hazardspielen. Das pietistisch eingestellte Land Württemberg jedenfalls duldet im Gegensatz zu Baden oder Hessen-Nassau keine Glücksspiele: „(...) Dass hier, wie in allen württembergischen Bädern keine Hazardspiele geduldet werden, ist ein Vorzug, den wir allen Curorten wünschen möchten. Spielbänke passen nicht für Gesundbrunnen, sanctuaria magno honore ac veneratione digna, wie M. Savanarola (gemeint ist Girolamo Maria Savonarola 1452-1498) sie nennt“.470 Das Glücksspiel bleibt in Württemberg verboten.471 Stattdessen wird ein Theater realisiert. Das von König Wilhelm 1837 in Auftrag gegebene Theater472 „(...) verdankt seine Entstehung der Weigerung Seiner Majestät, die Errichtung einer Spielbank zu genehmigen, welche zu dem Zwecke nachgesucht worden war, um den Mineralquellen von Kannstadt zahlreiche Gäste zuzuführen. Als Ersatz für den vermeinten Vortheil den diese väterliche Entscheidung den Einwohnern zu entziehen schien, liess der König dieses Gebäude auf seine Kosten ausführen: es wird nur in den Sommermonaten der Badezeit, und bei Festen benutzt welche in der Wilhelma oder im Landhause Rosenstein stattfinden.“473 Die Hoffnung auf eine Spielbank bleibt bestehen und wird immer wieder diskutiert.474 Der Kasse des Brunnenvereins hätte ein Cannstatter Casino wohl einen regen Geldsegen beschert und dem Badeort damit ganz andere finanzielle Möglichkeiten eröffnet.475 Dennoch fehlte ebenso ein Kur- Theater, ein anderer Wunsch: Der Brunnenverein traf seit seiner Gründung erste Überlegungen zum Bau eines Theaters. Ein imposanter Entwurf zu einem Sommertheater von Thouret war eingereicht, mit zwei Galerien für bis zu 500 Personen, dessen Erbauung geschätzt mindestens 25.000 Gulden gekostet hätte.476 Im April 1826 erging ein Aufruf an die Öffentlichkeit, Geldspenden zum Bau des Kurtheaters beizusteuern.477 Weil aber das Geld zu diesem teuren Projekt fehlte und auch der Aufruf dazu weitgehend ertraglos blieb, gründete sich eine Aktiengesellschaft, um über die Einnahmen daraus die Ausgaben wieder einzuholen. Doch der Plan konnte wegen der fehlenden Gelder und der 470 Heyfelder 1840, S. 102. 471 Nach der Reichsgründung war schließlich 1872 in sämtlichen deutschen Staaten das Spielen und Betreiben von Zahlenlotto untersagt: Vgl. Fuhs 1992, S. 260 ff. Erst 1933 hob die NS-Regierung dieses Gesetz wieder auf. Vgl. Simon/ Behrens 1988, S. 25-26. 472 Wahrscheinlich forcierte der König den Theaterbau aber auch wegen seines engen Verhältnisses zu der Hofschauspielerin Amalie von Stubenrauch, die seit 1828 am Hoftheater zu Stuttgart spielte. Vgl. Frank Scholze: „Karl Ludwig Wilhelm von Zanth und die Wilhelma“, Stuttgart 1996, S. 14. 473 Zanth 1855, S. VI. 474 Aus den 1830er Jahren ist kein Gesuch bekannt; 1854 tauchte das Projekt erneut auf. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, E 146 Bü 7995, 5. „Gesuch zur Errichtung einer Spielbank im Badeort Cannstatt“ v. 24.4.1854. Vgl. Beck 1900, S. 20: „Im Monat April richteten in einer Eingabe 106 hiesige Einwohner die Bitte an die kgl. Staatsregierung, es möchte hier, wie in Baden-Baden, eine Spielbank errichtet werden. Das Ministerium des Innern wies diese Bitte entschieden ab und sprach sein Missfallen darüber aus, dass ein solches Gesuch überhaupt gestellt worden war“. Dennoch hatte man durchaus Argumente, den Badeort aufzuwerten und finanziell zu stärken. Von 1854 lautet die Erklärung: „Der Cannstatter Bitte um Concessionirung einer Spielbank ist nun definitiv derjenige Bescheid ertheilt worden der sich von vornherein hatte erwarten lassen, nämlich ein abweisender. Der Stuttgarter Stadtvorstand und einige Gemeinde- und Stiftungsräthe hatten einen entgegengesetzten Weg eingeschlagen. Sie hatten, als sie von der Cannstatter Petition hörten, eine Vorstellung gegen die Gewährung einer solchen Bitte eingereicht, und darin auf die großen moralischen und materiellen Nachtheile hingewiesen, welchen durch eine Spielbank in dem nahen Cannstatt die Einwohnerschaft von Stuttgart, insbesondere die leicht zu verleitenden jungen Leute, ausgesetzt sehen. Kemptner Zeitung, 71. Jg. 1854, S. 430. Vgl. „Verhandlungen der Württembergischen Kammer der Abgeordneten in den Jahren 1854 und 1855 als Fortsetzung des Landtags von 1851-53“, 1.Bd., Stuttgart 1855, S. 555. 475 So gesehen kann bedauert werden, dass königliche Regelungen hier dem städtischen Wachstum entgegen standen, weil ein Theater erfahrungsgemäß weniger Geld abwarf als eine Spielbank. Andererseits sollte der anstelle dessen erfolgende Bau des prachtvollen Wilhelmatheaters, zumindest in kunsthistorischer Hinsicht, zu einem ähnlichen Gewinn werden. Hinter der Entscheidung haben wohl verschiedene Beweggründe gesteckt. Zu berücksichtigen ist auch eine befürchtete Gefährdung des Fortbestands der Monarchie, die mit der Märzrevolution 1848 tatsächlich ihrem Ende entgegen sah. Insofern blieb Wilhelm I Wohltäter; man war weiter auf seine Geldgaben angewiesen. 476 Vgl. Gerhardt 1935, S. 16. 477 Schwäbische Kronik, Jg. 1826. 78 genannten Bedenken nicht realisiert werden. So bittet der Brunnenverein wieder einmal den König um finanzielle Hilfe. 1832 bereits äußerte der Lehrer an der Cannstatter Lateinschule Memminger: „(...) Uebrigens ist zu bedauern, daß das Theater in Stuttgart gerade während der Curzeit geschloßen ist“.478 Zum Zeitpunkt der konkreten Planung 1837 ist der Theaterbau dann aber nicht in die Kuranlagen am Sulzerrain mit dem gerade äußerlich vervollständigten Kursaal einbezogen.479 Jederzeit muss die kostengünstigste Variante umgesetzt werden, so auch hier. Als das Theater-Projekt am 6. April 1837 dann detaillierte Formen annimmt, will der König das Theater unterhalb seines Sommerschlosses Rosenstein erbaut sehen. Hier stünde es an der Straße, an dem Treffpunkt der Verbindungsstraßen nach Stuttgart und Ludwigsburg. Gerechtfertigt ist dieser Plan dadurch, dass die Front direkt am Neckar wäre, zur Flusspromenade hin ausgerichtet und dem Publikum geöffnet werden könnte und vor allem genau gegenüber dem größten Badhotel der Stadt liegen würde. Der König schreibt selbst die Bedingungen vor. Das zu erbauende kleine Sommertheater, wie es zuerst genannt wird, soll „(...) dem Park angehören, ohne durch seine Stellung späteren Anlagen ein Hinderniß zu werden, zugleich aber dem Publicum leicht zugänglich seyn“. Laut seinem Architekten wird es innerhalb von nur zwei Jahren fertig aufgebaut: „... Das Schauspielhaus wurde, nach meinem Entwurfe, im Frühjahr 1839 begonnen und am 29. Mai 1840 auf Veranlassung des Namensfestes des Königs eröffnet.“480 Ein durchweg überdachter Wandelgang aus der Kurarchitektur verbindet die Anlagen am Theater. Die Mauerseite gegen den Neckar wird mit Cannstatter Travertin verkleidet und stellt damit einen weiteren Direktbezug zum Baustil her; Roms Monumente wie das Colosseum wurden in römischem Travertin aus Tivoli erbaut, welcher blassere Farbigkeit aufweist. Beide Kalksteine entstanden aus Mineralquellen. Ein „kleines Tivoli“ ist der Badgarten gegenüber, auch das Wilhelma-Theater steht für Vergnügen. Alle Dekoration des Theaters ist im antikisierenden Stil gehalten, die Decke ist in Anspielung auf Freilichttheater mit rundem Velum, Sonnensegel, bemalt. [165] Die Ränder, Leisten und Rahmen sind filigran mit Mäander und Wellen verziert. Daneben zeigen sich antikisierende Tiermotive wie Panther, Delphin, Schwan. Theaterrequisiten wie Lyren und Masken untermalen die Funktion des Gebäudes. Alle Farben sind vertreten, es dominieren kräftiges Rot, Blau und Grün. Sicherlich hat dieses Schauspielhaus eine Doppelfunktion als Hof- und Kurtheater in einem.481 Die Vorstellungen sind öffentlich zugänglich482 und kosten: Erste Galerie 1 fl 12 kr, Sperrsitz im Parterre 1 fl, Parterre 48 kr, zweite Galerie 30 kr. Von der Bühne aus gesehen liegt die Königsloge rechts. Die Logenplätze sind mit roten Vorhängen ausgestattet, neben stilisiertem Blumenschmuck, zarten Palmetten und Rosetten präsentieren sich württembergische Wappentiere sowie die Königskrone.483 Eine Besonderheit ist die Möglichkeit, feine Ornamente in Eisen zu gießen. Die Wandelgänge an der Eingangsfront werden mit einer gusseisernen Pfeiler- und Sparrendach-Konstruktion versehen, die schlanken Pfeiler erhalten eine Kannelur sowie pompejanische Kapitelle. In die freien Zwickel 478 Memminger 1832, S. 119. 479 Vgl. Klaus J. Loderer, in: Röder/ Wenger 2012, S. 141 ff. 480 Zanth, S. VI. Auch Giovanni Salucci (1769-1845) und Karl Alexander von Heideloff (1789-1865) wurden Mitte der 1830er Jahre zu ersten Entwürfen aufgefordert. Vgl. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, GU 20 Bü 225. Vermutlich erging an weitere Architekten die Forderung nach Entwürfen, aber nur noch von Salucci sind zwei Projekte zu einem Sommertheater in Ludwigsburg bekannt. Dieser schrieb in einem Brief an König Wilhelm, dass er schon 1817/18 ein Theater entworfen habe. Vgl. HStA S., E 14 Bü 226 Fasz. 4. Salucci an König Wilhelm am 12.9.1830. 481 Vgl. Elke von Schulz: „Die Wilhelma in Stuttgart“, Tübingen 1976, S. 47/ Edith Neumann 1987, S. 19. 482 Allerdings gibt es vereinzelt Privatvorstellungen exklusiv für die Königsfamilie. Ein konstanter Spielbetrieb konnte sich jedoch nicht dauerhaft entwickeln. Mangels Interesses blieb das Kurtheater die meiste Zeit geschlossen, bald fanden gar keine Vorstellungen mehr statt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass allein der Hof zugelassen war. 483 Wegen zu hoher Kosten und wegen der Konkurrenz, des Stuttgarter Hoftheaters sowie später des Kurtheaters in Berg, ist die Sommersaison 1847 die vorerst letzte. Am 14.9.1847 findet die letzte öffentliche Vorstellung unter der Regierung König Wilhelms statt. Das Wilhelmatheater war ein Zuschussbetrieb und generierte keine Einnahmen, sondern erforderte Geldzuschüsse. Dem König waren schlicht die Betriebskosten zu hoch geworden. Im Badgarten wurde 1855 als Alternative ein Freilichttheater eingerichtet. Vgl. Klaus J. Loderer, in: Röder/ Wenger 2012, S. 152. 79 der dunkelgrün lackierten Sparren sind golden schimmernde Arabesken eingefügt, der Dachrand wurde oben mit dorischen Akanthusblättern akzentuiert, die Decke mit Kassetten in Grün, Gold und Weiß geschmückt. Prachtvoll ist außerdem die rötliche Terracotta-Verkleidung der Mauer, die im Renaissancestil kassettiert ist mit Palmetten, Rosetten, Kränzen, Mäander und mit Arabesken.484 Auch der achteckige Aussichts-Pavillon der Wilhelma in der Mitte der Mauer weist gusseiserne Ornamente sowie Blumenschmuck, Vögel, Mäander und Wandmalereien auf. Fast ausnahmslos haben alle Motive direkte Vorbilder in Süditalien, Sizilien und im Orient.485 Am 24. Juni 1838 sind Zanths Pläne genehmigt und werden noch teilweise geändert.486 Der Bau wird schließlich in ein Gesamtkonzept mit einbezogen, das ab 1842 als exklusive Parkanlage Wilhelma angelegt wird. Das Theater, die meisten Gebäude der Wilhelma und den Privatpark darf Zanth nach fremdländischen Vorbildern entwerfen. Das Theater erhält seine Form und Dekoration im pompejanischen Stil. Karl Ludwig Zanth und der gebürtige Kölner Jakob Ignaz Hittorff (1792-1867) konnten mitunter die Polychromie antiker Architektur und Architekturskulptur nachweisen, führten dabei allerdings die Forschungsergebnisse der Künstlervereinigung Xeneion um den Cannstatter Jacob Linckh (1787- 1841) fort. [049] Seit 1811 die mit deutlich sichtbaren Farbresten erhaltenen Giebelfiguren des Aphaia-Tempels von Aegina entdeckt waren, woran maßgeblich der Cannstatter Jacob Linckh beteiligt war, kam es zu einer Gelehrten-Diskussion, die dann als Polychromiestreit in die Kunstgeschichte eingehen wird. Jacob Linckh jun. wurde am 14. November 1787 in Cannstatt als Sohn des „Ochsenwirts“ Jacob Linckh Senior geboren, der die Gastwirtschaft zum Ochsen an der Brückenstraße betrieb. Während sein Cousin Christoph Adam Linckh487 die Badewirtschaft übernahm, reiste Jacob Linckh jun. nach Rom, wo er sich der Künstlervereinigung Xeneion anschloss. Das ist eine internationale Gruppe von Architekten, Künstlern und Archäologen um Carl Haller von Hallerstein, Charles Robert Cockerell, John Foster, Magnus von Stackelberg, Georg Christian Gropius und Peter Oluf Brøndsted.488 Cockerell und Haller von Hallerstein machten Angaben über Farbreste an Figuren und Bauteilen. Kunstkritiker und Archäologen beginnen erneut darüber zu diskutieren, ob es möglicherweise verbreitet eine farbige antike Kunst gab. Verfechter einer „weißen Antike“ nach dem alten Credo von Winckelmann, wie der französische Archäologe Désiré Raoul-Rochette (1789-1854), werden eines Besseren belehrt. Ab 1834 veröffentlicht außerdem Gottfried Semper (1803-1879) „Vorläufige Bemerkungen über die bemalte Architektur und Plastik bei den Alten“.489 Von 1822 an arbeiteten Hittorff und Zanth während ihrer Italienreise daran, die Polychromie von antiken Bauwerken und Skulpturen jenseits von Griechenland [049] zu beweisen. Auf ihrer Seite ist u.a. der Architekt Karl Friedrich Schinkel (1781-1841). Bereits Ende der 1820er Jahre fanden die neuesten archäologischen Erkenntnisse Anwendung im Boulevard-Theaterbau von Paris. Neben dem Wilhelmatheater durfte Zanth in Stuttgart auch die farbigen Wandmalereien für das bis 1840 von Giovanni Salucci erbaute 484 In den 1850er Jahren wurden diese Platten aus Ton eingelegt, als Ersatz für die ursprünglichen Wandmalereien im pompejanischen Stil, die wegen eines Hochwasserschadens ganz ersetzt werden mussten. Das Theater steht dicht am Neckarufer. Die ursprüngliche Mauer zeigte Vögel, Blumen, bunte und florale Ornamente vor weißem Grund. 485 Zanth hatte seine Doktorarbeit erstens „über die Wohnhäuser von Pompeji“ geschrieben und sich besonders bereits mit seinen Forschungen gemeinsam mit Hittorff in Italien 1822-24 zum Thema in Europa einen Namen gemacht. Daraufhin wirkte Zanth 1827 in Paris am Neubau des bürgerlichen Théâtre de l'Ambigu-Comique der Architekten Hittorff und Lecointe mit, das zu dem wohl einprägsamsten Vorbild des Wilhelma-Theaters werden sollte. Sowohl die typische Außenarchitektur mit der den Pariser Platzverhältnissen geschuldeten Schmalseite und dem eigenwillig gestaffelten Giebel als auch die bunte Innendekoration haben eine frappierende Ähnlichkeit. Vgl. Loderer 2012, S. 141 ff. Im Gegensatz zum Wilhelmatheater ist das Théâtre de l'Ambigu-Comique 1966 abgerissen. Im Übrigen hatten Zanths Entwürfe zum Hoftheater in Stuttgart bereits sehr gut gefallen. Vgl. Mayer, S. 65. 486 So erhält die Rückfront anstatt eines vorgesehenen Walmdachs eine Giebelseite. Baukosten ca. 80.463 Gulden. 487 Correspondenzblatt des Württembergischen Landwirthschaftlichen Vereins, 9. Bd., Stuttgart 1826, S. 324. 488 Vgl. Hansgeorg Bankel: „Carl Haller von Hallerstein in Griechenland 1810-1817“, Berlin 1986; Peter Goessler: „Jakob Linckh“, Stuttgart 1930. 489 Schon im 18. Jh. hatte es Anzeichen auf eine Bemalung der antiken Bauwerke gegeben, solche waren allerdings für minderwertig oder „etruskisch“ abgetan worden. 80 Wilhelmspalais entwerfen.490 Thema der mit dem pompejanischen Stil bezeichneten Kunstinszenierung ist neben der farbigen Antike, weil diese die Kunstgeschichte neu schreibt, daraufhin auch das Mittelalter, aber nicht etwa ein finsteres, sondern ein heiteres, ja exotisch-farbiges.491 Der Schauplatz ist das ehemalige Heilige Römische Reich Deutscher Nation in ziemlich phantastischer Ausdehnung.492 Das Interesse an der neuesten Archäologie in Italien ist seinerzeit europaweit vorhanden.493 Aber es geht um mehr als eine archäologisch exakte Nachahmung antiker oder exotischer Kunst, das gesuchte Ziel ist eine ähnlich gelungene Symbiose von Natur und Architektur wie sie Griechen und Römer meisterten.494 Kaum bekannt ist allerdings, dass nicht allein das Wilhelma-Theater, sondern auch der Stil des Cannstatter Kursaals pompejanisch ist.495 Julius Hartmann, der 1846 ein mit Goldschnitt verziertes Werk mit dem Titel „Stuttgarts romantische Umgebungen“ veröffentlicht, das dem König gewidmet und im Besitz der Königlich Württembergischen Hofbibliothek war, bemerkt Folgendes: „(...) Auf die längere Anwesenheit der Römer und ihre Benützung der hiesigen Mineralquellen deuten die Funde, welche man zufällig und später bei verschiedenen Nachgrabungen gemacht hat; Münzen, allerlei Gefäße, Altäre, Ueberreste von Straßen, Tempeln und Bädern im Pompejanischen Style“. Auf einigen dem neuerbauten Kursaal gewidmeten Seiten heißt es: „(...) Dieser letztere ist von Baumeister Professor von Thouret im pompejanischen Style, mit Hinweisung auf Cannstatts Ursprung, erbaut (...)“.496 Auch Wilhelm Johann Karl Zahn497 (1800-1871) forschte 1828 über Die schönsten Ornamente und merkwürdigsten Gemälde in Pompeji, Herculanum und Stabiae, Goethe lernte ihn kennen und knüpfte daran an. Schon 1789 war im Teutschen Merkur sein Beitrag Von Arabesken erschienen, nachdem er 1787 Pompeji sowie Herculaneum besichtigt hatte und schreibt: „(...) Wir bezeichnen mit diesem Namen eine willkürliche und geschmackvolle malerische Zusammenstellung der mannigfaltigsten Gegenstände, um die innern Wände eines Gebäudes zu verzieren.“498 Die Endstation der Forschungsreise war bisher oftmals Süditalien. Die Exkursion der Romantiker setzt sodann über auf das einst islamisch geprägte Sizilien: Friedrich Maximilian Hessemer (1800-1860) veröffentlicht 1842, erst nach Hittorff und Zanth, die deutsche Schrift Ueber Arabische und Alt- Italienische Bau-Verzierungen. Anders als die zuerst vom Maghreb inspirierten Franzosen und die Engländer als erste kunstwissenschaftliche Entdecker der Alhambra, scheinen die Deutschen erst über Süditalien auf den Orient zu stoßen.499 Orientalische Ursprünge des Spitzbogens haben Hittorff 490 Das Wilhelmspalais brannte im 2. Wk. aus und wurde von 1961-65 wiederaufgebaut. Die Innendekoration war verloren. Seitdem war im Gebäude das Stadtarchiv und bis 2011 die Stadtbibliothek. 2018 wurde es nach einem Umbau als „Stadtpalais – Museum für Stuttgart“ wiedereröffnet. Informationen auf Schautafeln vor Ort. 491 Hierzu Banham: Encyclopedia of Interior Design, S. 34. Die neu aufgekommenen Stile brauchten Namen. S. 981: „(…) However, it was in Germany, and later in France, that the most ambitious Pompeian interiors were created during the first half of the 19th century.“. 492 Das HRR erstreckte sich um 1000 vom heutigen Ostfrankreich bis weit über Böhmen im Osten und nach Süden über Sizilien hinaus; in der romantischen Vorstellung würde es vom Atlantik über Sizilien bis ans „Morgenland“ reichen. 493 Giuffrè/ Barbera/ Cianciolo Cosentino, S. 13. 494 Ebd.: „(…) un fitto intreccio tra natura e civiltà architettonica che trova espressione nella veduta romantica“. Camillo Sitte wird dies 1889 erneut fordern. Exotismus impliziert 2020 keine kulturelle Aneignung, sondern Kunst. 495 Tritschler 1841, S. 41/ Abele 1844, S. 181/ Hartmann 1847, Ortlepp 1847, S. 46/ Schwäbische Kronik/ Veiel 1867, S. 15/ Ebner 1868, S. 5. Diesem Phänomen soll hier im Folgenden nachgegangen werden, sodass letzten Endes der genaue Zusammenhang deutlicher wird zwischen den beiden Cannstatter Bauprojekten Kur-Saal und Kur-Theater. 496 Hartmann 1847, S. 8-29 – Württ. Landesbibliothek. Hittorff und Zanth ließen auf das Werk Architecture antique de la Sicile von 1827 den Band Architecture moderne de la Sicile 1835 folgen. Auch das Mittelalter Siziliens übt eine Faszination aus. Vgl. Cometa, S. 39. Der kunsthistorische Übergang der Spätantike zum Frühmittelalter konkretisiert sich, zugleich klären sich Einflüsse des Morgenlands auf das Abendland zu geraumer Zeit vor 1453 und vor der Renaissance. 497 Wilhelm Johann Karl Zahn (1800-1871) ist nicht zu verwechseln mit Karl Ludwig von Zanth (1796-1857). 498 Goethe: „Von Arabesken“, Beitrag im Teutschen Merkur 1789, S. 83. 499 Michele Cometa, in: Schlesier/ Zellmann, S. 38. Kunsthistorische Neuentdeckungen wie diese stellen erstmals die unerforschten Zusammenhänge heraus, die paradox erscheinen, tiefsinnige Verknüpfungen von pompejanisch und maurisch sowie zwischen maurisch und gotisch. Ist das erstgenannte Stil-Paar theoretisch über Arabesken und - 81 und Zanth in ihrer Architecture moderne de la Sicile dargestellt.500 Chronologisch nachvollzogen wäre erst über den alten Orient, Babylon und Ägypten, die wahre Baukunst am Mittelmeer, auf den griechischen Inseln sowie auf Sizilien angekommen, allein schon wegen der geographischen Nähe und wegen des regen Handelsaustauschs über Land und Meer. Griechen brachten dann ihren Götterkult und Tempelbau seit Jahrhunderten vor Christus mit nach Süditalien, nach Paestum und Pompeji, 80 v. Chr. unter Sulla zurückerobert durch das Imperium Romanum. Darauf aufbauend suggeriert die auf dem italienischen Festland, im römischen Reich neu etablierte Kunst explizit eine Weiterentwicklung altorientalischer und altgriechischer Einflüsse, denn sie hatte sich diese untertan gemacht. Im Mittelalter entwickelten die Normannen und die aus Schwaben stammenden Staufer auf Sizilien eine neue Kunst, die überliefert ist in den sizilianischen Städten, Palermo, Cefalù und Monreale.501 Die Arabeske habe keinen anderen Zweck „(...) als den, zu vergnügen“.502 Sie eignet sich deshalb bestens für Kur- und Vergnügungsarchitektur. Und bei der antiken Groteske sind neben stilisierten Blumenranken, Gabelblättern, Akanthus etc. auch Fabelwesen, Mischwesen und andere als grotesk empfundene Lebewesen dargestellt. Grotesken kamen besonders häufig bei den sehr gut erhaltenen Ausgrabungen in Kampanien zum Vorschein. Im Wilhelma-Theater sind auch einzelne Grotesken zu erkennen: Greife, Fabel- und Mischwesen. Im Kursaal gibt es keine.503 Über die Arabesken ist ein reizvoller Übergang vom Wilhelma-Theater zum orientalisierenden Parkteil gelungen.504 Trotz genauer Kenntnisse des Orients und seiner verschiedenen Kunststile, wie etwa osmanisch, mamlukisch, fatimidisch505 oder maurisch, ist maurisch (frz. mauresque) häufig ein Sammelbegriff für alles Orientalische und maurisch, pompejanisch oder gotisch Modeworte. Sicher ist auch der Begriff „pompejanisch“ weiter gefasst, eben nicht ausschließlich auf Pompeji, sondern vermutlich auf ganz Süditalien und auf das alte Rom bezogen: „(...) Wenn ich sage 'pompejanisch', so fasse ich den Ausdruck generell und verstehe darunter die ganze malerische antike Wandverzierung, welche die Ausgrabungen in Rom und in den unteritalischen Städten an das Licht gebracht haben (…).“506 Verglichen mit dem Wilhelma-Theater sind die pompejanischen Ornamente im Kursaal507 sparsam eingesetzt. So werden die Pilaster der Innenwände dunkelrot bemalt, mit goldenen Kapitellen. Ein Band mit girlandenartigem Feston bildet den Schmuck der Bordüren unterhalb der kassettierten Polychromie verwandt, ist es letzteres nach der romantischen Art über den gemeinsamen Spitzbogen. 500 Hittorff/ Zanth, S. 13; 62. 501 Siehe hierzu: Wilfried Seipel (Hrsg.): „Nobiles Officinae. Die königlichen Hofwerkstätten zu Palermo zur Zeit der Normannen und Staufer im 12. und 13. Jahrhundert“, Ausstellungskatalog, Wien 2004. 502 Moritz 1793, S. 395. 503 Nicht erkennbar. Der kleine Kursaal 1908 wird dann aber mit Jugendstil-Grotesken wie Satyrn bemalt. Bildbelege. 504 Mauresken wiederum gehen mehr ins Abstrakte. Sie sind meistens weniger naturalistisch als ihre Vorläufer, die Arabesken. Wenn also in Dokumenten vom maurischen Stil die Rede ist, dann ist wiederum der insgesamt betrachtete orientalische, der arabeske Stil gemeint. Deutsche sind es, denen wir laut Cometa die „(...) theoretische Arbeit, die zu einer modernen Umfunktionierung des maurischen Stils führt“, verdanken, das sind: Wilhelm Johann Karl Zahn, Friedrich Maximilian Hessemer, Carl von Diebitsch, Jakob Ignaz Hittorff und Karl Ludwig von Zanth. Aus der Kunstproduktion von Diebitsch, Zanth und Ludwig Persius stammen die wichtigsten Bauwerke. 505 Carl von Diebitsch (1819-1869) entwarf einen „Maurischen Kiosk“ für die Pariser Weltausstellung 1867, 1855 hatte er ein „Türkisches Bad“ für Schloss Albrechtsberg in Dresden entworfen. Bemerkenswert ist, dass er in seinen späten Jahren in Kairo tätig war und somit im „echten“ Orient einige „orientalisierende“ Bauten schuf: 1862 die Innen-Ausstattung des Al-Jazirah-Palastes in Kairo, 1863-64 die Villa Oppenheim und 1864-65 den Palast des Nubar Pascha. Ludwig Persius (1803-1845) entwarf das „Dampfmaschinenhaus“ für Sanssouci in Potsdam. 506 Von Falke 1892, S. 33. 507 Die stilistisch korrekte Einordnung des Kursaals findet man nur in zeitgenössischen Berichten über Cannstatt. Erst die Kunstgeschichtsforschung seit dem 20.Jh. übrigens ordnet ihn unpräzise dem Überbegriff des Klassizismus zu. Der Trugschluss ist, dass Vorbilder daher fast ausschließlich in Griechenland vermutet werden. Seit dem 19. Jh. ist der Stil in Vergessenheit geraten und in der Sekundärliteratur wird nichts mehr über diese interessante Stilwahl bemerkt. Übereinstimmend wird stattdessen auf eine griechische bzw. dorische Herkunft des rezipierten Baustils verwiesen. (Gruber, in: Bothe 1984, S. 287/ Goer 1996). Weiter wurde bisher nicht geforscht. 82 Decke.508 In den Kassetten der Decke sind Stuckrosetten [050] auf blau und rot bemalten Feldern.509 Sowohl in der Motiv- als auch in der Farbwahl unterscheidet sich Pompeji, Kampanien und ganz Süditalien in einigen Punkten durchaus vom dorischen, korinthischen und übrigen altertümlichen Griechenland. Zunächst fallen die Wandmalereien innen auf, die nach Heyfelder sowie Tritschler 1840 tatsächlich nach dem römischen Vorbild in der Malweise des Freskos aufgetragen wurden.510 Noch entscheidender aber sind die Motive; es sind Landschaftsdarstellungen, die speziell auf die antiken Landschaftsgemälde der pompejanischen Wandmalerei Bezug nehmen. [051] [052] In der römischen Variante der dorischen Ordnung sind die Säulen selten vollständig kanneliert.511 Vorbilder dafür sind in Kampanien zu finden. Die nur zum kleinen Teil kannelierten Säulen könnten auf Vorbilder in Pompeji und Herculaneum zurückgehen, dort kommen immerhin Säulen dorischer Ordnung vor, die beispielsweise zur Hälfte eingekerbt sind. Mit dem annähernd halbkreisförmigen Portal ist es gelungen, die antike, kampanische Herkunft des Baustils herauszustellen, weil die alten Griechen ja bevorzugt keine Rundbögen konstruierten. Aber der Rundbogen ist spätestens mit dem Ischtar-Tor seit babylonischer Zeit bekannt und auch die Etrusker etwa verwendeten ihn auf der Apenninenhalbinsel. Die eckigen Pilaster deuten ebenso auf Italien hin. Man findet sie aber auch bei Weinbrenner und bei Salucci. Vor allem aber hat der Kursaalbau eine klare Hauptfassade, ist in die Breite gezogen und nicht allseitig überschaubar wie beispielsweise ein klassisch griechischer Tempel. Das naheliegendste Gegenbeispiel ist das vierseitige Schloss Rosenstein im Stil eines hellenistisch-ionischen Tempels. In dieser Hinsicht wird auf die archäologische Genauigkeit wert gelegt und ein Rundbogen etwa nur dem Stil entsprechend eingesetzt. Die Art und Weise, wie der halbkreisförmige Vorbau an den rechteckigen Baukörper gesetzt ist, dürfte nach römischer Manier erfolgt sein. Im Dreiecksgiebel befindet sich kein Relief, dieser ist frei gelassen und ein halbes Zeltdach nimmt stattdessen die Fläche ein. Die Kombination aus den runden Säulen und eckigen Pilastern wanden sowohl Thouret als auch Salucci an. Ohnehin handelt es sich um einen Kursaal, der zusätzlich als Wandelhalle konzipiert ist, wie sie den römischen Vorbildern der kaiserzeitlichen Thermen-Architektur entnommen ist. Schließlich sind im ehemaligen Pompeji und in Salerno tatsächlich Monumente dorischer Baukunst erhalten, man denke etwa an die beeindruckenden Tempel in Paestum. Thouret arbeitet seine späten Entwürfe eher nach italienischen Vorbildern aus, 1793 hatte er in Rom studiert. Und er ist auch mit Goethe persönlich bekannt, arbeitete in Weimar, nachdem er von ihm empfohlen wurde, kannte seine Reiseberichte aus Italien. Das halbkreisförmige Ornament an der Decke des fast halbrunden Vorbaus am Cannstatter Kursaal ist in dunkelroter und weißer Farbe gemalt und stellt vermutlich die Sonne dar. [054] Rostrot kam bei Ausgrabungen in römischen Wohnzimmern häufig ans Licht; die Kunstwissenschaft spricht hier von pompejanischem Rot.512 Außerdem wurden kräftig grüne, gelbe, ockerfarbene, seltener blau bemalte Innenwände gefunden.513 Die polychromen Dreiecksgiebel griechischer Tempel, mit ihren Triglyphen, Metopen und Figuren, waren ebenfalls besonders häufig in Blau und Rot bemalt.514 In Zazenhausen (Stuttgart-Zuffenhausen) wurden nach Tritschler, Abele und Veiel 1819 und 1824, wie bereits beschrieben, Teile von römischen Gebäuden freigelegt, „(...) Zimmer mit Gußböden und 508 Dieses girlandenartige Feston-Band wurde bei einer Umgestaltung 1889 in rechteckige Felder mit Arabesken und Wappen umgeändert. Die Bäder-Ansichten/ Landschaften blieben möglicherweise. Bildbelege hierzu: [051] [052]. 509 Bei der Restaurierung des großen Kursaals 2007-2009 wurde die kassettierte Decke freigelegt und die Stuckrosetten mit Farbresten entdeckt von Dipl. Ing. Markus Numberger vom Büro für Bauforschung und Denkmalschutz. 510 Heyfelder 1840, S. 96/ Tritschler 1841, S. 41. 511 Vgl. Gruber, in: Bothe 1984, S. 284. 512 Von Falke 1892, S. 35. 513 Siehe hierzu das Werk von Ernst Heinrich: „Der zweite Stil in pompejanischen Wohnhäusern (Volkmar von Graeve, Hrsg.: Studien zur antiken Malerei und Farbgebung 8)“, München 2002. 514 Neben diesen kunstwissenschaftlichen gibt es auch interessante kulturelle Ansatzpunkte: Mit Pompeji verbinden sich Assoziationen von Thermenanlagen, aber auch Naturkatastrophen. Sie können auf Cannstatt bezogen werden, denn in der Gegend um den Vesuv, bei Neapel, kommen vulkanisch erhitzte Mineralquellen vor. Im römischen Heilbad Baiae wurden diese heißen Quellen nachweislich für Thermen, zu Kuranwendungen für Gäste genutzt. 83 bemalten Wänden, gleich den Zimmerwänden in Pompeji und Herkulanum (...)“.515 Wandmalereien mit Spuren von blauen und roten Streifen kamen zum Vorschein. Die Ausgrabung von 1819 erfolgte unter der Leitung von Thouret, ab 1835 war Christian Friedrich Leins der Forschungsleiter. Thouret war der prädestinierte Mann für die Planung des Kursaals. Bereits 1801 gestaltete Thouret für das Ludwigsburger Lustschloss Favorite ein pompejanisches Zimmer. Nicht zuletzt bietet der Mythos und vielzitierte Untergang von Pompeji durch den Vulkanausbruch des Vesuv 79 n. Chr. Raum für Spekulationen: 1815, zehn Jahre vor Grundsteinlegung zum Kursaal, explodierte in Indonesien der Vulkan Tambora; 1816 war Württemberg wie erwähnt erheblich von der gigantischen Aschewolke betroffen, was dann als Jahr ohne Sommer in die Geschichte einging. Wahrscheinlich regte König Wilhelm I den Stil persönlich an, Anregungen waren in gehobenen Kunstkreisen nun häufig in der Diskussion.516 Die Besonderheit der Wandverzierungen in Cannstatt allerdings liegt in dem Bezug auf ihre eigene Antike – die römisch-pompejanische Kunst.517 Die Wandfresken im Kursaal zeigen Landschaften: Ansichten von deutschen Kurorten wechseln je mit württembergischen Bädern. Der Reihenfolge nach sind das die folgenden Ortschaften: Hall, Kissingen, Jagstfeld, Karlsbad, Boll, Wiesbaden, Teinach, Marienbad, Niedernau, Rippoldsau, Liebenzell, Baden-Baden, Wildbad.518 Künstler der 13 Wandfresken ist Bernhard von Neher.519 Als 1840 am Sulzerrain die künstlerische Ausstattung der langen Flügel des großen Kursaals ihrer Vollendung entgegen geht, kann schließlich auch das rechte Nebengebäude finanziert werden. Die Bauausführung wird Joseph Emil Zeller übertragen. Von ihm liegt ein ausführlicher Bericht über die einzelnen Bauabschnitte vor, welchen er 1843 als „Das Gesammte der Bauführung“ exemplarisch für alle Architekturstudenten und Handwerkslehrlinge veröffentlicht. Es handelt sich nicht um eine Baubeschreibung oder Dokumentation, sondern um einen ausführlichen Bauausführungsbericht.520 Während das linke Nebengebäude schon vor der Trinkhalle 1824 als das erste Gebäude an dieser Stelle stand, kam sein rechtes Pendant erst zu diesem Zeitpunkt, um 1841, dazu. Von Zeller wird es genau als solches bezeichnet: „Pendent des Füllbrunnens neben dem Cursaal“.521 Das Gebäude selbst wird „Restauration“ genannt, was nichts anderes bedeutet als das geläufigere Restaurant. Im Erdgeschoss gibt es drei größere Speisezimmer, im Obergeschoss fünf kleinere Zimmer. Kurgäste warten in der Restauration vor allem auf heimische, schwäbische Küche. [055] [056] In Anlehnung an das Füllhaus von 1824 entwickelte Zeller einen zweigeschossigen Mittelbau in Pavillonform mit eingeschossigen Seitenachsen. Das dreiachsige Gebäude mit Mittelbau und einem Walmdach zwischen zwei niedrigeren Giebelseiten wird durch ein mittleres Portal und zwei dieses 515 Tritschler 1834, 2. Aufl., S. 20/ Abele 1844, S. 139. 516 K. F. Schinkel, G. Semper, J. G. Gutensohn, F. von Gärtner und G. Moller u.a. entwarfen ebenfalls in diesem Stil. Bereits um 1500 wurden in Neros Domus Aurea bekanntlich Spuren farbiger Innendekoration entdeckt und daraufhin von Raffael 1518 in der Villa Madama in Rom und im Vatikan nachgeahmt. 517 Mit seinen Flügel-Anbauten und Wandmalereien ist der Kursaal gut vergleichbar mit der 1839-1842 erbauten Trinkhalle in Baden-Baden von Heinrich Hübsch (1795-1863). 518 Siehe hierzu auch Ortlepp 1847, S. 46. In Baden-Baden sind die 14 Fresken an der Trinkhalle noch bestens erhalten, während die Fresken im Cannstatter Kursaal 1943 verbrannt sind, abgewaschen und abgelaugt wurden. Sie sind nun restlos verloren. Zum Bedauern des Verfassers sind auch keine Entwürfe oder Fotos der Fresken zu finden. 519 Siehe Ernst Förster: „Handbuch für Reisende in Deutschland“, 2. Aufl., München 1853, S. 552/ Hermann Alexander Müller: „Die Museen und Kunstwerke Deutschlands“, 2. Aufl., Leipzig 1858, S. 74/ Friedrich Heinzelmann: „Das deutsche Vaterland in Reisebildern und Skizzen“, Leipzig 1860, S. 184. In der jüngeren Sekundärliteratur wird fälschlicherweise Thouret als Künstler der Fresken angegeben: Siehe Färber, S.333; Gruber, S. 288. Von Thouret sind lediglich die Ornamente im pompejanischen Stil gestaltet worden. Der Maler Karl Josef Bernhard von Neher (1806-1886) bemalte 1841 auch die Wände des Spielhauses im Englischen Garten von Schloss Hohenheim nach Heideloff'schen Szenen der Hohenheimer Gärten. Die erhaltene Wasserfarbenmalerei ist im heutigen historischen Museum im Spielhaus zu sehen. Im Nekrolog zu K. J. B. Neher vermutet August Wintterlin eine Beschäftigung als Freskomaler in Stuttgart und in Cannstatt zwischen 1841 und '46, weiß aber nicht von den damaligen Fresken im Kursaal. Siehe „Württembergische Künstler in Lebensbildern“, Stuttgart 1895, S. 371. Nehers wohl bekanntestes Werk ist das Fresko „Einzug Kaiser Ludwigs des Bayern“ auf dem Münchener Isartor. 520 Trotzdem hat der Bericht einen wertvollen kunsthistorischen Nutzen, weil dieser einerseits die Baugeschichte des Gebäudes wiedergibt, andererseits Pläne mit Grund- und Aufrissen enthält. 521 Zeller 1843, S. 9. 84 einrahmende Fenster gegliedert. Die Seitenachsen haben jeweils ein Fenster an der Schaufassade und treten hinter dem Vorsprung des Mittelbaus zurück. Sie erhalten Satteldächer, zwei Fenster sowie einen Dreiecksgiebel auf der Giebelseite, noch ein Fenster auf der Rückseite. Der Mittelbau erhält vorne und hinten einen mittigen Eingang, am rückseitigen Risalit zwei Fenster zu den Seiten sowie an den Ecken. Besonders eindrucksvoll wird die Fassade gestaltet, mit vier kannelierten Pilastern am Mittelbau, Rundbogenfenster über der Tür, mit Ziffernblatt einer Uhr darin. Unter dem vorstehenden Dach mit gezahntem Traufgesims verläuft allein auf der Fassadenseite des erhöhten Mittelbaus ein aufwendig gestalteter Fries mit Mäander-Relief. Dieser ist nicht von links nach rechts durchlaufend, sondern spiegelsymmetrisch gegliedert. Innen sieht man in den Zwickeln der Zimmerdecken vereinzelt Arabesken. Neben dem Kursaal, in dem es keine Bäder gibt, fehlt in Ergänzung zu der Trinkkur ein Kurbad für die Badekur. Deshalb ist als weiteres Nebengebäude ein Mineralbad geplant. Für das Vorhaben wird eine Aktiengesellschaft gegründet. Der 1842-44 ausgeführte Bau erfolgt nach den Plänen von Stadtbaumeister Vinzenz de Pay (1813-1888) und kostet 10.000 Gulden. Ein Zusammenhang zu der von König Wilhelm zeitgleich angelegten Wilhelma wird deutlich: Seit 1829 waren nach gezielten Bohrversuchen mit Erfolg Mineralquellen im Rosensteinpark gefunden worden. In diesem Kontext war vorher oder nachher die Idee aufgekommen, ein Badehaus für mehrere Personen zu bauen. In zehn Jahren, bis 1839, hat sich die Projektidee verändert. Kurarchitekturen haben sich mittlerweile herausgebildet und die Funktion als Badehaus mit mehreren Badezimmern tritt hinter die eines Kurschlösschens mit nur einem Badezimmer zurück. Womöglich setzt Wilhelm nun statt auf die Bade- mehr auf die Trinkkur. Denn zu Schüttung und Gehalt der Mineralquellen in der Wilhelma gibt es 1839 Neuigkeiten zu berichten.522 Möglicherweise hatte sich das bereits 1829 erschlossene Wasser noch vermischt und der Mineralgehalt in der Zusammensetzung nicht für Trinkkurzwecke genügt. Sollte die Trennung aber geglückt sein, gibt es in der Wilhelma ab 1846 exklusiv Mineralund Süßwasser zu trinken, was als königliches Privileg bezeichnet werden kann, vor allem weil Süßwasser in Cannstatt eine ausgesprochene Seltenheit ist. Ebenso könnte eine Hoffnung auf heiße Quellen enttäuscht worden sein. Die Auslauftemperatur der meisten Quellen in Cannstatt liegt bei gering schwankenden 16 bis 18° C. Aber man kann das Wasser erfahrungsgemäß erhitzen. Begonnen werden die Bauarbeiten zur Wilhelma in orientalisierender Architektur 1842 mit einem „maurischen Bad“,523 das zur Erscheinung des Mineralbades am Sulzerrain deutliche gestalterische Parallelen aufweist. Das Badhaus der Wilhelma hat ebenfalls drei Achsen, einen erhöhten Mittelbau und in den beiden seitlichen Risaliten524 je ein Fensterpaar. Dominiert wird die Fassade von drei nebeneinander aufgereihten Türen, die wie die Fenster mit Hufeisenbögen abgeschlossen sind. In der Wilhelma gibt es jedoch von Anfang an ein Obergeschoss, das noch über eine weitere kleine Fensterreihe mit Hufeisenbögen verfügt. Außerdem erhält der königliche Bau eine große, opulente orientalische Kuppel aus Gusseisen und eine markante Fassadenbänderung, was u.a. auf das Vorbild eines originalen türkischen Bades aus Konstantinopel zurückgeht. Das Mineralbad am Sulzerrain weist lediglich ein schlichtes Walmdach auf, welches mithilfe von drei Halbmond-Aufsätzen eine orientalische Ausstrahlung verliehen bekommt. Im Gegensatz zu der stilistisch viel authentischeren Wilhelma sind darüber hinausgehende gestalterische Zitate aus dem Orient hier nicht gegeben. Äußerlich ist das Gebäude zunächst in drei Achsen unterteilt, wobei die mittlere dominiert und höher ist. Die beiden Seitenachsen haben jeweils zwei Fenster, die Mittelachse kann über eine vorgelagerte Treppe durch drei nebeneinander gereihte Türen betreten werden. Das Gebäude kann in beiden Fällen durchweg als Wandelhalle durchschritten werden, aber das Bad am Sulzerrain hat keine seitlichen Zugänge, nur Fenster. Die gesamte Anlage der Wilhelma allerdings ist aus einem geschlossenen Wegenetz von bedeckten Wandelgängen, Gewächshäusern und Pavillons aus der Kurarchitektur umgeben, in deren Mitte sich eine dekorative oder praktische Trinkhalle befindet. 522 Heyfelder 1840, S. 94. Zu den 3 artesischen Brunnen in der Wilhelma siehe auch Veiel 1867, S. 34-36. 523 Vgl. Abele 1844, S. 5; S. 182. 524 Die Seitenachsen sind bei dem Mineralbad am Sulzerrain keine Vorsprünge – Bildbelege hierzu. 85 Elf Baderäume sind in das Gebäude am Sulzerrain integriert, vier Räume werden anderweitig genutzt. In der Mitte verläuft ein Flur entlang der Langseite. Geöffnet ist das Gebäude nach vorne mit einer großzügigen Eingangshalle, in der es vermutlich einen Mineralwasser-Trinkbrunnen gibt. Was die Zimmergrundrisse betrifft, sind diese auf der Frontseite symmetrisch angeordnet, in der Rückfront allerdings unregelmäßig. Zunächst nutzen die Kurgäste das Badehaus ausschließlich zu Badezwecken.525 Die Idee zum Bau dürfte mit der Vorstellung alter Badekultur zusammenhängen, die ähnlich im islamischen Kulturraum weitergeführt wird. In Cannstatt gibt es sicherlich keine echt orientalische Badekultur, denn die Badezimmer sind mit einfachen Wannenbädern ausgestattet, in denen die typischen Nabelsteine nicht vorhanden sind. Ein authentischer Hammam ist mit einem Nabelstein ausgestattet, auf welchem der Badende liegt, woraus heiße Wasserdämpfe strömen. Dazu gehört auch eine Fußbodenheizung, ein heißes, ein lauwarmes sowie ein kaltes Bad, was auf die römische Thermen-Kultur zurückgeht. Wannen- und Duschbäder sind nicht vorhanden, mithilfe von kleinen Schalen wird das Wasser über den Körper gegossen und ein Bediensteter kann im Orient zudem Massagen verabreichen. In der Wilhelma ist ganz nach orientalischem Vorbild vermutlich eine funktionierende Fußbodenheizung vorhanden, die gar heiße Dampfbäder möglich macht, und kleine Wasserschalen ermöglichen eine durchaus originelle Badekultur, aber vermutlich nicht echt orientalische Praktiken.526 Stilzitate reichen offensichtlich aus, dem Mineralbad am Sulzerrain den Charme eines türkischen Bades zu verleihen. Ein Gitterwerk mit Quadraten und Sternformen darin ziert die Eingangstüren, stalaktitenartige Leisten bedecken die Traufkanten am Dach und Halbmond-Aufsätze ragen mit einem langen Stab in die christlich geprägte Cannstatter Silhouette.527 Eine charakteristische Kuppel fehlt im Gegensatz zu den Kuppeln der Wilhelma. [059] [060] [061] So scheint die Wilhelma aristokratischen Kreisen vorbehalten, während das Bad am Sulzerrain für die allgemeine Gesellschaft gedacht ist. Die Planungen zur Wilhelma beginnen nachweislich um 1829, aber die Idee, im „maurischen“ Stil zu bauen, ist seit 1834 belegt.528 Womöglich war ein „orientalisches“ Badhaus in Cannstatt schon vor der Wilhelma im Gespräch, letztlich entstanden beide Badehäuser zeitgleich. König Wilhelm könnte dafür verantwortlich sein und auch den Bau des Mineralbades am Sulzerrain mit gefördert haben, das ein öffentliches Pendant seiner privaten Wilhelma ist.529 Zu dem Badehaus-Projekt am Sulzerrain ist ein weiterer Plan vorhanden: 1842 entwarf Baumeister Josef Emil Zeller ebenfalls ein öffentliches Bad, das demselben Wettbewerb um ein Mineralbad für den Cannstatter Kurpark zuzuschreiben ist. Josef Zellers Entwurf sah ebenfalls ein eingeschossiges Bauwerk in etwa gleicher Größe vor, das einen erhöhten Mittelbau erhalten sollte, zu den Seiten jeweils ein Fensterpaar, am Vorsprung drei Türen und seitlich jeweils ein Fenster. Für den Mittelbau war ein Zeltdach vorgesehen, die Seiten aber sollten ein Pultdach oder ein Sparrendach erhalten. Fenster und Türen sind mit spitz zulaufenden Vielpassbögen gestaltet, in den Zwickeln haben sie immer zwei Rosetten. Pilaster sind zu sehen, die alle kantig und eingekerbt sind. Am Dach des Mittelbaus sind zu den Ecken Fialen aufgesetzt, der Dachrand ist mit Zinnen verziert, darunter liegt ein Fries mit Medaillons und über dem Portal steht auf dem Balken geschrieben: „Natur-Bad“. 525 Dies ändert sich 1864, als das Gebäude mit Wohnräumen aufgestockt wird und der orientalisierende Stil entfernt. 526 Darf man Julius Hartmann glauben, sind auch die beiden Nebengebäude des Kursaals, die 1841 erstellte Restauration und sogar das Füllhaus von 1824, im maurischen Stil erbaut: „(...) Zu beiden Seiten des Cursaals befinden sich zwei im maurischen Style erbaute abgesonderte Nebengebäude. Das eine enthält die Restauration von Rommelsbacher, das andere, das sogenannte Füllhaus, die Wohnung des Brunnenmeisters“. Hartmann 1847, S. 29. Bei der genauen Anschauung der Außendarstellungen kann eine „maurische“ Bauweise allerdings nicht verifiziert werden; es kann sich hierbei nur um einzelne Wanddekorationen handeln, die auf den Plänen der Restauration von 1843 tatsächlich anhand von vereinzelten Arabesken belegt sind. 527 Eine islamische Gemeinde in Cannstatt ist um 1840 nicht existent, eine jüdische hingegen durchaus – nachweislich ab 1871: Vgl. Hagel 2002, S. 99. Dennoch ist der Bau des Badhauses höchstwahrscheinlich nicht religiös motiviert. 528 Vgl. von Schulz 1976, S. 3. 529 Mit „maurisch“ war alles Orientalische gemeint. Vorbilder der Bauten in Cannstatt sind v. a. aus der mamlukischen Kunst. Hierzu ausführlich Maximilian Grimm: „Die historische Wilhelma. Faszination Orient im 19. Jh.“ 2016. 86 [058] In J. E. Zellers Publikation Stuttgarts Privat-Gebäude 1806-1844 ist im Dritten Heft auf der Seite 2 eine Erklärung der darin abgebildeten Tafeln angefügt. Sie lautet: „Mineralbad zu Kannstadt zur Hauptquelle des Kursaals. Grundriß und Ansicht. Eine Ausführung in zweifacher Bearbeitung durch Hrn. de Pay, dermaligen Stadt-Baumeister und ein Entwurf durch Baumeister Zeller in gleicher Weise für die Aktien-Gesellschaft zur Bad-Unternehmung gefertigt. Placirung und Art des Bauwesens erlaubten nicht nur, sondern geboten eine eigenthümliche Behandlung, besonders des Styls, wofür Hr. de Pay den maurischen, Zeller aber den ostindischen, genannt hindustanischen, nach Zeit, Ort und Mittel motivirt, in Anwendung zu bringen gedachten. Für die Einrichtung war im Allgemeinen die Benützung des Mineralwassers in seiner natürlichen Wärme bedungen, für die Ausführung sodann folgten noch einige Einzelheiten nach, namentlich die Bedingung einer größern Zahl von Badkabineten, als in erster Absicht lag.“530 Ein Thermalbad ist inzwischen auch technisch umsetzbar; die Suche nach warmen Quellen scheint die Wahl des südländischen Stils mit beeinflusst zu haben. Anders als in dem ausgeführten Bau ist bei Josef Emil Zeller der Grundriss angelegt. Das Projekt weist sechs große Badezimmer auf, vier Nebenkabinen, schmale Flure und in der Eingangshalle bzw. Brunnenhalle vermutlich einen zentral stehenden Trinkbrunnen. Beim Betreten der Halle hätte sich dieser große runde Brunnen erhöht in der Mitte präsentiert. Rechts und links an ihm vorbei hätten Treppen auf eine höhere Ebene geführt. Verfügte das Maurische Bad letztlich nur über einzelne Kabinen mit Badebecken, wären es im vorliegenden Entwurf weitaus größere Becken, eventuell Tauchbecken, keine Schwimmbecken. Die Urbanisierung als Kurort liegt in der markanten Achse zwischen Kursaal und Kurtheater; die Kurarchitektur begreift man wohlgemerkt auch als Städtebau, nah an der Natur: Der Kursaal selbst ist ausgemalt in der Art einer „luftigen Laube (...) als Surrogat für die Bewegung im Freien“.531 Die floralen, naturalistischen Ornamente und Arabesken projizieren Formen und Farben der Flora an die Wand. Wie in echt antiken pompejanischen Häusern erblickt man sowohl fiktive Landschaften in Fresko532 als auch durch die Fenster die reale Umgebung. [057] Noch wirkungsvoller blühen diese zeittypischen Tendenzen in den Gewächshäusern auf, so wie sie in der Wilhelma in Form gläserner Kur-Wandelhallen zu sehen sind. „Die Natur dringt in das Haus ein“.533 Ein Schauspiel blühender Pflanzen und flatternder Schmetterlinge zeigt sich in dem Theater der Wilhelma, das geschlossene Blätterdach der Alleen und Promenaden verbindet Bauten und Effekte, in der Mitte steht die neue Brücke über den Fluss. „(…) Schwerlich wird Jemand dieser Annahme einer so starken Einwirkung der äusseren Umgebung auf das menschliche Gemüth widersprechen, der selbst einmal die Schönheit einer antiken Stadt sich lebhaft versinnlicht hat. Vielleicht am anregendsten hiezu sind die Ruinen von Pompeji.“534 Doch schon im Jahre 1845 trifft die erste Dampflokomotive in dieser romantischen Kulturlandschaft ein, läutet die Moderne ein und hält Einzug. 530 Josef Emil Zeller: „Stuttgart's Privat-Gebäude 1806-1844“, Dritter Theil, S. 2. Die Dekoration dieses Entwurfs, in Anlehnung an „Hindustan“, wirkt recht eigenwillig, aber sie kann mit viel Phantasie der Mogul-Architektur aus Indien oder aber der Indus-Kultur zugeschrieben werden. Während der vorderorientalische Stil direkt auf die türkischen Bäder verweist, mag die Wahl eines ostindischen Stils für ein Bad zunächst verwundern. Aber auch hier sind Assoziationen gegeben, denn neben den orientalischen Bädern waren auch persische sowie antike hinduistische Badeanlagen berüchtigt. Die Stadt Mohenjo Daro ist bekannt für die erste Wasserversorgung und die ältesten Bäder. 531 Hartmann 1847, S. 25. 532 Anders als bei den antiken Römern allerdings wird die Wand nicht etwa in einzelne kleine Felder aufgegliedert. 533 Georg Kohlmaier/ Barna von Sartory: „Das Glashaus. Ein Bautypus des 19. Jahrhunderts“, Stuttgart 1981, S. 46. 534 Sitte 1889, S. 1. 87 1850er. Dampfbahn und Dampfbäder bis Bad Berg Am 27. September 1825, zufällig der 44. Geburtstag König Wilhelms von Württemberg, verkehrte in England die erste Eisenbahn der Welt.535 Nach diesem Vorbild will der König den Bau des ersten Eisenbahnnetzes in Württemberg anstoßen.536 Um 1830 war eine Commission aus Technikern und Finanzräten zu einem Gutachten darüber bestellt worden, wie die Verbindungswege im Lande zu optimieren seien. In der Kommission vertreten waren u.a. der Wasserbaudirektor von Duttenhofer, Bergrats-Präsident Freiherr von Kerner und der Direktor der Zollamtsadministration von Herzog.537 Am 15. März 1835 wurde im vorgelegten Bericht dieser Kommission empfohlen, eine Bahnlinie zwischen Kocher und Jagst, Stuttgart, Ulm und Bodensee einzurichten. Der Straßenbauinspektor Albert aus Ulm ließ 1834 eine Denkschrift in den Schwäbischen Merkur einrücken, in der er eine Verkehrslinie von Heilbronn bis Friedrichshafen als durchführbar einschätzte.538 Am 18. April 1843 verabschiedeten die einberufenen Gesellschaften weiter ein sog. „Gesetz, betreffend den Bau von Eisenbahnen“. Der Beschluss lautet, den Mittelpunkt des Landes, Stuttgart und Cannstatt, über Schienen mit dem Bodensee, Heilbronn und dem Schwarzwald zu verbinden. 1844 wird schließlich mit dem Bau des Rosensteintunnels und Cannstatter Bahnhofs begonnen, nach den am 13. März genehmigten Plänen von Carl Etzel (1812-1865). Das erste Empfangsgebäude - in Cannstatt - wurde entworfen von Ingenieur Carl Etzel und Straßenbauinspektor Michael Knoll. Am 3. Oktober 1845 fuhr sodann die erste Dampflokomotive von Cannstatt nach Untertürkheim in einer Sensationszeit von 5 Minuten, ab dem 22. des Monats folgt der planmäßige Verkehr.539 Im Jahr 1846 war auch der Rosensteintunnel fertiggestellt, welcher in strategisch notwendiger Richtung, durch den Berg, das bisher noch eigenständige Cannstatt über die Neckarstraße parallel zur Schlossgarten-Allee mit der Residenz in Stuttgart verbindet. [065] Der Stuttgarter Bahnhof wurde nach Carl Etzels Plan am 26. September 1846 in der Bolzstraße am Schlossplatz eröffnet, mit Arkaden als Eingang. Nach Vorschlägen von Carl Etzel wurden der Viadukt und der Tunnelbau unter dem Kahlenstein vorgenommen.540 Am 5. Januar 1844 war Wasser in die Tunnelröhre eingedrungen.541 Dieses Wasser war niederkonzentriertes Mineralwasser, das einen Brunnen und zwei Fontänen im Rosensteinpark speiste. Der Tunnelbau kostete 152.400 fl. Die Rosensteinbrücke ist die erste Eisenbahnbrücke über den Neckar, sie ist auf zwei Ebenen angelegt. Oben fahren die polternden Lokomotiven, unten promenieren die Fußgänger über den angehängten Steg, dessen Bau eine der Bedingungen war.542 Für die Region bringt die erste Eisenbahn zunächst einen enormen Fortschritt und auch Cannstatt als Kurort profitiert anfangs von der Bahnanbindung. Erneut ist es der König, der in Württemberg die Entwicklung vorantreibt, fördert und fordert: Mit der Festlegung des ersten Eisenbahngesetzes 535 Die erste Eisenbahn in Deutschland verkehrte im Dezember 1835 zw. Nürnberg und Fürth (Lexikon „Eisenbahn“). 536 Zur württ. Bahngeschichte ausführlich: Georg von Morlok: „Die Königlich Württembergischen Staatseisenbahnen. Rückschau auf deren Erbauung während der Jahre 1835 bis 1889 unter Berücksichtigung ihrer geschichtlichen, technischen und finanziellen Momente und Ergebnisse“, Stuttgart 1890; Otto Supper: „Die Entwicklung des Eisenbahnwesens im Königreich Württemberg. Denkschrift zum 50. Jahrestag der Eröffnung der ersten Eisenbahn- Strecke in Württemberg am 22. Oktober 1845“, Stuttgart 1895; Albert Mühl/ Kurt Seidel: „Die württembergischen Staatseisenbahnen“, Stuttgart 1970; Oscar Fraas: „Württembergs Eisenbahnen mit Land und Leuten an der Bahn“, Stuttgart 1989; Rudolf Röder: „Carl von Etzel und Ludwig von Klein. Württembergs Eisenbahnpioniere und ihr Wirken in aller Welt“, Heidenheim 2016. Einige Informationen sind aus den genannten Titeln entnommen. 537 Vgl. Hagel 1996, S. 321. 538 Vgl. Röder 2016, S. 45. Zum Vergleich: Wiesbaden war ab 1841 an die Bahnlinie Mainz-Frankfurt angeschlossen. 539 Am 20.11.1845 wurde Esslingen angeschlossen, am 15.10.1846 folgten Stuttgart und Ludwigsburg. Bereits am 5.10.1846 hatte eine Testfahrt mit prominenten Gästen stattgefunden. Die erste Cannstatter Lok wurde gefertigt in Philadelphia (USA) und auf den Namen „Neckar“ getauft. Dieses sogenannte „Dampfross“ aus der Maschinenfabrik Baldwin & Whitney wurde verschifft über den Atlantik und anschließend über den Landweg nach Cannstatt geliefert. Hierzu Polytechnisches Centralblatt, Bd. 12., Jg. 1846, Ausg. 1, S. 87. 540 Vgl. Andreas M. Räntzsch: „140 Jahre Centralbahnhof Stuttgart“, Stuttgart 1987, S. 6 ff. Die Tunnelröhren von 1846 sind heute noch vorhanden. 541 Siehe Morlok 1890/ Supper 1895; Vgl. Räntzsch, ebd. 542 Vgl. Räntzsch, S. 16. 88 vom 18. April 1843 wurden die Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen gegründet. Von 1844-46 wurde die Centralbahn eingerichtet, der Anfang des württembergischen Schienennetzes. Zunächst verbindet diese Centralbahn Stuttgart mit Cannstatt, Ludwigsburg sowie Esslingen. Das beste Brennmaterial für Dampfkessel, die Steinkohle,543 musste bislang von weit entfernt über die Binnen- und Neckarschifffahrt importiert werden. Die Dampflokomotiven stellen nun sowohl den Bedarf des Landes an Steinkohle sicher als auch ihren eigenen Antrieb. 1845 erhielt Cannstatt eine Eisenbahnstation, noch ohne das fertiggestellte Empfangsgebäude. Überlegungen, in Cannstatt den Württembergischen Centralbahnhof zu stationieren, folgen – dies wäre der Hauptbahnhof544 gewesen. Stuttgart sah man aufgrund seiner Lage im Talkessel zunächst als nicht geeignet für einen größeren Bahnhof an und Cannstatt galt aufgrund der topographisch und verkehrstechnisch günstigeren Lage als die bessere Lösung.545 Am Ende kam der Hauptbahnhof546 dennoch in die Residenzstadt. [065] Die Mineralquellen ermöglichten einst den ganzjährigen Mühlbetrieb, der Fluss öffnete 1713 über die Neckarschifffahrt die notwendigen Transportwege und die mit dadurch ermöglichte Eisenbahn wiederum lockt die Fabriken und Industriebetriebe an. So wird aus dem Kurort gleichzeitig ein Industriestandort. Anfangs noch ein großer Gewinn für die Cannstatter Bäderbetriebe, führt der schrittweise Ausbau der Württembergischen Centralbahn ab den 1850er Jahren immer mehr zur Bevorzugung anderer Kurorte im deutschen Südwesten. Denn wozu nutzt man die schnelle Strecke in erster Linie? Am liebsten zur Badereise. Auch die sogenannten „Badenfahrten“, ein veralteter Begriff, der auf das Mittelalter zurückgeht, erleben neue Hochkonjunktur.547 Nennenswerte Kurorte der Region um den Schwarzwald sind beispielsweise Wildbad, Badenweiler oder Liebenzell. Am besten badet es sich schließlich im Großherzogtum Baden mit seinen heißen Quellen und mit dem dort erlaubten Glücksspiel. Bereits ab 1854 war das württembergische Schienennetz mit Karlsruhe verknüpft, sodass auch Baden-Baden schnell mit der Eisenbahn erreicht werden konnte, wogegen Cannstatt bald nicht mehr schritthalten können wird. Ohnehin kann sich allein das wohlhabendere Publikum die weite Badereise leisten, die nun ausgeweitet und zum Beispiel in den Schwarzwald fortgesetzt werden kann. Technische Wunderwerke wie die Eisenbahn ermuntern zu maschineller und mechanischer Arbeit. Die Landwirtschaft wird revolutioniert und Ressourcen können immer leichter erschlossen werden. Dem Bad Cannstatt fehlen heiße Quellen. Andere Kurorte wie Wiesbaden, Wildbad, Baden-Baden, bieten längst natürlich warme Mineralbäder an. Die wärmsten Mineralwässer Cannstatts liegen bei gefühlt kalten rund 20° C. Auf der Suche nach heißem Quellwasser ist die Stadt bislang nicht fündig geworden. Gesucht wird seit der Jahrhundertwende, um 1800. Weil der Wilhelmsbrunnen wie schon 1833 auch um 1849 erneut erheblich an Schüttung verlor, ist wieder eine Neufassung notwendig. Am 2. Oktober 1852 greift der Hautarzt Albert von Veiel bei einer Sitzung des Brunnenvereins aus diesem Anlass außerdem den bereits länger diskutierten Plan wieder auf, neue Bohrversuche nach Thermalwasser in Angriff zu nehmen. Mit technisch besser 543 Zunächst wurde heimische Holzkohle für den Dampfkessel verwendet. Etwa ab 1847 kam nachweislich Steinkohle. 544 Weil der Stuttgarter Kopfbahnhof in der Bolzstraße an seine Kapazitätsgrenzen stieß, wurden 1905 im Rahmen eines Wettbewerbs Vorschläge für einen Neubau des Hauptbahnhofs gemacht. Ein nicht verwirklichter Entwurf unter zwei anderen Varianten ist dabei aus heutiger Sicht von besonderem Interesse, weil es sich dabei um das Projekt eines Durchgangsbahnhofs handelt. Dieser „Sprickerhofsche Durchgangsbahnhof“ wurde 1901 vorgestellt. Aufgrund von technisch nicht durchzuführenden Herausforderungen, mitunter hydrogeologischen, schied das Projekt jedoch aus. Hierzu H. Kübler 1905: „Die Erweiterung des Hauptbahnhofs Stuttgart“, S. 1 ff. (siehe Catalogus: δ. Presseartikel). 545 Hierzu Schwäbische Kronik vom 15.11.1863, S. 3, anlässlich der Vergrößerung des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Bis 1922 befand er sich an der Bolzstraße und war von Baurat Carl Etzel (1812-1865) als zunächst viergleisiger Kopfbahnhof geschaffen worden. 546 Nachdem 1910 die Königlich Württembergischen Staatseisenbahnen einen Architektenwettbewerb ausgeschrieben hatten, an dem 70 Büros teilnahmen, war das Projekt zum Kopfbahnhof des Büros Bonatz und Scholer ausgewählt worden und der bis heute, noch, erhaltene Hauptbahnhof wurde von 1914 bis 1928 in neusachlichem Stil erbaut. 547 Der Name bezieht sich übrigens nicht auf die allgemeine Fahrt zu einem Badeort, sondern speziell auf die in die Stadt Baden in der Schweiz, ein internationaler Kurort, der über Thermalquellen verfügt (Schweizer Kurorte). 89 gerüstetem Werkzeug erhofft sich der Verein mittlerweile den gewünschten Erfolg, der zu einem nachhaltigen Aufschwung im Kurbetrieb führen würde. Natürliches Thermalwasser würde Kosten und Energie einsparen, weil die Thermalbäder dann nicht künstlich erhitzt werden müssten. Das warme Wasser wäre vor allen Dingen besonders für Kurzwecke geeignet. Gutachter prüfen auf vielversprechende Standorte sowie auf technische Machbarkeit. Professor Quenstedt aus Tübingen, Bergrat Gustav Schübler und Professor Kurr aus Stuttgart halten Thermalquellen im Untergrund für möglicherweise vorhanden.548 Sie empfehlen die Bohrung am Sulzerrain, wo sie ein entsprechendes Vorkommen am wahrscheinlichsten einschätzen. Schübler erklärt am 29. Dezember 1852, dass in einer Tiefe von ca. 1.000 Fuß (286 m) ziemlich warmes Wasser vermutet wird, das man erreichen könne. Er berechnet die aufzubringenden Kosten auf mindestens 10.000 fl. Der Verein stimmt dafür. Im folgenden Sommer ist der Beitrag gestemmt und die Bohrarbeiten können beginnen. Schübler hat sich einverstanden erklärt, die Bohrarbeiten zu leiten. Der Geologe und Ingenieur Dr. August Eduard Bruckmann wird hinzugezogen. Direkt am Fuße des Sulzerrains wird der Bohrer angesetzt, etwa 145 Meter südöstlich des Wilhelmsbrunnens, der nicht beeinträchtigt werden darf. Am 18. September 1853 rotiert der Bohrer. Es kommt zu technischen Schwierigkeiten. In einer Tiefe von 33,5 Metern stoßen die Arbeiter auf 16,25° temperiertes Wasser, in 41 Metern auf Mineralwasser von 16,6° C. Immer wieder stockt der Bohrer in dem harten Gestein. Darüber hinaus verliert der Wilhelmsbrunnen jedoch bedrohlich an Schüttungsmenge. Der Brunnenverein zeigt sich am 3. Oktober 1853 besorgt über die Neuigkeiten und den Bohrfortschritt, sodass er Dr. Bruckmann von der Bohrstelle zitieren lässt. Der Mann erklärt, er wolle eiserne Röhren anstelle von Holzdeicheln zum Einsatz bringen. Rund 5.000 fl (= Florene) sind bereits ausgegeben, weshalb nun finanzielle Engpässe drohen. Der Verein ruft zu weiteren Spenden auf. Sein erster Vorsitzender, Graf von Taubenheim, gewinnt den König zu einer Spende von 2.000 fl. Im Januar 1854 splittern die Holzrohre am harten Grundgestein ab und verkeilen das Bohrloch.549 Kritik an Bohrleiter Bruckmann wird laut. Es wird beschlossen, den Bergrat Friedrich von Alberti aus Friedrichshall zu Rate zu ziehen. Anfang Februar inspiziert dieser tatsächlich die Bohrstelle, hat keinen Vorwurf an Bruckmann und empfiehlt ebenfalls den Einsatz eiserner Röhren. Am 31. März 1854 müssen alle Arbeiter entlassen werden. Unnachgiebig hofft der Verein auf Freiwillige und auf staatliche Darlehen. Man „müsse weiterbohren, falls man die Existenz Cannstatts als Badestadt nicht aufgeben wolle“.550 Sehr ernst sieht die Lage von Verein und Kurbad zur Zeit aus. Anlass zum Bohren sei nicht nur die Suche nach Thermalwasser gewesen, sondern auch, dass infolge starker Regenfälle der vergangenen Jahre einige Brunnen an Mineralgehalt und Menge verloren hätten. Außerdem erhofft man nebenbei einen Fund von Salzsole oder Steinkohle.551 Der Brunnenverein gibt nicht auf. Er verfasst jetzt „Statuten der zur Erbohrung einer Mineraltherme in Cannstatt zu gründenden Actien-Gesellschaft“.552 Man wolle die Bohrung fortsetzen bis zu einer Tiefe von 1.000 bis 1.500 Fuß (bis zu 430 Meter). Je tiefer man bohrt, desto höher wird die Temperatur, zeigt die Erfahrung. Der Aktienbetrag wird auf 50 fl festgelegt, einzuzahlen auch in Raten von je 10 fl in die Kasse des Vereins. Die Stadt willigt ein. Sie würde den Aktionären laut vertraglicher Vereinbarung bei dem erfolgreichen Erschließen von Thermalwasser mit mindestens 25° Réaumur (31°C) und anhaltender Schüttung sogar den doppelten Betrag ohne jedwede Zinsen zurück erstatten. Bei der Erschließung eines kälteren, dafür aber höher konzentrierten Mineralwassers als bisher allerdings würden die Aktionäre ihre Ausgaben optional samt 5% Zinsen zurück erhalten. Bei Misserfolg gäbe es keine Rückerstattung und bei einem Kostenlimit von 25.000 fl steigt die Stadt endgültig aus dem Unternehmen aus. 1856 ist in den Statuten erklärt: „In Folge der im letzten Sommer ergangenen Aufforderung zur 548 Vgl. Walter Carlé: „Die Thermalwasser-Bohrung von Stuttgart-Bad Cannstatt“, in: Jahreshefte der Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg 130, Stuttgart 1975, S. 91-99. 549 Carlé, S. 95. 550 Ebd. 551 Vgl. Daiber 1878, S. 129. 552 Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 903 – Cannstatt, Akten des Brunnenvereins. Vgl. Carlé, S. 97. 90 Betheiligung an der Erbohrung einer warmen Mineralquelle wurden von Cannstatt 302, von Auswärts 52, im Ganzen 354 Aktien gezeichnet mit einer Summe von 17.700 fl“.553 Man hat noch Zuversicht. Als Bohrleiter konnte Alberti aus Friedrichshall gewonnen werden. Er beschließt die Fortsetzung der Bohrarbeiten mit einem neuen Bohrloch direkt neben dem Restaurationsgebäude am Sulzerrain. Die Aktionäre erfahren in einem Bericht vom 6. Dezember 1856, es hätte das „(...) Bohrgeschäft mannigfache, scheinbar unüberwindliche Störungen erfahren, deren Beseitigung zwar mit viel Zeit und Opfer verbunden war, die aber doch endlich alle überwältigt wurden“.554 Herber Seitendruck des Gebirges, hartes Grundgestein, das Eindringen von Steinen und das Eindrücken der Rohre, all das bleibt dem unglücklichen Unternehmen kurz darauf nicht erspart. Das Projekt ist gescheitert. Der enorme Aufwand ist nicht belohnt worden. Eine heiße Quelle fehlt weiterhin. So bleibt nur die Möglichkeit, unter hohem Kostenaufwand Badewasser künstlich zu erhitzen sowie Dampfbäder einzurichten, die wie Lokomotiven befeuert werden, mit Holzkohle. Ein neues Dampfbad soll bis 1858 im Maurischen Bad am Sulzerrain eröffnet werden. Im Juli 1857 werden die Aufbauten des Bohrers abgenommen und verkauft, das Bohrwerkzeug wird vorsorglich für alle Fälle weiter beim Brunnenverein aufbewahrt. Im Kursaal hat im September 1856 die erste sogenannte „Fortschritts-Ausstellung“, veranstaltet von Ferdinand Steinbeis, für Maschinen und landwirtschaftliche Geräte stattgefunden. Aber gerade die Maschinen werden zur Bedrohung für eben denjenigen Saal, in dem sie ausgestellt sind, wie für die gesamte Badewirtschaft. Wirtschaftlich zieht die Dampflok nun am Kurbad vorbei, überholt und übertrumpft es. Ein paradoxes Nebeneinander funktioniert zwar anfangs noch, und die neue Technik begeistert, aber die Schornsteine stoßen ihre dunklen Rauchwolken aus und werden zunehmend zur Gefahr.555 Die Mitte des Jahrhunderts wird zum Wendepunkt. Der Schädigung von Mineralbrunnen und dem finanziellen Verlustgeschäft gesellen sich jetzt Schadenersatzforderungen und Einsprüche von Badbesitzern hinzu. Allen voran Friedrich Neuner will die neuen Mineralquellen versiegelt sehen, weil die Quellen seines 1856 eröffneten Neuen Stuttgarter Mineralbades in Berg angeblich Schäden davongetragen hätten. Jetzt muss Cannstatt auch noch mit dem Bad Berg konkurrieren. Nach einem Umbau hat das Inselbad als Mineralbad Leuze 1855 auf der Berger Insel neu eröffnet, es enthält fortan 65 Badezimmer, einen Veranstaltungssaal für bis zu 130 Personen und Speisesaal. Ludwig Friedrich Karl Leuze hatte das Bad 1851 von dem Vorbesitzer Christian Wirth abgekauft.556 Am 29. Juni 1856 wird das sogenannte Neue Stuttgarter Mineralbad bei Berg eröffnet. Es ist das zweite Mineralbad in Stuttgart-Berg und die Geburtsstunde eines ganz neuen Kurorts – von Bad Berg. In direkter Nachbarschaft hat Cannstatt nun Konkurrenz erhalten. Bisher haben sämtliche Heilquellen in Berg der Stadt Cannstatt gehört. Doch ein Stuttgarter Hofgärtner hat kürzlich die 6 bislang zum Mühlbetrieb genutzten Quellen erworben und darauf eine Badeanstalt errichten lassen. Noch dazu klagt am 1. November 1856 der Betreiber Neuner den Cannstatter Brunnenverein wegen der Schädigung seiner Quellen an. [066] [067] 1836 waren die Anteile Cannstatts an Berg ganz an Stuttgart gegangen, ein Berger bzw. Stuttgarter Kurbetrieb bislang aber kein ernst zu nehmender Konkurrent.557 Dies ändert sich just im Moment. Der königliche Hofgärtner Friedrich Neuner hat um 1855 die Mineralquellen der ehemaligen Fabrik von Klotz dem Nachfolger Karl Bockshammer abgekauft und mit städtischer Unterstützung dann das Neue Stuttgarter Mineralbad erbauen lassen.558 Auch Berg verfügt nicht über heiße Quellen, der Misserfolg Cannstatts bei der Suche nach solchen wird Neuner nur bestätigt haben und er will 553 Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 903 – Cannstatt, Statuten des Brunnenvereins 1856. Vgl. Carlé, ebd. 554 Ebd. 555 Hierzu auch Punkt 1880er der vorliegenden Arbeit. 556 Leuze war zunächst ein Badegast bei Wirth. Seine rheumakranke Frau wurde dort geheilt, Leuze kaufte das Bad. Vgl. Schukraft/ Kress 2006, S. 51 ff. 557 Ab 1832 wurde das Wasser des Kunstmühlbrunnens zur Trinkkur und dem Versand zur Verfügung gestellt. Von 1833 an wurde auch das neu erschlossene Wasser des Berger Sprudels getrunken. Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 1544. 558 Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 1544 – Mineralbad Berg. Siehe auch Artikel "Neuner" von U.Gohl, Stadtlexikon Stgt. 91 diesen auch noch zu seinem Vorteil ausnutzen. In Berg war das Mineralwasser über lange Jahre fast ausschließlich zu technischen Zwecken genutzt worden:559 1810 war eine schon seit 1508 an dieser Stelle befindliche Mühle aufgegeben worden. Der Fabrikant Ehrenfried Klotz hatte das Gelände um 1810 gekauft und darauf eine mechanische Baumwollspinnerei errichtet. Weil der Nesenbach, der zuerst das Mühlrad antrieb, im Winter zufror, ließ Klotz im Mai 1831 nach Mineralwasser bohren. Tatsächlich konnten zunächst drei Mineralquellen erschlossen werden. Zwei weitere Mineralquellen wurden 1832 erschlossen und um 1833 noch der Berger Sprudel.560 Sechs Mineralquellen wurden seither genutzt. Da im benachbarten Cannstatt bei Bohrungen 1829 bereits mehrere Mineralquellen erschlossen worden waren, gab es an dieser Stelle mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls ein reichhaltiges Vorkommen. Und Klotz sollte Recht behalten: „(...) Als bei uns in den Jahren 1830 und 1831 das Bohren der artesischen Brunnen Eingang fand und an vielen Orten mit dem besten Erfolge ausgeführt wurde, machte man auch in unserem Thale Versuche, und zwar zuerst im Oktober 1830 hinter der Wilhelma in der Hasenweide, in der Absicht, süsses Wasser für die Stadt zu gewinnen, was, da das Bohrloch in dem Bereiche des Muschelkalks angelegt wurde, zum Ziel führte“.561 Bis 1853 nutzten er und der Nachfolger Karl Bockshammer das nicht gefrierende Quellwasser zum Antrieb ihrer Mühlräder. Der württembergische Hofgärtner Friedrich Neuner hat um 1855 das Gelände samt Quellen abgekauft und nach eigenen Plänen mit dem Werkmeister Heimsch bis 1856 ein Mineralbad mit einem gemauerten Schwimmbecken von etwa 40x50 Metern im neu angelegten Kurgarten erbauen lassen. Das einzige Mineralschwimmbad der Stadt Cannstatt ist das 1831 dort eröffnete obere Sulzbad des Orthopäden Jakob Heine. Schon am 1. Juni 1834 hat Friedrich Neuner gemeinsam mit seinem Schwiegervater Dr. Vöhringer in Reutlingen übrigens ein Kurbad mit Schwefelquelle eröffnet, zu drei Stockwerken, 120 Fuß (ca. 40m) lang, mit 30 Zimmern und einigen Badekabinen.562 1856 musste das Reutlinger Bad einer Eisenbahnlinie weichen, als Ersatz wollte Neuner, inzwischen Hofgärtner in Stuttgart, ein Bad in Berg errichten. Aufmerksam auf das Gelände war er während seiner Beschäftigung bei der Anlage des Gartens der neu errichteten königlichen Villa Berg geworden. Darauf legt er zudem einen anspruchsvollen Kurpark an. Das Mineralbad Neuner ist so einfach wie funktional entworfen: Das rechteckige Badebecken ist auf all seinen vier Seiten von eingeschossigen Gebäudeflügeln umgeben, die es wie einen Innenhof einfassen. Auf der Außenseite präsentieren sich alle vier Wandseiten des Baukörpers, welcher auf einem annähernd quadratischen Grundriss steht, nach der Art von Trink- und Wandelhallen. Ein höherer Mittelbau ist rechts und links von offenen Wandelbahnen mit je neun Achsen umgeben, die am Eck wieder mit Pavillons abschließen. In einem der vier Eckpavillons befindet sich ein Kurtrinkbrunnen. Auf der inneren Seite enthalten dieselben Flügel über 130 Umkleidekabinen sowie Räume zu kalten Bädern.563 Die Aufbauten bestehen durchgängig aus Holz. Ein Durchgang nach innen wird durch den Mittelbau der Westseite geführt, worin sich auch die Kasse befindet sowie oberhalb einer Treppe Zimmer für die Verwaltung und den Badearzt. Das Badebecken ist von einem breiten Holzquai umgeben, Stufen führen in Form von transportablen Holztreppen in das Becken, das gemauert ist, einen hölzernen Grund hat und eine Schräge bildet: Die Wassertiefe beträgt auf der einen Seite lediglich 0,75 Meter, eigens für Nichtschwimmer, auf der anderen bis zu 2,30 Meter für Schwimmer. Einige Kurgäste können noch nicht schwimmen, der Schwimmsport wird gerade erst eingeführt, und man kann hier im Bad Berg schwimmen lernen, Neuner hat dazu eigens geschultes Personal angestellt. Lernhilfen wie Fässer, Schwimmbalken und Boote werden dazu auf das Wasser gelassen. Der Sprudler genau in der Mitte des Schwimmbeckens sorgt allezeit 559 Veiel 1852, S. 14. Das Stuttgarter Mineralwassersystem hängt zusammen und wurde mehrfach beeinträchtigt. 560 Ebd. Vgl. Heyfelder 1840, S. 107. 561 Veiel 1852, S. 13. In der Sauerwasserstadt gab es reichlich Mineralwasser, aber einen Mangel an Süßwasserquellen. 562 Siehe hierzu: „Allgemeine Forst- und Jagdzeitung“ (Hrsg. S. Behlen), 4. Jg., Frankfurt a. M. 1835, S. 289-290/ Medicinisches Correspondenzblatt des württembergischen Ärztlichen Vereins, 8. Bd., Stuttgart 1838, S. 175. Staatsarchiv Ludwigsburg, E 177 I Bü 2868. 563 Anonymus: „Beschreibung des neuen Stuttgarter Mineralbades bei Berg“, Stuttgart 1858, S. 12. 92 für frisches Quellwasser, es tauscht sich selbst aus und muss nicht künstlich gereinigt werden. Von einem Sprungplatz können die Schwimmer ins Wasser springen. Aus sittlichen Gründen ist es nicht gestattet, ohne Badehosen das Gemeinschaftsbecken zu betreten. Dreimal in der Woche wird das Becken komplett geleert, geputzt und vollständig frisch befüllt. Bei der frühesten Form solcher Schwimmbäder, die einen weiterentwickelten Typ von Springbrunnen darstellen, sind die Fontänen in der Mitte noch beibehalten und werden übrigens einstweilen als Dusche genutzt.564 Seit dem achtzehnten Jahrhundert sind Springbrunnen in Gärten mit größeren Bassins einstweilen zu Bädern umfunktioniert worden. Berg hat das größte deutsche Mineralschwimmbecken.565 Der Eintritt in das Bad kostet 6 Kreuzer, für Kinder 3 kr. Die Damen baden vormittags getrennt, mit weiblicher Aufsicht und Schwimmlehrerin. Ein Einzelbadekabinett mit Tisch, Stuhl und Spiegel ist für 9 kr. zu haben, das Bassin fasst zwanzig württembergische Eimer Wasser. Es gibt insgesamt 74 Kaltbäder in Einzelbadekabinetten. Die Wannen werden für jeden Badegast frisch befüllt, über einer Sitzbank fällt eine Dusche herab, nach Wunsch als Regen- oder Strahldusche, außerdem gibt es aufsteigende Duschen. Ein Duschgang ist für 12 Kreuzer möglich. Für nicht weniger als 24 kr. sind die Nobel-Kabinette zugänglich und um ein sog. gehobenes Kabinett mit mehreren Personen beziehen zu können, werden gar 48 Kreuzer entrichtet. Die elegant eingerichteten Zimmer sind mit Toilettetischen, Spiegel, Divans und Fauteuils ausgestattet und in einer Rotunde befindet sich das Badebecken, es ist rings herum von tropischen Gewächsen umwuchert, in Nischen stehen Statuen wie in den antiken Thermen in Rom. Noch exklusiver ist das Fürstenbad bestellt, wieder in Form einer Rotunde mit Glaskuppel, „(...) an den Seiten ergießt sich über zwei Muscheln herab die perlende Fluth, in der Mitte springt der hohe, mächtige Strahl einer Fontäne, und hoch von oben herab breitet sich der sanfte Regen einer brausenden Dusche aus, man glaubt sich in das Reich Neptuns verzaubert“.566 Um die Rotunde des Bades blüht ein Kranz tropischer Gewächse, in den Nischen stehen Statuen, die von Efeu umrankt sind. Übernachtungsmöglichkeiten bietet ein Hotel garni zu 50 Zimmern. Neben dem Badgebäude ist in einem mehrstöckigen Nebengebäude eine Kursaal-Restauration entstanden.567 In einem weiteren Nebenbau, von ca. 80 Metern Gesamtlänge, gibt es Warm- und Dampfbäder, mit über vierzig Einzelkabinen, römisch-irischen Dampfbädern und anderen Heileinrichtungen. Wie antike Thermen werden diese Dampfbäder durch Hypokausten aus roten Backsteinen beheizt. Ein Wintergarten ermöglicht die nötigste Kurpromenade auch bei widrigem Wetter sowie im Winter.568 Der Kronprinz Karl von Württemberg und die Kronprinzessin Olga haben sich von dem Luxus des Fürstenbades selbst überzeugt. Das hoch modern eingerichtete Mineralbad Berg profitiert speziell von dem exklusiven Besuch der vornehmen Gesellschaft, die bevorzugt mit der Eisenbahn anreist. Der Cannstatter Bahnhof liegt praktisch direkt vor der Berger Haustür. Für Cannstatt ist das Bad Berg keineswegs nur ein lästiger Konkurrent, denn die Anreise lohnt sich für Kurgäste jetzt doppelt und im Übrigen hält Cannstatt nach wie vor Anteile an den Berger Quellen, die stets von den Cannstatter Kurbetrieben unterhalten werden – Berg wird von Cannstatts Kurgästen frequentiert. Hinzu kommt, dass die Gäste nun auch noch die neu eingeführte Brunnentaxe an die Oberamtsstadt Cannstatt zu entrichten haben. Ab 1861 soll eine solche Taxe bezahlt werden: „(...) Ein Streit wegen der Berechtigung der Erhebung einer Brunnentaxe von den Kurgästen in Berg wurde 1861 durch Ministerialentscheidung zu Gunsten Cannstatts beendet; es haben alle Badgäste in der Folge Brunnentaxe zu bezahlen“.569 Die wieder von der Oberamtsstadt Cannstatt betriebenen Brunnen, also diejenigen von Berg, befinden sich auf der Berger Insel und am Berger Neckarufer, das bereits 564 Die Fontäne als Dusche sowie die Boote im Becken erinnern an das große Rundbecken der Wilhelma von 1846. 565 Das Berger Mineralschwimmbecken war von 5 Quellen versorgt, die 700 l. Mineralwasser in der Minute gaben, mit 40x50 m ist es lange das größte Mineralschwimmbecken Deutschlands gewesen. Vgl. Schukraft/ Kress 2006, S. 62. 566 Anonymus: „Beschreibung des neuen Stuttgarter Mineralbades bei Berg“, Stuttgart 1858, S. 12 ff. 567 Die Restauration mit einem großen Speise- und Tanzsaal ist später zum Berger Kurtheater umfunktioniert worden. Vgl. Schukraft/ Kress 2006, S. 67. 568 Beheizung und den Wintergarten als Kurpromenade könnte Hofgärtner Neuner von der Wilhelma abgeschaut haben. 569 C. H. Beck 1900, S. 56 (1861). 93 stark industrialisiert ist und infrastrukturell vergleichsweise hoch entwickelt. Die Berger und Cannstatter Bäder werden trotz der Konkurrenz vielmehr als eines wahrgenommen und ziehen zusammen mehr Gäste an. Vieles wächst schon bald zusammen. Schließlich profitiert das Bad Berg erheblich vom nahen Cannstatter Bahnhof, welcher sich näher an Berg befindet als am Sulzerrain. Mit der Eisenbahn wird die Kur urbanisiert. 1860er. Heilanstalten und Flussschwimmbäder Im Jahre 1861 wird auf dem Sulzerrain eine neue Wandel- und Untersteh-Halle eingeweiht, die der Cannstatter Verschönerungsverein erbauen ließ, mit letztmaliger finanzieller Unterstützung durch den König Wilhelm I, im klassizistischen Stil mit Kolonnaden, bestehend aus eckigen sowie runden Pfeilern. Typischerweise wird ein höherer Mittelbau rechts und links von den eigentlichen Wandelbahnen eingefasst. Architekt der "Untersteh-Halle", auch Schutzhütte, ist Johann Michael Knapp.570 Auf der Höhe hatte eine Räumlichkeit zur Versammlung einer Gesellschaft gefehlt. Denn bei nasskalter Witterung oder plötzlichen Unwettern konnte es durchaus vorkommen, dass der große Kursaal überfüllt war, sodass die neue Schutzhütte in den oberen Anlagen zur Entlastung beiträgt. [068] [086] Auf der Berger Insel wird 1861, neben dem Mineralbad Leuze befindlich, eine neue, solidere Trinkhalle eingeweiht. Denn im Jahr zuvor war der alte Trinkpavillon von einem Sturm zerstört worden.571 Schon früher ist der Pavillon auf der Insel bereits mehrfach durch Überschwemmungen mitgerissen worden und musste immer wieder neu aufgestellt werden. Ludwig Friedrich Karl Leuze betreibt neben dem Cannstatter Mineralbad auf der Sauerbrunneninsel und dem neuen Trinkkur- Pavillon mit Mineralwasserabfüllung auch eine Flussbadeanstalt am Ufer der Insel. Die Zahl der Kurgäste von Cannstatt und Berg zusammen lag 1861 bei 1.394 sowie 1.554 Passanten. Mit der 1862 eingeführten Gewerbefreiheit gründen sich Groß- und Kleinunternehmen, welche den Ausbau zur Industriestadt ankurbeln. Zur Leistungssteigerung wird der Bahnhof ab 1863 erstmals erweitert. In den nächsten Jahren soll die Stadt nach Osten auch an den Sulzerrain anschließen, mit Häusern von der Wilhelmstraße und der Brunnenstraße bis hin zur Kursaal-Allee und einem bewohnten Kurviertel. Am 12. Juli 1864 übernimmt der einzige Sohn Wilhelms I, Karl Friedrich Alexander (1823-1891), die Regierung des Königreichs Württemberg und wird als „Karl“ dessen dritter König. Karl erbt in dem funktionierenden Staat auch zahlreiche Schlösser und neben Cannstatt zehn weitere Kurstädte: Boll, Hall, Herrenalb, Jagstfeld, Liebenzell, Mergentheim, Niedernau, Rippoldsau, Teinach und Wildbad. Cannstatt ist die größte, nach Wildbad die wichtigste, und kulturell stärkste Kurstadt. Es ist derzeit auf dem Höhepunkt des Kur- und Badelebens, architektonisch wie städtebaulich erlebt es momentan seine vollständigste Prachtentfaltung. Der unverändert in Stuttgart residierende König wählt Cannstatt zwar nicht direkt zu seinem Sommersitz, er ist dem Kurort deshalb aber nicht etwa weniger aufgeschlossen, als sein Vater dies noch gewesen war. Allerdings ist Karl selbst nur relativ selten ein Brunnengast. Im angrenzenden Berg besitzt er seit 1853 seine eigene Villa, die er durch Christian Friedrich von Leins im Stil der italienischen Neo-Renaissance erbauen ließ. Dort hat er damit seine langjährige Sommerfrische und verfügt über einen Privatgarten, der unmittelbar an das Mineralbad Neuner grenzt, wo er zu Gast war. Der neue König bevorzugt ansonsten Wildbad.572 570 Vgl. Julius Bernhard: „Reisehandbuch für Württemberg und die angrenzenden Länderstriche der Nachbarstaaten“, Stuttgart 1863, S. 592/ „Illustrierte Zeitung“, Bd. 37, Leipzig 1861, S. 30/ „Balneologische Zeitung – Correspondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Hydrologie“, hrsg. Von Hofrat Dr. Louis Spengler, Wetzlar 1862, S. 29/ „Didaskalia – Blätter für Geist, Gemüth und Publizität“, Bd. 19, Heft 1, Frankfurt a. M. 1861. Knapp entwarf auch das 1850 erbaute Löwentor für den Rosensteinpark. 571 Beck, ebd. 572 Bau des König-Karls-Bades in Wildbad 1876. Hierzu Föhl 1988. 94 Noch 1864 wird das rund zwanzig Jahre zuvor eröffnete Maurische Bad am Sulzerrain mit Hotel- Zimmern aufgestockt. Dabei wird jeglicher orientalischer Dekor entfernt und überbaut, die Gestalt des Bauwerks bleibt weitgehend unverändert. Die Hufeisenbögen an Fenstern und Türen werden durch einfache Rechtecke ersetzt und die Halbmond-Aufsätze auf dem Dach abgenommen. Am 19. April 1864 hatte Baumeister Bertsch die Bauarbeiten ausgeschrieben und auf bis zu 5.090 Gulden hochgerechnet.573 Über dem Erdgeschoss wird ein weiteres Stockwerk aufgesetzt, das von nun an elegante Hotelzimmer enthält. Die neuen Badeappartements befinden sich in einem Anbau auf der östlichen Seite des Bauwerks, der über Eck geht mit nebeneinander aufgereihten Baderäumen. Dem neuen Besitzer Josef Eberle wird die Bedingung gemacht, das Gebäude niemals eingehen zu lassen. Das Gebäude wird umbenannt in „Karl-Olga-Bad“ und dieser Name kann stellvertretend auf die ganze Stadt übertragen werden, denn symbolisch ist ein Wechsel vollzogen vom Wilhelms-Bad zum jetzigen „Karl-Olga-Bad“. Olga Nikolajewna heißt die russische Königsgattin, die Hochzeit wurde 1846 u.a. in der Wilhelma gefeiert. Die stilistische Ähnlichkeit der Badehäuser ist verschwunden. Der zu Zeiten der Kindheit König Karls noch erlebbare agrarische Charakter Cannstatts hat sich inzwischen in den einer beträchtlichen Stadt verwandelt. Neben dem Bahnhof lassen sich erste Industriebetriebe nieder, die mit Dampfmaschinen arbeiten, wie die Maschinenfabrik der Gebrüder Decker & Co. [081] Mehrere vielbeachtete Heilanstalten und Institute sind im Gesundheitswesen aktiv, machen die Stadt weithin als anerkanntes Heilbad bekannt. Die über lange Jahre erfolgreiche Heilanstalt Heine in der Badstraße, östlich neben dem Hotel Herrmann, wird 1864 geschlossen.574 Der Oberamtsarzt Jakob Heine (1800-1879) geht in den Ruhestand, nachdem er seit 1829 seine orthopädische Anstalt betrieben hatte und als ein Entdecker der spinalen Kinderlähmung berühmt geworden war.575 Wegen seiner nicht wenigen bedeutenden Heilungserfolge wurde Jakob Heine bereits im Jahre 1830 zum Ehrenbürger Cannstatts sowie zu einem Geheimen Hofrat ernannt und erhielt 1854 schließlich das Ritterkreuz des Ordens der württembergischen Krone verliehen, das den Adelstitel zur Folge hatte. Sein Oheim Johann Georg Heine (1770-1838) hatte bereits im Jahre 1816 mit dem Carolinen- Institut im fränkischen Würzburg die erste orthopädische Heilanstalt Deutschlands gegründet. Der Gebäudekomplex in der Badstraße Nr. 11-15 beinhaltete 34 Zimmer, Speisesaal, Gymnastikhallen, Dampf- und Duschbäder. Zu dem Betrieb gehört ein angrenzendes Grundstück von 18.000 qm mit eigenem Kurgarten, samt Alleen, Pavillons und Brunnen zur Trinkkur. Um 1831 entdeckte Jakob Heine in seinem Garten noch eine weitere Mineralquelle. Nebenan sprudelt seit Urzeiten die obere Sulz. Doktor Heine erwarb sie und eröffnete im Verbund mit der Praxis damit ein Mineralbad. Es handelt sich um das erste Mineralschwimmbad der Stadt: „(...) eine in der oberen Sulz vor dem Waiblinger Thor eingerichtete Anstalt zum kalten Mineralbade, die 1831 von Herrn Dr. Heine gegründet wurde. Sie ersetzt eine ähnliche Anstalt, die ehemals in den Badgärten bestanden hatte, hat aber den großen Vorzug, daß die Einrichtung zu schwimmenden Bädern gemacht ist. Am Ufer steht ein heizbares Häuschen zur Bequemlichkeit der Badenden. Ein Bad kostet 12 kr. Außerdem sind auch an dem Neckarufer Einrichtungen zum Gebrauch des Neckarbades vorhanden“.576 Das Mineralbad von Heine wird daraufhin abgekauft und von einer Aktiengesellschaft weiter betrieben, welcher der Kommerzienrat Keller vorsteht. Dieses obere Sulzbad wird völlig neu gestaltet und im Charakter stark verändert, der offen gelassene Quellsee der Sulz später mit Felsbrocken aufgefüllt, 573 Siehe hierzu auch Cannstatter Zeitung vom 24.4.1954. 574 Das bis 1900 erweiterte Haus ist als Badstraße Nr. 11-15 noch heute erhalten und es steht unter Denkmalschutz. Zu dem dezenten Schmuck an der Fassade gehören zierende Pilaster mit ornamentalen Kapitellen, Scheinmauerwerk und Konsolen, Wandfelder mit einem Stuckrelief und Rosetten. Nach einem letzten Umbau um 1900 präsentiert sich das Gebäude mit vier Geschossen und klassizistischer Gliederung. Auf der Straßenseite hat es 6 Fensterachsen. Auf der Gartenseite hatte es rechts und links je einen Flügel und war ursprünglich mit einem Walmdach gedeckt. 575 Jakob Heine: Beobachtungen über Lähmungszustände der unteren Extremitäten und deren Behandlung, 1840. Die Stuttgarter „Paulinenhilfe“ ist die letzte bestehende orthopädische Einrichtung in der Nachfolge dieser Anstalten. 576 Memminger 1832, S. 119. Das obere Sulzbad bestand bis 1929, die Quelle versiegte wegen der Fluss-Kanalisierung. 95 letztlich mit Sand und Teer versiegelt.577 Die daneben errichtete neue Kuranstalt von Heine besteht aus „eleganten Badhäuschen“.578 Mit Schaufelrädern wird der eisenhaltige Schlamm für Kurbäder mit therapeutischem Wellenschlag aufgewühlt.579 [080] Zu den bestehenden Heilanstalten zählt die am 1. Juli 1837 gegründete erste deutsche Hautklinik von Albert Veiel (1806-1874), die Heilanstalt für Flechtenkranke am späteren Wilhelmsplatz. Veiel erzielte Heilungserfolge bei Patienten mit u.a. nässender Flechte, trockener Schuppenflechte und chronischem Blasenausschlag. Zunächst bezog Veiel mit seiner Klinik ein Gebäude an der Ecke Waiblinger- und Seelbergstraße. Bereits 1839 konnte die für nur zwölf Patienten ausgelegte Praxis wieder verlassen werden und in einen mit königlich-staatlichen Mitteln geförderten Neubau an der Ecke Bad- und Marktstraße umziehen.580 Um 1865 hat die Klinik über 40 Zimmer, ist je nach Bedarf mit Wannen-, Dampf-, Dusch-, Staub- oder Rauchbad ausgestattet, die Patientenzimmer ermöglichen außerdem längere Krankenhausaufenthalte. Das Eckhaus von Dr. Albert Veiel hat drei Stockwerke, ist über Eck mit einem Vorbau versehen, worin sich der Eingang unter einem schmalen Balkon befindet, einige Rundbögen und aufgeblendete Gesimse im klassizistischen Stil bilden die dezenten Dekorelemente. Albert Veiel ist Mitglied des Brunnenvereins und seit 1864 assistiert ihm sein Sohn Ernst. Eine Kur für Flechtenkranke dauert bei Veiel zwei bis drei Monate, auch arme Leute werden hier aufgenommen.581 Die Patienten kommen aus den deutschen Staaten, aber auch aus der Schweiz, Ungarn, Russland, England. Dr. Rühle betreibt seit 1847 eine spezialisierte Praxis für Gemüts- und Nervenkranke, mit Raum für bis zu 12 Patienten.582 Jährlich nimmt er 15 bis 25 Gäste auf. Dr. Nädelin ist auf Frauenleiden spezialisiert. Die 1856 in der Badstraße eröffnete galvanisch-magnetische Heilanstalt von Theobald Kerner ist 1864 nach Weinsberg umgezogen.583 Eine weitere Klinik ist die neueröffnete orthopädische Anstalt von Heinrich Ebner.584 Im Oktober 1865 eröffnet Dr. Ebner gemeinsam mit Dr. Großmann eine orthopädische Praxis zwischen Bahnhof und Kurpark, nachdem er zehn Jahre zuvor in Stuttgart und Wildbad als Arzt tätig gewesen war. Das Gebäude verfügt unter anderem über einen großzügigen Speisesaal, einen beheizbaren Saal zu „heilgymnastischen Übungen“, Einzelzimmer sowie eine eigene Arztwohnung: „(...) Anstossend an das Hauptgebäude und mit diesem durch einen mit Glas und Eisen bedeckten, heizbaren Wandelgang verbunden, liegt die durch Eleganz und Zweckmässigkeit der Einrichtungen ausgezeichnete Bade-Anstalt für warme und kalte Mineralbäder mit einer Anzahl kleinerer Cabinete und einem Vollbade, in welchem sich ein geräumiges Marmorbassin, sowie ein Douchebad mit den verschiedenartigsten Vorrichtungen zu allgemeinen und lokalen Douchen, sowohl kalten als warmen, befindet“.585 Eine vierteljährliche Pension kostet bei Ebner erster Klasse 577 Auf einem Stadtplan von 1874 ist der Quellsee noch eingezeichnet – auf einem Stadtplan von 1885 nicht mehr. 578 Daiber 1878, S. 189-190. 579 Heyfelder 1840, S. 98. Er vergleicht die Schwimmbäder in der oberen Sulz sogar mit den Seebädern am Meer. Siehe hierzu auch Beilage zum Schwäbischen Merkur vom 28.6.1838. 580 Hierzu ausführlich Ebner 1868, S. 27 ff./ Vgl. Schmid 1989, S. 57. Heute befindet sich dort ein großer Kaufhof. A.Veiels Gebäude erhielt über die Jahrzehnte mehrmals Erweiterungen. Nach Albert Veiels Tod 1874 führten die Söhne Ernst (1837-1883), Theodor (1848-1923) und der Enkelsohn Fritz Veiel (1876-1942) die Hautklinik bis 1935 weiter, schließlich wurde sie „aus verkehrstechnischen Gründen“ geschlossen. Im 2. Wk. wurde das Haus zerstört, nicht wieder aufgebaut. Nach eigenen Angaben hatte Veiel bis 1867 an die 3.285 Kranke aufgenommen, konnte 2.605 hiervon heilen, bei 585 den Zustand verbessern und nur 95 ohne Erfolg entlassen. Quelle: Veiel 1867, S. 86. 581 Zahlreiche internationale Ehrungen – aus Baden, Bayern, Preußen, Ungarn und Russland – für Veiel, Heine und auch für andere Cannstatter Ärzte bezeugen den großen Anteil des Gesundheitswesen am Aufstieg zum Kurort. Vgl. Schmid 1989, S. 54; 57. 582 Die Anstalt von Gottlob Friedrich Rühle (1816-1893) befand sich im Neubauviertel und bestand bis zu dessen Tod 1893. (Quelle: Anonymus „Fremdenführer durch Cannstatt und Umgebung“, Cannstatt 1868). 583 Theobald Kerner (1817-1907) war der Sohn des Justinus Kerner (1786-1862). Literatur hierzu: Theobald Kerner: „Galvanismus und Magnetismus als Heilkraft“, 2. Aufl., Cannstatt 1856/ Bernd Liebig - „Theobald. Der Kobold des Kernerhauses“, Weinsberg 2017. Vgl. Schmid 1989, S. 63. 584 Hierzu Ebner 1868, S. 34-36/ Veiel 1867, S. 18. 585 Ebd. Bereits 1867 zog H. Ebner um, eröffnete am Wilhelmsplatz, Ecke Seelberg- Waiblinger Str., den Neubau. - 96 200 fl, zweiter Klasse 125 fl. [069] Bekannte Ärzte sind außerdem Carl Burckhardt586 sowie die beiden Söhne von Johann Christoph Salomo Tritschler, nämlich Theodor Tritschler mit seiner im Sommer 1864 eröffneten Anstalt für Heilgymnastik in der Badstraße 164 samt einer großen Turnhalle. Später betreibt der Bruder Friedrich Tritschler eine Naturheilanstalt und homöopathische Klinik im Karl-Olga-Bad, Eröffnung ist am 15.5.1867.587 Friedrich Tritschler bietet diverse Wasserheilverfahren, Schroth'sche Kuren,588 allgemeine oder partielle Dampfbäder und verschiedene Heilgymnastiken an, er arbeitet bisweilen auch mit Elektrizität und Magnetismus. Im Jahre 1868 kommt es dann noch zur Gründung einer Gebets-Heilanstalt durch Henriette von Seckendorff-Gutend (1819-1878) in der Olgastraße. Neben den körperlichen Leiden werden mit der Seelsorge auch seelische am Seelberg behandelt. Beinahe alle physio-therapeutischen Einrichtungen behandeln mit Mineralwasser; Albert von Veiel und Jakob von Heine verfügten über ihre eigenen Quellen. Im Jahr 1866 taucht ein Entwurf zu einem neuen Kursaal in Cannstatt auf, der an dem Stuttgarter Polytechnikum durch Julius Beisbarth gezeichnet wurde.589 Vermutlich soll aus Platzgründen ein weiterer Saal neben dem Thouret'schen entstehen, wird aber nicht verwirklicht. Auf der Anhöhe wurde ja nur wenige Jahre zuvor die Untersteh-Halle von Johann Michael Knapp errichtet. [070] Ein Jahr an der Regierung, gab König Karl in Cannstatt die Gestaltung zu einem neuen städtischen Platz in Auftrag. In der Schrägachse vom Bahnhof zum Kursaal, zwischen dem letzteren und dem Wilhelmsplatz, sieht er 1865 einen weiteren städtischen Platz vor. Der seit 1850 bereits sogenannte Wilhelmsplatz ist zeitlebens stark befahren und hat mehr den Anschein einer Verkehrskreuzung für Kutschen als den eines gerechten „Platzes“. Nur für Paraden oder andere Anlässe wird er geräumt und für den Verkehr gesperrt. Ein freierer Platz soll nun aber in der Mitte der Königstraße auf halbem Weg zum Kursaal entstehen, der Karlsplatz.590 Ringförmig um den runden Platz angeordnet sowie entlang der weiteren Allee, als Königstraße, werden in der Folgezeit prachtvolle Villen und Wohnhäuser entstehen.591 Zwecks der Errichtung einer weiteren Schwimmanstalt im Neckar hat sich eine Schwimmbad-Actien-Gesellschaft gegründet und in einer Generalversammlung am 20. Mai 1869 das Aktienkapital auf 15.000 Gulden festgelegt.592 Das neue Schwimmbad wird gegenüber dem Wilhelmatheater gelegen errichtet.593 Seit der Legalisierung von Flussbädern 1802 sind mehrere Baugesuche und Wasserbausachen für Cannstatt, Berg und Untertürkheim eingereicht worden.594 1848 wollte beispielsweise Oberbaurat Carl Etzel (1812-1865), der württembergische Architekt und Eisenbahningenieur, eine Bade- und Schwimmanstalt am linken Neckarufer einrichten. Ein ca. 120x40 Fuß großes Becken, etwa 35x12 Meter, sollte mitsamt einem Sprungbrett entstehen. Die gewöhnlichen Neckarbäder in Form kleiner Holzhäuschen mit Badekabinen ähneln den Badehäusern an Land, die meist nur über Wannenbäder verfügen. Sie schwimmen auf der Wasseroberfläche und sind an den Ufern befestigt. In den ab 1839 1878 musste auch diese Heilanstalt mit dem Tod ihres Gründers aufgegeben und an die Gurt- und Bandweberei von Gutmann & Marx verkauft werden. 1939 mussten die jüdischen Besitzer das Gebäude an die Stadt verkaufen, das im Krieg 1944 zerstört wurde. Vgl. Schmid 1989, S. 59. 586 Hierzu Carl Burckhardt: „Der Kurort Wildbad im Königreich Württemberg“, Wildbad u. Stuttgart 1861. Burckhardt war langjähriger Badearzt in Wildbad und später auch in Cannstatt tätig. 587 Veiel 1867, S. 84. Aber ab 1876 wurde die Naturheilanstalt von Dr. Albert Loh in der Badstraße 137 weitergeführt. 1882 gründete H. Fischer eine Wasserheilanstalt im ehemaligen Wilhelmsbad. Siehe Loh 1877, Schw. Merkur 1882. 588 Schrothkuren (Feuchtwickel, Weintrinken, Feiern) gibt es heute im einzigen Schroth-Heilbad Oberstaufen (Allgäu). 589 In welchem Zusammenhang dieses „Cursaal“-Projekt entstand, konnte nicht aufgeklärt werden. Womöglich hängt der Entwurf mit der 1861 im oberen Park errichteten Wandelhalle von Johann Michael Knapp zusammen. 590 Wegen doppelt vorhandener Straßen- und Platznamen seit 1905 benannte die Stadt Stuttgart den Karlsplatz 1957 in „Daimlerplatz“ um. Quelle: Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 125/1 – Hauptamt, Straßenbenennungen. 591 Die von 1865 bis 1914 dort erstellten Häuser im Gründerzeit- und Jugendstil bilden eine letzte Chaussee Cannstatts. 592 Hauptstaatsarchiv Ludwigsburg E 173 III Bü 8248; F 160 I Bü 274 a-g. Heft: „Statuten der Schwimmbad-Actien- Gesellschaft in Cannstatt. Genehmigt in der Generalversammlung vom 20. Mai 1869“. 593 Um 1886 übernimmt Gottlieb Daimler die Bauwerke des Bades und lässt von dort die ersten Motorboote zu Wasser. Quelle: Daimler-Benz AG (Hrsg.): „Gottlieb Daimler zum Gedächtnis. Eine Dokumenten-Sammlung“ 1950, S. 94. 594 Staatsarchiv Ludwigsburg E 173 III Bü 8248. 97 errichteten sogenannten Sturzbädern fällt das Wasser auf die Badenden als Dusche. Mehrere davon schwimmen unterhalb des Sturzwehrs im Neckar, sodass der Wassersturz genutzt wird, indem das Flusswasser in den Badekabinen von selbst hinab stürzt. Daneben sind „(...) Neckar-Strudelbäder oberhalb der steinernen Brücke in der Vorstadt, dem Theater gegenüber, unterhalb des Mühlwehrs, über welches das Wasser mehrere Fuß hoch herabstürzt, mit 16 Cabinetten für Damen und Herren“.595 Das Bad wurde 1844 eröffnet und erbaut von einer Aktiengesellschaft. Auf Bildern sind nun vereinzelt die Flussbäder im Neckar abgebildet. [071] Für Schwimmer und diejenigen, welche den Schwimmsport erlernen möchten,596 gibt es „(...) Die offenen Flußbäder, längs der Neckarinsel mit überbauten hölzernen Verschlägen für das Aus- und Ankleiden, theilweise tief genug für Schwimmer.“597 Freies Schwimmen im Fluss ist gefährlich, aber möglich, dieses erfolgt auf eigene Gefahr. Immer wieder ertrinken Personen, von Stromschnellen erfasst, mitgerissen oder von Strudeln unter Wasser gezogen. Die sicheren, gebauten und umzäunten Neckarbäder verfügen über interne Schwimmbecken im Fluss, wie das Bad von Ernst Schweizer.598 Ende der 1860er Jahre sind „(...) die Ufer des Neckarflusses von Berg an bis unterhalb Cannstatts mit einer fast ununterbrochenen Reihe von Badeanstalten besetzt. Am oberen Theil sind dies, abgesehen von den offenen Schimmanstalten bei Berg, meist Reihen von Einzelkabineten. Doch finden sich auch dort 2 kleinere Schwimmbassins für Damen. Das grösste Schwimmbad ist das Krauss'sche unmittelbar bei der Stadt (…). Sodann sind noch die beiden Wellenbäder zu nennen, das sogenannte Strudelbad mit schönen geräumigen Kabineten, gegenüber der Wilhelma, und die Sturzbäder am Mühlkanal; in beiden wird das Wehr des Flusses benützt um einen kräftigen Wasserstrom in jedes einzelne Kabinet zu leiten.“599 Besonders hervorgehoben werden 1865 die Schwimmanstalten für gesunde Bewegungsbäder.600 Flussbäder sind in nur wenigen Kurorten zu finden, weil die Voraussetzung zu solchen Anstalten ein größerer Fluss ist, was sehr viele Bäder, im Gebirge oder Wildbäder etwa, nicht erfüllen. Vielmehr sind es Großstädte wie Paris, Berlin, Frankfurt oder Wien, in denen es diesen urbanen Luxus gibt. Durchaus als Seltenheit kann hervorgehoben werden, dass Cannstatt eine Kurstadt mit Flussbädern ist, und diese werden tatsächlich für den Kurbetrieb entdeckt: „Eine ähnliche Wirkung, wie das Seebad durch den Schlag der an- und abprallenden Wellen, übt in Cannstatt (...) der Neckar mit seinen hier ruhig strömenden, dort stark bewegten, dort künstlich zum Sturz- und Sprudelbad umgewandelten Wasser aus. Die Wirkung dieses Faktors stellt eine werthvolle, in manchen Fällen nicht zu unterschätzende Unterstützung der (…) Badewirkungen dar.“601 Ärzte wie Jakob von Heine weisen außerdem auf die kühlende, erfrischende und therapeutische Wirkung des bisweilen kalten Neckarwassers hin.602 Die Strudel- und Sturzbäder erfüllen hilfreiche Massagefunktionen. Für den übrigen Wassersport sind „(...) zahlreiche Boote und Nachen aller Art (...) an der Berger Insel und in der Nähe des oberen Gitterstegs aufgestellt.“603 Regatta- und Ruderschlachten werden regelmäßig von einem Ruderverein veranstaltet, zwischen Berger Gittersteg und Eisenbahnbrücke, Menschenmengen an den Ufern sehen dabei zu. Sogar an die Wintersaison ist gedacht, indem an der Insel ein separater künstlicher Eissee für den Wintersport angelegt wird.604 Die Unruhen von 1870/71 mit dem deutsch-französischen Krieg leiten eine neue Epoche ein: Die Staaten Baden, Württemberg, Bayern und Hessen-Darmstadt vereinigen sich mit Preußen am 1. 595 Hartmann, S.35. 1889 gehörte ein Insel-Flussbad F. Schweizer und W. Krauß (> Feuerversicherungskataster 1865). 596 Nach wie vor können Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Menschen nicht schwimmen und müssen dies lernen. 597 Hartmann, ebd. Johann Wilhelm Krauß (1817-1898) ist lange der Besitzer der Strudelbadeanstalt Krauß von 1869. 598 Staatsarchiv Ludwigsburg E 173 III Bü 8248: „Wasserbausachen in Berg, Cannstatt und Untertürkheim 1833-1892“. 599 Anonymus: „Fremdenführer für Cannstatt, Berg und Umgebung“ 1867, S. 13. Um 1900 gibt es längst nicht nur in Cannstatt Neckarbäder; die Flussbäder reihten sich über Berg, Unter- und Obertürkheim flussaufwärts weiter und flussabwärts traf man immer wieder auf ein Flussbad im Neckar bis Mannheim (Bildbelege und Stadtkarten). 600 Siehe Gustav Hauck: „Die Heilquellen und Kurorte Deutschlands“, Leipzig 1865, S. 30. 601 Ebd., S.29. Siehe auch V. Rödel: „Baden unter Palmen: Flußbäder in Frankfurt a.M. 1800-1950“, Gilching 2013. 602 Die Badeärzte des 19. Jahrhunderts empfahlen, nur etwa zehn Minuten im kalten Flusswasser zu bleiben; ebd. 603 Hauck, ebd. Das Strudelbad Krauß (Wilhelmsbrücke) wurde im April 1869 vergrößert (Quelle: F. Krauss 2022). 604 Ebd., S.14. 1869 hatte das Flussbad Krauß 10 Kabinen für Herren, 10 für Damen und sollte mit 6 erweitert werden. 98 Januar 1871 rechtskräftig zum Deutschen Kaiserreich. Letztlich schwindet damit auch die Macht der letzten regierenden Könige. Karl von Württemberg bleibt der Regent über sein Land, tritt aber dem Norddeutschen Bund bei, woraufhin der König von Preußen, Wilhelm I, zum Kaiser wird. Auch Cannstatt steht nun nicht mehr allein unter dem souveränen Schutz des Königreichs von Württemberg, sondern ist als kleine Kurstadt eine unter vielen in dem neuen Protektorat geworden. Von den bislang überschaubaren elf württembergischen Bädern ist Cannstatt zweifellos eines der größten. Aber nun hat sich auf der stark angewachsenen Landkarte, auf der Württemberg nur mehr ein Teil ist, exemplarisch die Zahl der Kurstädte vervielfacht. Besonders die Bäder der Länder Baden und Hessen, mit Baden-Baden und Wiesbaden, stellen immer mehr eine ernstzunehmende Konkurrenz dar. Über das deutsche Eisenbahnnetz sind selbst die kleinen Bäder gut erreichbar. Cannstatt ist zur Erweiterung seines Angebots gezwungen. In Form der auf das gesamte Stadtgebiet verteilten Heilanstalten mit Gärten und besonders der Perlenkette aus den Flussbädern von Berg bis Untertürkheim hat die urbanisierte Kur einen nächsten Höhepunkt erreicht. 1870er. Kurstadtentwicklung mit Villenviertel Cannstatt ist inzwischen von einer kleinen Ortschaft mit agrarischer Atmosphäre zu einer veritablen Stadt aufgestiegen, mit eigenem Bahnhof, einer Vorstadt, Stadtvierteln und Wohnblocks. Auf die Landesbauordnung von 1872 folgt 1875 ein Ortsbaustatut für Cannstatt. Betrug die Einwohnerzahl 1821 noch 3.403 Seelen, sind es im Jahre 1871 bereits 11.804 Cannstatter.605 Dabei kann exakt die Mitte des Jahrhunderts als Schwelle zur Stadtentwicklung gesehen werden. Wenn eine „Landstadt“ laut der gültigen Definition 2.000 bis 5.000 Einwohner hat und eine „Kleinstadt“ 5.000 bis 20.000 Einwohner, dann hat sich Cannstatt seit 1850, alsbald mit über 5.200 Seelen, zu einer ansehnlichen Kleinstadt entwickelt. Und geht man nach der Fläche, ist auch diese seit 1820 um ein Vielfaches angewachsen, bei geringer Bevölkerungsdichte mit nur sporadischer Bebauung. Zu den circa 50 Hektar der Altstadt sind mindestens 300 Hektar neuer Landfläche hinzu gekommen, das liegt an der Eingemeindung von Ortschaften wie dem Burgholzhof im Jahr 1852 mit mindestens 80 ha, dem Seelberg mit über 50 ha, den Trommelwiesen mit über 100 ha. Die Neckarvorstadt im Nordwesten hat jedoch länger zum Stadtgebiet gezählt. Die addierte Bebauungsfläche hat sich fast verdoppelt, auf einen verteilten Quadratkilometer bzw. zusammengerechnet nahezu 100 Hektar. Dreh- und Angelpunkt der rasanten Entwicklung seit 1850 ist das Bahnhofsviertel am Seelberg, mit den nebenan gerade entstehenden Fabriken als Arbeitsplatz. Aber auch der gute Ruf der Stadt als Heilbad hat zahlreiche Neuankömmlinge angelockt und bisweilen einige Kurgäste zum Bleiben animiert. In der Neckarvorstadt am westlichen Flussufer, im Bahnhofsviertel und um die Altstadt, welche sich seit dem Abriss der Stadtmauer um 1818 bis vor an den Neckar und auf der anderen Seite über den Wilhelmsplatz hinweg ausdehnt, sind neue Wohnquartiere entstanden. Zwischen Ludwigsburger, Garten- und Brückenstraße wächst die Stadt auch nach Norden, bis zur Erhebung auf der Altenburg. Zu diesen neuen Wohnblocks zählt eine beträchtliche Häuserzeile direkt am Fluss, genauer an den Uferpromenaden in der Stuttgarter Straße, gleich neben dem Wilhelmatheater. Beginnend mit dem Eckhaus von Carl Etzel, haben sich nach Osten seit den 1840er Jahren bereits elegante Häuser wie in einer Chaussee aneinandergereiht, gestaltet zunächst im klassizistischen Stil, der allmählich in den Historismus übergeht. Die ansprechenden Fassaden der Häuserreihe zwischen der Prag- und Brückenstraße werden noch von originellen Dachterrassen bekrönt, von denen sich eine reizvolle Aussicht auf den Neckar und die Stadt Cannstatt bietet.606 Bescheidenere Wohnblocks, die dafür allerdings dichter und zahlreicher besiedelt sind, haben sich um das Bahnhofsviertel herum gruppiert, von der Badstraße aus über die Bahnhofstraße bis zur Seelbergstraße. Hildt & 605 C. H. Beck 1900, S. 125 (Volkszählung vom 3.12.1871). Vgl. Hagel 2002, S. 92. 606 Die Häuserreihe in der heutigen Neckartalstraße ist wiederaufgebaut erhalten und steht unter Denkmalschutz. 99 Metzger, Geiger & Hesser oder C. Seeger sind einige der ersten Fabriken mit Abgasemissionen. Zu der urbanen Verdichtung zählt auch eine sukzessive städtebauliche Annäherung an den Stuttgarter Stadtteil Berg, den benachbarten Badeort, und an die Stadt Stuttgart selbst. Die um 1835 über dem Badgraben angelegte Badstraße, anhand derer auch noch der ursprüngliche Verlauf der alten Stadtmauer ein Stück weit nachvollziehbar ist, stellt praktisch einen Übergang von der Altstadt zur Neustadt her. Doch nur langsam dehnt sich die Altstadt über ihre alten Grenzen hinweg aus. Das urbane Wachstum hat zwar um den Wilhelmsplatz nach Süden in die Richtung des Bahnhofsviertels bereits eingesetzt, es ist aber längst nicht lückenlos geschlossen, eher vereinzelt und noch in den Anfängen befindlich. Schon bei der Planung der Cannstatter Königstraße als Allee 1850 war an ein Kurviertel gedacht. Die Allee verbindet, wie die am Sulzerrain, den Kursaal axial mit dem 1850 angelegten Wilhelms- Platz und später in weiteren Schritten Stuttgart mit dem Cannstatter Kurbezirk, wobei die wichtigen Anlagen und Mineralbäder in einer Achse liegen. Die 1850 geplante Königsallee war 1865 fertig.607 Ausstrahlend von der Königstraße werden großzügige Seitenstraßen, jeweils mit Allee, angelegt. Die Teinacher Straße, Taubenheimstraße und Martin-Luther-Straße führen ebenso auf den Kursaal zu, das heißt aus nördlicher und südlicher Richtung jeweils von der Seite. Daraus ergibt sich ein strahlenförmiges Straßenraster. Am Karlsplatz sind die Straßenachsen sternförmig gebündelt. Neben und hinter den dichten Häuserzeilen mit ihren Schaufassaden schließen sich häufig ausgedehnte Privatgärten an, versteckte Paradiese inmitten der Stadt. Zu den ersten Villen bzw. Wohnhäusern im neuen Kurviertel um die König-Karl-Straße zählen: Die Häuser Nummer 27 und 30, von den Architekten Braunwald und Weißinger in der Königstraße, bereits 1868 erbaut. Ein Wohnhaus in der Königstraße Nr. 10, erbaut 1872 durch Wilhelm Wälde, derselbe plante auch das Haus Königstraße 12 im Stil des Klassizismus. Gegenüber Haus 13, erbaut 1870 durch Johann Wendelin Braunwald im Stil des Klassizismus. Ein Wohnhaus in der Königstr. 14, entworfen 1870 von Architekt Weber. Haus Nr. 38 wird erbaut 1875 nach dem Plan von Johann Braunwald. Das Wohnhaus Nr. 42 in der Königstraße wird erbaut 1871 von Herrmann Knies im Stil des Historismus und der Neorenaissance. Die Wohnhäuser in der Kreuznacher608 Straße, Nr. 16 und 17, werden ebenfalls 1871-73 erbaut, im Stil der Neorenaissance durch Architekt Wilhelm Lutz. Ein weiteres Wohnhaus in der Kreuznacher Straße 21 entsteht 1879 durch Architekt J. C. Weißinger im Stil der Neorenaissance. Das Haus in der Daimlerstraße 16 wurde als Mietshaus 1873 erbaut durch Architekt Weißer. In den folgenden Jahrzehnten, verstärkt um 1900, werden zahlreiche Wohnhäuser mit prachtvollen Fassaden entstehen, detailreich und voll Ornament. Besonders beliebt sind Blattmotive, Gesichter, Fabelwesen, Tiere, Blumen etc. in historistischen, später in Jugendstil-Formen. Die Liebe steckt im Detail und lässt das Kurviertel in direkter Nähe des Kurparks zu einem würdigen, ansprechenden Raum werden. Die vielen Gesichter, Tiere und Fabelwesen, die es zu entdecken gibt, werden im Vorbeigehen meistens nicht gesehen, beim Verweilen aber überrascht zur Kenntnis genommen. Die „Lebewesen“ aus Stein machen diesen Lebensraum für die Heimischen zum vertrauten Wohnraum, für Fremde und Kurgäste zum Erlebnisraum. Das Haus König-Karl-Straße 42 ist mit Neorenaissance-Elementen verziert: Mäander-Friese über den Fenstern, Rosetten daneben und darüber einzeln in Rauten, tragende Konsolen unter einem mittigen kleinen Balkon und den Fenstergesimsen. Besonders prunkvoll die Belétage: Drei Pilaster mit Kapitellen ionischer Ordnung über dem Balkon, statuenlose Nischen zu den Seiten. Die Pilaster tragen scheinbar einen Balken, vielmehr ein Gesims, mit Medaillons, ein sehr großes Medaillon am zweiten Stock hat ein Relief darin, das eine figürliche Szene zeigt – die Aurora mit dem Licht nach Bertel Thorvaldsen. Ähnlich gestaltet zeigt sich das Haus Kreuznacher Straße 16, mit einer der 607 Vgl. Hans Otto Stroheker (et al.): „Streifzüge durch Cannstatt“, Stuttgart 1986, Kap. „Eine königliche Allee“. Erst später wurde die ehemalige Allee, weil es schon eine andere Wilhelmstraße gibt, benannt in „König-Karl-Straße“. 608 Die ehem. Ludwigstraße heißt heute Kreuznacher Str. Viele Villen wurden im 2. Wk. zerstört und wiederaufgebaut. 100 ersten Travertinfassaden überhaupt, ist symmetrisch609 erbaut mit zentralem Balkon und tragenden Konsolen. In das Auge sticht ein Medaillon mit Relief des Hermes im Dreiecksgiebel ganz oben. Ältere Beispiele typischen Wohnbaus in der Kurstadt finden sich, in klassizistischen Stilen, in der Brunnenstraße, Wilhelmstraße und der Neckartalstraße. Sie wurden zumeist zwischen 1820 und den 1840er Jahren erbaut. Zwischen 1870 und 1873 werden die Häuser Wilhelmstraße 17 und 19 erbaut. Wie üblich in Kurstädten,610 werden viele der Wohnungen aber nicht allein für den Eigenbedarf der Anwohner eingerichtet, sondern auch für Kurgäste hergerichtet, ob als einzelnes Zimmer, ganzes Appartement. Teilweise beziehen die Gäste auch für mehrere Wochen die Räumlichkeiten; andere bevorzugen ein Hotelzimmer, sofern noch frei. Aus dem Ausland kommen manche Personen und Familien sogar für mehrere Monate im Sommer, Damen und Herren kuren in der Stadt, wohnen in einer Villa, Eltern schicken ihre Kinder auf eines der Internate. Vermögende Cannstatter oder Stuttgarter vermieten in diesem nun gentrifizierten Stadtviertel diese Kurpensionen und Kurvillen. 1871 ist ein ereignisreiches Jahr: Der deutsch-französische Krieg hat Auswirkungen auf den Kur- Betrieb, das Glücksspiel wird auch außerhalb Württembergs verboten. Die deutschen Kleinstaaten werden zum Deutschen Kaiserreich vereint. Und 1874 überschreitet die Stadt Stuttgart zum ersten Mal in ihrer Geschichte die Einwohnerzahl von 100.000 Seelen. Stuttgart ist damit inzwischen zu einer Großstadt angewachsen und sichtbar hat diese Entwicklung auch Auswirkungen auf das nahe Cannstatt, das nicht nur gewerblich, sondern besonders als Wohnfläche attraktiv ist. Zum Vergleich: Die Einwohnerzahl von Cannstatt um 1874 liegt bei rund 11.000. Die großzügig angelegten Straßen im Kurviertel vermeiden Enge, beugen damit einer Fehlentwicklung vor und sind frühe, teilweise sogar anachronistisch anmutende, Beispiele ökologischer, grüner Stadtplanung. Außerdem sind die Wohnhäuser der Zeit allesamt anspruchsvoll als auch würdig gestaltet, was nicht selbstverständlich ist, wie sich später herausstellen wird. Ähnliche Beispiele gründerzeitlichen Wohnens sind auch im Stuttgarter Westen zu sehen. Reiche Bauherren besitzen oft mehrere dieser Häuser und vermieten sie. Man nennt das Viertel in der Folgezeit wie in anderen Städten auch, Pensionopolis.611 Einfache Leute können solch hohe Standards nicht bezahlen. Die Bewohner leben dort auch später vornehm. Das Zusammenspiel von scheinbar lebendiger Fassade und wirklich lebendigem, grünem Laub im Sommer verzaubert und entrückt in eine Phantasiewelt. An manche mäandernd gestaltete Hauswand reflektieren auf der Gartenseite Wellen eines Teiches oder Brunnens. Ein derart lebensbejahendes Ambiente kennt man sonst aus internationalen Städten wie Paris, Prag oder Rom. Außerdem aus Bädern in der Heimat, wie Baden-Baden, Wiesbaden, Karlsbad.612 Dieses Flair lädt geradewegs zum Verweilen ein, ob in einem öffentlichen Café, zu Gast in einem der Häuser oder bei der Lektüre mit einem Buch unter dem Alleebaum.613 Im Jahr 1874 wird der untere Kurpark zum ersten Mal erweitert, mit der Anlage des sogenannten „Stadtgartens“ an der damaligen Uhland- und Ludwigstraße.614 1875 schafft Bildhauer Johann von Halbig ein Reiterstandbild für den 1864 verstorbenen König Wilhelms I. Das Bronzebildnis ist für den 1850 entstandenen „Wilhelmsplatz“ in Cannstatt bestimmt.615 Die in Bronze gegossene Plastik von Halbig steht auf einem drei Meter hohen Postament aus dunkelrotem Maulbronner Sandstein. Wilhelm I sitzt aufrecht, aber Reiter und Pferd haben den Kopf nach unten geneigt. Mit der Höhe hat das Denkmal Fernwirkung, aus der Nähe betrachtet muss man nach oben sehen und erblickt dann das modellierte Gesicht des überlebensgroß verewigten Königs. Sein Haupt wird von einem 609 Während die 1871 erbauten Häuser symmetrisch gestaltet sind, löst sich die strenge Fassaden-Gliederung später auf. 610 Vgl. Pühringer 2016, Homburg, S. 57. 611 Anders als in florierenderen Kurstädten bezieht sich die „Pensionopolis“ in Cannstatt weniger auf die vereinzelten Kurpensionen als scherzhaft auf den Wohnsitz zahlreicher Cannstatter und Stuttgarter Pensionäre in dem Bezirk. Hierzu Hans Otto Stroheker (et al.): „Streifzüge durch Cannstatt“, Stuttgart 1986. 612 Nach deutschen/ württ. Badeorten (Wildbad, Teinach, Mergentheim etc.) werden die Straßen ab 1937 umbenannt. 613 Die Aufenthaltsqualität in der König-Karl-Straße ist heute wegen starkem Verkehrsaufkommen sehr beeinträchtigt. 614 Stadtarchiv Stuttgart, N 6.9.3.2. Vgl. Neues Tagblatt 2.8.1941. 615 Im Jahr 1881 wurde es direkt vor den Kursaal versetzt und war wohl ein Vorbild für das 1882-84 von Ludwig Hofer geschaffene Bild vor der Alten Staatsgalerie Stuttgart. Vgl. C. H. Beck 1900, S. 153 (Jahr 1881). 101 Lorbeerkranz gekrönt, die Gesichtszüge sind fein ausgearbeitet und er trägt einen Schnurrbart. Der Gesichtsausdruck ist erhaben, aber nachdenklich wirkend. Der Monarch trägt die Uniform eines württembergischen Offiziers mit langem Mantel und Schwert. Mit der linken Hand hält er die Zügel des Pferdes, mit der rechten eine Schriftrolle. Das Pferd wird gerade zum Stillstehen gebracht. Es hat allein den linken vorderen Huf angehoben und scheint zu schnaufen. Bei dem Tier handelt es sich vermutlich um einen Araber, wie Wilhelm I ihn bevorzugt ritt. Die bronzene Plastik ist im Stil des Klassizismus ausformuliert und beruft sich wiederum auf antike Vorbilder. Ein prominentes und wenig überraschendes Beispiel ist die einzig erhaltene Reiterstatue des alten Rom, die des Mark Aurel. Wie im Klassizismus üblich, nach der Antike zu arbeiten, passt dieses Werk ebenso zu König Wilhelm, der ein begeisterter Förderer des antikisierenden Kunststils war. [072] [073] [074] Verschiedene Sakralbauten für andere Konfessionen zählen zu den sehr verbreitet in Kurstädten anzutreffenden Sondergebäuden, die speziell für religiöse Kurgäste, Kolonien und die einheimische Gemeinde geschaffen sind.616 Am 24. August 1873 wird, in der Nähe des Wilhelmsbads sowie der Kursaal-Allee, bei einem Mammutbaum617 eine englische Methodistenkirche (methodist church) in der Karlstraße 17 eingeweiht. Die kleine, neogotische Kirche hat über dem westlichen Hauptportal einen 25 Meter hohen Turm ohne Glocke sowie einige Spitzbogenelemente. Eine kleine Gemeinde von 17 wesleyanischen Kurgästen ließ diesen Bau als eigene englische Kirche errichten, um darin methodistische Gottesdienste in ihrer Muttersprache abhalten zu können. Schon zuvor hatten erste Predigten in einer kleinen Kapelle im Kursaal stattgefunden, ab 1860.618 Entworfen nach englischen Vorbildern von Architekt Wilhelm Waelde (1802-1883), steht diese Kirche zwischen den Häusern einer Straße. Und am Freitag, den 15. September 1876 wird in der Königstraße 49619 um 17 Uhr außerdem die erste eigenständige Cannstatter Synagoge eingeweiht,620 als ein Umbau eines älteren Wohnbaus, mit vereinzelten orientalischen Dekorelementen, der unter dem Davidstern steht. Bereits um 1869 ließen englische Dauer-Kurgäste, als sogenannte Gastbürger, in der Stuttgarter Olgastraße, allerdings weit entfernt vom Cannstatter Kurbezirk, eine katholische Kirche errichten und als „Saint Catherine's“ weihen.621 Auch andernorts werden durch Kolonien oder Kurverwaltungen nicht selten russisch-orthodoxe Kirchen im neobyzantinischen Baustil, englische chapels im neoromanischen bzw. gotischen Stil, oder eben Synagogen im orientalisierenden Stil gebaut. Einzelne Cannstatter Bürger und neu Zugewanderte sind jüdischen Glaubens, es gab hier seit 1872 eine selbstständige israelitische Gemeinde mit eigenem Friedhof.622 Von 1879 bis 1881 wird außerdem ein Oberamts- 616 Vgl. Ziegler 2004, S. 178-181; Pühringer 2016, S. 58-59. Einschub: Da einige Glaubensrichtungen zudem auch das Seelenheil verheißen, sind Sakralbauten in Kurorten zu einem bestimmten Grad als Kurbetriebe interpretierbar. 617 Ein zweiter Mammutbaum rechts, der mit dem linken ein repräsentatives Tor bildete, verbrannte 1944 (Bildbelege). 618 Diese heutige „Christuskirche“ wurde, anders als kleine englische Kapellen zwischen Wohnhäusern, nicht etwa in Backstein ausgeführt. Die damalige Karlstr. 17 ist die heutige Daimlerstr. Nr. 17. Quelle: Olaf Schulze; siehe Hans- Martin Brombach/ Hans Waitzmann et al. (Red.): Festschrift „125 Jahre Evangelisch-methodistische Kirche Bezirk Stuttgart-Bad Cannstatt 1868-1993“ (Hrsg. EmK Stuttgart-Bad Cannstatt), Stuttgart 1993, S. 4-48. Die Christuskirche ist erhalten und steht unter Denkmalschutz – sie war 1944 zerstört: Hierzu Punkt 1940er dieser Arbeit. Für die englischsprachigen Gottesdienste interessierten sich wohl auch andere Ausländer: Vgl. Förderer 2010, S. 49. 619 Heute die König-Karl-Straße Nr. 45, mit einem Gedenkstein an die Synagoge sowie an die Reichspogromnacht. 620 Hierzu ausführlicher Rüdiger Schmidt, in: Joachim Hahn/ Jürgen Krüger (Hrsg.): „Synagogen in Baden- Württemberg. Orte und Einrichtungen“, Stuttgart 2007, S. 458. Daraufhin kam für Gläubige des Judentums ein Ritual-Bad (mikwe) in Cannstatt hinzu. Es befand sich im Badhotel Herrmann, später im Mineralbad Schiffmann, wie Rainer Redies vermutet. Redies wertete das Tagebuch einer Jüdin vom 14.7.1909 aus, die mit einer Verwandten in die Mikwe gegangen war. Die Mikwe ist ein rituelles, monatliches Bad für Frauen nach der Menstruation. Siehe Lentilius 1710, S. 3; Loh 1877, S. 28; Vgl. Bast/ Schwenk 2014, S. 65-67. 621 Diese neogotische Kirche wurde entworfen von Architekt Heinrich Wagner (1834-1897) und 1864-69 erbaut. 1944 wurden die Seitenschiffe des kreuzförmigen Baus durch Engländer zerstört und anders wiederaufgebaut. Die Kirche St. Katharina dient heute der altkatholischen Gemeinde sowie der anglikanischen und sie steht am Katharinenplatz (Olgastraße) in Stuttgart. Quelle: Informationen von Olaf Schulze vom 14.2.2020. Siehe auch die Geschichte dieses Kirchenbaus auf Englisch: https://stcatherines-stuttgart.de/about-st-catherines/history/. Aufgerufen 11.03.2022. 622 In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10.11.1938 wurde die Bad Cannstatter Synagoge niedergebrannt. Laut Jürgen Hagel gab es 1871 in Cannstatt mindestens 256 Juden und um 1900 etwa 484. Siehe Hagel 2002, S. 99. 102 Krankenhaus für alle Bürger und Gäste errichtet.623 [077] [078] Wie international die Kurgesellschaft zu dieser Zeit zusammengesetzt ist, zeigt auch ein Blick auf die „Kur- und Fremdenliste von Cannstatt und Berg“ vom 4. September 1875: Viele Kurgäste im Hotel Herrmann kamen aus aller Welt, unter anderem aus Russland, aus den USA (New York, New Orleans, Indiana), Frankreich (Paris), oder England. Im Hotel Wilhelmsbad waren im selben Jahr Gäste aus Kanada, aus England und der Schweiz untergebracht. Das Mineralbad Leuze besuchten Badegäste aus Ägypten (Kairo), aus der Schweiz, aus der Region Stuttgart bzw. aus Württemberg u. a. Die am häufigsten vertretene Gesellschaftsschicht ist, wie über die meiste Zeit in der Badeära von Cannstatt, das gehobene Bürgertum. Danach kommen die wohlhabenderen Leute, erst an dritter und vierter Stelle kommt der Adel sowie der Hochadel, letzterer meist mit seiner Dienerschaft.624 Unter den Badhotels in der Badstraße hervorzuheben ist ein Umbau und eine Umbenennung der vormaligen Heilanstalt von Jakob Heine: Wohl nur von 1873 bis etwa 1878 bestand ein Bad-Hotel unter dem Namen „Russischer Hof“ (Pусский двор) in der Badstraße Nr. 11,625 mit einer eigenen Mineralquelle sowie Badezimmern, es wurde wegen der wiederholt darin residierenden Gäste aus dem russischen Adel so genannt, als das Bad-Hotel Herrmann an Bedeutung verlor. Sogar russischorthodoxe Gottesdienste626 können seit 1825 von orthodoxen Christen, Kurgästen usw. in der über Obertürkheim und Cannstatt auf dem Württemberg für das Grab von Königin Ekaterina Pawlowna (1788-1819) bis 1824 erbauten russisch-orthodoxen Kapelle begangen werden. [079] Russen kamen zwischen 1816 und den 1880er Jahren insbesondere wegen der württembergischen Königin Olga Nikolajewna Romanowa (1822-1892) nach Stuttgart, Berg und Cannstatt. Festzuhalten bleibt: Die Urbanisierung der Kur führt von der spezifischen Stadtteilplanung über den Bäder-, Hotel- und Wohnungsbau bis hin zum Sakralbau. In anderen Stadtteilen allerdings kommt es seit einer Weile dagegen zu einer wenig gesundheitsförderlichen, konträren Entwicklung. 1880er. Parkerweiterung gegen Industriegebiete Lange Jahre war die Wilhelma, die einen Gutteil der Kurpromenaden am Neckar einnimmt, nicht für die Allgemeinheit geöffnet. König Karl passt diese Regelung auf den Wunsch seiner Untertanen hin an und veranlasst um 1880627 die Öffnung des königlichen Parks mit seinen weiten Wandelgängen, sehenswerten Gewächshäusern und prunkvollen Gebäuden im orientalisierenden Stil. Von nun an können beim Hofmarschallen-Amt im Alten Schloss zu Stuttgart Eintrittskarten erworben werden. Damit wird ein wichtiges Gelände, wenn auch nach wie vor nicht für jedermann offen, zumindest für vornehme Kurgäste zugänglich und wertet den Kurort auf. Der im Jahre 1881 neugegründete Cannstatter Verschönerungsverein macht sich die Erweiterung der Kuranlagen zur Aufgabe. Mit Ausnahme eines seit dem Jahre 1850 durch den Brunnenverein angelegten Tannenhains628 auf der südlichen Erhebung besteht noch kein sehr großer „Kurpark“ mit 623 Hierzu Leipner 1981. Das neue Krankenhaus ist ein Ersatz für das zu kleine, alte Krankenhaus auf dem Seelberg. 624 Kur- und Fremdenliste von Cannstatt und Berg vom 4.9.1875, veröffentlicht im XXXII. Jg. des „Neckarboten“. Vgl. 9.Anzeige der Schwäb. Chronik vom 15.07.1845: Liste der angekommenen Kurgäste in Cannstatt seit 5.7.1845. 625 Vgl. Jahrbücher für Statistik und Landeskunde von Baden-Württemberg, Bde. 12-14, Stuttgart 1968, S. 8; 30. Vgl. entsprechende Hotels in Baden-Baden, Bad Wildbad, Bad Ems, Schlangenbad oder abseits der Kurorte in Weimar. 626 Hierzu u.a. Paul Sauer: „Wenn Liebe meinem Herzen fehlt, fehlt mir die ganze Welt. Herzogin Wera von Württemberg (1854-1912)“, Filderstadt 2004, S. 123 ff. Vgl. Eberhard Zwink/ Stefan Strom: „Die Bibel und Württemberg. Die Bibelsammlung der Württembergischen Landesbibliothek“, Ausstellungskatalog, Stuttgart 2009, S. 73/ Vgl. Susanne Dieterich: „Württemberg und Russland. Geschichte einer Beziehung“, Leinfelden-Echterdingen 1995, S. 135. Bis 1899 fanden in der Grabkapelle regelmäßig Gottesdienste statt, heute nur noch am Pfingstmontag. 627 Siehe Schwäbische Kronik, II. Abtheilung des Schwäbischen Merkur, Jg. 1880. Vgl. Gerhardt 1936, S. 99. Seit 1864 waren Eintrittskarten nur namentlich an Einzelpersonen ausgestellt worden: Hierzu Karl Baedeker (Hrsg.): „Deutschland und Österreich. Handbuch für Reisende“, 15. Aufl., Koblenz 1872, S. 483. 628 Der Tannenhain bzw. das „Tannenwäldchen“ war ca. einen Hektar groß. König Wilhelm stiftete 2.500 Gulden. - 103 Rasenflächen oder Baumgruppen darauf; die Kuranlagen bestehen v.a. aus Alleen und kurvigen, baumbestandenen Spazierwegen mit dem Tannenwäldchen. Der Sulzerrain präsentiert sich teils mit freien Flächen und ist, abgesehen von den Aufgängen mit Baumreihen, dürftig begrünt. Nachdem ab 1874 bereits der sogenannte Stadtgarten in den unteren Kur-Anlagen, rechts der Allee nahe dem Wilhelmsbad, durch den Hofgärtner Baptist Müller und den Forstrat Karl Gebhardt angelegt wurde, folgen nun noch die Erweiterungsarbeiten des Verschönerungsvereins. Von 1881-1883 wird ein großer Mineralwassersee mit Fontäne auf den sumpfigen Wiesen südlich vor dem Kursaal angelegt. [087] Die Erweiterung der oberen und der unteren Anlagen rechts und links der Hauptallee erfolgt nach den Plänen des städtischen Gartenbauinspektors in Stuttgart, Adolf Wagner: „(...) Im Laufe der Jahre 1887 und 1888 wurden die Wiesenplätze bei dem Kohlerschen Garten, der Kursaalallee entlang, mit bedeutendem Aufwande (ca. 800 Mk.) in eine gärtnerische Anlage umgewandelt, als Erweiterung der in dieser Gegend bereits bestehenden Anlagen“.629 Einfache Schlängelwege zwischen einzelnen Baumgruppen reichen aus, um eine große Parkanlage herzustellen. Die Gestaltung entspricht dem Vorbild englischer Landschaftsparks. Außerdem wird, im Zusammenhang mit der Versetzung des Wilhelms-Denkmals vom Wilhelmsplatz hier her, der Vorplatz des Kursaals als „pleasure ground“ neu angelegt. Das Vorfeld erhält nun geschwungene Rasenflächen und Blumenbeete mit zwei kreisrunden Springbrunnenbassins in der Mitte, je rechts und links des Reiterstandbildes. Im naturidealisierenden Stil werden, wie der Name schon verrät, landschaftliche Mängel versteckt und die Schönheiten betont, die Ursprünglichkeit der Flora und der Baukultur herausgestellt. Darin stimmen die Gartentheoretiker der Epoche überein. Nicht anders war dies schon die Überzeugung der Engländer Brown und Repton oder des Deutschen Hirschfeld. Der Natur wird nicht mehr das strenge barocke Raster aufgezwungen, sie wird vielmehr idealisiert. Johann Heinrich Gustav Meyer (1816-1877) zählt zu den Gründern der deutschen Stadtgärten und Volksparks als Erholungsplätze. 1860 erschien sein einflussreiches Werk Lehrbuch der schönen Gartenkunst. Als Schüler von Peter Joseph Lenné (1789-1866) war er vertraut mit der Gartenkunst der Romantik, für die der englische Landschaftsgarten noch das Maß aller Dinge ist. Gustav Meyers Prinzipien entsprechen dem sogenannten gemischten Stil, mit sowohl organischen als geometrischen Formen. Insbesondere die Neuheit des Volksparks erregt Aufsehen und sorgt am Beispiel Berlin für Nachahmungen im ganzen Deutschen Kaiserreich. Für Cannstatt passt die Meyer'sche Schule gut, weil seine Lehren einerseits dem alten Baumbestand des Kurparks entgegenkommen und der Kurpark andererseits eben zu den öffentlichen Parks zählt.630 Ähnlich verfahren wird im oberen Kurpark, in dem sogenannte Brezelwege631 um einen zentralen Rundweg mit gerade darauf zulaufender Wegführung gruppiert sind. Die Kurwege sind so angelegt, dass sich die promenierenden Gäste hier zuerst einmal begegnen und unterhalten, daraufhin weiter laufen, jedoch aufgrund der Wegeführung unweigerlich wieder aufeinander treffen.632 Verlegen oder erfreut halten sie Konversation, gehen auseinander, stoßen bisweilen ein drittes Mal aufeinander. Damit ist die Kurpromenade wohl beendet. Die oberen und die unteren Anlagen nehmen jetzt beide jeweils eine Grünfläche von rund fünf Hektar ein, insgesamt ist der neue Kurpark etwa 10 Hektar groß. [086] Zwischen dem Portierhaus, vormals Füllhaus, und dem Karl-Olga-Bad stellt der Brunnenverein um 1889 ein durch den Stadtbaumeister Weber gezeichnetes Gewächshaus auf. [089] Darin können exotische Pflanzen aus dem Kurpark überwintert werden, das Glashaus ist eine Sehenswürdigkeit für Besucher. Die unteren Anlagen werden nördlich und südlich begrenzt durch die Paulinen- und 1877 seien einige Tannen illegal gefällt worden: Hierzu Calwer Wochenblatt vom 20.12.1877. Quelle: Olaf Schulze. 629 Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 903, Inv. Nr. 2610/3: Verschönerungsverein - Rechenschaftsberichte und Festschrift. „Rechenschaftsbericht über das Jahr 1905 nebst Festbericht über die Entwicklung und Tätigkeit des Vereins in den ersten 25 Jahren seines Bestehens“, S. 2-6. Auf dem Wilhelmsplatz wird eine weitere Fontäne geschaffen. 630 Vgl. Bott 1985, S. 16 ff. Bott hat gezeigt, dass der Kurpark den Prinzipien von Meyer und Eduard Petzold entsprach. 631 Sog. „Brezelwege“ sind geschwungene Wege, die sich in Form von Brezeln an bestimmten Punkten wiedertreffen. 632 Information von Kilian Bezold, Garten- Friedhofs- und Forstamt der Stadt Stuttgart, Interview vom 13.12.2017. 104 die Uhland Straße, parallel zu der mittleren Kursaal-Allee, welche die Anlagen mittig unterteilt. Im Osten und im Westen bilden der Kursaal und das Wilhelmsbad die Grenzen. Im Wilhelmsbad gibt es ab 1889 keine Kurmittel mehr; das Gebäude wird zu einer Schule umfunktioniert. Als Ersatz für Kurkonzerte und Orchester, die lange mit einer eigenen Kurkapelle im Garten des Wilhelmsbades stattgefunden hatten, und als weitere Attraktion, wird auf der südlichen Seite des Kursaals dann ein hölzerner Musikpavillon mit sehr guter Resonanz aufgestellt. Auch dort spielt nun die Kurkapelle. Zweimal täglich wird in dem Pavillon gespielt, die Kurgäste und Cannstatter nennen ihn auch die Konzertmuschel.633 [097] Am Aussichtspunkt auf dem Sulzerrain, der auf die von Wilhelm I verfügte erste Aussichtsterrasse zurückgeht, wird ein andersartiger, fortan kreisrunder Platz geschaffen. Von dort aus öffnet sich ein spektakulärer Panoramablick über die Altstadt von Cannstatt hinweg nach Stuttgart, ein Motiv, das prädestiniert ist für romantische Gemälde. [062] In der Mitte dieses Aussichtsplatzes wird ein neuer Brunnen mit 6 wasserspeienden Drachen aufgestellt. [088] Als besonderen Blickfang, erneut das reiche Mineralwasservorkommen dieses Ortes symbolisierend, installiert der Verschönerungsverein an dem steilen Felshang des Sulzerrains hinter dem Kursaal einen künstlichen Wasserfall.634 Eine ganz andere Innovation nutzt seit 1882 nicht etwa Mineralwasser, sondern Mineralöl aus der Apotheke. In den ungewohnt turbulenten Zeiten der industriellen Revolution lässt sich im Jahre 1882 ein Ingenieur in Cannstatt nieder, der diesen Stadtnamen nicht mehr als Kurort, sondern als Fabrikstadt weltweit bekannt machen wird, sein Name: Gottlieb Daimler. Der 1834 im wenige Kilometer östlich von Cannstatt gelegenen Schorndorf geborene Daimler als gelernter Büchsenmacher ist erst durch Vermittlung von Ferdinand Steinbeis zum Maschinenbauer geworden. Er konnte ab 1857 ein Maschinenbaustudium an der Polytechnischen Schule in Stuttgart aufnehmen. Nach dem Studium ging er von der Karlsruher Maschinenbaugesellschaft, wo er einige Jahre erfolgreich tätig war, um 1872 zur Gasmotorenfabrik Deutz nach Köln. Wegen eines Streits mit Nicolaus Otto (1832-1891) verlässt er das Werk in Köln 1882 und zieht vorerst zurück nach Schorndorf, richtet in Cannstatt seine Motorenwerkstatt ein – direkt neben dem Kurpark. Er kauft ein Anwesen in der Taubenheimstraße 13, das wenige Jahre zuvor als Villa in dem neuen Kurviertel erbaut worden ist, und funktioniert dort ein Gewächshaus im Garten der Villa zur Werkstatt um. Daimler lässt sich nicht zuletzt wegen eines Herzleidens im Kurort nieder.635 Spätestens jetzt vollzieht sich der Wechsel vom Kurort zur Fabrikstadt, mit weitreichenden Folgen für die moderne Welt insgesamt: Unternehmer erkennen das Kapital und setzen anstatt auf die schwächelnde Badewirtschaft jetzt auf die Automobilwirtschaft. Cannstatt ist jetzt eine „Werkstatt“. Ein Kurort ist erneut Schauplatz der Innovation: Am 10. November 1885 fährt Gottlieb Daimlers Sohn Paul mit dem ersten „Reitwagen“ von Cannstatt nach Untertürkheim. Im Jahr darauf fährt Gottlieb Daimler mit dem ersten Motorwagen durch die Straßen von Cannstatt. Die folgenden Jahre verlaufen für Daimler sehr erfolgreich, er entwickelt gemeinsam mit Wilhelm Maybach, mit dem er seit 1865 zusammenarbeitet, 1885 das erste Motorrad der Welt (Reitwagen) und 1886 auch das erste Motorboot der Welt, das auf dem Neckar seine Jungfernfahrt feiert. Weitere Motorboote werden an der Stelle des ehemaligen Aktien-Flussbades von 1869 gegenüber dem Wilhelmatheater zu Wasser gelassen. Gottlieb Daimler hatte die Bauten des Bades übernommen. Auch die erste mit einem Verbrennungsmotor betriebene Straßenbahn der Welt verkehrt, im Jahr 1887 als eine provisorische Volksfest-Attraktion, entlang der Stationen Cannstatter Bahnhof – Wilhelmsplatz – Kursaal und ist 633 Das Bauwerk ist erhalten und steht unter Denkmalschutz. Im Lauf der Zeit veränderte sich die Gestalt der Muschel teilweise. Ursprünglich hatte sie, mit markantem Türmchen über dem Resonanzkörper, ein anderes Aussehen. Der Musikpavillon wurde zwischen 1880 und 1900 aufgestellt. Quelle: Pro Alt-Cannstatt, Kalender mit Abb. 2020. Ein Vorläufer bestand spätestens seit 1867: Siehe Veiel 1867, S. 16. 634 Vgl. Beck 1900, S. 347. Seit den 1920er Jahren ist der Wasserfall nicht mehr in Betrieb, obwohl in den 1950er und 1980er Jahren überlegt wurde, ihn wieder instand zu setzen. 1985 machte Dipl. Ing. Michael Bott diesen Vorschlag. Ein weiterer Wasserfall fiel bis ca. 1910 von der Altenburger Steige am Bereich Lindenstraße (heute Krefelder Str.) herab. Auf der Cannstatter Stadtkarte von 1906 ist dieser natürliche Wasserfall eingezeichnet. (Vgl. Kieferle 2016). 635 Informationen aus der Gottlieb-Daimler-Gedächtnisstätte in Bad Cannstatt (Schautafeln mit informativen Texten). 105 eine zeitweilige Attraktion, die in diesem Jahr Fahrgäste an den Kursaal lockt. Auf dem Gebiet des Benzin-Verbrennungsmotors werden durch Gottlieb Daimler in der Folge zahlreiche revolutionäre Patente angemeldet,636 welche die Grundlage bilden für das weltbewegende Wunder der Technik, das Automobil, das von Daimler und Maybach zwar nicht ganz neu erfunden, aber eben fahrtüchtig gemacht werden kann. Parallel dazu arbeitet der Ingenieur Carl Benz (1844-1929) in Mannheim auf demselben Gebiet.637 Am 18. Juli 1886 wird ein neuer eiserner Steg auf die Sauerbrunneninsel eingeweiht, den Gottlieb Daimler als Mitglied des Verschönerungsvereins der Stadt Cannstatt gestiftet hat. Der Steg wird nicht nach Daimler benannt, sondern „Karl-Olga-Steg“.638 [082] Als die Automobilproduktion um 1900 sprunghaft in die Höhe schnellt, zieht das rasch wachsende Daimlerwerk nach Untertürkheim um, wo es neben der alten Cannstatter Niederlassung ausreichend Fläche zur Verfügung hat für die Produktion moderner Kraftfahrzeuge mit dem dreistrahligen Stern. In der Folgezeit entwickelt sich das Areal zwischen Cannstatt und Untertürkheim zu dem größten Industriegebiet und löst damit das Industriegebiet am Bahnhof ab. Internationaler Austausch fördert sowohl die sportliche Kultur als auch die gewerbliche Struktur: Fabriken wurden in Cannstatt bis in die 1850er Jahre hinein hauptsächlich mit umweltfreundlicher Wasserkraft betrieben. Die weite Verbreitung der in England erfundenen Dampfmaschine639, die mit Kohle arbeitet, löst das Wasserrad nun ab. Eine äußerst rasch steigende Anzahl von Öfen verbrennt Holz- und Steinkohle, dabei entsteht Ruß, der einfach mit hohen Schornsteinen oder Schloten in die Luft geblasen wird. Aber auch die Kur-Dampfbäder verursachen eigene Emissionen. Die dunklen Rauchwolken stören seither den Kurbetrieb empfindlich. Zudem werden sukzessive Wohnungen mit Heizungen ausgestattet, die ebenso Staub und Rauch ausstoßen. Auf den Punkt gebracht, ist es die Reinheit der Luft und die Ruhe im Kurort, die mittlerweile bedroht sind. Seit 1865 befindet sich die Maschinenfabrik der Gebrüder Decker & Co. am Seelberg, direkt am Bahnhof.640 Dort liegt das weitaus größte Industriegebiet der Stadt.641 Seit 1887 ist die Ludwigstraße 67 im Stadtteil Seelberg auch der Sitz des Motorenwerks von Gottlieb Daimler. Am anderen Ende dieser Straße liegt der untere Kurpark. 1890 wird in dem Fabrikgebäude, das Daimler der Vernicklungsanstalt Zeitler & Missel abgekauft hatte, die berühmte Daimler-Motoren-Gesellschaft gegründet werden. Neue Dampfmaschinen werden auch direkt in Cannstatt produziert, wie bei Aßmann & Ketterer oder ab 1881 auch bei der Firma Stoll in der Lindenstraße.642 Am Mühlsteg beim ehemaligen Hafen befindet sich das zweite, kleinere, aber ältere, Industriegebiet der Stadt, auf der anderen Seite des Neckars und weitaus näher am Kurpark. Hier, am sogenannten Mühlgrün, befinden sich seit der Eröffnung des Hafens um 1713 die ältesten Fabriken und Mühlen, die sich die Wasserkraft zunutze machen. Die Dampflokomotive pfiff die moderne Entwicklung an und sie ist es gleichzeitig, die sämtliche Fabriken mit Kohlen, Rohstoffen, Fertigteilen versorgt. Im Bahnhofsviertel, zwischen Seelberg und 636 Siehe hierzu P. Siebertz 1944: „Gottlieb Daimler und Karl Benz - Die Anfänge der Verkehrsmotorisierung“/ F. Schildberger 1968: „Gottlieb Daimler, Wilhelm Maybach und Karl Benz“/ P. Kirchberg 1981: „Carl Benz, Gottlieb Daimler, Wilhelm Maybach“/ Manfred Gihl: „Im Dienste der Feuerwehr - Gottlieb Daimler, Carl Benz und Ferdinand Porsche“, S. 23 ff. u.a. 637 Erst nach dem Tod Gottlieb Daimlers wird die Firma von Carl Benz 1926 mit der Firma Daimlers als „Daimler- Benz“ fusionieren. Eines der ersten fabrikneuen Automobile der Welt erwarb der Cannstatter Arzt Dr. Gottlieb Schöffler: Vgl. Klein 1956, S. 57. 638 Das ehemalige Anwesen von Gottlieb Daimler wird später zu einem Teil des Kurparks. 1894 lässt noch Daimler selbst einen Aussichtsturm in seinem Garten aus Travertinstein errichten, der heute unter Denkmalschutz steht und Teil des Kurparks ist. Am Tag des offenen Denkmals kann er häufig besichtigt werden. 1936 ist die ehemalige Villa Daimler zu einer städtischen Kuranstalt umfunktioniert worden. Im 2. Wk. wurde sie zerstört. Die ehem. Werkstatt in dem Gewächshaus ist heute die „Gottlieb-Daimler-Gedächtnisstätte“. Quelle: G.-Daimler-Gedächtnisstätte. 639 Entwickelt 1712 von T. Newcomen in Newcastle, wurde sie ab 1769 durch J. Watt weiterentwickelt. In Deutschland wurde 1785 die erste Dampfmaschine im preußischen Burgörner verwendet und war Mitte des 19. Jhs. Verbreitet, transportiert über die Schienen. Hierzu O. Wagenbreth et al. „Die Geschichte der Dampfmaschine“, Münster 2002. 640 Vgl. Hagel, S. 71-102: Sie wurde gegründet von Ferdinand Decker (1835-1884). Daraufhin Betrieb mit dem Bruder. Die Knochenmühle von Gottlieb Waldmann war um 1854 der erste Cannstatter Betrieb mit eigener Dampfmaschine. 641 Die heute parallel zu den Bahngleisen verlaufende „Deckerstraße“ erinnert an das Industrieviertel an diesem Ort. 642 Hauptstaatsarchiv Stuttgart, E 146 Bü 2330. Die Lindenstraße heißt heute Krefelder Straße. 106 Wilhelmsplatz unweit des jüngst erweiterten Kurparks, werden die vollgeladenen Güterwagons entladen. Der erste Güterumschlagplatz war der Hafen im Mühlkanal für die Neckar-Dampfschiffe gewesen, mit der Eisenbahn verlor er an Bedeutung und wurde 1879 vorerst für den Güterverkehr geschlossen. Mit der Energie der Dampfkesselmaschine werden in erster Linie Räder angetrieben. Die Fabrik Gebr. Decker stellt Maschinen her, ist Eisengießerei und Dampfkesselschmiede.643 Als eine der ersten ihrer Art arbeitet sie mit Hochöfen anstatt mit Wasserkraft o. ä. und beschleunigt nebenbei diese Form des Wirtschaftens. 1880 hatte Decker als erster in der Stadt elektrisches Licht. 1882 verkaufte er sein Werk an die Esslinger Maschinenfabrik für 2 Millionen Mark.644 Bald sind hier inzwischen mehr als 1.000 Arbeiter angestellt. Wie die Eisenbahn, versorgt die weiter an dieser Stelle betriebene Fabrik die hier neu entstehenden und umliegenden Industriebetriebe mit den technischen Waren. Allerdings führen parallel dazu übrigens auch die ersten Badehäuser eigene Dampfkessel für heiße Bäder ein: So das Badhotel von Herrmann und Formis, die Heilanstalt von Dr. Heinrich Ebner, am Sulzerrain das Maurische bzw. Karl-Olga-Bad.645 Auch die Bäder selbst sind es also, die seither Emissionen erzeugen. Erst langsam, dann aber immer bestimmter, wächst die Gefahr, die Kur zu zerstören. Anfangs stiegen nur vereinzelt Rußwolken aus den Schornsteinen in das Cannstatter Firmament auf. Jetzt, um 1885, sind die Emissionen aber in einen bedrohlichen Bereich angestiegen und nun hat sich das Industriegebiet so weit ausgedehnt, dass es zu nahe an das Kurviertel heran gerückt ist, ja dieses umzingelt. Man kann davon ausgehen, dass die Kurpraxis jetzt zusätzlich von Lärmquellen beeinträchtigt ist. Der Kurbezirk ist unterdessen eingeengt.646 Krach und Ruß verdrängen das geschwächte Kurwesen, geschäftstüchtige Investoren setzen nun auf die produktiven Wirtschaftszweige, nicht mehr auf die Badewirtschaft. Die Bäder machten ohnehin nur einen Bruchteil des betrieblichen Umsatzes aus, und dies lediglich während der Sommermonate. Die neuen Industrien hingegen verschaffen gerade den Cannstattern lebensnotwendige, zuvor nicht in der Weise und Anzahl dagewesene Arbeitsplätze. Die Haupterwerbszweige haben lange Zeit auf Landwirtschaft und Weinbau gelegen, gefolgt von traditionellen Handwerksbetrieben wie Bäcker, Metzger, Maurer, Schuster, Schneider, Schreiner, Tuchmacher, Zimmermann.647 Auch das Bauwesen erlebt in der Gründerzeit eine Blüte. Zahlreiche Kurgäste bleiben nicht zuletzt infolge der Umweltbelastung fern.648 Der Kurbetrieb gerät aufgrund dieser Vernachlässigung zusehends in das Hintertreffen, Bäder veralten, gleichzeitig fehlt das Geld zur Modernisierung und andere Kurorte steigen empor. Dorthin zieht es von nun an das Publikum. Man reist mit der Eisenbahn etwa in das württembergische Wildbad, nicht mehr wie noch anfangs durchaus nach Cannstatt.649 Erstmals macht sich eine Verschmutzung des Neckarwassers, etwa in den Flussbädern, bemerkbar. Man fürchtet auch die Verbreitung der Cholera. Deshalb klagen u.a. Flussbad-Betreiber 1884 die Stadt Stuttgart auf Schadenersatz an und fordern die Unterbindung der Einleitung des Nesenbachs, als Abwasserleiter, in den Neckar oberhalb Cannstatts. Parallel dazu wird die jetzige Großstadt Stuttgart als Reiseziel attraktiver, mit dem Bahnhof direkt am Königsbau, mit Galerien, Museen, Wirtschaften und Bädern, wie etwa mit dem „maurischen“ Schwimmbad in der Büchsenstraße.650 Am besten laufen noch die letzten Cannstatter Badehotels, 643 Vgl. Uli Nagel: „Wiege der Industrie am Deckerbuckel“, in: Eßlinger Zeitung vom 19.08.2009. 644 C. H. Beck 1900, S. 154. 645 Einen Kohleverbrennungsofen gab es seit 1846 im beheizten „maurischen Bad“ mit Treibhäusern in der Wilhelma. 646 So hilfreich die industrielle Kaufkraft für den Kurort auf der einen Seite war, so schädlich war doch die Belastung für die Badewirtschaft auf der anderen. Die paradoxen Entwicklungen sind eine der Hauptthesen dieser Arbeit. 647 Vgl. Hagel 2002, S. 74. In der Gründerzeit kommt auch das als gesundheitsfördernd geltende Barttragen in Mode. 648 Die Zahl der Kurgäste betrug im Jahre 1896 sowie in den folgenden Jahren nur noch knapp 100. Quelle: Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 903 Cannstatt, „Kurgäste am Sulzerrain 1880-1914“. 649 Z.B. das Graf-Eberhardbad in Wildbad wird in den Jahren neu mit Badehallen im maurischen Stil ausgestattet. Hierzu u.a. Föhl 1988. 650 Das Schwimmbad im orientalischen Stil wurde 1889 nach Entwürfen von Wittmann & Stahl erbaut. Versorgt war es nicht etwa mit einer Mineral- oder Heilquelle, sondern mit gewöhnlichem Brauchwasser aus der Stuttgarter Leitung: Vgl. Ellen Pietrus, in: Grötz/ Quecke 2006, S. 159 ff./ Stefan Koppelkamm: „Exotische Architekturen im 18. und 19. Jh.“, Berlin 1987, S. 134;135. Offensichtlich griff das Bad den Stil des ersten Stadtbades am Sulzerrain wieder auf. 107 weil sie eben nicht nur wirkliche Kurgäste, sondern zudem ganz allgemeine Gäste und Industrielle beherbergen, wie das neu hergerichtete städtische Logierhaus am Sulzerrain. Um das Werk von Daimler zu besuchen, reisen erste Automobilpioniere an. Das alte Daimlerwerk in der Ludwigstraße 67 wächst und stößt an die Grenzen seiner Auslastung. Es wird daraufhin nach Untertürkheim umziehen.651 Derweil wachsen die ersten Fabriken am Seelberg weiter, mit Geiger & Hesser, der Firma C. Terrot, der Maschinenfabrik Seeger.652 Die Esslinger Maschinenfabrik, zuvor Decker, verfügt über eigene Gütergleise, die alle Waren direkt in die Fabrik liefern – und besonders ausliefern.653 Der Bahnhof war 1845 bewusst nicht zu weit entfernt vom Kurpark eröffnet worden. Doch die Profiteure sind meist die Industriellen. Das Bahnhofsviertel bringt in langfristiger Hinsicht keinen nachhaltigen Gewinn für den Kurpark, es wird im Gegenteil sukzessive mehr zum Nachteil: Der Kurbetrieb hat durchaus noch in den ersten 20 Jahren nach Inbetriebnahme gewonnen, dann haben sich die Verhältnisse jedoch umgedreht. Etwa ab 1885 hat sich die Zahl der Fabriken mit interner Verwendung von Dampfmaschinen bis hin zu einer Belastung der Umwelt erhöht. Weitere Fabriken finden sich vereinzelt, auch als kleine Industriegebiete: An der Pragstraße neben dem Wilhelma-Theater, schon seit 1832 in der Hallstraße, in der Haldenstraße sowie in der Schmidener Straße in nächster Nähe des Kurbezirks.654 Die ersten Arbeitermietshäuser werden in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Fabriken errichtet, Eisenbahnersiedlungen an den Bahnhöfen. Welche Interessengruppen standen sich nun gegenüber und gab es möglicherweise Streitigkeiten oder doch Schnittpunkte ihrer Interessen? Sowohl an Einzelpersonen als auch in Form von Vereinen oder Firmen lassen sich die verschiedenen Lager nennen: Einerseits der Brunnenverein sowie der Verschönerungsverein als Hauptverfechter des Kurbetriebs, andererseits zum Beispiel die Daimler- Motoren-Gesellschaft oder die Maschinenfabrik der Gebrüder Decker als die treibenden Kräfte der Industrialisierung. Dass ausgerechnet Gottlieb Daimler eine motorisierte Straßenbahn entwickelte, die zwischen Wilhelmsplatz und Kursaal fährt, sowie, dass Daimler einen Steg für den Kurbetrieb auf der Insel stiftete, zeigt, dass es gemeinsame Interessen gibt. Dem Verschönerungsverein 1881 steht mit Karl Bechstein ein Industrieller vor. Diese Verhältnisse belegen, dass die Verantwortlichen durchaus an einem Strang ziehen. Einzelne „Wohltäter“ wie diese können den Rückgang der Kur aber letztlich nicht verhindern. [082] [083] [094] Als Teil einer ganzen Reihe von Industrieballungsräumen im mittleren sowie unteren Neckarraum, von Esslingen bis Mannheim und Rhein-Neckar, gehört Cannstatt bereits zu dem Netzwerk und ist längst kein Einzelfall einer historisch verwurzelten Agrarstadt, die sich rapide zu einer modernen Industriestadt entwickelt.655 Wir sprechen hier von einem der bedeutendsten deutschen Industrie- Großräume nach dem Rhein-Ruhrgebiet.656 Unter Industrialisierung versteht man auch konsequente, rücksichtslose Transformation der bisher dagewesenen Strukturen. Die Arbeit ist das entscheidende Stichwort, sie hat nach der Landflucht die Urbanisierung zur Folge und verändert in unmenschlicher Geschwindigkeit das Gesellschaftssystem in ganz Europa, ja weltweit. Einerseits verschaffen die „Maschinen“ neue Arbeit, andererseits ersetzen sie den Arbeiter dahinter. Dieser kann mit ersterer überhaupt nicht Schritt halten, wird obsolet, ist bei der Arbeit überfordert und überlastet. Daraufhin geht er in die Kur-Bäder.657 Aber die weite Reise bleibt kostspielig; man bleibt im Lande und kurt als Arbeitstätiger im großen Gegensatz zum Aristokraten oder Kosmopoliten bestenfalls sonntags. 651 Ab 1900 lagert die Motorenfabrik nach Untertürkheim in die Mercedes Str. 137 aus, bis heute eine Niederlassung. 652 Alfred Ritter hat 1912 in der Moltkestraße, heute Dürrheimer Str., die bekannte Schokoladenfabrik Ritter eröffnet. Hierzu auch Christiane Eifert: „Deutsche Unternehmerinnen im 20. Jahrhundert“, München 2011, S. 48-49. 653 Siehe auch die Publikation: „Maschinenfabrik Esslingen – Filiale Cannstatt, Abt. für Bau- und Ornamentenguss“, Verkaufskatalog, Esslingen 1890. 654 Vgl. Manfred Schmid: „Prima Donna. Zur wechselvollen Geschichte einer Cannstatter Korsettfabrik“, Begleitband zur Ausstellung im Stadtmuseum Bad Cannstatt vom 29.2.2012 bis 30.9.2012, Stuttgart 2012, S. 15. 655 Beispiel einer Bäderstadt ist das industrialisierte Aachen. Auch in Wiesbaden entstehen am Stadtrand erste Fabriken. Friedrichshall am Neckar ist erst Saline und dann ein Bad. Hierzu „Bad Aachen“ und „Wiesbaden“, in: Bothe 1984. 656 Angesichts dieser Grundlagen ist das Land Baden-Württemberg bis heute hoch industrialisiert und wirtschaftsstark. 657 Um 1900 entwickelt sich aus den Bismarck'schen Sozialgesetzen auch das Recht auf die Arbeiterkur. Hierzu Leon Zeitlin: „Fürst Bismarcks socialpolitische Anschauungen“, Leipzig 1902, S. 85. Die Kur bleibt dennoch Privileg. 108 Die Kurgesellschaft repräsentiert keineswegs die einfache Gesamtbevölkerung.658 Vielmehr erprobt ein gehobener Kreis von Adeligen, Politikern, Industriellen, Künstlern usw. als Vorreiter moderne Lebensstile.659 Es ist ein Abhängigkeitsverhältnis und äußert sich durch Angebot und Nachfrage.660 Karlsbad in Böhmen z.B., bekannt als „Schachbrett Europas“,661 gewinnt an Bedeutung. Die Schere zwischen großen Bädern als Bühnen der Weltpolitik, und kleineren Bädern als wirksame Heilbäder, geht nun weiter auseinander.662 Die Stadt Cannstatt erkennt den sozialen und strukturellen Wandel wohl und will sich bemühen, das Bad immerhin für die eigene Bevölkerung und für Anrainer zu erhalten und modernisieren. 1890er. Bewegungsspiele und Stadtbad Von 1890 an werden zunächst einige Projekte der Parkerweiterung und Kursaalbauten fortgesetzt.663 Ein gläserner Verbindungsgang wird 1891 nach Plänen von Stadtbaumeister Karl Weber zwischen Kursaal und Restauration erstellt. Der Cannstatter Verschönerungsverein lässt nach den Plänen von Friedrich Keppler 1891 einen 27 Meter hohen Aussichtsturm auf dem 359 Meter hoch gelegenen Burgholzhof im Stil eines römischen Wachturms aufstellen. [090] Die feierliche Einweihung findet am 19. September 1891 statt. Der Turm zählt zu den für Kurgäste erschlossenen Ausflugszielen in der Umgebung des Cannstatter Kurparks.664 Von der in 18 m Höhe liegenden Aussichtsplattform bietet sich ein Panoramablick auf Cannstatt und den Kurpark, nach Stuttgart, bis Esslingen und im Hintergrund auf die Berge der Schwäbischen Alb. Das ehemalige Füllhaus, jetzt Portierhaus oder Pförtnerhaus, wird 1892 durch den Stadtbaumeister Weber rückwärtig mit einem Abtritt (Toilette) verbunden. Daneben wird an der Restauration hinten eine Waschküche angebaut. Um die Ausgaben für die neuen Bauten und Parkanlagen zu kompensieren, wurde, vom Vorplatz ausgehend, der Kursaal mit den oberen Anlagen umzäunt. In einem Kassenhäuschen nach dem Entwurf von Weber wird ab 1896 Eintrittsgeld erhoben, zu zahlen auch als Kurtaxe, für den Zugang in den Kursaal, den Brunnenhof und die oberen Parkanlagen. [095] [096] Von dem Aussichtsturm auf dem Burgholzhof ist auch der Württemberg sichtbar. Im Königreich Württemberg werden neben den Verschönerungsvereinen, Kultur- und Kurvereinen auch einige der ersten deutschen Sportvereine gegründet. Der Turnverein Cannstatt TVC hat bereits seit 1846 den Status eines eingetragenen Vereins. In deutschen Kurorten verbreiteten sich zusehends Sportarten nach englischem Vorbild: Lawn-Tennis, Cricket, Croquet, Pferderennen, Golf, Rugby, Fußball.665 Cannstatt war noch besuchter Kurort, als hier nennenswerte Heilanstalten und Internate angesiedelt waren, wie z.B. das Klose'sche Knaben-Internat. Dessen Schüler setzten sich aus internationalen Jungen zusammen, viele von ihnen kamen aus Großbritannien an den Neckar, wie z.B. William Cail (1849-1925). 1862 schon hatte Cail das englische Rugbyspiel in Cannstatt bei Klose mit eingeführt. Er berichtet auch von Fußballspielen auf dem Cannstatter Wasen, die seit 1865 ausgetragen worden 658 Vgl. Förderer, S. 22: Politische Ereignisse und Zitate aus Kurorten sind: 'Emser Depesche', 'diplomatie thermale'. 659 Siehe hierzu ausführlich das Werk von Fuhs 1992, bes. S. 137 ff.: Es sind die Grundlagen moderner Freizeitkultur. Der Begriff „Tourist“ findet sich erstmals um 1880 im „Deutschen Wörterbuch“ nach Jacob und Wilhelm Grimm. 660 Vgl. Meike Sonnenschein: „Der Gesundheitsvorsorgetourismus in Deutschland. Angebot und Nachfrage im Wandel“, Berlin 2009. Die Freizeitgestaltung und der Tourismus überhaupt werden sich erst im 20. Jh. entfalten. 661 Heinrich Laube: „Karlsbad“, in: „Reisenovellen“, Bd.1, (Erstveröffentlichung Leipzig 1834), Neuaufl.: „Laube's - gesammelte Schriften“, 8. Bd., „Reisenovellen I“, Wien 1877, S. 94. 662 Vgl. Fuhs 1992, S. 260 ff./ Eidloth 2012, S. 28. Noch heute gibt es Staatstreffen in großen Bädern: Vgl. Hans-Peter Mengele, in: Förderer 2010, S. 9. Baden-Baden, Heiligendamm und Davos sind drei bekannte Beispiele. 663 Der Brunnenverein beauftragte um 1890 das Architekturbüro von Ludwig Eisenlohr mit der Planung zu einer neuen Kur-, Restaurant- und Hotelanlage, die aber nicht zur Ausführung kam. Vgl. Annette Schmidt: „Ludwig Eisenlohr. Ein architektonischer Weg vom Historismus zur Moderne“, Hohenheim 2006, S. 146. 664 Vgl. hierzu Kap. XIX und 1830er. 1987-88 wurde der Turm durch die Initiative von Pro Alt-Cannstatt e. V. saniert. 665 Zu jeder Rasen-Sportart, außer Pferdesport, veröffentlichte Philipp Heineken einen Band. Siehe Heineken 1893. 109 seien.666 William Cail wird um 1892, längst zurückgekehrt nach England, Präsident der nationalen englischen Rugby Football Union. Gesellschaftlich sind die neuen Ballspiele aber noch keineswegs anerkannt und werden teils als „Fußlümmelei“ und „Englische Krankheit“667 verurteilt. Obgleich es sich bei dem ursprünglichen Spiel eher um eine eigenwillige Mischung aus Fußball und Rugbysport handelt, die mit dem später so populären Fußballspiel lediglich bedingt vergleichbar ist, kann der Cannstatter Wasen als der erste Fußballplatz in Deutschland genannt werden.668 Philipp Heineken (1873-1959) ist ein Sportpionier auf dem Gebiet, der sich, noch als Oberschüler, mit einigen der frühesten Veröffentlichungen zu diesen Sportarten, die mitunter im Auftrag des Cannstatter Fußball- Clubs herausgegeben wurden, einen Namen macht. Zu den einflussreichsten seiner Schriften zählt: „Die beliebtesten Rasenspiele. Eine Zusammenstellung der hauptsächlichsten englischen Out Door Games zum Zwecke ihrer Einführung in Deutschland“, erschienen 1893 in Stuttgart. Der europaweit bekannte Verein für Bewegungsspiele Stuttgart, kurz VfB, beruft sich später auf das Gründungsjahr 1893, nennt damit aber das Entstehungsjahr eines Vorläufers, des Fußballvereins FV Stuttgart aus der ehemaligen Stuttgarter Kernerstraße (Urbanstraße).669 Der VfB ist eigentlich ein Cannstatter Verein, weshalb die bekannte Fußballabteilung traditionell auch in den Stadtfarben Weiß und Rot aufläuft, die von dem Cannstatter Stadtwappen mit der Glockenkanne abgeleitet sind. Bereits am 25. März 1890 ist von insgesamt 33 Schülern, die bisher im Kurpark und auf dem Wasen Fußball spielten, der Cannstatter Fußball Club, kurz CFC, gegründet worden.670 Dieser Verein tritt um 1891 an in einem kurzärmligen Rugby-Dress mit der Kanne auf der Brust. Der CFC war der erste eingetragene Fußballverein in Süddeutschland und mindestens der zweitälteste reine Fußball- Verein Deutschlands nach dem Berliner Fußball Club namens Germania BFC 1888 e.V.671 Weil das Fußballspielen im CFC bald darauf jedoch an Bedeutung verliert,672 wird später nurmehr Tennis gespielt, weshalb der Verein sich umbenennt in Tennisclub, CTC.673 Als Ersatz gründen ehemalige Mitglieder des CFC sowie junge Sportbegeisterte 1897 den Kronen-Klub Cannstatt.674 Im Jahr 1891 besteigt der neue König von Württemberg den Thron: „Wilhelm“ (1848-1921) ist der Sohn des Prinzen Friedrich und der Prinzessin Katharina von Württemberg, einer Tochter König Wilhelms I. Nach dem überraschenden Tod von König Karl, der kinderlos geblieben ist,675 wird Prinz Wilhelm der rechtmäßige Thronfolger und als Wilhelm II der vierte württembergische König; und der letzte. Und erneut spiegelt ein Cannstatter Kurbad auch diesen Regierungswechsel wider: Am 31. März 1892 kauft die Stadt das „Karl-Olga-Bad“ für 70.000 Mark dem privaten Betreiber Eberle ab und erweitert es zum städtischen „Logierhaus“.676 Deutlich wird das Bemühen um eine 666 Heineken 1893, S. 22-86. Vgl. Olaf Schulze: „Wie der Fußball nach Cannstatt kam – auch die Söhne von Daimler und Maybach spielten auf dem Wasen“, in: Oliver Trust (Hrsg.): „VfB ein Leben lang“, Stuttgart 2013, S. 46-49. 667 Karl Planck (Stuttgarter Turnlehrer): „Fusslümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit“, Stuttgart 1898. 668 Vgl. Schulze, ebd. 669 Drei Jahre zuvor, 1890, hatten sich Stuttgarter bereits zu der Spielgemeinschaft „Nordstern“ versammelt. Alternativ hätte sich der VfB als Fußballverein auch Cannstatter Fußball Club, sprich „CFC Stuttgart 1890“, nennen können. 670 Hierzu Heineken 1930: „Erinnerungen an den Cannstatter Fußball-Club“. Vgl. Karl Geisnick: „Der Verein aus Bad Cannstatt. VfB Stuttgart – Der Traditionsverein und seine Geschichten“, Stuttgart 2014, S. 3 ff. 671 Der VfB Stuttgart 1893 e. V. feierte 2018 sein 125-jähriges Bestehen. Hierzu Stuttgarter Nachrichten vom 8.9.2018: „Wie der Cannstatter Wasen zur Spielstätte des VfB Stuttgart wurde“. Vgl. Stuttgarter Nachrichten vom 26.4.2013: „Cannstatter Wasen. Von der Viehweide zum Festplatz“, Artikel von Annina Baur. 672 Ebd., S. 39. Anhänger des VfB schlossen sich 1997 zu der Fangemeinschaft „Commando Cannstatt“ zusammen. 673 Vom 17.4. bis 28.8.2013 lief im Stadtmuseum Bad Cannstatt die Ausstellung „Wie der Fußball nach Württemberg kam. Die Anfänge des VfB in Cannstatt und Stuttgart“. Siehe auch Oskar Beck/ Hans Reski: „Der VfB Stuttgart – Schwabenstreiche“, Köln 1989; Stefan Radomski: „Deutschlands große Fußballmannschaften“, Kassel 1993; Harald Jordan: „Mythos VfB“, Gerlingen 2005. 674 Der VfB ging aus einer Fusion des FV Stuttgart und des Kronen-Klubs Cannstatt im Jahre 1912 hervor, die im Hotel Concordia Cannstatt (heute Bahnhofstraße 21) geschlossen wurde. Als „Verein für Bewegungsspiele“ war der VfB allerdings ebenso kein reiner Fußballverein, gespielt wurden diverse Spiele. Eine Erinnerung an den ursprünglichen CFC oder eine Würdigung des Cannstatter Sportwesens dank der historischen Kur ist in dem Namen VfB Stuttgart allerdings nicht gegeben. 675 Seit dem 13.7.1846 war Karl mit der russischen Zarentochter Olga Nikolajewna (1822-1892) verheiratet. 676 C. H. Beck 1900, S. 347. 110 Aufwertung der Stadt, die weiterhin für Reisende attraktiv bleiben soll, allein an der Benennung des vornehm klingenden Logierhauses. Das Logieren soll wieder ein kaufkräftiges Publikum nach Cannstatt locken und Geld in Umlauf bringen. Damit ist das Badehaus zum zweiten Mal umgebaut und erweitert worden. Doch diesmal werden auch die kleinen Bassinbäder im Erdgeschoss durch neue Gästezimmer zum Einlogieren ersetzt. Zweimal kurz nach dem Regierungsantritt eines neuen Königs hat man das Bad verändert: 1864 ist das unter Wilhelm I neu erbaute Maurische Bad von 1844 dem Königspaar zu Ehren zum „Karl-Olga-Bad“ geworden, mit Bädern im Erdgeschoss und Hotelzimmern im aufgesetzten ersten Stock. Nur wenige Monate nach dem Regierungsantritt von Wilhelm II wird das Bad schließlich erneut umgebaut und nochmals umbenannt in das „städtische Logierhaus“. Damit ist auch ein symbolischer Wechsel erfolgt von einem Kurbad, das lange unter fürstlicher Obhut stand, zu einem sich weitgehend selbst überlassenen Volksbad. [091] [092] [093] [101] Das Badhotel zum Ochsen besteht schon seit der Jahrhundertmitte nicht mehr: „(...) Verschiedene Mineralbäder, die früher dem Publikum zur Benützung offen standen, sind teils ganz eingegangen, teils nicht mehr in Betrieb, wie die einstige Badanstalt im Garten des Gasthofs zum Ochsen (jetzt Strauß'sche Federn-Fabrik in der Brückenstraße), die Badanstalt im Wilhelmsbad (jetzt Gymnasium), diejenige im Dr. Ebner'schen Haus (jetzt Gutmann und Marx) und diejenige im Russischen Hof. Auch Neckarbadanstalten sind verschiedene eingegangen, so das ehemalige Aktien-Schwimmbad (jetzt Daimler'sche Schiffswerfte), das Krauß'sche Wellenbad am Wehr bei der Stuttgarterstraße und die Bossert'schen Strudelbäder wenige Schritte unterhalb der Wilhelmsbrücke; namentlich die beiden letzteren Badeanstalten waren sehr erfrischend und deshalb auch stets sehr stark besucht“.677 Sogar das einstmals so erfolgreiche Badhotel Herrmann ist ab September 1887 durch Karl Mehl zu einem Privathaus umgebaut worden. Er hat es für 137.500 Reichsmark erworben. Dafür wurde am 15. September 1889 ein neues Mineralbad neben dem ehemaligen Hotel Herrmann eröffnet, das spätere Mineralbad Schiffmann. In Betrieb sind auch noch das Mineralbad Leuze und Berg. Der Zeitgeist hat sich gewandelt, die Wannenbäder sind aus der Mode; gut laufen die Schwimmbäder. Auch eine Trinkkur wird immer seltener in Anspruch genommen. Das Königsbad von Thouret am unteren Stuttgarter Schlossgarten Richtung Cannstatt besteht zwar noch, es ist aber aufgrund von aufbereitetem Mineralwasser kein wirksames Heilbad. Schließen mussten schon 1882/83 mangels Besetzung zwei Internate – das 1854 gegründete Institut von Professor Hirsch in der Neckarstraße, ab 1857 im Etzel-Haus. Das 1859/60 gegründete Knaben-Institut von Professor Josef Klose in der Paulinenstraße neben dem Karl-Olga-Bad ebenso. Beide nahmen Schüler aus dem Ausland auf. Bereits 1852 hatte Professor Karl Kleemann (1818-1871) das Töchter-Institut in der Brückenstraße 2 gegründet. 1858 zog es an den Wilhelmsplatz um. Zuletzt bestand es noch zehn Jahre lang, zwischen 1865 und 1875, in der Königstraße, Neubau 78. Viele Internatsschüler waren Kinder von Patienten, die sich über Monate in der Kurstadt aufhielten. Manche blieben. Familien kamen u.a. aus der Schweiz, Frankreich und England. Das Institut verfügte über einen eigenen Garten samt einem Übungsplatz mit verschiedenen Turngeräten. 1888 wurde in Cannstatt ein Radfahrerverein gegründet. Neben dem Automobil gehört das Fahrrad zu den bedeutendsten Erfindungen in puncto Mobilität, wird zeitgleich wie das erste zur Serienreife entwickelt, und kann dennoch nicht Schritt halten. Das über zwei Trittpedale angetriebene Rad ist die vielleicht praktikabelste Erfindung und, nebenbei bemerkt, konform mit dem Kurprogramm, im Gegensatz zu den motorisch oder dampfmaschinell betriebenen Fahrzeugen. Im Gegensatz zum Automobil kommt dieses Rad kaum in Konflikt mit dem Umwelt- und Naturschutz. Aus der 1817 im badischen Karlsruhe entwickelten Draisine, einem Laufrad, von Karl Drais (1785-1851) hat sich über den neuen Pedalantrieb von Pierre Michaux und Pierre Lallement 1866 zunächst das Hochrad entwickelt und schließlich das Niederrad. Das Hochrad, mit einem großen Vorderrad und dem kleinen Hinterrad, war zu anfällig für Stürze. Seit 1885 hat sich mit dem Rover Safety Bicycle Typ II in England das auf zwei etwa gleich großen Rädern basierende Erfolgsmodell durchgesetzt. Das 677 Beck, ebd.; S. 348. 111 ist der Prototyp des modernen Zweirads. Jetzt können Badegäste erstmals auch mit einem Fahrrad nach Cannstatt fahren, doch just im selben Moment werden sie von einem Automobil überholt. Die maschinellen Fortbewegungsmittel setzen sich durch. Mangels ausgebauter Straßen und sonstiger Infrastrukturen für Autos bleibt die Eisenbahn aber vorerst dominant: Bisher einseitig von Eisenbahnschienen umgeben, wird gerade an dem langen Eisenbahnviadukt gebaut, das unmittelbar den oberen Kurpark auf dem Sulzerrain anschneidet. Der obere Park ist nun lange Zeit eine weitgehend ungestörte Oase der Ruhe gewesen. Das Viadukt war am 15. Juni 1893 in Auftrag gegeben worden durch König Wilhelm II, 675 Meter lang über den Neckar sowie den Sulzerrain, von Untertürkheim kommend über den neuen Bahnhof Münster, bis nach Kornwestheim geführt.678 Die Eisenfachwerkkonstruktion mit ihren über 30 Meter hoch emporragenden Pfeilern aus Backsteinmauerwerk wird noch im Spätsommer 1896 mit den Gesamtkosten von rund 12 Mio. Reichsmark fertiggestellt. Am 30. September 1896 als König Wilhelm-Viadukt eingeweiht, wird die eiserne Brücke sofort in Betrieb genommen. Das technische Ingenieursbauwerk stammt von Karl Leibbrand. Das Viadukt wird speziell für den Güterverkehr der Industrie genutzt, nur nebenher für den Personenverkehr. Die Viaduktstrecke ist Teilabschnitt der Umgehungsbahn für den Stuttgarter Kopfbahnhof.679 Eine richtungsweisende, moderne Durchgangsbahnlinie, die Zukunft hat.680 Am 1. Oktober 1896 wird auf dem Seelberg die neu errichtete Artilleriekaserne eröffnet.681 Als Exerzierplatz für die Artilleriekaserne dient weiterhin der Cannstatter Wasen unweit der Kaserne, dort üben die Soldaten beispielsweise in Form von Bewegungsspielen, Wettschwimmen im Neckar, Reiten und Schießen. 1894 wird das Projekt eines Stadtbads diskutiert. Infolge der Einführung von Sozialversicherungen haben zahlreiche Kurorte auch „Armenbäder“ für finanziell benachteiligte Gesellschaftsschichten geschaffen. In Württemberg haben Armenbäder Tradition. Schon seit dem 17. Jahrhundert sind sie etwa in Wildbad vorhanden.682 Noch nicht jeder kann sich den Luxus leisten, in seiner Wohnung über ein eigenes Bad zu verfügen. Nur die wenigsten Menschen haben Zugang zu therapeutischer oder regelmäßiger ärztlicher Behandlung. Durch den Reichskanzler Bismarck ist 1883 die Kranken- Versicherung, ein Jahr später dann auch die Unfallversicherung ins Leben gerufen worden.683 Schon lange fordern einige Bürger den Bau eines Stadt- bzw. Volksbades für Cannstatt. Kritiker dieses Vorschlags sind dagegen der Meinung, das einfache Volk könne im Neckar baden. Der Bau eines Volksbads wird von vielen als überflüssig angesehen. Als jedoch der geheime Hofrat Ernst Ezechiel Pfeiffer 1897 eine beträchtliche Summe spendet, rückt die Baufinanzierung in greifbare Nähe. Die Architekten Wittmann & Stahl erhalten um 1894 von der Stadt den Auftrag, in Cannstatt das sogenannte Stadtbad, das sich jeder leisten kann, am Sulzerrain zu errichten. Albert Pantle (1859 - 1921) entwirft einen Anbau als Schwimmhalle.684 Louis Stahl (1848-1913) und Ludwig Wittmann hatten 1889 bereits das Stuttgarter Schwimmbad in der Büchsenstraße im maurischen Stil erbaut. Gegenüber dem „Maurischen Bad“ am Sulzerrain liegend, jetzt das städtische Logierhaus, ist das 678 Beck, S. 209 ff. 679 Ebd. Mit 283 abzufertigenden Zügen täglich war der Stuttgarter Hauptbahnhof überlastet. 680 Im 2. Wk. wurde das Viadukt gesprengt, daraufhin wiederaufgebaut. 1985 wurde es abgetragen und durch ein neues Viadukt mit einer Stahlbetonkonstruktion von 855 Metern Länge ersetzt. Dieses verfügt über mehr Weichen und ist intakt. Es wird aber fast ausschließlich für den Güterverkehr zwischen Untertürkheim und Kornwestheim genutzt. Stand 2021 wird über eine Wiederinbetriebnahme der Strecke für den regelmäßigen Personennahverkehr diskutiert. 681 Ab 1910 gibt es zudem die neue Reiterkaserne auf dem Hallschlag. Damit ist das Militär nach Jahrhunderten wieder präsent an diesem Ort mit der bewährten Höhen- und Verkehrslage. 1893 waren im Neckar bei Cannstatt Richtung Münster während Niedrigwasser die Überreste von zehn Pfählen aus Eichenholz deutlich sichtbar geworden – sie gehörten zu einer römischen Brücke. Siehe C. H. Beck 1900, S. 186. 682 Hierzu Hetti Kirschbaum: „Armenbäder und Wohlfahrtseinrichtungen westdeutscher Bäder im 18. und 19. Jh.“, Bonn 1932/ Hermann Schmidt: „Die innere Mission in Württemberg“, Hamburg 1879, S. 285/ Föhl 1988. Armenbäder gab es sonst z.B. auch in Bad Imnau und in Jordanbad. 683 Das ist die Grundlage für unser modernes System der Krankenversicherung, das zur Jahrhundertwende 1900 die bürgerliche Gesellschaft in deutschen Landen abermals verändert und noch heute in ähnlicher Form besteht. 684 Anonymus: „Reiseführer durch Stuttgart und Umgebung“, Stuttgart 1912, S. 13 ff. 112 neue Stadtbad vorgesehen.685 Es soll neben einer überdachten Schwimmhalle und Wannenbädern auch Dusch- und Brausebäder enthalten, weil dieses Gebäude eben nicht zuletzt die Funktion eines öffentlichen Reinigungsbades erfüllen soll. Das Bad wird im Stil des Historismus, ohne etwa ein exotisches Vorbild, entworfen und ab 1899 für 173.000 Reichsmark errichtet.686 [099] Im Jahr 1900 wird es zur Saisoneröffnung vollendet: „(...) Dicht neben dem Kursaal liegt das durchaus nach modernen Grundsätzen neuerbaute Stadtbad (Karl-Olgabad). – Sein Hauptteil ist das 21:85 m große und 0,75:2,20 m tief, 230 cbm fassende Schwimmbad in luftiger, heller Halle. Es hat ununterbrochenen Zufluss von Mineralwasser des Wilhelmsbrunnens. Täglich wird es abgelassen und frisch gefüllt und auf einer Temperatur von 21°C erhalten. In den Nebenräumen sind Wannenbäder I., II. und III. Klasse, Dampfkastenbäder und Einrichtungen für Hydrotherapie und Massage untergebracht. Als Wärmequelle dient ein 6atmosph. Hochdruckkessel mit 100qm Heizfläche“.687 Ein nächster Schritt in der städtebaulichen Entwicklung der Kurstadt, v. a. was ihr Fortbestehen im 20. Jahrhundert betrifft, ist die Erbauung der König-Karls-Brücke ab 1891. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wachsen die Städte Stuttgart und Cannstatt näher aneinander heran. Dies erfordert die Erbauung neuer Eisenbahn- und Verkehrsbrücken. So wird 1891-93 die König-Karls-Brücke nach Plänen von Karl Leibbrand (1839-1898) erbaut.688 Die König-Karls-Brücke verbindet die Anlagen am Unteren Schlossgarten axial mit dem Cannstatter Wilhelmsplatz, die nun bis zum Neckar nach vorne ausgebaute König-Karl-Straße führt dann die Achse weiter bis zum Kursaal. König Karl von Württemberg (1823-1891) hat dieses große Bauwerk in seinem Todesjahr noch mit in die Wege geleitet, nach ihm ist die Brücke benannt. Am 27. September 1893 wird die neue Brücke, die rund 1,6 Millionen Mark kostet, festlich eingeweiht; der Neubau ist zu dem Anlass prächtig mit Blumen, Fahnen und Girlanden geschmückt. Zwischen 1897-1901 schafft der Bildhauer Adolf Fremd (1853- 1924) vier allegorische Figuren, die vor die torähnlichen Pfeiler gestellt sind: Die monumentalen Skulpturen verkörpern als Personifikationen namens „Wehrstand“, „Handel“, „Landwirtschaft“ und „Gewerbe“ die wirtschaftliche Bedeutung der Städte Stuttgart und Cannstatt sowie des Königreichs Württemberg.689 Im Jahr 1898 wird der Schwimmverein Cannstatt gegründet, der auch Bewegungsspiele im Wasser betreibt.690 Die Badestadt Cannstatt entwickelt sich zusehends zum Stadtbad, die Räumlichkeiten werden von jetzt an vorwiegend von Vereinen, Schulen und Bürgern genutzt.691 Dazu heißt es in der Cannstatter Oberamtsbeschreibung von 1895: „(...) In den letzten Jahrzehnten hat sich die völlige Umwandlung der Stadt aus einer Badestadt in eine Industriestadt vollzogen.“692 Doch der Gedanke einer Wiederbelebung des Kurbetriebs bleibt am Leben und die Stadt Cannstatt erwägt nicht zuletzt zu diesem Zweck die Vereinigung mit der Stadt Stuttgart. 685 Beck 1900, S. 224. An der Stelle, in der Sulzerrainstr. 2, befindet sich das Solebad Cannstatt, ein 2. Nachfolge-Bau. Ein Ersatz für das kriegszerstörte Stadtbad wurde 1965 für den Standort beim Mühlsteg am Neckar entwickelt. 686 Ebd., S. 348. 687 Weinberg 1906, S. 192. 688 Ende des 2. Wks. wurde die Brücke gesprengt, als Betonbogenbrücke ohne Schmuck/ Skulpturen wiederaufgebaut. 689 Die Skulpturen „Wehrstand“ und „Handel“ sind erhalten (an der Mercedesstraße und beim Mineralbad Berg), die anderen zwei Skulpturen sind verloren gegangen. 1944 wurden sie im Steinbruch Lauster vor Sprengung geschützt. 690 Der Schwimmverein Cannstatt hat u.a. eine Wasserballabteilung, die 2020 erfolgreich in der 2. Bundesliga spielt. 691 Eine um 1899 gegründete Wilhelma-Theater-Gesellschaft ließ 1903 an den Wilhelma-Theaterbau von Zanth zwei Treppenhäuser anfügen, die Zuschauerplätze konnten auf über 1.000 erhöht werden. Die Anbauten verschwanden bei der Restaurierung 1985 wieder, zugunsten des ursprünglichen Erscheinungsbilds: Vgl. Loderer, in: Röder/ Wenger 2012, S. 141 ff. Der Verein war in den Jahren stets um einen Schauspiel- und Musikbetrieb bemüht und initiierte denkwürdige Abende, bei denen z.B. der österreichische Komponist Robert Stolz (1880-1975) wirkte. Die Uraufführung seines Werks „Das Lumperl“ fand 1914 im Wilhelmatheater statt. Robert Stolz zu Ehren wurde ein Denkmal in der Cannstatter Marktstraße sowie eines vor dem Kleinen Kursaal auf einem Sockel geschaffen. 692 Oberamtsbeschreibung Cannstatt 1895, S. 491. 113 XX. DIE URBANITÄT IM KURBAD Urban und Kurbad: Zwei ähnlich lautende Begriffe wirken doch sehr gegensätzlich, scheinen nicht vereinbar.693 Einerseits fungierte seit der Neuzeit im übertragenen Sinne „das Kurwesen als Motor der Urbanisierung“694 und brachte sich damit gar selbst in Bedrängnis,695 andererseits profitierte in Städten wie Cannstatt das Kurwesen der Moderne wechselwirkend von den arbeitenden Motoren im Wortsinn.696 Von einer Kurstadt697 wird seit der Moderne grundsätzlich erwartet, anders zu sein als die gewöhnlichen, großen bis sehr großen Städte: Kleiner,698 ruhiger, sauberer, gesünder, möglichst ohne Straßenverkehr, Auspuff, Schornstein. Gleichzeitig sollen die Lokalitäten erreichbar sein und auf Vorteile des Stadtlebens will nicht verzichtet werden.699 Im Grunde wird vom Kurpublikum freie Natur gewünscht und gar keine herkömmliche Stadt. In den Kurorten, als frühe Urlaubsorte, suchen die Reisenden eine Abwechslung zu ihrem Alltagsleben.700 Dabei erfüllen erst das Publikum, die Öffentlichkeit und der Fremdenverkehr die Anlagen mit Urbanität. Vor 1900 war Kur- und Stadtleben weniger ein Gegensatz als vielmehr Affinität.701 Die meisten Kurorte waren bemüht, mehr Einwohner aufzunehmen; die Villenviertel entstanden. Aufgrund von wenig Leben am Ort schufen sich die Modebäder sogar eine künstliche Urbanität702 mit imitierten Pariser Boulevardtheatern, "Ballsälen" wie in Berlin, Café Central wie Wien, Casino und Circus à la Monte Carlo. All diese Bauten kopierten funktional sowie stilistisch großstädtische, die wirklich mondänen Originale. Das Künstliche macht sich jedoch in einer wirtschaftlichen Monostruktur703 bemerkbar; der Ökonomie dieser Orte fehlt zumeist das sonst vorherrschende Produktionsgewerbe, der Handel ist in der Regel unbedeutender als gewohnt, die Wirtschaft allzu saisonabhängig. Baden- Baden beispielsweise galt als eine Sommerhauptstadt704 Europas. Im Winter stagnierte anfangs der Tourismus.705 Der Begriff Modebad steht, neben dem Trend, in die Bäder zu gehen, in Bezug auf Fassade und die vor dieser versammelte vornehme Gesellschaft: Die Herrschaften kleiden sich gar mehrmals am Tag um und die Kurpromenaden sind gleichsam Laufstege für die Zurschaustellung neuester Moden. Die Imitation des Städtischen trug an manchen Orten eine Zeit lang zu der ernsthafteren Stadtentwicklung hinter den Fassaden bei.706 Die nachgeahmte Verstädterung ist ein 693 Trotz der ähnlichen Wortkomposition liegt dem Kurbad nicht das lat. Wurzelwort „urbs“ (=Stadt) zugrunde. Es ist eine zufällig zustande gekommene Konformität, die aber inhaltlich Wahrheiten und Parallelen birgt. Seit dem frühen 20. Jh. scheint für ein Kurbad ein zu hohes Maß an Urbanität, Verkehr und Industrie schädlich zu sein. 694 Pühringer 2016, S. 7 ff. Unter Urbanisierung versteht man Verstädterung; unter Urbanität großstädtisches Treiben. 695 Wenn das Bad nicht der Hauptwirtschaftszweig war, oder als solcher abgelöst wurde, entwickelten sich Industrieund Großstädte, auch aus Kurorten. Hierzu mehr im Folgenden, insbesondere unter Punkt 7. „Bädervergleich“. 696 Und zwar seit der 1778 optimierten Dampfmaschine von James Watt (1736-1819), dem ersten modernen Motor. 697 Zwischen Kurort, Kurbad oder Kurstadt wird wissenschaftlich, wie in der Einführung erwähnt, nicht differenziert: Die „Kurstadt“ klingt groß, damit kann aber auch nur ein kleines Dorf oder immerhin eine Kleinstadt gemeint sein (z.B. Bad Berka in Thüringen mit 7.503 Einwohnern). Bad Nenndorf (11.279 Einw.) z.B. hat das „Dorf“ im Namen. 698 Pühringer 2016, S. 9: Eine Kurstadt dürfe nicht „zu groß“ sein, da sie sonst die Nachteile großer Städte mitbrächte: In erster Linie, überfüllt zu sein und zu viele Emissionen zu erzeugen. 699 Vgl. Fuhs 1993, S.328. Wie in 100. angedeutet, ahmen Kurstädte das Ensemble Thermen-Forum-Theater-etc. nach. 700 Vgl. Förderer 2010, S. 21. Anspruch auf Urlaub hatten noch in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. nur die wenigsten. 701 Die Millionenstadt Kairo war im 19. Jahrhundert heilklimatischer Kurort mit rund 300.000 Einwohnern um 1850. Vgl. Gottfried Eisenmann: „C. Canstatt's Jahresbericht über die Fortschritte in der gesammten Medicin in allen Ländern im Jahre 1850“, 1. Bd., Erlangen 1851, S. 268. Der Jahresbericht des Carl Friedrich Canstatt (1807-1850). Um 1900 vollzieht auch der Kairoer Vorort Helwan zum Beispiel einen Wandel von der Kur- zur Industriestadt. 702 Hierzu auch Monika Steinhauser: „Baden-Baden“, in: Grote 1974/ Vgl. Kuhnert 1982/ Fuhs 1993, S. 332 ff. 703 Vgl. Steinhauser, in: Grote 1974, S. 97 ff./ Fuhs 1993, S. 333-334. 704 Eugène Guinot: Reiseführer „L'été à Bade“ (Erstausgabe Paris 1845), 5. Aufl., Paris 1868, S. 7, Zitat: „(...) Une capitale d'hiver – Paris; Une capitale d'été – Bade.“ (=Winterhauptstadt Paris; Sommerhauptstadt Baden-Baden). 705 Hierzu Steinhauser, ebd. Sehen und Gesehenwerden kann förmlich als "Bad in der Menge" aufgefasst werden. 706 Z.B. Baden-Baden mit rund 55.000 Einwohnern ist heute nicht mehr als „Landstadt“ o.ä. zu bezeichnen, die ehem. „Sommerhauptstadt“ Europas ist im Winter mittlerweile ähnlich belebt, Veranstaltungen, Konzerte usw. finden das ganze Jahr über statt und die Stadt ist in den Wintermonaten keineswegs wie ausgestorben. Trotzdem konnte der Charakter als Bad bewahrt werden, die Pracht der Fassaden ist restauriert und die glanzvolle Historie spürbar. 114 nicht zu unterschätzender Aspekt in Kurstädten. Zwar wurde bei der Anlage der meisten dieser Badestädte durchaus besonders auf die Vermeidung von schädlichen Einflüssen wie solchen der Industrie geachtet, was sicherlich zu ihrer einseitigen Struktur mit beitrug, andere Kurstädte, wie Cannstatt, strebten hingegen nach Höherem. Überdies gerät Cannstatt allmählich in den Sog der Großstadt Stuttgart. Unsere Wahrnehmung sieht das Paradoxon „Kur-Großstadt“, verstärkt seit der fortgeschritteneren Perspektive des 20. Jahrhunderts.707 Vorausgesetzt ist ein bei Städtern häufig imaginiertes Klischee von einem ruhigen Dorfleben im Einklang mit der „Natur“.708 Die Menge an störenden Emissionen war noch um 1890 zwar geringer, die Schadstoffe derselben jedoch vergleichsweise höher. Fabriken verursachten mehr Lärm und Schornsteine räucherten anfangs ungefiltert ihre Rußpartikel aus. Die Eisenbahn war ursprünglich eine Attraktion,709 ebenso das Automobil wie auch andere maschinelle Werke, die Kritiker des technischen Fortschritts und Gegner der Großstädte sind in aller Regel in der Minderheit.710 Wiesbaden als die zweitgrößte deutsche Kurstadt von rund 80.000 Einwohnern um 1900 hatte bis hierhin keine nennenswerten Einbußen im Kurbetrieb zu verzeichnen. Vielmehr war es damals nicht nur eine der größten, sondern die meistbesuchte Kurstadt in Deutschland.711 In nur wenigen Kurorten ist die Kur auch der zentrale Wirtschaftszweig. In viel mehr Fällen kam es zu einem weniger ökologisch als ökonomisch ausgerichteten Städtebau, der ganz andere Ziele verfolgt: „(...) Eine statistische Untersuchung der Kurorte und eine 'kulturelle' Definition von städtischer Kurkultur zeigen, daß die Verstädterung der Kur keine Randerscheinung des 19. Jahrhunderts war, sondern einen zentralen Prozeß in der Entwicklung der Kurorte darstellt. Eine Durchsicht der Heilquellen- und Badeorte im Jahre 1900 führt zu dem Ergebnis, daß von 266 Orten (neben zahlreichen kleinen und kleinsten Dörfern), 90 Gemeinden mit über 2000 Einwohnern genannt sind, also statistisch als Städte gelten“, stellt B. Fuhs fest.712 Darunter neben Wiesbaden mit über 10.000 Einwohnern um 1900 laut Fuhs: Aachen-Burtscheid (135.892 Einwohner), Hamm (30.536), Wilhelmshaven (27.646), Eickel-Wanne (26.000), Inowrazlaw (25.507), Cannstatt (24.000), Eberswalde (20.000), Kolberg (19.800), Kreuznach (19.344), Wittekind (15.374), Baden- Baden (14.862), Königsborn-Unna (13.993), Langensalza (11.800), Swinemünde (10.300).713 Eine Ambivalenz herrscht insofern verbreitet und Cannstatt zählt zu den großen Städten mit Kurstruktur, das Kurwesen war hier zu keiner Zeit stark genug und ist um 1900 in wirtschaftlicher Hinsicht fast restlos verdrängt. Zum selben Zeitpunkt sind die Kuranlagen auf dem Höhepunkt. In der offensichtlich nach einem heiligen oder Heilbrunnen benannten Stadt Heilbronn am Neckar gibt es den alten Kirchbrunnen714 an der Michaelsbasilika sowie einen „Gesundbrunnen“ neben der alten Römerstraße. Schon die Kelten hatten hier ab dem siebten Jahrhundert vor Christus aus einer Sole Salz gewonnen. Die Stadt Heilbronn ist dennoch kein offizieller Kurort. Allerdings zeugt im 20. Jahrhundert die Verdichtung von Kurorten in dem Landkreis Heilbronn,715 mit Friedrichshall (Jagstfeld), Rappenau und Wimpfen von der Bedeutung salzhaltigen Quellwassers für die gesamte Gegend.716 Mit rund 9.000 Arbeitern in 58 Fabriken im Jahr 1896 war Heilbronn nach Stuttgart die zweitgrößte Industriestadt in Württemberg.717 Zu dieser industriellen Entwicklung trug neben dem 707 Vgl. Michael Hascher, in: Eidloth 2006, S. 159/ Fuhs 1993, S. 332/ Gerta Walsh 1993/ Ilsemarie Walter 2003. 708 Im 20. Jh. lebt auch die Heimatkultur verstärkt auf, zunehmend in Form von Heimatfilmen und Kleidermoden. 709 Vgl. Michael Hascher, ebd. 710 Großstadtkritik, schon aus der Antike und dem Mittelalter bekannt, wurde zunehmend seit der zweiten Hälfte des 19. Jh. geäußert. Hierzu ausführlich Reulecke 1985. 711 Vgl. Fuhs, S. 336. Im Jahr 1900 kamen mit 135.811 „Kurgästen“ allein 23% aller Gäste in Preußen nach Wiesbaden, in ganz Preußen wurden 1900 ca. 585.460 Gäste gezählt. 712 Fuhs, S. 336, Kap. III. A, S. 328-342. Seine Untersuchungen zu „Kurstadt und Urbanisierung“ beschränken sich auf das 19. Jahrhundert und die Zeit um 1900. 713 Auch bei Fuhs sind nicht alle erfasst. So fehlen z.B. Greifswald (24.500 Einwohner), Göppingen (19.400). 714 Vgl. Hans Dieter Bechstein: „Die Kilianskriche. Mittelpunkt der Stadt“, Heilbronn 1975, S. 11. Vgl. Bad Heilbrunn. 715 Die Stadt Heilbronn verfügt bis heute nicht über Kureinrichtungen – sie hätte aber das Potenzial für solche. 716 Alle drei Kurorte mit salzhaltigen Heilbrunnen führen das Kfz-Kennzeichen „HN“ für Heilbronn. 717 Christian Schrenk/ Hubert Weckbach/ Susanne Schlösser: „Von Helibrunna nach Heilbronn. Eine Stadtgeschichte“ - 115 logistisch bedeutsamen Neckar, der 1713 zuerst zwischen Cannstatt und Heilbronn schiffbar wurde und 1821 mit dem Wilhelmskanal verstärkt, sicherlich auch die 1817 unter Wilhelm I eingerichtete Saline Friedrichshall bei. Heilbronn war der wichtigste Handelshafen in Württemberg, selbst Waren aus fernen Ländern wurden über die Nordseeschiffe und über den Rhein importiert und exportiert. Der Neckar ist unweit der Kurorte hoch industriell geprägt. Die besten Plätze auf der Welt sind vergeben, klimatisch begünstigt, lebensfreundlich und reich an Ressourcen. Industrienationen haben aufgrund des technischen Fortschritts das dichteste Netz an Heilquellen; in Entwicklungsländern kommt Grund- und Mineralwasser theoretisch ähnlich häufig vor, es ist aber weniger erschlossen und klimatisch bedingt steht mancherorts selten Regenwasser zur Verfügung.718 Dort haben sehr viele Menschen gar keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Kolonialherren der Gründerzeit weiten auf der Suche nach neuem Lebensraum ihr Hoheitsgebiet in beinahe sämtliche Himmelsrichtungen aus, besonders nach Süden, nach Afrika ebenso wie nach Südamerika oder Australien. Sie werden ihre Kolonien früher oder später aufgeben müssen, aber der Kampf um die natürlichen Ressourcen geht weiter: Ein Streit um Gold, um Erdöl, um Salz, um Wasser usw. Der vielzitierte Platz an der Sonne719 hat bekanntlich viele Interessenten und all solche Dinge, die rege benutzt werden, verschleißen bis sie letztendlich gänzlich versiegen. Das besiedelte Gebiet wächst. Auf die Umweltausbeutung folgt Umweltverschmutzung, dann Umweltzerstörung. Gerade dort, wo die Industrie sitzt, gibt es den Luxus der Bäder: In den Industrienationen, an den Arbeitsplätzen. Die Nachbarschaft von Fabrik und Kurbad,720 sie hat weniger Kontrast als vielmehr Konvergenz. Distanzen sind relativ und der Gesunde benötigt keine Kur. Während die Industrie das Kurbad mit einigen parasitären Faktoren belastet, welche sich durch die sichtlich unterschiedliche Nutzung und Behandlung natürlicher Ressourcen ergeben, bedroht das Kurbad die Produktionsgesellschaft nicht, sondern ist ja dazu da, um ihr zu helfen. Dem teilweise parasitären Verhältnis steht eine Vielzahl an symbiotisch zu nennenden Beziehungen zwischen Stadtleben und Kurleben gegenüber: Geschichte und Kultur, Monarchie und Pracht, Bildung und Naturkunde, Bürgertum und Erfindergeist, Technik und Erschließung, Verkehr und Austausch, Internationalität und Sport, Arbeitstätigkeit und Luxus, Kommunikation und Information, Produktion und Konsum, Anstrengung und Erholung, Krankheit und Heilung, Kunst und Ästhetik usw.721 Der Konsum erfolgt im engen Netz der Infrastruktur direkt vor Ort. Supermärkte stehen wie viele ähnliche Einrichtungen dieses Jahrhunderts für das Bedürfnis nach Konzentration unterschiedlicher Konsumgüter und Dienstleistungen auf einen Ort, wie auch Kaufhäuser, Tankstellen oder Hotels etc. Heilklima und Ruhe kann eine Großstadt jedenfalls kaum bieten, einen Ortswechsel im besten Fall für Landbewohner. Erst nachdem 1918 die deutsche Monarchie beendet ist, wandeln sich auch die Ideale einer – von jetzt an weitgehend bürgerlichen – Kur.722 Letztere lässt die alte aristokratische Vergnügungskultur hinter sich und nähert sich viel authentischer der ursprünglichen Cur an, ihrem medizinischen Zweck. Sicherlich kuren einige Adelige weiterhin. Aber die neuen Kurorte stehen wegen der dort hauptsächlich vertretenen Gruppen nun vielmehr für Alter und Krankheit. Aufgrund von Bedenken über die Eignung großer Städte für Kuren scheiden einige historische Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn, Bd. 36, Stuttgart 1998, S. 150. 718 Selbst dort, wo eingesickerte Niederschläge rar sind, in einzelnen Wüsten, werden Grundwasserströme vermutet. 719 Diese durch Bernhard von Bülow (1849-1929) gewählten Worte bezogen sich auf die deutsche Kolonialpolitik. 720 Neben der widersprüchlichen Umwelt-Behandlung wird mit den zwei Anlagen auch eine konträre Nutzung verbunden: Mit einer Fabrik die hektische Arbeit, mit dem Kurbad das Gegenteil, die Ruhe von der Arbeit. 721 All diese kulturellen Eigenheiten sind abseits der Zivilisation in der Regel erheblich weniger zu finden. 722 Ab Ende des 19. Jhs. entschieden sich wirklich Kranke tendenziell eher für die kleinen, ruhigen Bäder. B. Fuhs differenziert zwischen aristokratischen und bürgerlichen Bädern, ebd. Zahlreiche Kurstädte waren allerdings beides. Dazu zählt Cannstatt; auch Kissingen. Goethe schrieb 1831 nach einem Kuraufenthalt in Karlsbad: „(...) Eine kleine Liebschaft ist das einzige, was uns einen Badeaufenthalt erträglich machen kann. Sonst stirbt man vor Langerweile.“ Zit. nach Johann Peter Eckermann: „Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens“, Leipzig 1836, 1. Th. Die in den Kurorten berüchtigten Liebschaften bezeichnete man bekanntlich als „Kurschatten“. 116 Kurstädte723 allmählich aus dem Wettbewerb aus. Zu weit ist die Urbanisierung hier fortgeschritten, als dass noch von einem „Heilklima“ gesprochen werden könnte.724 Der neuen Kur vorausgesetzt ist eine staatliche Anerkennung sowie Förderung von professionellen Heilpraktiken durch Wirtschaft und Politik. Nach dem Zweiten Weltkrieg boomt dann die Kur für Kassen-Patienten. Die Kurorte konzentrieren sich von nun an zunehmend auf die Prävention und Therapie mit der entsprechenden Infrastruktur anstatt auf den möglichen Bau weiterer opulenter Spielhallen, Schauspielhäuser und Ballhäuser, vor allem seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der baukulturelle Bestand vieler traditioneller Bäder wird teils abgerissen, größtenteils aber doch geschützt und gepflegt,725 die Nutzung der historischen Kurgebäude steht oftmals unter anderen Vorzeichen: Der Kursaal als Veranstaltungsraum, manches Brunnenhaus als Museum oder vor allem der Abriss historischer Bausubstanz.726 Kaum jemand läuft bei der Trinkkur noch in den historischen Wandelhallen auf und ab, sie stehen leer. Alte Badehäuser werden durch moderne Thermen ersetzt. Theater werden teils noch bespielt und in alten Spielhallen wird teils wieder gespielt. Zusätzlich erscheinen ganz neue Kurorte auf der Landkarte, entweder ganz ohne Kultur und Geschichte in Bezug auf das gesunde Baden oder mit zeitweiliger Stagnation zur ersten Blüte der Kur um 1820-1900. Zu solchen Beispielen zählen Grasellenbach im Odenwald, heilklimatische und Kneippkurorte wie Camberg, Titisee-Neustadt, Bad Endbach. Hinzu kommen, nach der Entdeckung des chemischen Elements Radium 1898 und der Entwicklung der Radon-Balneologie, die Radonbäder.727 Außerdem zeigt sich, dass der Trend nun zu Seebädern, Wald- oder Gebirgskurorten führt.728 Für die Menschen, welche sich die Reise zu einem Kurort nicht leisten konnten, wurde 1914 zum Beispiel im Stadtpark der Hansestadt Hamburg nach Plänen von Fritz Schumacher (1869-1947) eine dort deplatziert729 wirkende Mineralwasser-Trinkhalle aus Backstein errichtet, in der über 50 importierte Heilwässer aus anerkannten Kurorten in Flaschenform erhältlich waren.730 Eine gezuckerte Alternative zu den Mineralwässern bringt zunehmend dann das mit Kohlensäure versetzte, ursprünglich als Medizin erfundene und 1887 vom Apotheker John Pemberton in den USA patentierte Erfrischungsgetränk Coca Cola. Andere Anbieter bzw. „Kurpfuscher“ verkaufen unter Umständen falsches Heilwasser wie etwa künstlich mit Kohlensäure versetztes Leitungswasser. Mineralwasser ist Grundwasser mit besonders hohem Mineralgehalt und ist im Grundgebirge in großen Mengen vorhanden, an vielen Orten nur nicht erschlossen. In Wernau am Neckar z.B., gelegen zwischen Bad Cannstatt und Bad Boll, gibt es die „Marienquelle“731 auf der Sulz. Der Name dieses Orts weist ja darauf hin, dass hier bereits im Mittelalter eine Mineralquelle bekannt war. Trotzdem hat sich Wernau am Neckar nicht etwa zu einem Kurort entwickelt. Aufgrund zunehmender Luftverschmutzung blühen außerdem Luftkurorte auf, wie Neuenkirchen an der Lüneburger Heide, Todtmoos im Schwarzwald. Das Naturerlebnis spielt die entscheidende Rolle. Moderne Weiterentwicklungen des Verkehrswesens und des Tourismus erschließen die Ferne. Der Alpen-Kurort Meran zählt um 1914 an die 40.100 Kurgäste. Ähnlich blüht der Luftkurort Davos auf. Sicherlich wäre es interessant, aber durchaus schwierig, die wirklich Kranken in Bädern des 19. Jahrhunderts von der „feinen“ Gesellschaft zu trennen, etwaige Spieler und Flaneure also von der Gesamtanzahl zu subtrahieren, um damit auf 723 Hierzu mehr unter Punkt 7 „Bädervergleich“ der vorliegenden Arbeit. 724 Hierzu die genannten Beispiele, im Folgenden mehr, als auch Punkt 7. 725 Hierzu Bothe 1984, S. 9 ff. Bekannt sind aber auch Ruinen ehem. Grand-Hotels bzw. Heilstätten - sog. 'Lost places'. 726 Ebd. Zugleich verändert sich das Kurangebot und schließt z.B. die aus späterer Sicht dubiosen Kinderkuren ein. 727 Hierzu Peter Deetjen: „Radon als Heilmittel“, Hamburg 2005. Radioaktivität in Stuttgarts Quellen ist nicht bekannt. 728 Einige Seebäder waren schon im 19. Jh. gefragt, u.a. Heiligendamm, Heringsdorf, Timmendorfer Strand und von Badeärzten auf die heilende Wirkung des salzhaltigen Meerwassers hingewiesen worden: Der englische Dr. Richard Russell (1687-1759) erforschte 1750 die Wirkung von Meerwasser u.a. Später war die Thalassotherapie anerkannt, jedoch ohne das Meerwasser-Trinken nach Russell. Quelle: https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/thalassotherapie. 729 In Hamburg-Borgfelde allerdings gab es einen „Gesundbrunnen“. Hierzu Punkt 7. Bädervergleich. 730 Hierzu Ralf Lange: „Architektur in Hamburg – Der große Architekturführer“, 1. Aufl., Hamburg 2008, S. 178. 731 Nach 1945 wurde durch einen Wernauer Pfarrer eine Grotte bei der Quelle angelegt und der Brunnen hergerichtet. Quelle: Schautafel an der „Marienquelle“ in Wernau am Neckar, Anschauung vor Ort 2018. 117 eine verlässlichere Kurgastzahl732 zu kommen, die somit eher Patientenzahl genannt werden sollte. Während die Aristokraten einst insgeheim auf der Suche nach Gesellschaft waren,733 suchen die wirklichen Kurpatienten des 20. Jahrhunderts meist das Gegenteil, vor allem Ruhe. Ein guter Teil der neuen Kurpatienten hat nicht nur sehr genaue Vorstellungen von einem Kurort, sondern auch recht hohe Ansprüche an das Kurangebot. Statistiken belegen, dass größere Städte mit Kurbetrieb jetzt in der Tat vor Probleme existentieller Art gestellt sind.734 Eine Stadt ähnelt einem sensiblen Organismus,735 der nie schläft und ständiger Veränderung unterliegt. Die verschiedensten Faktoren definieren und gestalten eine Stadt, die Kunst verleiht ihr die Form. Der Kern fast einer jeden Metropole, das ist die sogenannte Altstadt. Sie wurde im Fall der Zerstörung wiederaufgebaut, unter Denkmalschutz gestellt und mit staatlichen oder städtischen Mitteln gepflegt. Die alte Stadt mit ihrer historischen Bausubstanz steht vielerorts in völligem Kontrast zur engeren wie jüngeren Peripherie und sie wird eben deshalb gesondert betrachtet und bezeichnet. Seit sich das öffentliche Leben entfaltet, sehr anschaulich in größeren Städten, gibt es Differenzen zwischen Ökonomie und Klimaschutz bzw. Kommerz und Gesundheit: „(...) Der große Feind der historischen Städte Europas ist die private Ausbeutung eines Gutes von allgemeinem Nutzen“, wie Giulio Carlo Argan formuliert.736 Kuranlagen und Industrieanlagen, beide dienen im Grunde dem Nutzen der Allgemeinheit, können entweder privatwirtschaftlich, kommunal oder staatlich betrieben sein. Die Anlagen des Kurbetriebs bringen zwar weniger Geld ein, aber bedrohen dafür den Fortbestand der Welt weniger und sie gestalten den Raum in einem „gesunden“ Maß. Es habe den Anschein „(…) daß die moderne Stadt gerade insofern das Gegenteil der alten ist, als sich in ihr die Idee einer Stadt spiegelt, die sich mangels einer charismatischen Institution fortwährend und ohne eine providentielle Ordnung wandeln kann, und daß diese ständige Veränderung für sie repräsentativ ist, so daß die alten Reste zwar als geschichtlich, aber als einem mittlerweile abgeschlossenen historischen Zyklus angehörig gelten“, stellt Argan des Weiteren fest.737 Die Urbanisierung Cannstatts erfolgt weniger durch die selbständige Verstädterung des Modebades als vielmehr im Rahmen einer Suburbanisierung vor der Großstadt Stuttgart. Ohne den Verbund mit der baden-württembergischen Landeshauptstadt wäre Cannstatt gar keine Großstadt bzw. Stadtteil derselben, es würde sogar nicht einmal das Kriterium von 100.000 Einwohnern erfüllen. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts weichen viele Gewerbebetriebe aus den Städten auf das nähere Umland aus. Wegen der nicht nur badekulturell, sondern auch industriell nutzbaren Mineralquellen, wegen des verkehrstechnisch als auch energiewirtschaftlich hochinteressanten Neckars insbesondere und nicht zuletzt wegen der praktischen Anbindung an den Cannstatter Bahnhof siedelt sich speziell eine Menge Stuttgarter Industrie in Cannstatt an. Zur ohnehin wirtschaftlichen Attraktivität des Orts kommen die freien Flächen hinzu, denn Stuttgart sitzt im bekannten Talkessel und muss sich weiter ausdehnen können, die Stadt benötigt also neues Bauland. Die noch um 1850 eher ländlich geprägte Neckarstadt Cannstatt wird alsbald zu einer suburbanen Geschäftsniederlassung der Stuttgarter und anderer Anrainer. Trotz der Annäherungen bleiben die beiden Städte allerdings getrennt durch den Neckar und den Cannstatter Wasen, den für Feste und Veranstaltungen genutzten freien Platz, der eine Lücke und Trennlinie ist, genau zwischen Cannstatt und Stuttgart.738 Die Halbhöhenlage als topographische Erhebung wird zudem erschlossen. Neben Cannstatt schließt der suburbane Ring u. a. Untertürkheim, Ost, Feuerbach, Wangen und nicht zu vergessen das 1836 eingemeindete Berg mit 732 Die Forschung mahnt bei Statistiken wie den Kurgastzahlen mit gutem Grund stets zur Vorsicht an: Abweichungen. 733 Vgl. Steinhauser, ebd./ Kuhnert 1984, S. 59-73/ Fuhs 1993, S. 39 ff. 734 So gingen die Kurgastzahlen nach den Weltkriegen in Städten wie Aachen, Wiesbaden, Homburg merklich zurück. Vgl. Bothe 1984/ Fuhs 1993, S. 328 ff. 735 Vgl. Werner Luz, in: Stroheker 1979, S. 136/ Argan 1984: Kunstgeschichte als Stadtgeschichte, S. 105. 736 Ebd., S. 8. Stichworte auch industrielle Ausbeutung/ mangelhafte hygienische Wohnverhältnisse in Arbeiter-Städten. 737 Ebd., S. 105. In Satelliten-/ Trabantenstädten ist wegen der modernen Gründung häufig keine Altstadt vorhanden. 738 Die Abwendung hat Tradition; bis heute distanzieren sich viele Cannstatter gerne von Stuttgart und dem Nesenbach. Der Cannstatter Schriftsteller Thaddäus Troll alias Hans Bayer (1914-1980) verarbeitete gegenseitige Kränkungen und Feindseligkeiten in einigen seiner Werke. Die Cannstatter wollen niemals „eingemeindet“ worden sein. 118 ein, wo ebenfalls Gewerbe entstehen. In dem Zeitraum zwischen 1901 und 1942 werden zahlreiche weitere Orte mit der Stadt Stuttgart vereinigt, insofern ist die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts von erheblichem Flächenwachstum geprägt und die zweite Hälfte vielmehr von dem damit verbundenen strukturellen Wandel. Die Anfänge dieser Entwicklung liegen zwar im 19. Jahrhundert, doch die Suburbanisierung äußert sich verschärft im 20. Jh. Der Ausbau des Straßennetzes, begonnen um 1900 sowie in den 1920er und 30er Jahren, fällt in der Nachkriegszeit stärker ins Gewicht. „(...) Im Vergleich mit den deutschen Großstädten weist Stuttgart heute zum einen Gebiete mit den höchsten Siedlungsdichten auf, besitzt jedoch zum anderen auch den höchsten Anteil an Wäldern, Weinbergen und sonstigen Grünflächen“, wie Uwe Dreizler richtig betont.739 Ungewöhnlich groß ist eben auch die Fläche an Parkanlagen, ein Potenzial, das uns im Folgenden noch beschäftigen wird. 1900er. Stuttgarts kleiner Kursaal Um 1900 will der Brunnenverein den oberen Kurpark um eine beträchtliche Fläche erweitern. Der Plan des Garteninspektors Paul Ehmann von 1900 zeigt die Erweiterung des oberen Kurparks von dem sogenannten Grenzweg des alten Parks bis zur Bahntrasse als neuer Abschnitt. [100] Finanzielle Engpässe verzögern erneut die Arbeiten. Erst müssen wieder die nötigen Grundstücke von Privatbesitzern abgekauft werden.740 Diesmal liegt die Ausführung jedoch nicht in den Händen des Verschönerungsvereins, sondern der Brunnenverein treibt das Projekt voran.741 Am 22. Mai 1902 wird ein überarbeiteter Plan vorgelegt, der „(...) die von Akkordant Karl Scheible hergestellten Wege“742 berücksichtigt. Eine erste Aufwertung Cannstatts als Kurort um 1900 ist die Aufstellung eines eisernen Pavillons im neuen oberen Parkteil, vermutlich gestaltet von Emil Kiemlen.743 Der Pavillon wird 1903 an erhabener Stelle, freistehend im Park, errichtet und aus Eisenteilen gefertigt von der Stuttgarter Firma Eichberger und Leuthi. Der Grund seiner Errichtung war die Ehrung von verdienten Stiftern und Geldspendern, die mit ihrer Hilfe das Werden der Anlagen maßgeblich förderten. Deshalb wird dieser Schmuckpavillon als Stifter-Pavillon bezeichnet. [103] Der achteckige Pavillon steht auf einem Postament mit Treppenaufgängen unter acht Pfeilern und ist mit verkröpftem eisernen Zeltdach und einer Urne darauf gedeckt, ähnlich einem Mansarddach abgeknickt und mit niedrigem Tambour versehen. Darauf befindet sich ikonographisch passend ein stilisierter Fackelaufsatz. Das Traufgesims ist an jedem Eck mit einem stilisierten Akanthusblatt akzentuiert. Niedrige Balustraden über der Sockelzone sind mit floralen Ornamenten aus Eisen geschmückt, genauso die Bogenzwickel zwischen den Pfeilern im oberen Bereich, die mittig je ein Medaillon umranken. Der Pflanzenschmuck besteht aus geschnörkelten Ranken sowie aus äußerst naturalistischen Blättern und Nüssen, die deutlich als Kastanien erkennbar sind. Die Medaillons bilden die Porträts der Stifter. Nur drei der acht Scheiben sind mit einem Kopf beehrt, es handelt sich um die folgenden Geehrten: Geheimer Hofrat Herr Ernst Ezechiel Pfeiffer; Herr Karl Denner und die Regierungsrats-Witwe Frau Luise von Kegelen. Auch die Porträts schuf Medailleur Emil Kiemlen (1869-1956).744 Der Pavillon stellt einen ziemlich funktionalen Parkbau dar, der zur Aussicht, zum Unterstellen, zur Ruhe und für Konzerte genutzt werden kann. Stilistisch ist das Werk dem Jugendstil zuzuordnen, den man jetzt noch weiter zur Anwendung zu bringen gedenkt. 739 Uwe Dreizler: „Stuttgart wächst zusammen – die Entwicklung der Siedlungsflächen in den letzten 150 Jahren“ (2006), Landeshauptstadt Stuttgart. Statistisches Amt – Informationssystem online: www.stuttgart.de/statistikinfosystem. Aufgerufen am 11.03.2022. Seit jeher ist Stuttgart topographisch z.B. für "Terrainkuren" geeignet. 740 Siehe Neckar-Bote (Cannstatter Tagblatt) vom 20. Februar 1900, S. 1 ff. 741 Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 903, Inv. Nr. 2610/3: Verschönerungsverein – Rechenschaftsberichte und Festschrift. „Rechenschafsbericht über das Jahr 1910“. 742 Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 903, Inv. Nr. 1295: Verschönerungsverein Cannstatt 1895-1926. 743 Zu Emil Kiemlen: Thieme-Becker XX, „Kiemlen, Emil“, S. 266-67. Informationen zum Pavillon von Olaf Schulze. 744 Am Medaillon rechts unten sind die Porträtierten mit „E. Kiemlen 1903“ signiert. Quelle: Anschauung vor Ort 2017. 119 Außerdem stellt der Verschönerungsverein ein Schweizerhäuschen in Hanglage, zur Dekoration als auch zum Witterungsschutz, auf, in dem frisch gemolkene Kuhmilch erhältlich ist. Zudem entsteht der Bechstein-Pavillon,745 gestiftet von Fabrikant Karl Bechstein (1853-1916), der Vorsitzender des Verschönerungsvereins ist. [094] Im Plan des oberen Parks von Ehmann ist die Zahl der Brezelwege im Vergleich zu vorher deutlich reduziert.746 Die oberen Anlagen sind vollständig neu geordnet und um den zentralen Platz mit dem Springbrunnen situiert. Drei Achsen sind auf den Springbrunnen ausgerichtet, er ist von einem doppelten Rondell umgeben. Um die erhöht stehende Brunnenschale, die in der Form ähnlich einer Vase gebildet ist, speien sechs Drachen je einen Wasserstrahl empor auf die Schale, die wiederum vier Ausläufe hat. Dieser neue Brunnenplatz geht auf den ersten Aussichtspunkt zurück, den Wilhelm I gefordert und zur Ausführung gebracht hatte. [088] [138] Seit 1899 gab es erste Gespräche über die Vereinigung der Stadt Stuttgart mit der Stadt Cannstatt: Stuttgart benötigte ebenes Bauland und neues Gelände für Gewerbe unter anderem, viele Fabriken waren zu diesem Zeitpunkt schon in die Vororte abgewandert. Das „Eisenbahndörfle“ lag genau zwischen den beiden Städten an der Prag. 1895 war der Nordbahnhof eröffnet worden, auf dessen Gelände der Stuttgarter Obstmarkt verlegt wurde. Das Problem dabei war, dass die Händler nun nicht nur die Stuttgarter Gewerbesteuer, sondern zusätzlich noch die Cannstatter Wanderlagersteuer zu bezahlen hatten.747 Insgeheim wird Stuttgart auch ein Interesse am Neckarufer gehabt haben. Für Cannstatt sind die Verlockungen eher finanzielle. Ende des Jahres 1904 beschließen die Gemeinderäte, vertreten durch den Stuttgarter Oberbürgermeister Heinrich von Gauss und den Cannstatter Oberbürgermeister Oskar von Nast, dann die Vereinigung der beiden Städte, deren Peripherien nur noch etwa drei km voneinander entfernt liegen. Beide Stadtgebiete dehnen sich noch weiter aus. In der amtlichen „Vereinbarung zwischen der königlichen Haupt- und Residenzstadt Stuttgart einerseits und der Stadtgemeinde Cannstatt andererseits betreffend die Vereinigung der beiden Städte“ vom 1. April 1905 heißt es: „§ 1. Die Stadtgemeinde Cannstatt tritt unter Ausscheidung aus ihrem seitherigen Verband mit dem Oberamt Cannstatt in den Amts- und Gemeindeverband der Stadt Stuttgart ein.“748 Dem Brunnenverein war in der Vereinbarung finanzielle Hilfe zugesagt worden, die Kuranlagen zu vergrößern. Diese sollen 1905 mit dem Bau eines neuen Wirtschaftsgebäudes beginnen. Eine der Bedingungen für die Vereinigung Cannstatts mit Stuttgart lautete, dass die Stadt Cannstatt ein neues Wirtschaftsgebäude am alten Kursaal erhält. In einem „Auszug aus dem Protokoll der Abteilung des Gemeinderats für innere und ökonomische Verwaltung“ vom 10. Juli 1906 heißt es diesbezüglich: „Nach § 7 des Eingemeindungsvertrags mit Cannstatt hat die Stadtgemeinde Stuttgart dem Brunnenverein Cannstatt zum Zwecke der Erbauung eines zweckentsprechenden Wirtschafts- und Kurgebäudes nebst Anschlussbauten die erforderlichen Geldmittel bis zum Höchstbetrag von 250.000 M zuzuwenden“.749 In weiteren Stellungnahmen des Brunnenvereins werden ausdrückliche Zweifel an den Möglichkeiten der Einhaltung dieses Beitrags geäußert. Vielmehr schätzt man die Projektkosten weitaus höher: Bereits am 3. November 1906 muss der Verein die Stadtgemeinde darum bitten, weitere 70.000 Mark zu bewilligen. Die Forderung wird abgelehnt. Letztendlich empfiehlt der Gemeinderat dem Verein, ein Darlehen bei der städtischen Sparkasse aufzunehmen. Dies scheint auch erfolgt zu sein, da sich kein weiteres Schreiben findet. Auch weil die 1841 erstellte Kursaal-Restauration baufällig geworden war und nicht mehr groß genug, hatte die Stadt bis 1906 ihren Abbruch oder Umbau beschlossen. Dafür sollte ein modern eingerichteter Neubau entstehen. Kurz nach der Vereinigung im Frühjahr 1905 ist „(...) zum Zwecke der Lieferung von Projekten für ein neues Wirtschaftsgebäude eine engere Konkurrenz unter den Architekten Professor Theodor 745 Weder das Schweizerhäuschen, eine Holzhütte, noch der Bechstein-Pavillon sind erhalten. Letzterer hatte eine hohe, schmale Form mit Pfeilern aus Baumstämmen, ziegelgedecktes Dach mit vier Giebelseiten und einem Turmaufsatz. 746 Vgl. Bott 1985, S. 63. 747 Vgl. Hagel 2002, S. 103. 748 Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 903, 11 – 4840. Stichwort „Sulzerrain“. 749 Ebd. 120 Fischer, Oberbaurat Halmhuber und Albert Eitel veranstaltet worden und es haben sämtliche 3 Herren Entwürfe eingereicht“.750 In einer Sitzung des Brunnenvereins am 10. Juli 1905 wurden die Entwürfe begutachtet. Schnell zeigt sich, dass keiner der drei Entwürfe voll befriedigt. Gleichwohl wird derjenige von Albert Eitel bevorzugt, was auch Fischer und Halmhuber eingesehen hätten. Erst nach der Begutachtung dieser ersten in Auftrag gegebenen Entwürfe beschließt der Verein letztlich doch noch einen öffentlichen Wettbewerb auszuschreiben. Auf den Verdacht hin habe der Architekt „Kärcher in Kannstatt“ bereits vorgearbeitet und ist der erste, der auf Eigeninitiative einen Entwurf eingereicht hat. Weitere 50 Vorschläge gingen bis zum Fristende am 30. September 1905 ein, u.a. von Hans Schmidt mit Richard Stahl, von Heinrich Mehlin, Ludwig Kiefner mit Hans Klaß.751 Auch Alberts Bruder Karl Eitel gab einen Entwurf ab.752 Bauinspektor über die Entwürfe ist Albert Pantle. Im Oktober 1905 sind die Pläne öffentlich ausgestellt im alten Saal von Thouret. Die gefälligsten vier davon wurden mit Preisen bedacht; erstere zwei mit 900 Mark und die anderen zwei mit je 600 Mark. Ausgeschrieben waren die Preise zuerst über 1.200, 1.000 und 800 M, aber dem Preisgericht war eine andere Verteilung der insgesamt 3.000 Mark Preisgeld vorbehalten, wovon es Gebrauch machte.753 Als unmittelbares Vergleichsbeispiel zum Ausführungsprojekt wird hier das Projekt von Theodor Fischer, seinerzeit Professor für Bauentwürfe an der TH Stuttgart, vorgestellt.754 [105] Fischer sieht vor, die alte Restauration zu erhalten, aber umzubauen, aufzustocken sowie den Verbindungsgang zum Restaurant von 1891 beizubehalten. Der bedeckte Gang würde in südöstlicher Richtung schräg an den hinteren Teil der alten Bauten anschließen und in das nordwestliche Eck der Wirtschaft führen, die sich hier, weiter abgelegen, mit einer doppelten Terrasse öffnen würde. Der Neubau hätte eine beträchtliche Länge und Tiefe, angefangen beim bedeckten Gang mit dem Speisesaal, dahinter dem Tanzsaal, hinter der bedeckten Terrasse in der Mitte mit Buffet, Garderobe, Büro, Flur, Treppenhaus und mit drei getrennten Wirtstuben bzw. Speisezimmern am südlichen Hausende. Die bedeckte Terrasse läge sodann unter einem langgezogenen Balkon mit einigen Segmentbögen und oben mit Balustrade, dies vor neunzehn rechteckigen Fenstern, am Dachrand würden über einem Fries in der Mitte ornamentale Vasen befestigt und das Dach mittig von einem flachen Turm in runder Form mit drei ovalen Fenstern und einer Rundbalustrade bekrönt. Für den Neubau ist ein Walmdach mit beachtlichem Neigungswinkel vorgeschlagen, der Bau hätte fünf Fensterachsen zu den Seiten. Ganz im Süden würde direkt vor dem neuen Gebäude im 90 Grad Winkel dazu der Musikpavillon stehen. Die ehemalige Restauration von 1841-43 würde umfunktioniert zu einem Verbindungsglied aus Terrassen, Vorplatz, Podest und Sitzungszimmer. Der zweistöckige bedeckte Gang könnte auch von oben durchschritten werden. Das Gesamtbild ergibt einen ungeordneten Grundriss aus alt und neu, würde dafür jegliche Räumlichkeiten und Funktionen allerdings sinnvoll miteinander in Verbindung setzen. Mit seinen zwei Stockwerken und dem sehr hoch emporragenden Dach hätte der Neubau den alten Kursaal jedoch ein Stück weit in den Schatten gestellt. An dem Projekt von Fischer wird kritisiert, dass es nicht die gleichzeitige Funktion von Restaurant und einem Festsaal erfülle, der mit dem alten Kursaal in Verbindung steht. Auf diese Weise sei man nun auf den Gedanken gekommen, die alte Restauration als Zwischenglied beizubehalten. Das Bier- Buffet liege zu weit vom Bierkeller entfernt. An Albert Eitels Entwurf wird bemängelt, dass die Strenge der dem alten Bau zugewandten Fassade nicht dazu passen würde und zudem, dass die 750 Ebd.: „Das im Eigentum des Brunnenvereins Cannstatt stehende Wirtschafts- und Kurgebäude am Sulzerrain“. 751 Siehe hierzu auch Cannstatter Zeitung vom 23.10.1905, S. 1 ff. 752 Karl Eitel (1871-1954) ist 1891 wie die Brüder Emil, Max und Otto Eitel in die USA ausgewandert. Siehe hierzu u.a. Dietrich W. Schmidt: „Eitel, Albert“, in: Allgemeines Künstlerlexikon, Bd. 33, München 2002, S. 85-86. 753 Preisgericht: Cannstatts Oberbürgermeister von Nast, General von Dettinger (Brunnnenverein), Stuttgarts Ober- Bürgermeister von Gauß, Gemeinderat Haußer, Architekt Theo. Fischer, Oberbaurat Eisenlohr, Oberbaurat Mayer. 754 Das Projekt von Theodor Fischer ist erhalten und wird heute aufbewahrt im Architekturmuseum der TU München, Sign. fis_t-212-2 bis fis_t-212-12. Fischers Schaffen orientierte sich in städtebaulicher Hinsicht nicht zuletzt an den Leitlinien Camillo Sittes, der für die Städte seinerzeit v. a. die Anlage von Plätzen empfahl, denen v. a. Vorbilder der italienischen Renaissance zugrunde lagen. Siehe Sitte 1889, S. 12-87. 121 Verbindung der Säle im ersten Stock unglücklich gelöst sei. An Gustav Halmhubers Entwurf wird ausgesetzt, dass im Winter der Weg vom Hausbuffet zum Kursaal das Hauptvestibül kreuze. Außerdem ordne sich der Bau dem alten kaum unter, sondern setze sich eher darüber hinweg. Der Architekt Gustav Halmhuber,755 der 1886 den Mannheimer Wasserturm auf dem Friedrichsplatz entworfen hatte, arbeitet von 1897 bis 1906 als Lehrer an der Technischen Hochschule Stuttgart. Auch er wird, wie die beiden anderen, vom Brunnenverein zu einem weiteren Entwurf aufgefordert. Ein Alternativentwurf von Albert Eitel trägt den Titel „An der Quelle“. Die Architekten Graf & Röckle arbeiteten das Kursaal-Projekt unter dem Namen „Volksfest“ aus. Hans Klaß und Ludwig Kiefner nennen ihren Entwurf nach schwäbischer Art „Jetzt gang i' ans Brünnele“, Adolf Retter verfasste seine Arbeit unter dem Titel „Piazza“ [104], Hans Schmidt-Annaberg und Richard Stahl haben das „Biedermeier“ bedient und Bruno Taut veröffentlicht seine Ideen als „Euterpe“.756 Letztendlich wird ausdrücklich die dem Thouretschen Bauwerk untergeordnete Lösung favorisiert, jedoch: „(...) Der durch den ruhigen und vornehmen Charakter, durch die Längsausdehnung und die Umgebung des Kursaals gegebene Rahmen duldet eigentlich kein zweites Hauptgebäude neben sich“.757 Dieser Vorgabe entspricht am besten Albert Eitel, allerdings müsse dieser den Grundriss und die Situierung des ersten Stocks überarbeiten.758 In allen Projekten lasse die Garderobe einiges zu wünschen übrig. Entgegen dem Vorschlag von Fischer wird zunächst nicht mehr unbedingt eine direkte Verbindung zwischen den Gebäuden gesucht, sondern vielmehr bemängelt, dass der Abstand zwischen diesen Hauswänden bei einigen Entwürfen zu klein für den Durchgangsverkehr berechnet sei. Bei einer Direktverbindung, die einen Querriegel herstellen würde, befürchtet man allerdings gewisse Nachteile in der Zugänglichkeit des Brunnenhofs. Da aber eine Instandsetzung sowie eine Neuausrichtung der alten Restauration zu kostspielig und umständlich erscheint, ist schließlich für ihren Abbruch gestimmt worden. Die originale Anlage von 1841 wird damit weiter beeinträchtigt. Nach einer Preisausschreibung, an der noch weitaus mehr Architekten teilgenommen haben und deren Projekte im alten Kursaal ausgestellt sind, hat sich das Stuttgarter Architekturbüro von Albert Eitel und Eugen Steigleder letztendlich durchgesetzt. Ohnehin war schon der Wettbewerb an den Vorschlägen von Eitel orientiert und sein Entwurf der „weiteren Beurteilung zu Grunde gelegt“. Obwohl Eitel zu der Zeit mit Steigleder kooperiert, scheint er alleine an diesem Projekt gearbeitet zu haben.759 Im Frühjahr 1907 wird mit den Bauarbeiten nach den überarbeiteten Bauplänen begonnen. Im Februar 1908 steht der Rohbau. Der Schwäbische Merkur berichtet über den Baufortschritt.760 Der Merkur spricht aber nicht von einem, sondern von mehreren Kursaalgebäuden; es handelt sich um ein Konglomerat aus verschiedenen Gebäudetrakten: Das neue Wirtschaftsgebäude besteht aus insgesamt drei Flügeln, die jeweils im 90 Grad Winkel aneinander anschließen. Diese Flügel sind voneinander abgewandt, sodass sie aber nicht etwa einen Hof umschließen. Die beiden Stockwerke haben rechteckige Fenster, ein drittes Geschoss hat dagegen kleine ovale Fenster, der Bau ist mit Walmdächern gedeckt. Im Erdgeschoss umzieht alle Bauglieder eine glatte Rustica aus Sandstein, die übrigen Wandflächen sind weiß verputzt. Dem Eck des Flügels auf der Nordseite zum Großen Kursaal hin ist eine kleine Kolonnade vorgelagert, die über das Eck verläuft und damit einen bedeckten Eingang bildet. Die Kolonnade ist mit einem flachen Blechdach versehen; die Walmdächer des Gebäudes sind mit Ziegelsteinen gedeckt. Die Festsäle fassen nunmehr zusammen bei Konzerten bis zu 450 und bei Gedecken 128 Personen. War zunächst ein möglichst großer Abstand zwischen den Bauten das gesuchte Ziel, ist am Ende doch das genaue Gegenteil der Fall: Der neue Kursaal bleibt weiter mit dem alten Bauwerk von Thouret verbunden und entspricht damit 755 Gustav Friedrich Halmhuber (1862-1936) schuf z.B. in Stuttgart 1926 den Koppentalbrunnen. Vgl. Hans Vollmer „Halmhuber, Gustav“, in: Thieme-Becker, Bd. 15, Leipzig 1922, S. 257. 756 Siehe hierzu: „Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsass-Lothringen“, Heft 3, Jg. 1906, S. 1-3; 9-12. 757 Schwäbischer Merkur vom 23.10.1905, S. 1 ff. 758 Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 903, 11 - 4840. 759 Eugen Steigleder (1876-1941) wird in dem Schriftverkehr des Brunnenvereins jedenfalls an keiner Stelle erwähnt. 760 Schwäbischer Merkur, Jg. 1908, mehrere Berichte von Februar 1908 bis 27.4.1908, S. 1 ff. 122 der Kurarchitektur: „(...) Die Verbindung zwischen dem alten und neuen Gebäude wird durch eine mit Glas verschließbare Säulenhalle gebildet, von der aus rechts eine breite, steinerne Treppe nach oben in den Mittelbau führt. Oben angelangt, sieht der Besucher links zuerst den Eingang in das Damenzimmer, das mit besonderer Feinheit ausgestaltet werden soll (…). Hierauf folgt auf derselben Seite das weniger elegant ausgestattete, aber größere Herrenzimmer und dann ein sehr großes Zimmer für die Tageswirtschaft.“761 Von allen drei Zimmern aus bietet sich durch die Fenster ein Blick auf den Kurgarten. Zutreffend ist auch die folgende weitsichtige Information: „(...) Vom Vorraum aus gelangt man in den Saal, der in Zukunft gegenüber dem ursprünglichen Kursaal zu ebener Erde wohl der 'kleine Saal' genannt werden wird“.762 Der Mehrzwecksaal ist stets auf Feste, Vorträge und Konzerte ausgerichtet. Daran angeschlossen gibt es einen zweiten, halb so großen Saal, um den der Hauptsaal erweitert werden kann. In einem Halbrund befindet sich ein Podest für die Konzerte. Die innere Verkleidung sollte stellenweise mit Marmor ausgestattet werden; aus Kostengründen konnte dann aber wohl nur auf künstlichen Stuckmarmor zurückgegriffen werden. Zentral im Untergeschoss befinden sich noch mehrere Küchenräume neben Speisekammern, Verwaltungsräumen, Bad, Büro und Bewirtung, die bereits über einen Aufzug mit dem Hauptgeschoss verbunden sind. Die Ausführung erfolgt durch die Firma Wilhelm Reißer, die Bauleitung liegt bei Herrn Storrer. Neben Eitel hat an dem Entwurf übrigens nicht Steigleder, sondern der Architekt A. Koch mitgewirkt; für die Bemalung zuständig ist ein Zeichenlehrer an der Stuttgarter Kunstgewerbeschule, Gustav Hötzer. Nach dessen Entwürfen werden die Wände und Decken bemalt, leicht und elegant im Jugendstil, mit Arabesken, Putten und floralen Motiven, die sowohl Elemente der Renaissance und aus Pompeji als auch Ornamente der Orientmode nachahmen und damit an die Innenraumgestaltung der alten Bauten anknüpfen.763 Ein Jugendstil-Wandgemälde im quadratischen Format, rechts neben der Bühne im großen Saal des neuen Wirtschaftsgebäudes, zeigt einen an altrömischer Kunst orientierten Faun mit einer Nymphe tanzend. Auf dem linken Pendant, wie das rechte über einem Durchgang, tanzen zwei Nymphen, die eine mit einem gelben, die andere mit einem blauen Kleid. Ein ähnliches Motiv ist als Relief an der Außenwand der Wirtschaft in Stuck ausgeführt. Ein Satyr mit Schwanz und Hufen tanzt mit einer Nymphe.764 [108] [109] [110] Am 27. April 1908 findet bei wenig festlichem Wetter die feierliche Einweihung des Neubaus mit anschließender Begehung statt.765 König Wilhelm II fährt dazu mit dem Automobil vor, Architekt Eitel übergibt dem Brunnenverein mit dem Vorstand Dr. Mattes und dem Bankier Max Hartenstein bei diesem Festakt die Schlüssel und sagt: „(...) Mit großer Liebe und Freude habe ich den Auftrag übernommen und ich hoffe, daß diese Gefühle auch im vollendeten Bauwerk sich offenbaren. Mein Hauptbestreben war es, das Neue dem Alten möglichst harmonisch und zweckmäßig anzugliedern. Möge das Haus den Wünschen und Absichten des Brunnenvereins vollauf entsprechen und seinen Gästen eine behagliche und gerngesuchte Stätte sein!“766 [106] [107] Anders als der Klassizismus geht der neue Jugendstil über die reine Antikenrezeption hinaus, denn es gibt zahlreiche wiederaufgegriffene Motive aus Renaissance und Barock, wie etwa die beliebten Putten und die typisch barocken, ovalen Fenster. Hinzu kommen sichtbare Annäherungen an die exotischen Welten des Japonismus und des Orientalismus, die sich besonders auffallend äußern im Ornament. Das antike Mosaik ist ebenso modern wie orientalische Glasmalerei oder ostasiatische Tapetenmalerei und Holzschnitte, die wiederaufleben. Verglichen mit München ist Stuttgart weniger für den Jugendstil bekannt; im Stuttgarter Süden und Westen jedoch werden zu der Zeit zahlreiche Wohnbauten errichtet, die dem Stil zugeordnet werden können. Zu den bekannten Architekten 761 Ebd. 762 Ebd. 763 Die Bemalung verbrannte 1943. Die verlorene Verzierung ist hier erstmals seit 1909 dokumentiert und abgebildet. 764 Während die Wandgemälde im großen Saal von Eitel 1943 verbrannten, ist das Stuckrelief 2020 noch erhalten. 765 Schwäbischer Merkur vom 27.4.1908, S. 1 ff. 766 Ebd. 123 zählen Wilhelm Scholter,767 Heinrich Dolmetsch,768 Paul Schmohl.769 In der Cannstatter König-Karl- Straße und am Kurpark entstehen weitere Wohnhäuser mit zahlreichen im floralen Stil gestalteten Verzierungen, insbesondere an den Eingängen.770 Zeitgleich mit dem kleinen Kursaal wird in Bad Nauheim der „Sprudelhof“ im Jugendstil angelegt. Auch in Wildbad erfolgen die Umgestaltung des Graf-Eberhardsbades, der Bau des Olgabads 1907 und des Kursaals 1910, mit viel aufwendiger hergestellten Bauverzierungen, die in Cannstatt erneut mangels Geld eher bescheiden ausfallen. Mit der Gründung des Deutschen Werkbunds 1907 verliert der Jugendstil allmählich an Bedeutung und wird von funktionaleren Architekturlösungen abgelöst. Die alte Detailverliebtheit entfernt sich zunehmend von der modernen Baukunst, kurz der Schmuck fehlt den Häusern alsbald, die sich immer häufiger mit kahler Fassade präsentieren werden. Die kunstvolle Ausstattung verlagert sich nach innen auf die Wohnräume, an Zimmerwände und Möbel, wo der Jugendstil neben dem Art déco-Stil fortbestehen wird und sogar eine zweite Blüte erlebt. Die Zeit der bürgerlichen Innendekoration, die im Biedermeier ihren Anfang nahm, setzt sich fort. Konkurrenz mehrt sich mit der Entdeckung einer Heilquelle im nahen Hoheneck am Neckar bei Ludwigsburg sowie in Esslingen am Neckar. Die späte Entdeckung scheint für Cannstatt dabei noch ein Glücksfall gewesen zu sein, denn was hätte es gegeben, wenn bei der ehemaligen Residenzstadt Ludwigsburg nicht 1906, sondern um 1706 die Quelle entdeckt worden wäre? Ein Heilbad. Dieses eröffnet 1907 als Kurhaus mit Trinkbrunnen und Bädern im Jugendstil.771 Im selben Jahr entsteht in Esslingen am Neckar, ebenfalls im Jugendstil, das Merkel'sche Bad.772 Im Norden wie im Süden ist Cannstatt damit von neuen Bädern umgeben, auch in Stuttgart gibt es einige Bäder. Die Cannstatter Kur wird obsolet, es gibt keine heißen Quellen, auch nicht in Ludwigsburg oder Esslingen, und der Kurgast kann genauso gut mit der Eisenbahn in den Ballungsraum der Taunusbäder fahren, wo er rundum versorgt ist. In einem stumpfwinkligen Dreiecksgiebel erblicken wir am kleinen Kursaal ein Sandstein-Relief mit Frauenkopf, der zu beiden Seiten von drei wesentlich kleineren Figuren spiegelbildlich flankiert ist. Ein oberes Band mit Schnörkeln und eines mit einem geometrischem Muster unten bilden den Giebelschmuck. Der Frauenkopf ist sehr plastisch herausgearbeitet, das Gesicht scharf mit feinen Augenbrauen, Lidern, Nase, vollen Lippen und Kinn akzentuiert, wobei es von der aufwendig gerichteten Frisur dominiert wird. Das Haupthaar der Frau ist offen, wird von einem Diadem gehalten, das es zu Wellen formt, und fällt vertikal am Hals herab. Das Bildnis endet vor der Schulterpartie. Das herabfallende Haar wirkt lebhaft mit Wellen und lockenähnlichen Schnörkeln. Zwei der drei gespiegelten Ganzkörper-Figuren in der Größe des weiblichen Kopfes sind aufrecht stehend dargestellt, als Männer, beide mit einem Mantel bekleidet und der äußere hält vom Körper weg einen Stab nach außen, den er auf den Boden stemmt. Dieser trägt eine Mütze und blickt von hinten in die Ferne, der andere trägt einen Helm, wendet den Blick auf die andere Seite. Vor den beiden Männern kniet eine Frauengestalt, die mit ausgestreckten Armen ein Schälchen zum Wasserabfüllen hält. Sie hat einen Zopf gebunden, ihr Bauch und ihr Hals werfen Falten, Bauchpartie und Brust sind unbekleidet, Rücken und Unterleib von einem zarten Tuch bedeckt. Es handelt sich dabei vermutlich um eine Darstellung des Jungbrunnens, der von Alten und Kranken aufgesucht wird. [111] 767 Wilhelm Scholter (1859-1915) entwarf Wohnhäuser am Herdweg und in der Dillmannstraße sowie den Stuttgarter Libellenbrunnen oder auch das Krematorium im Stuttgarter Pragfriedhof. Vermutlich entwarf er ein Kursaal-Projekt. 768 Heinrich Dolmetsch (1846-1908) arbeitete in seiner späten Schaffenszeit im Jugendstil, bekannt ist er allerdings für die Sanierung zahlreicher Kirchen in Württemberg. Vermutlich machte auch er den Kursaal-Wettbewerb 1905 mit. 769 Paul Schmohl (1870-1946) wurde in Cannstatt geboren, war von 1906 bis 1935 Direktor an der Kunstgewerbeschule Stuttgart und hat höchstwahrscheinlich 1905 am Wettbewerb um das Wirtschaftsgebäude am Kursaal teilgenommen. 770 Weitere mögliche Entwerfende für den neuen kleinen Kursaal: Karl Stadlinger, Georg Friedrich Bihl & Alfred Woltz, Wittmann & Stahl, Heim & Sipple, H. Schlösser, Karl Hengerer, E. Zerweck, Schmid & Burkhardt, Gebr. Kärn, Schaudt & Schaible, Eisenlohr & Weigle u.a. Zu den einzelnen Architekten der Zeit siehe die Künstler- Monographien in Thieme-Becker. 771 Siehe hierzu Woerl's Reiseführer durch Stuttgart und Umgebung, 12. Aufl. 1926, S. 82. 772 Das Bad ist prominent benannt nach dem Fabrikanten Oskar Merkel (1836-1912), der es den Esslingern stiftete. 124 Dem Architekten Albert Eitel steht eine produktive Zukunft bevor.773 Das neue Wirtschaftsgebäude verbindet die Wirtschaft nun direkter mit dem Kursaal. Jedoch so gelungen das Bauwerk Albert Eitels für sich betrachtet sei, so wenig harmoniere es mit der Architektur von Thouret. Die zwei Bauten hätten beide eine Alleinstellung verdient, seien unvorteilhaft zu einem bloßen Konglomerat verbunden, welches die regelmäßige Linienführung in jeder Hinsicht durcheinander bringe, meint jedenfalls Dr. Ing. Willy P. Fuchs.774 Darüber hinaus konstatiert er, das Versetzen des Wilhelms- Denkmals direkt vor den Kursaal sei 1881 ebenso wenig gelungen und entfremde den Bau von seiner Funktion, eine Meinung, mit der er nicht alleine steht. Auch in der Cannstatter Zeitung heißt es: „(...) Am meisten beeinträchtigt jetzt die Gesamtwirkung das vor dem Kursaal auf sinnlos hohem Sockel aufgepflanzte Reiterstandbild (...)“.775 Denn für diesen Standort ist das Reiter-Standbild jedenfalls nicht geschaffen worden, sondern für den Wilhelmsplatz.776 Im Jahr 1889 hat übrigens der Wiener Architekt Camillo Sitte über die vorteilhafte Aufstellung von Monumenten einige sinnreiche Expertisen zu erkennen gegeben, die er mit Beispielen aus der Antike sowie der Renaissance veranschaulicht, welche sich seit Jahrhunderten bewährt hätten.777 Architekt Eitel konnte sich gegen so große Namen wie Theodor Fischer778 und Gustav Halmhuber durchsetzen, die wie der Brunnenverein und Gemeinderat beide dem Projekt von Eitel zustimmten. Fischer kann 1907 ein Restaurant für das Baden-Badener Konversationshaus verwirklichen. Nach seinem Ausscheiden saß er im Cannstatter Preisgericht und trug so zum Gedeihen bei. 1908 sprach König Wilhelm II bei der Einweihung des kleinen Kursaals wörtlich: „(...) Ebenso wie meine Ahnen die Hebung des Bades und der Stadt Cannstatt und ihrer Interessen gefördert haben, so habe ich, soweit es in meinen schwachen Kräften stand, versucht, zum Wohle der Stadt und des Bades etwas zu tun und hoffe mit Gottes Hilfe auch ferner zu Nutz und Frommen weiter wirken zu können.“779 Für das neue Stuttgart-Cannstatt war der kleine Kursaal das erste große Bauprojekt. 1910er. Kursaalanlagen im Jugendstil Im kleinen Maßstab hinterlassen Urbanisierung und Industrie ihre Spuren auch im Kurpark. Der Jugendstil wird mitunter als „Antwort auf die sich durchsetzende Industrialisierung“ interpretiert.780 Zahlreiche Künstler beobachten die neue Massenproduktion und befürchten angesichts dieser einen Niedergang von Handwerk und Kunst. Neue, mechanisierte Arbeitsprozesse und ihre industriellen Kunstprodukte seien seelenlos.781 Mit dem Jugendstil hat die bildende Kunst eine neuartige Form 773 Albert Eitel (1866-1934) entwarf 1925-26 mit Cornelius W. und George L. Rapp das Bismarck Hotel in Chicago. In Deutschland hinterließ er eine Reihe von Wohnhäusern und öffentlichen Bauten. S. Thieme-Becker: „Eitel, Albert“. 774 Tagblatt vom 7.2.1935, Stadtarchiv Stuttgart, N.6.9.3.3. 775 Cannstatter Zeitung vom 23.8.1905. Ursache waren wohl die veränderten Verkehrsverhältnisse am Wilhelmsplatz. 776 Der Vorplatz am Kursaal bzw. Königsplatz wurde 1976 darüber hinaus durch Straßenbahnschienen zerschnitten. 777 Siehe hierzu Sitte 1889, S. 1 ff. 778 Theodor Fischer (1862-1938) war gebürtiger Schweinfurter und erlebte seine größte Schaffensperiode in München, schuf jedoch Bauten in ganz Deutschland, wie z.B. das Stuttgarter Kunstgebäude 1909-1913, das hessische Landes- Museum in Kassel 1907-1912, das Universitätsgebäude Jena 1904-1908, ein Einfamilienwohnhaus in Kiel 1905, die Haupthalle der Werkbundausstellung Köln 1914 u.a. Quelle: Das Schaffen Fischers im Überblick: Thieme-Becker. 779 Schwäbischer Merkur vom 27.4.1908, Beilage „Cannstatter Brief“. 780 Über die Jugendstil-Architektur siehe u.a. Hermann Muthesius: „Kunstgewerbe und Architektur“ (Nachdruck seiner Aufsätze) Nendeln 1976; Friedrich Ahlers-Hestermann: „Stilwende. Aufbruch der Jugend um 1900“, Berlin 1956; Frank Russell: „Architektur des Jugendstils. Die Überwindung des Historismus in Europa und Nordamerika“, Stuttgart 1982; Géza Hajos: „Gartenarchitektur des Jugendstils und der Zwischenkriegszeit“, in: Die Gartenkunst 7, Heft 2, Worms 1995; Hiltrud A. Hölzinger/ Christa Uslular-Thiele (Hrsg.): „Jugendstil in Bad Nauheim“, Königstein im Taunus 2005; Sara Hamm/ Sabine Kübler (Hrsg.): „Bauen für ein neues Leben. Die Entstehung der Bad Nauheimer Jugendstilanlagen 1905-1911“, Stuttgart 2007. 781 Diesen vielzitierten Ausdruck in dem Kontext verwendete Hermann Muthesius (1861-1927), der gar dem Jugendstil kritisch gegenüber stand: H. Muthesius „Das Maschinenmöbel“, in: Fachblatt für Holzarbeiter, 1. Jg., Berlin 1906. 125 gefunden. Der Verschönerungsverein plant Gartenanlagen in diesem Stil. Es sind hauptsächlich die Stuttgarter Gartenplaner, welche die neuen Gartenpartien anlegen und mit diesen ihre eigenen Gestaltungselemente in den historischen Cannstatter Kurpark einbringen. In gewisser Weise distanziert man sich damit auch von jeglicher monarchisch geprägten Vergangenheit in der Kunst und der Gartenkunst: Die Jugend, eine neue Generation junger als auch erfahrener Künstler, gestaltet nun verantwortlich und emanzipiert. Urbanisierung und Industrialisierung haben abgefärbt auf die bildende Kunst, Architektur und Gartenkunst. Die Künste setzen sich mit der Thematik auseinander. Über den stilistischen Moden steht sicherlich das Bestreben der städtischen Vereine und Initiativen, die Kur einer neuen „Jugend“ zuzuführen und ihre Anlagen attraktiver zu gestalten für ein neues, junges Publikum. Emanzipation bedeutet immer auch die Entdeckung und die Auslebung eines bislang untersagten Kunst- und Lebensstils: Am 19. September 1906 hatte der Brunnenverein mitgeteilt, dass er die mehrfach gewünschte Anlage von Lawn-Tennisplätzen plane, und das Vorhaben konnte, nach dem englischen Vorbild Lawn-Tennis782 anderer Kurorte, realisiert werden durch einen Pachtvertrag, und seit Frühjahr 1907 sind die Tennisplätze in Betrieb.783 Wie zur selben Zeit das hessische Bad Nauheim784 und das sächsische Bad Elster, lässt auch die Stadt Stuttgart in Cannstatt in bescheidenen Dimensionen einige neue Gartenanlagen im Jugendstil gestalten. Das Projekt zu dem neuen Restaurant inkludierte einen Plan über die Umgestaltung der Gartenanlagen. Dieser lautet, es müsse „(...) eine strenge, regelmäßige Anlage geschaffen werden. Weg mit dem regellosen Grünzeug! Ruhige Rasenflächen, gerade Wege, eingefaßt mit Buchshecken; beschnittene Büsche von Weißbuche oder Taxus; Pflanzen in Kübeln, Lorbeer, Oleander, in einer Reihe der Front entlang“.785 Jedoch wurde schon im Frühjahr 1908 festgestellt: „(...) Leider scheint die Umgestaltung der Anlagen zwischen dem Kursaal und dem früheren Wilhelmsbad nicht in derselben Weise fortzuschreiten (...) Bis jetzt ist nur die Südhälfte oder die rechte Seite neu hergerichtet worden“786 Um 1909 wird deshalb ein neuer Anlauf genommen. Erst jetzt werden die Gartenumgestaltungen mit neuen Plänen begonnen und hauptsächlich in den frühen 1910er Jahren ausgeführt. Die Erweiterung der Kuranlagen „(...) um den sog. Spanwasen (zwischen Allee, Karl-, Schmidener- und Paulinenstraße) mit einem Pavillon“ ist erst im Jahr 1912 endgültig beschlossen und wird schließlich bis zum Folgejahr anlässlich der württembergischen Gartenbau-Ausstellung fertiggestellt. Verantwortlich ist, wie schon bei der Erweiterung des oberen Parkteils bis hin zu der Bahnlinie, der städtische Gartendirektor Paul Ehmann, der auch die Pläne für den unteren Park im Jugendstil vorlegt.787 Wahrscheinlich hat Ehmann die Vorschläge von Albert Eitel berücksichtigt, denn jeder der Entwerfenden für den kleinen Kursaal machte auch Vorschläge für die Neuanlage eines Gartens nahe und vor dem Neubau. Es handelt sich dabei um das Gelände des ehemaligen Stadtgartens sowie um die übrigen Anlagen rechts der Kursaal-Allee und dicht vor dem Neubau. Dort entstehen Freiplätze für Gartenkonzerte. Die im naturidealisierenden Stil der 1880er Jahre gestalteten Anlagen rechts und links der Allee in Richtung Kursaal im unteren Kurpark werden dann teilweise vollständig durch neue, geometrisch geformte Blumenbeete ersetzt. Links der Allee in Richtung Kursaal wird allein ein Kinderspielplatz mit Kiesbelag angelegt, weite Reihen des alten Baumbestands stehen gelassen. In sechs große, verschieden charakterisierte Felder unterteilt, dominieren nunmehr wieder Formschnitt und Geometrie über den Wildwuchs der Natur. Zahlreiche hohe Bäume fallen der Umgestaltung, vor allem rechter Hand, zum Opfer und weichen zumeist 782 Vgl. Eidloth 2012, S. 30: In Deutschland wurde erstmals 1876 in Bad Homburg Lawn-Tennis gespielt, seit 1898 auf Hartplätzen. In Baden-Baden wurden 1883 Lawn-Tennisplätze an der Lichtentaler Allee angelegt. 783 Siehe Günter Maur et al. (Red.): Festschrift „75 Jahre Cannstatter Tennisclub“, Stuttgart 1965, S. 22-24: Die Plätze für Lawn-Tennis befanden sich an derselben Stelle wie die heutigen Tennisplätze des Tennisclubs CTC. 784 Hierzu die zwei oben genannten Publikationen über Jugendstil in Bad Nauheim (siehe Anm. oben). 785 Cannstatter Zeitung vom 23.8.1905. 786 Schwäbischer Merkur, Berichte über den Fortschritt der Gartenanlage von April 1908 bis Sommer 1911. 787 Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 903, Inv. Nr. 2610/3: Verschönerungsverein – Rechenschaftsberichte und Festschrift. „Rechenschafsbericht über das Jahr 1912“. Der Kostenvoranschlag lag bei 2900 Reichsmark. Von 1907 bis 1915 war der Fabrikant Karl Bechstein (gest. am 25.9.1915), nach dem ein Pavillon benannt wurde, der Vorsitzende des Verschönerungsvereins, davor OB Nast, dann der General der Infanterie von Dettinger (gestorben am 13.4.1905). 126 einer flach gehaltenen Rasenfläche mit Beeteinfassung. An einer exponierten Stelle, neben dem Kreuzungspunkt der Allee mit der Olgastraße, stellt der Stuttgarter Verschönerungsverein 1910 den sehr prachtvollen Junobrunnen auf. Der monumentale Brunnen mit einer weiblichen Freistatue bereichert den Park um ein wesentliches Element eines Kurparks, mit einem Zierbrunnen. Dieser Brunnen ist im Stil des Neoklassizismus gestaltet und beruft sich auf die römische Antike. Das Kunstwerk besteht aus vier Teilen: Mitten im ovalen Brunnenbassin mit leicht erhöhtem und abgerundeten Beckenrand steht ein kreisrunder Steinsockel, der als mittig verjüngtes Postament mit runden Dreiviertelpfeilern ausgebildet ist. Das Postament trägt einen runden, dicken Pfeiler aus Crailsheimer Muschelkalk, auf dem wiederum das aufrechte Standbild der Juno steht. Sitzend an diese Rundung gelehnt, sind rings herum vier einzelne Putten dargestellt, die auf Fischen reiten, die das Wasser speien. Ein Putto hält einen Obstkorb, ein anderer Weintrauben, der nächste Getreide und der letzte eine Schnecke – die Putten sind Allegorien des Garten-, Obst- und Weinbaus sowie der Fischerei.788 Das Säulenkapitell stellt die vier Gesichter von diversen Fabelwesen dar. Juno selbst steht vor einem Baumstumpf und greift nach hinten schützend um einen darauf stehenden Pfau, ihren stetigen ikonographischen Begleiter. Die nackte Frauenfigur hält den rechten Arm vor die Brust, das rechte Bein neben dem linken Standbein ist in der Tradition skulpturaler Kontrapost-Stellung angewinkelt, ein Schleier ist über die rechte Hälfte der entblößten Hüfte gelegt und fällt zwischen den Beinen bis zu dem Kapitell hinunter. Ihre Haare sind zu einem Zopf geflochten. Sie blickt von oben demonstrativ in die Ferne, Richtung Westen, zu dem neuen Stadtzentrum in Stuttgart, das den früheren Kurort am Neckar bereitwillig aufgenommen hat, der seitdem zu einem rein städtischen Volksbad geworden ist. Der Stuttgart-Cannstatter Kurpark erlebt im wahrsten Sinn eine neue Blüte und hat hinzu gewonnen, weil vor allem sein historischer Bestand mit berücksichtigt worden ist. Die neuen Schmuckplätze, Blumenbeete, Pavillons und Zierbrunnen sind neben dem alten Baumbestand durchaus eine Bereicherung, kosteten rund 30.000 Mark. Dazu mussten letzte Privatgärten angekauft werden. Der Kurpark präsentiert sich jetzt insgesamt größer, leuchtender, heller und vielfältiger.789 Damit zeigte man sich noch einmal bemüht, an die glorreiche Vergangenheit anzuknüpfen und den erheblich vernachlässigten Kurbetrieb wieder zu beleben. Aufgrund der Vereinigung Cannstatts mit der Residenzstadt Stuttgart wurde im unteren Kurpark der Juno-Brunnen aufgestellt. Die römische Göttin Juno ist die Schutzpatronin der Geburt und der Ehe; dieser Brunnen steht damit symbolisch für die Vereinigung der beiden Städte, gleichzeitig auch für die Geburt von etwas Neuem. Der Cannstatter Bildhauer Emil Kiemlen790 hat 1905 auf seine eigene Initiative hin vorgeschlagen, einen repräsentativen Brunnen für die Kuranlagen zu entwerfen und konnte das Vorhaben ab 1910 finanzieren und mit dem Verschönerungsverein zusammen in die Tat umsetzen. Es war der Anstoß zur Neugestaltung der Gartenanlagen. [112] [113] [114] [115] Der Vorzug liegt von jetzt an in der architektonischen Ausgestaltung, welche auch wieder mehr Blickachsen von dort auf die beiden Kurhäuser frei macht. Auf der rechten Seite der Allee korrespondieren die Gartenanlagen jetzt mit dem Neubau, auf der linken Seite werden sie eher geringfügig angepasst. Bis um 1911 dauern die Umgestaltungsarbeiten an. Ein Schmuckbeet ovaler Form erhält etwa eine Rahmung aus geometrisch beschnittenen Rasenflächen mit floralen Motiven sowohl in der Blumenauswahl als auch in ihrer Anordnung. Rabatten sowie geschnittene Hecken bilden den Rahmen sowie Kurven und Schnörkel. Motive aus der Renaissance als auch aus dem Barockgarten werden aufgegriffen und machen damit die Gestaltungsprinzipien des Jugendstils deutlich. Der kunstvollen Verzierung der Schmuckbeete und Pavillons entspricht auch die kräftige, 788 Vgl. Inge Petzold: „Wasser zu Nutz und Zier. Stuttgarter Brunnen und Wasserspiele. Motive, Gestaltung, Geschichte, Geschicke“, Stuttgart 1989, S. 48. Die unteren Brunnenfontänen gingen ursprünglich parabelförmig nach oben und entsprachen damit den Gestaltungsidealen des Jugendstils besser, wie einige Bildbelege zeigen. 789 Einen sehr ausführlichen Einblick in die ursprüngliche Bepflanzung des gesamten Kurparks gibt Georg Schlenker in seinem 1929 erschienenen Werk mit dem Titel „Die Flora des Cannstatter Sulzerrains“: Schlenker 1929. 790 Emil Kiemlen (1869-1956) war ein Cannstatter Bildhauer und Mitglied des Verschönerungsvereins, schuf mehrere Denkmale und Zierbrunnen im Stuttgarter Raum. Der Bildhauer Willy Schönfeld restaurierte den Kiemlen-Brunnen nach der Kriegs-Beschädigung 1950. Weitere Male wurden die Steinarbeiten 1982 und 2000 erneuert: Anm. oben. 127 leuchtende Farbauswahl der Blumenblüten. Weiter zum Stadtzentrum hin wurde auch der ab 1874 angelegte Stadtgarten umgestaltet, auf dem nun ebenfalls ein geometrisches Beet entstanden ist. Die Besonderheit dieses Abschnitts bildet von jetzt an ein kreisrunder Platz, in dessen Mitte ein Pavillon derselben Form steht, dessen hölzerne Latten und Pfeiler einen weißen Anstrich erhalten und eine Pergola bilden. Bänke derselben Art laden in halbrunder Aufstellung in den Sitzkreis ein. [117] So stellt die Pergola ein typisches Merkmal der Gartengestaltung im Jugendstil dar. Ein weiterer, ovaler Pavillon mit 8 runden Steinsäulen und Kupferblechdach wird am unteren Ende zur Mergentheimer Straße hin aufgestellt. Vier Steinskulpturen von Emil Kiemlen, die mit jeweils drei Knabenfiguren die vier Jahreszeiten darstellen,791 stehen je an den Ecken der Rasenflächen an der Mergentheimer Straße. Diese sind gestiftet vom Bürgerverein Schmidener Vorstadt und der neugestaltete Platz wird am 10. Mai 1914 eingeweiht. [116] Im oberen Kurpark, am Aussichtspunkt, kommt es ebenfalls zu Umgestaltungen. Das Wegenetz wird hier vereinfacht und ist anschließend weniger engmaschig. Der erst um 1882 neu angelegte runde Brunnenplatz wird erneut umgestaltet. Drei Achsen führen fortan in gerader Linie darauf zu, zusammen bilden diese Achsen eine Pfeilform. Genau in dieser Richtung öffnet sich der spektakuläre Panoramablick. In dem mit Treppenhaus-Anbauten vergrößerten Wilhelma-Theater wird 1914 die Operette „Das Lumperl“ des österreichischen Komponisten Robert Stolz792 (1880-1975) uraufgeführt. Auch in der Konzertmuschel im Kurpark finden seit 1900 wieder regelmäßig Kurkonzerte statt. Die Kurmusik insgesamt, einst etabliert im Kurgarten des Wilhelmsbades, im Badgarten des Hotels Herrmann als auch auf der Berger Insel, entfaltet sich wieder wahrnehmbar. Kurmusik interpretiert meist bekannte Opernarien, gängige Operetten-Ouvertüren und klassische Stücke neu in instrumentaler Version, gesungen wird nur selten; vielmehr ist es eine die Kur begleitende Hintergrundmusik. Kurkonzert ist idealerweise eine Freiluftveranstaltung. Die Blütezeit des Kurlebens ist überschritten, als der Kurpark vor dem Ersten Weltkrieg vollendet gestaltet ist.793 Im Krieg dient der Kursaal als Lazarett und zum Unmut der Cannstatter ist auch der Kurpark derweil gesperrt. Mit der Novemberrevolution 1918 endet die Monarchie in Württemberg, das Land wird zu einem freien Volksstaat. Deutlich wahrnehmbar ist nun ein rapider Rückgang aristokratischer Gäste als Folge der bürgerlichen Revolution.794 Auch die Kuranlagen haben ihre königlichen Förderer verloren, erhalten dafür von jetzt an jedoch mehr Aufmerksamkeit von Seiten der Stadt und vor allem ihrer Bürger. Der Jugendstil-Garten richtet sich nun in erster Linie an ein junges und modebewusstes Publikum. Weitere neue Moden kommen jetzt auf. 1920er. Sonnenbad am Neckarufer Nach der Abschaffung des Kaisertums haben die weiterhin bestehenden bürgerlichen Vereine und Ehrenamtlichen die Parkanlagen in Stuttgart entsprechend gut gepflegt. Der Brunnenverein besteht weiter, hat allerdings nach wie vor ein sehr beschränktes Budget zur Verfügung.795 Der Cannstatter Verschönerungsverein trägt ebenso zur Parkpflege bei. Als mit der November-Revolution von 1918 nach dem Ersten Weltkrieg erst einmal die Monarchie nun endgültig aufgehoben ist, kann sich die Öffentlichkeit wesentlich emanzipieren. Neben dem wirtschaftlichen Aufschwung ab 1924 erlebt das öffentliche Leben jetzt eine ungekannte Entfaltung. Das um 1900 noch unschicklich gewesene 791 Vgl. Bott, S. 52. Nur noch eine dieser Steinskulpturen ist erhalten. Es handelt sich um die Darstellung des Herbstes, in Form der Weintraubenernte. 792 Robert Stolz erhielt zwei Denkmäler: Eine Bronzetafel an seinem ehem. Wohnhaus in der Marktstraße 40, um 1994 geschaffen von Elke Krämer, sowie eine Büste vor dem Kleinen Kursaal. Beide Denkmäler sind vor Ort erhalten. 793 Vgl. Michael Bott, in: Schmid 1989, S. 92. 794 Gründe für das Fernbleiben der Aristokraten von Bädern, spätestens 1918, sind vielschichtig: Erstens gab es keinen Anlass mehr, sich zu präsentieren, zweitens störte wohl das Bürgertum. Vgl. Fuhs 1992, S. 355 ff. 795 Gründe sind die Kriegsjahre mit fehlenden Einnahmen, Fernbleiben von Kurgästen, die allgemeine Wirtschaft u.a. 128 Nachtleben ist populär geworden und inzwischen verbreitet. Hoch modern ist neben dem Automobil auch der Film und das UFA Kino, die Universum Film AG wurde 1917 gegründet. Die arbeitende Bevölkerung nimmt nun ein Freizeitprogramm in Anspruch. Am besten veranschaulicht wird der befreite neue Lebensstil durch die Freikörperkultur, eine Antwort des 20. Jahrhunderts auf die Lebensreform-Bewegungen des späten 19. Jahrhunderts.796 1920 hat auf Sylt an der Nordsee der erste deutsche Nacktbadestrand eröffnet. Trotzdem wird diese Freikörperkultur vielmehr von den extrem Freiheitsliebenden ausgelebt, man entblößt sich in der Öffentlichkeit noch nicht vollständig. Gleichwohl hat sich die Bekleidung und Mode so weit gelichtet, dass jetzt einwandfrei mehr Haut gezeigt werden darf. Dies gilt selbstverständlich gerade für die neueste „Bademode“. Boutiquen bieten entsprechende Badehosen, -anzüge und -mäntel zum Verkauf.797 Die Cannstatter Korsettfirma von Sigmund Lindauer & Co. an der Hallstraße hat derweil übrigens 1914 mit „Hautana“ den ersten industriell798 gefertigten Büstenhalter der Welt unter der Marke „Prima Donna“ in Serie produziert. Auf den Punkt gebracht ist es das Sonnenbaden, das nun gesellschaftsfähig geworden ist. Leicht bekleidet darf von nun an in den meisten Freibädern auf erklärten Liegewiesen, in der Sonne, zum Aufwärmen nach dem kalten Bad, Aufnehmen von Vitamin D, oder durchaus auch zum Bräunen der Haut ausgeruht werden. Die „vornehme Blässe“ der Aristokraten gehört nunmehr endgültig der Vergangenheit an.799 Bauern standen früher für gebräunte Haut; bald sind es wieder die vornehmen Leute. Die Arbeiter sind gezwungen, sich in den schattigen Firmengebäuden aufzuhalten. Wessen Teint sonnengegerbt ist, der zeigt auch, dass er sich einen Urlaub leisten kann und unter Städtern ist es ein Privileg geworden, sich im Freien aufhalten zu dürfen. Damit hat die öffentlich praktizierte Kur wieder einmal ein weiteres Programm gefunden, mit dem diese werben und wieder aufleben kann; das schon in der Antike übliche und erst im sittlichen Europa prüder Zeit verbotene bzw. vermiedene Sonnenbad.800 Eingeführt wurde es um 1900 an den europäischen Seebädern; auch am Meeresstrand war Sonnenstrahlung im 19. Jahrhundert noch gemieden worden – man hielt sich vorerst unter Schirmen, Zelten und frühen Strandkörben bedeckt. Hautbedeckende Badekleidung war verpflichtend. Nicht zu vergessen ist zudem der Einfluss von Medien, die für das Sonnenbaden werben. Fotomodelle wie diejenigen von Coco Chanel sieht man erstmals gebräunt auf Plakaten und in der Zeitung.801 In den Kurparks darf inzwischen neben der gesundheitlich dienlichen, stets üblichen Promenade, auch in der Sonne gelegen werden, und zwar ohne dabei zwanghaft etwas tun zu müssen, sei es das Lesen leichter Lektüre. Erst seit Neuem wird dem Körper wirklich Entspannung gewährt. Einige Neckarbäder bieten eigens hergerichtete Terrassen zum Sonnenbad an. Leuze wirbt ebenso mit neuen Sonnenterrassen auf der Berger Insel.802 Gebadet wird in der Regel aber noch nach den Geschlechtern getrennt, allmählich setzt sich allerdings das gemeinschaftliche Bad für Männer und Frauen durch. Bereits 1906 hat am Berger Neckarufer bei Cannstatt ein Rikli-Bad eröffnet, in dem geschlechtlich getrennt von Beginn an auch unbekleidet gebadet werden durfte, umzäunt nur noch 796 In Stuttgart wurde 1926 der erste FKK-Verein gegründet als „Bund für freie Lebensgestaltung“. Siehe hierzu auch Schukraft/ Kress 2006, S. 118-119. 797 Für Damen gab es bereits gewagte Einteiler; der berühmte Bikini hat sich erst nach dem 2. Weltkrieg verbreitet. Der 1946 von Louis Réard entwickelte „Bikini“ nähert sich der Damenmode römischer Zeit an. Quelle: Brockhaus, s. u. 798 Hierzu Manfred Schmid et al.: „Prima Donna. Zur wechselvollen Geschichte einer Cannstatter Korsettfabrik“, Begleitband zur Ausstellung im Stadtmuseum Bad Cannstatt vom 29.2.2012 - 30.9.2012, Stuttgart 2012, S. 80 ff. 799 Vereinzelt wurden bereits im 19.Jh. Luftbäder erprobt, z.B. durch Naturheiler Vinzenz Prießnitz (1799-1851). Sog. Lufthütten wurden von der Lebensreform-Bewegung entwickelt, von Johann Heinrich Lahmann (1860-1905). Unter Luftbädern wurde weniger eine Luftkur als die Lichttherapie verstanden. In Stuttgart gründete sich 1903 der erste Luftbadverein, eröffnete am 12.6.1904 in Degerloch das erste Licht-Luftbad: Hierzu Schukraft/ Kress 2006, S. 118. 800 Sonnenbäder wurden schon in der Antike empfohlen, z.B. von dem Mediziner Galenos von Pergamon. Zu „Galen“: Brockhaus.de (Online-Enzyklopädie) https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/galen-20 Aufgerufen am 11.03.2022. 801 Für die Lichttherapie erhielt Niels Ryberg Finsen 1903 den Nobelpreis für Medizin. (Quelle: Brockhaus.de, Online Enzyklopädie: „Finsen, Niels Ryberg“). https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/finsen-niels-ryberg Aufger. 11.3.2022. 802 Gustav Ströhmfeld (Bearb.): „Kleiner Führer durch Groß-Stuttgart. Mit Stadtplan und Bildern“, hrsg. vom Verein für Fremdenverkehr, 9. Aufl., Stuttgart 1912, Werbe-Anhang, S. 34. 129 von einem Sichtschutz. Dieses ist eines jener neuartigen Freibäder, welche sich auf den Schweizer Naturheilanwender Arnold Rikli (1823-1906) berufen,803 der die sogenannte Atmosphärische Kur eingeführt hatte, die sich über Licht- und Luftbäder, die Heliotherapie, definiert. Diese Licht- und Wärmetherapien drehen sich um die Kraft des Sterns, welcher dem Menschen wie der ganzen Erde überhaupt erst das Licht und die Wärme spendet, die wiederentdeckte804 Heilkraft der Sonne. Die Zahl an Sonnenstunden liegt hier, in einer der wärmsten Gegenden des Landes, übrigens über dem deutschen Durchschnitt.805 Stuttgart-Cannstatt ist Sonnenbad. Die zwei Cannstatter Kursäle werden nach einer neuen Sanierung zum hundertjährigen Jubiläum des Brunnenvereins am 16. April 1921 wiedereröffnet. Durch die Malermeister Gebrüder Kauderer und Friedrich Klenk wurden im Inneren einige Ausbesserungs-Arbeiten vorgenommen. Was Stuttgart 1921 angehen will, würde alles Bisherige in den Schatten stellen. Die Stadt überlegt, ganz Stuttgart im großen Stil zu einer Mineralbäder-Stadt auszubauen, sogar ein „Welt-Heilbad“ zu schaffen: „(...) In den Unteren Anlagen, den Ausläufern des herrlichen, von Stuttgart bis Cannstatt führenden Schloßgartens, wird zwischen dem Quellengebiet, dem Park und Schloß Rosenstein und der 'Wilhelma' ein allen badetechnischen Neuerungen entsprechendes Badehaus errichtet, während das Schloß Rosenstein ein fertiges Kurhaus darstellt, (die) ehemalige königliche 'Villa Berg' (...) ist ebenfalls für Kurzwecke in Aussicht genommen. Die Parkanlagen, Schloßgarten, Park Rosenstein, Wilhelma-Anlagen und Villa Berg umfassen insgesamt etwa 280 Hektar und stellen somit den weitaus größten Kurpark Deutschlands dar.“806 Bemerkenswert ist, dass der Kurpark nicht einmal mitberücksichtigt ist – jedenfalls hier nicht erwähnt. Eine „Stuttgarter Mineralbad-AG“ wird dazu am 6. Dezember 1921 mit einem vorläufigen Kapital von 10 Millionen Deutschen Mark gegründet und eine Bürgervereinigung unter Führung des Oberbürgermeisters Lautenschlager arbeite, nach der hier zitierten Quelle, bereits an einem großzügigen Plan. Mit der Errichtung eines „Mineralbades Rosenstein“ will man noch im Frühjahr beginnen und dieses 1923 eröffnen können. Und weil die Inselquelle wegen der damaligen Kanalisierung des Neckars bedroht ist, denkt man sogar an eine ziemlich aufwendige Umleitung des Mineralwassers durch Kanäle in das Stuttgarter Stadtzentrum. Dort würde ein neues Kurzentrum entstehen.807 Obwohl die Anlagen derzeit ohnehin als großer Kurpark genutzt werden können, wird für die zwei Bauten Schloss Rosenstein und Villa Berg aber keine Nutzung als wirkliche Kurhäuser in Angriff genommen. Stattdessen wird im Schloss Rosenstein zunächst eine königliche Gemäldesammlung untergebracht.808 Auch die um 1913 von der Stadt gekaufte Villa Berg wird 1925 als Gemäldegalerie neu gerichtet eröffnet.809 Die Projekte scheitern jedoch, weil die Initiative mit dem Eigentümer der Anlagen, der Staatsfinanzverwaltung, keine Einigung erzielen konnte – wieder fehlten die Gelder nach der Inflationszeit. 803 Das lange unter Verruf stehende Rikli-Bad wurde im Krieg 1944 zerstört und nicht wiederaufgebaut. Siehe hierzu auch: Friedrich Wolf - „Gesammelte Werke“ (hrsg. von Else Wolf und Walther Pollatschek), Bd. 15, „Aufsätze 1919-1944“, Berlin 1967, S. 100 ff. 804 Zwar ist die Heliotherapie schon im 18. Jh. wiederentdeckt worden – dennoch gab es lange eine Kleiderordnung. 805 Quelle: DWD (Deutscher Wetterdienst). Stuttgart liegt nach Sonnenstunden häufig auf einem der führenden Plätze, z.B. im Jahr 2019. Die Zeitschrift „Men's Health“ wertete 2007 die Daten von 30 Jahren aus – Platz 3: Stuttgart. 806 Stadtarchiv Stuttgart, N6.9.3.1, Robert Manning im Sonder-Abdruck des 8 Uhr-Abendblatts und der National- Zeitung Berlin, 1922, S. 1 ff. 807 Nach dem Zweiten Weltkrieg, als Stuttgarts Bauten zerstört waren, wurde diese Idee von Eugen Mertz wieder aufgegriffen, der das zerstörte Neue Schloss zu einem Kurhotel umbauen wollte, die Hohe Carlsschule zu einem Kurmittelhaus, das Kunstgebäude zur Trinkhalle – ein abenteuerlicher Plan, der zu Gunsten von Cannstatt und Berg reine Fiktion blieb. Vgl. Schukraft/ Kress 2006, S. 47. 808 Später kam die Weltkriegsbücherei des Industriellen Richard Franck hinein, dann ein Kriegsmuseum. Die Villa Berg wurde 1913 von der Stadt gekauft, als Gaststätte und Konzertsaal genutzt, 1925 renoviert und als Gemäldegalerie wiedereröffnet. Hierzu u.a. Ulrich Gohl (Hrsg.): „Die Villa Berg und ihr Park“, 2. Aufl., Stuttgart 2014. 809 Nach dem Ankauf der Villa durch die Stadt ist wieder eine Nutzung als Gaststätte und Konzertsaal im Gespräch. Im Zweiten Weltkrieg sind beide königlichen Bauten innen ausgebrannt. Die Villa Berg ging am 23. Juni 2015 vom SWR als Eigentümer wieder in den Besitz der Stadt Stuttgart über. Das Schloss Rosenstein ist seit 1954 Naturkunde- Museum – vgl. hierzu auch: Jardin des Plantes in Paris (zoologisch-botanischer Garten und Naturkundemuseum). 130 Die 1902 gegründete Naturstein-Firma Adolf Lauster & Co errichtet 1921 bei dem Steinbruch an der Neckartalstraße zwischen Cannstatt und Münster einen eigenen Bürobau mit Werkstattgebäude und Villa.810 Nachdem bereits Römer den hiesigen Stein abgebaut hatten und danach die Alamannen sowie Baumeister im Mittelalter darauf etwa für Kellergewölbe zurückgegriffen hatten, wird der Travertin im frühen 20. Jahrhundert als edler Werkstoff wiederentdeckt und erneut viel an Bauten verwendet. Zunächst ist die Verwendung auf Rand- und Pflaster- sowie Grenzsteine beschränkt, wenig später gilt Verkleidung mit Naturstein auch an Gebäuden als geschmackvoll. Bemerkenswert ist, dass der Stein mit dem Antikenbezug im 19. Jahrhundert nicht sehr häufig verbaut wurde; er fand vor 1900 etwa für Straßen, Gewölbekeller und Rustiken verwendet. Das Kolosseum in Rom belegt die außergewöhnliche Robustheit dieses Sauerwasserkalksteins. Womöglich entsprach die eher poröse Oberflächenbeschaffenheit und farblich unruhige Struktur des Travertins eben nicht dem Zeitgeschmack bzw. Vorlieben der württembergischen Könige und Aristokraten.811 Jedenfalls zeugen fast alle repräsentativen Bauten Wilhelms I und auch die von König Karl von einer Vorliebe für Sandstein, wie er verwendet wurde etwa für Schloss Rosenstein, die Wilhelma, Villa Berg oder den Stuttgarter Königsbau. Dabei hätte Travertin sehr viel offensichtlichere Rückgriffe auf Rom geboten. Mit Ausnahme des halbrunden Platzes am Wilhelma-Theater finden sich kaum bauliche Elemente aus Travertinstein. Erst „(...) seitdem in der Architektur auf Flächenwirkung mehr Wert gelegt wird als auf reiche Profilgliederung, schenken die Baukünstler diesem Stein immer mehr Beachtung (...)“.812 Sicherlich spielen auch die notwendigen Techniken eine Rolle; nach 1900 setzt sich allmählich ein Abbau und die Verarbeitung mit Steinsägen durch. Lauster patentierte die hydraulische Rohblockgewinnung. Im Travertin sind immer wieder Fossilien als Versteinerungen von urzeitlichen Pflanzen und Tieren eingelagert. Dieser Stein gilt als unverwüstlich. Travertin steht von nun an für Robustheit, Eleganz und Luxus, er wird die Baukunst in der nächsten Zeit beschäftigen und für die Brunnen am Kursaal813 verwendet: „Wie eine Erdenwunde klafft der Bruch, tief in den Berg hineingetrieben, und sein Gestein liegt offen wie ein Buch, auf dessen Blättern Gott geschrieben. - Wo aus der Berge sammetgrüner Höh sich kühn die kahlen Felsen heben, da rollte brandend einst die tiefe See, gebar und starb fremdwildes Leben. Es wimmelte am flachen Küstensaum von Sauriern, Ungeheuern, Drachen, und unablässig spie der Wellenschaum die Muscheln aus des Meeres Rachen. So wuchsen Felsen auf dem Urgestein, ein steinern Grab für alle Wesen. – Der Geist ersinnt aus Altem neues Sein und baut aus dem, was einst gewesen. Es dröhnt der Bruch von Schlag und Hieb und Stoß, der alte Stein muß neue Steine geben. In hartem Ringen läßt der Erdenschoß die Form erstehen – und neues Leben. Was ist das Alter, was vergangne Zeit? 810 Die folgenden Informationen beruhen auf dem Familienarchiv des Verfassers und auf Angaben des langjährigen Mitarbeiters der Firma Lauster, Hans-Peter Kuban: Interview des Verfassers vom 25.10.2017. 811 Seit 1987 stehen die ehemaligen Werkshallen der Firma Lauster aus Travertin offiziell unter Denkmalschutz. 812 Erwin Reyer: „Die Bausteine Württembergs“, Halle an der Saale 1927, S. 79. 813 Die warme, geradezu südländisch anmutende Farbe des Steins macht ihn auch geeignet für Sonnenterrassen. 1994 wurde die Sonnenterrasse im SoleBad Cannstatt mit Travertinplatten verkleidet. Quelle: Pro Alt-Cannstatt. 131 Sieh, unvergänglich ist das Leben. Was einst versank, ersteht im neuen Kleid, wird neuen Zielen hingegeben. Des Steines Sprache gilt in Ewigkeit, sie wird vom Bauenden noch künden, wenn längst die Spur von seiner Erdenzeit wie Spreu verweht ist von den Winden.“814 Nicht nur der Häuser- und Straßenbau floriert nach der Einführung der Rentenmark, auch dem Kurbetrieb wird wieder mehr Beachtung geschenkt. Der erste Stuttgarter Omnibus etwa verkehrt zwischen der Marienstraße in Stuttgart und dem Kursaal in Cannstatt. In der zwölften Auflage von Woerl's Reiseführer für Stuttgart 1926 heißt es: „Stuttgart (...) wird gern von Fremden besucht (…). Über 30 Quellen815 entströmen dem Cannstatter Becken. (Stand 1926) Was Stuttgart durch diese Quellen an heilkräftigen Bädern zu bieten vermag, kann anderen Kurbädern von Ruf getrost zur Seite gestellt werden. Diese Tatsache hat darum auch den Gedanken geweckt, die Kurbadestadt wieder aufleben zu lassen“.816 Tatsächlich ist die Anzahl der gefassten Quellen auf dem Höhepunkt, ein enormes Potenzial für das Kurbad, das aber leider nur von kurzer Dauer ist: Nur drei Jahre später verschwinden einige der Quellen wieder. Der Grund ist die Regulierung und Umlenkung des Flussbetts.817 Ein geradezu mondänes Flair erhält der Wilhelmsplatz nach der Eröffnung des „Café Widmann“ um 1924. [119] Dieser zweigeschossige Eckbau ist in der Form eines Viertelkreises um das Eck Badstraße und König-Karl-Straße geführt, erhält große Panoramafenster um die Rundung und an der Langseite in der Badstraße auf dem Flachdach eine großzügige Sonnenterrasse.818 Anlässlich der nach dem Neubau des Stuttgarter Hauptbahnhofs fortschreitenden Beschneidung der Parkflächen des Rosensteinparks äußert ein Gartenkritiker 1928 unveränderter Meinung: „(...) Die Stadt kann den Ausbau ihrer Bäder garnicht ernst genug nehmen. Sie lassen sich durch Ueberbrückung der stark benutzten Verkehrsstraße unmittelbar mit dem Rosensteinpark verbinden, an geeigneten Randplätzen zweckmäßige Unterkunftshäuser für fremde Badegäste, und sonstige Einrichtungen für den Kurbetrieb schaffen. Schattige Fußgängerverbindung, etwa vom Löwentor zum Kräherwald hinüber und eine solche nach den neuen Uferalleen am Neckarkanal, würden den Rosensteinpark zur vollen Auswirkung als Volkspark gelangen lassen.“819 Die Stadt arbeitet vielmehr am verkehrstechnischen Ausbau, wie 1928-1929 an den Uferzonen des Neckars.820 Mit der Regulierung wird der Neckar als Kanal schiffbar gemacht und die Flussufer zugleich gegen Hochwasser geschützt, ein Großbauprojekt, welches durchaus einige Mineralquellen in Mitleidenschaft zieht.821 Die Berger Insel ist vollständig verschwunden. Sie wurde beseitigt und der Flusslauf wurde begradigt, zwischen der neu erbauten Rosensteinbrücke und dem Mühlsteg sind 814 Elisabeth Lauster geb. Steinhilber (1896-1985): „Der Steinbruch“, unveröffentlichtes Gedicht, Kopie im Privatbesitz des Verfassers als Urenkel von Fritz Lauster (1889-1976). 815 Stand 1926. 816 Woerl's „Illustrierter Führer durch die Hauptstadt Stuttgart und Umgebung mit Einschluß von Cannstatt, Eßlingen, Ludwigsburg u. Marbach a. N.“ (mit Stadtplan, Karte und 16 Abb.), 12. Aufl., Leipzig 1926, Vorwort; S. 13. 817 Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 10 – 5387. 818 Leider wurde das ansprechende, den Wilhelmsplatz aufwertende, Gebäude 1944 zerstört und nicht wiederaufgebaut. Quelle: Pro Alt-Cannstatt, Olaf Schulze (25.2.2020). Das Café ist u.a. auf einer historischen Postkarte zu sehen. 819 Karl Luz, in: „Garten-Gestaltung“ (Hrsg. Verlag Gartenkunst), Jg. 41, Frankfurt am Main 1928, S. 168-172. Diese Vorschläge scheinen später die Architekten des Grünen U inspiriert zu haben: Vgl. hierzu Punkt 1990er der Arbeit. 820 Im Zuge dessen wurde etwas später (am 24.7.1935) auch der nach dem Ingenieur und Schriftsteller benannte Max- Eyth-See bei Hofen in einer Kiesgrube eröffnet, in die Neckarwasser ausweichen kann. Am südöstlichen Ufer des 18.000 qm großen Teiches entstand ein Strandbad. Der See war u.a. mit Leuchtturm, Clubhäusern, Sprungturm und 150 Paddelbooten ein attraktives Ausflugsziel und ist dies bis heute – derzeit nur ohne Badefreuden. Teils wurde über die neuerliche Nutzung als Badesee nachgedacht: Hierzu Heinz H. Poker: „Chronik der Stadt Stuttgart 2000- 2002“, Stuttgart 2003, S. 474. Zum ehem. Badesee: Leipner 1982, S. 219. Im Sommer 2019 kippte der See um, zahlreiche Fische verendeten. Die Wasserqualität im stehenden See ist noch schlechter als im fließenden Neckar. 821 Jahresheft für Statistik und Landeskunde, Jg. 1928, Stuttgart 1929, S. 277: „Verschließung eines Mineralwasser- Austritts im Neckarkanal“. Argumente gegen Stuttgart 21 haben aufgrund dieser Erfahrung ihre Berechtigung. 132 massive Kaimauern an die Uferränder gebaut, die an den einstigen Promenaden in Form von mehreren Meter tiefen Stürzen das Gewässer unzugänglich machen. Die Inselquelle versiegt und muss neu erbohrt werden, daraufhin verliert sie erheblich an Gehalt. Diese eignet sich infolgedessen nicht mehr für Trinkkur-Zwecke. Dafür hat sie nun eine deutlich erhöhte Schüttung: Bis zu 185 Liter pro Sekunde sind nun anstelle von den früher 12 Litern in der Sekunde gemessen worden. Der wichtige Berger Sprudel verschwindet von der Karte. Als Ersatz wird noch tiefer der Berger Urquell erschlossen. Die Quelle der oberen Sulz am Wilhelmsplatz wird daraufhin stark abgeschwächt. Kellerbrunnen, Auquelle sowie der Veielbrunnen versiegen zeitweise ganz. Auch die drei Quellen am Sulzerrain lassen in der Schüttung nach. Zu nennen ist insbesondere der Verlust der beiden historischen Mineralquellen „Männlein“ und „Weiblein“.822 Dem Schiffsverkehr wird jetzt die Vorfahrt gegeben und die alten Brücken werden aus dem Weg geschafft. Die alte Wilhelmsbrücke von Gottlieb Christian Eberhard Etzel wird durch einen Neubau mit Schiffsunterführung ersetzt. Theoretisch kann man über die Wasserstraße, den Neckar, sowie Rhein und Nederrijn, bis an die Nordsee und das offene Meer gelangen. So leben in Bad Cannstatt seltene Wasservögel wie Möwen, Kormorane u.v.m.823 Verloren gegangen ist mit dem Uferwall auch das alte Badhaus von 1538, das zuletzt 1812 durch Johann Jacob Frösner jun. im klassizistischen Stil modernisiert worden war und nach dem Brand 1818 wohl mehrmals saniert. [016] Den größten Verlust stellt die Beseitigung der Berger Insel dar, dort hatten sich überhaupt erst die Neckarbäder, Flussbadekabinen, Mineralschwimmbäder, Freibäder und Sonnenbäder entwickelt. Wesentliche Charakterzüge und einmalige Reize des Kurortes am Neckar sind verloren gegangen. Das Mineralbad Leuze, das sich bisher auf der Berger Insel befand, ist an das Ufer gerückt. Für die Bauarbeiten musste es allerdings nicht weichen, weil der Neckar auf ein Bett beschränkt wurde, er fließt jetzt nur noch östlich am Mineralbad Leuze vorbei. Früher gab es einen schmalen Kanal auf der Westseite. Dieser Kanal ist nun verfüllt, womit am Neckarknie neue Landflächen entstanden, für breitere Straßen. Hinzu kommt, was sich als noch weitaus gravierender herausstellen wird, dass damit Weichen gestellt sind zu einer Entwicklung, die das Kur- und Badewesen weiter abschwächen wird und in Vergessenheit geraten lässt. Es ist erst der Beginn einer rücksichtslosen Naturzerstörung mit urbaner Verdichtung bei der gleichzeitigen Entfaltung vielfältiger industrieller und verkehrstechnischer Interessen. Dem Naturraum wird das Raster einer Stadt aufgezwungen, die sensiblen Elemente Luft, Erde und Wasser werden erheblich beeinträchtigt. Der Bau von Straßen schließt selbst die Wasserstraße mit ein. Der Neckar erhält vor dem Rosensteinpark erste Schiffsschleusen, die Staustufe Cannstatt, nach Entwürfen von Paul Bonatz (1877-1956), mit Wehr und Kraftwerk, 1927-1930. Mit dem Kanal entwickelt sich in der Folge eine Industrieachse entlang des Neckars, besonders zwischen Bad Cannstatt und Untertürkheim entsteht ein Ballungsraum mit sehr verbauten Uferbereichen und unzugänglichen Kais. Die Idee einer urbanen Zusammenbindung von Stuttgart und Cannstatt wird dadurch erschwert. In der Folgezeit gilt das Credo: Wirtschaft vor Freizeit. Sämtliche Flussbäder müssen weichen, was den Protest der Betreiber zur Folge hat.824 Einige der Bäder sind damit trocken gelegt, wodurch wiederum eben das Sonnenbaden an Bedeutung gewinnt. Direkt am neuen Neckarkanal wird 1929 zugleich die parallel zum Fluss laufende Neckartalstraße mit der Pragstraße und der Stuttgarter Straße zusammengeführt. Diese Verkehrsstraßen werden dem modernen Zweck des Automobilverkehrs übergeben, nachdem bereits über die alte Brücke einzelne Automobile gefahren waren. Bislang, seit 1835, sind dies insbesondere Kurpromenaden gewesen. Über die neue Rosensteinbrücke und die Wilhelmsbrücke fahren ab 1930 vermehrt Automobile, nachdem diese als Fußgängerbrücken um die Jahrhundertwende auch dem Straßenbahnverkehr freigegeben worden waren. Die alte Wilhelmsbrücke ist durch eine moderne Stahlbetonkonstruktion ersetzt, mit einem breiten Fahrstreifen in der Mitte, rechts und links davon zwei deutlich schmälere 822 Laut Ströhmfeld 1896, S. 31, hätten beide Quellen schon um 1896 an Wert verloren. Ersatz: Schiffmannbrunnen. 823 Auch eine Population von Gelbkopf-Amazonen, tropischen Papageien, hat sich nach einem Ausbruch aus dem Zoo Wilhelma in den 1980/90ern entwickelt und lebt frei im Park. Beleg vor Ort. Vgl. Bast/ Schwenk 2014, S. 174-176. 824 Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 2000, Inv. Nr. 6: „Verschiedene Zeitungsausschnitte zum Neckarkanal“, 1923-1930. 133 Fußgängerwege.825 Ihre Funktion als Kurbad-Brücke rückt deutlich in den Hintergrund, speziell die originellen Aussichts-Buchten sind weggefallen, zentral kommt die neue Verkehrssituation826 zum Ausdruck, der Fußgänger wird bildhaft an den Rand gedrängt. [120] [121] Ursprünglich sollte die erste Wilhelmsbrücke, von 1838, doch in erster Linie Altstadt und Vorstadt sowie den Kurpark mit dem Rosensteinpark verbinden und sowohl dem Fremdenverkehr als auch dem Handelsverkehr nutzen. Die Straßen zerschneiden nun vielmehr die Parkanlagen. Sie zertrennen die Kurstadt in zwei Teile, mit störendem Faktor genau in der Mitte, um die befahrene Brücke. Zu dicht am Ufer verläuft der Straßenverkehr, eines Bades keineswegs würdig. In den 1930er Jahren wird der Anspruch der Regierung aber nicht bescheidener. Noch gibt die Stadt Stuttgart ihren Bäderbetrieb nicht auf und will mit Cannstatt sogar wieder an ihre glanzvollsten Zeiten anknüpfen. 1930er. Bad Cannstatt im Dritten Reich Seit 1933 ergreifen die Nationalsozialisten Maßnahmen, um die „Volksgesundheit“827 zu steigern. Am 20. Juli 1933 wird der neu gestaltete Brunnenhof hinter dem Kursaal eingeweiht, mit zwei neuen Schalen aus Travertinstein für den alten Wilhelmsbrunnen und für die frisch erschlossene Gottlieb-Daimler-Quelle.828 Letztere wurde erbohrt aufgrund der erheblichen Quellverluste 1929. Gestalterisch sind beide Brunnenschalen sehr roh gehalten, steinsichtig, ohne Verzierungen und in der Optik ihrer Verarbeitung. Damit sind einige Kanten aus der Behandlung mit Steinsägen scharf gelassen und akzentuiert. Die kreisrunden Schalen stehen auf einem deutlich schmäleren Sockel. Der Sockel ist an vier Kanten abgeschrägt; achteckig, aber nicht gleichseitig. Das Mineralwasser sprudelt in der Mitte in einem gläsernen Zylinder auf, deutlich sichtbar für den Brunnengast, auf einem kupfernen Aufsatz ist der Name der Quelle eingraviert. Das Abflussbecken ist ringförmig aus dem Stein gehöhlt. Rand und Tiefe des Trogs haben eine markante Dicke. Seitlich wurde, direkt vor dem Abhang des Sulzerrains, eine schmale Pergola mit weiß angestrichenen Holzlatten und drei Sitzbänken darunter errichtet. Heilwasser wird nur noch gegen Bezahlung für 0,10 RM pro Flasche und mit vorzuzeigender ärztlicher Verordnung vom Aufsichtspersonal ausgeschenkt, die Brunnen wurden mit einer Absperrung versehen. Von nun an ist der Hof ganz unbedeckt und offen, denn den hölzernen Trinkpavillon von 1890 hat man bei der Umgestaltung ersatzlos entfernt. Die Quellen sind nun isoliert vom Kursaalgebäude, der damit seine Funktion eigentlich verloren hat, denn die Verbindung ist gekappt. Schließlich war der Bau 1838 entstanden als bedeckte Trinkhalle. Am 15. November 1933 wird das seit 26. Juli 1918 für das ganze Reich gültig gewesene Mineralwassersteuergesetz wieder aufgehoben. Damit steigt jetzt der Absatz in den Sprudelfabriken wieder. Das Wasser des neu gefassten Wilhelmsbrunnens wird für einen dritten Brunnen abgezweigt, der nun besser wahrnehmbar vor den beiden Querriegeln der Gebäude stehen soll, nicht mehr dahinter verborgen. Als Kunstwerk entsteht 1934 der Lautenschlägerbrunnen. [122] Die Brunnenskulptur von Jakob Clement stellt einen Laute spielenden Knaben dar. Sogenanntes B-Wasser des Wilhelms- 825 In dieser Form wurde die bei Kriegsende durch Sprengung in den Neckar gestürzte Brücke 1945 wiederaufgebaut. Bildbeleg. 826 Nur durch die Initiative des Bürgervereins erhielt die Brücke statt einer vorges. Breite von nur 6 m die Breite 10 m. Quelle: Pro Alt-Cannstatt, Olaf Schulze, Gespräch vom 25.2.2020. 827 Vgl. Schukraft/ Kress 2006, S. 45. Als richtig erwiesen hat sich die 1934 in Jena veröffentlichte medizinische Studie von Prof. Dr. Martha Schmidtmann (1892-1981), Chefin der Pathologie am Krankenhaus Bad Cannstatt, mit dem Titel: „Kraftverkehr und Volksgesundheit. Gibt es chronische Autoabgasschäden? Experimentelle Untersuchungen am Benzinmotor“. Quelle: Stadtmuseum Bad Cannstatt – „Und die Frauen? Cannstatter Frauengeschichte(n) reloaded“, eine Ausstellung des Museums für Stuttgart vom 18.05.2019 bis 13.10.2019. 828 Vgl. Leipner 1982, S. 48. 134 Brunnens speist den Brunnen.829 Nach den Planungen des Städtischen Hochbauamts steht dieser neue Mineralbrunnen linker Hand vor dem Kursaal an der Mergentheimer Straße. Die Brunnenfigur sitzt auf einer Steinkugel, die ungefähr zu drei Vierteln ausformuliert ist und wiederum auf einem oktogonalen Postament ruht. Auf jeder Seite des Oktogons ist ein Auslauf angebracht, sodass von insgesamt acht Positionen aus Mineralwasser abgefüllt werden kann. Das ebenfalls achteckige Becken ist hüfthoch angebracht und in der Form eines Trogs nach unten verjüngt. Ikonographisch folgerichtig besteht der Brunnen aus echtem Cannstatter Travertin. Benannt ist das Werk nach der Brunnenfigur.830 Immer mehr deutsche Kurorte bewerben sich seit einiger Zeit mit Erfolg um eine staatliche Anerkennung des Ortsnamenszusatzes „Bad“. Bad Überkingen, Bad Rappenau und andere gehen 1930 mit stolzem Beispiel voran. Zu Beginn der 1930er Jahre überlegt auch die Stadt Stuttgart, für den Stadtteil Cannstatt endlich das begehrte Prädikat beim württembergischen Innenministerium zu beantragen. Die Verleihung gestaltet sich etwas schwieriger, aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Großstadt. Als jedoch ab 1933 die Nationalsozialisten an der Regierung sind, ändern sie einige Gesetzmäßigkeiten im Sinne der Volksgesundheit um – eine Förderung der Bäder ist erwünscht und wird durchgesetzt. Der Stadtteil Stuttgart-Cannstatt erhält beim 15. Deutschen Turnfest am 24. Juli 1933 durch amtliche Verfügung der Nationalsozialisten schließlich den Namenszusatz „Bad“ als Prädikat verliehen, gleichzeitig mit Bad Friedrichshall und Bad Krozingen.831 Wenige Tage zuvor hatte die Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung dem eingereichten Antrag der Stadtverwaltung vom 18. Juli mit Nro. 4720 entsprochen.832 Seit 28. Juli 1933 verwendet das Standesamt Cannstatt den offiziellen Namen „Stuttgart-Bad Cannstatt“. Seitdem hat die offizielle Bezeichnung Bad Cannstatt Gültigkeit – eine aufwertende Auszeichnung von nicht zu unterschätzendem Prestige. Zu diesem späten Zeitpunkt hat die Stadt jedoch streng genommen längst aufgehört, ein aktiver Kurort zu sein. Dennoch ist dieser Titel gerechtfertigt, weil die Stadt über einmalige Heilmittel aus verschiedenen Quellen verfügt und dies eben in kaum zu fassendem Maß. Die Infrastrukturen und Einrichtungen aus dem 19. Jahrhundert sind weiterhin vorhanden und sollen wieder der Nutzung zugeführt werden, der Kurbetrieb wieder aufgenommen. Notwendige Maßnahmen wurden seit 1930 mit der neuen Quellfassung ergriffen. Verschiedene Überlegungen, die örtlichen Anlagen massiv auszubauen, sind bereits angestellt. Der amtierende Stuttgarter Oberbürgermeister Karl Strölin (1890-1963) wurde zum neuen Vorsitzenden des Brunnenvereins gewählt. 1934 nimmt das Projekt einer Erweiterung der Anlagen am Sulzerrain dann detaillierte Formen an: Ein Architektur-Wettbewerb wird ausgeschrieben. Alle seit dem 1. Januar 1934 in Württemberg ansässigen Architekten, ausschließlich Deutsche, sind dazu zugelassen, sowie zusätzlich die ebenda geborenen Architekten.833 Im 32. Jahrgang des Stuttgarter Architekturmagazins „Die Bauzeitung“ werden am 15. Februar 1935 die Gewinner des Wettbewerbs namentlich und mit einer Entwurfsskizze vorgestellt. Den 1. Preis, über 2.500 Reichsmark, hat ein Mitglied des Bundes Deutscher Architekten gewonnen, Ernst Leistner (*1892). Bei ihm soll der Thouret'sche Kursaal mit zwei daran je im 90 Grad Winkel angelagerten Wandelhallen u.a. erweitert werden. Der Plan sieht hauptsächlich eine großzügige Verlängerung der Wandelgänge vor, die alle im Verbund stehen würden. Innerhalb geschlossener 829 Amtsblatt der Stadt Stuttgart 22.3.1934. Am 21.3.1931 hatte man im Amtsblatt den Zustand beklagt, dass die Stadt Stuttgart Cannstatt vernachlässige. Weil die Quellschüttung nachließ, wurde eine Neufassung beschlossen. 830 Bis heute ist der Lautenschlägerbrunnen einer der meistgenutzten Mineralwassertrinkbrunnen. Aufgrund seiner günstigen Stellung am Kurpark, neben dem Kursaal sowie am Mineralbad Cannstatt und zudem an einer Stadt- Bahnhaltestelle, wird er im Gegensatz zu vielen versteckten Brunnen wahrgenommen und genutzt. Quelle: Vor Ort. 831 Vor der offiziellen Umbenennung des Stadtbezirks wurde der Stadtname „Bad Cannstatt“ zum ersten Mal um 1836 von August Zoller verwendet – siehe Zoller 1836 (mit Endung „-dt“). Um 1877 erscheint der Name in der heute üblichen Form bei dem Cannstatter Naturheiler Dr. Alexander Loh – siehe Loh 1877, Arbeitstitel. Viel häufiger war auch im ganzen 19. Jh. die Bezeichnung „Kurort Cannstatt“. Zahlreiche Kurorte erhielten den Titel schon früher. 832 Vgl. Chronik der Stadt Stuttgart 1933-1945, S. 50. Siehe Amtsblatt des württembergischen Innenministeriums vom 31.3.1933, Nr. 9, S. 227/ Amtsblatt der Stadt Stuttgart 1933, Nr. 88, 3. August. 833 Stadtarchiv Stuttgart, N.6.9.3.3. Niederschrift des Gemeinderats vom 27. 3. 1934. 135 Wandelgänge soll der Kursaal zwar mittig noch die Stelle eines Hauptbaues einnehmen, dürfte aber zwischen den monumentalen Bauten deutlich an Strahlkraft einbüßen. In Stellungnahmen wird dieser Aspekt verharmlost.834 Darüber hinaus sind ein Hotel, Kurmittelhaus, Hallenbad und eine Promenade mit Einkaufsläden vorgesehen. [123] Der erste Plan Leistners soll bis 1936 noch einmal überarbeitet werden, sodass der Große Kursaal von Thouret miteinbezogen werden und als eine Wandelhalle fungieren kann und Platz für großzügige Sonnenterrassen frei wird. Der Leiter des Städtischen Hochbauamts, Oberbaurat Dr. Ing. Schmidt, äußert sich über die Entwurfsvorgaben und erklärt, man wolle das Stadtbad von 1899 und das Gebäude in der Paulinenstraße 31, also das einst maurische Bad, abreißen, die Flächen überbauen: „(...) Beim Hauptentwurf war im wesentlichen folgendes Raumprogramm vorgesehen: 1. Trinkhalle für drei Trinkbrunnen mit Wandelhalle, 2. Inhalatorium mit Räumen für Einzelinhalation, Raum- Inhalation, pneumatischen Kammern und Gurgelräumen, 3. Badehaus. Dieses soll enthalten 1 Medizinalabteilung mit 30 Zellen für Stahlbäder, 5 Zellen für Wechselbäder, 10 Zellen für Bäder mit der Heilquelle und verschiedene Spezialbäder, 1 Wannenbad-Abteilung mit 50 Zellen, 1 russischrömisches Bad mit Abteilungen für Männer und Frauen, 1 Schwimmbadabteilung mit einem Schwimmbecken 12,5 x 33,5 m in Verbindung mit Licht-, Luft- und Sonnenbad und den nötigen Auskleide- und Reinigungsräumen, 4. Abfüll- und Versandhaus mit Pastillenfabrik, 5. Kurhotel für etwa 100 Betten. Außerdem war die Umgestaltung der westlichen Kuranlagen sowie eine Verbindung zum Neckarufer und Rosensteinpark vorzuschlagen“.835 Ein 2. Preis, über 2.000 RM, ging an Regierungsbaumeister Paul Heim und Hermann Gabler aus Stuttgart: Links an den Thouret-Saal würde eine stattliche Trinkhalle angegliedert. Entlang der Mergentheimer Straße entstünde ein sehr langer Trakt mit Medizin- und Reinigungsbädern. Auf der Parkseite ist eine lange Wandelkolonnade vorgesehen, auf der Nordseite eine Schwimmhalle, sie stünde im Verbund mit einer Sporthalle und einem Verwaltungsflügel. Die Bauten würden einen „Sonnenhof“ bilden. An der Königstraße stünde über Eck ein Kurhotel mit Säulenkolonnade als Gegenstück zu dem Badehaus. Die Baukosten würden ersten Schätzungen zufolge etwa 1 Mio. RM betragen.836 Einen 3. Preis machten Regierungsbaumeister Dr. Ing. Eduard Krüger (1901-1967) und dessen Mitarbeiter Dipl. Ing. Raichle aus Stuttgart. Wie beim ersten Preis soll nördlich an den Thouret-Saal die Trinkhalle über einen bedeckten Wandelgang anschließen. An der Trinkhalle befinden sich die Eingänge für die Kur- oder Badegäste. Das Badehaus links des Kursaals würde in dem Fall einen quadratischen Innenhof bilden, eine Schwimmhalle enthalten, ein Sonnen- und Luftbad. Gegen die Hauptverkehrsseite soll an der Königstraße und Taubenheimstraße mit verdichteter Bebauung das Ensemble schützend abgeschirmt werden. Auf der Nordseite würde zudem eine Pastillenfabrik entstehen, ganz im Norden Richtung Neckarufer wäre das Kurhotel situiert. Die Baukosten für dieses Projekt lägen bei ca. 900.000 RM. Weitere 3. Preise über jeweils 1.500 RM gingen an den Ludwigsburger Architekten Otto Eichert (1890-1951), an Gerhard Graubner (1899-1970) mit Richard Kesseler aus Stuttgart und noch an Walter Salver (1907-2000) aus Sillenbuch.837 Alle Entwürfe entsprechen den Vorgaben, weichen aber in der Anordnung voneinander ab. Die zweiten und dritten Plätze unterscheiden sich vom ersten vor allem durch vorhandene Sonnenbäder. Stilistisch können die Projekte der Heimatschutzarchitektur zugeordnet werden, erkennbar schon an den eingangs formulierten heimischen Materialien. Opulenter Stil wird möglichst vermieden, die Bauten entsprechen teils der Umgebung, teils dem alten Klassizismus, sind dabei jedoch weit wuchtiger angelegt und haben eine klar bis hin zu streng wirkende Ausstrahlung. An den gerasterten Frontseiten und Fassaden sind auch Elemente Neuer Sachlichkeit erkennbar. Im Stil der Neuen Sachlichkeit präsentiert sich der Cannstatter Bahnhof von Martin Mayer 1915. Das Bauen ist der 834 Siehe hierzu die Ausgaben des Tagblatts vom 19./20.1.1935; 12.12.1936; 5.4.1938. 835 Die Bauzeitung, Bd. 45, 1935, S. 57. 836 Ebd., S. 60. 837 Staatsarchiv Ludwigsburg K 746 Bü 67; Hauptstaatsarchiv Stuttgart Q 3/41 Bü 852. 136 Stuttgarter Schule verpflichtet und dasselbe steht unter anderem in der Nachfolge von Paul Bonatz und seinem Hauptwerk in der Stadt, dem Stuttgarter Hauptbahnhof. Mitunter wird auch wieder auf die traditionelle Fachwerkbauweise sowie die Gotik zurückgegriffen. So kostspielig die Vision auf der einen Seite, so gering die Erwartungshaltung auf der anderen: „(...) Ist es überhaupt angebracht, in der etwas niedrig gelegenen Stadt Cannstatt, die doch auch in engerer und weiterer Umgebung namhafte industrielle Anlagen aufzuweisen hat, Kur- und Badeanlagen zu schaffen? (...) Verständlich, man will Ruhe und gute Luft, wenn man Gesundung sucht. Doch die Entwicklung zielt nach dem Lande. Wenn einmal die meisten von uns draußen in der Stille wohnen, dann könnte auch der Augenblick kommen, wo man den Menschen zu ihrer Gesundung mehr Anregung, mehr 'Betrieb' zuführen muß. Dann – ja dann hat Bad Cannstatt Zukunft.“838 Am 12. Juni 1935 erfahren wir, dass sich die Mitgliederversammlung des Brunnenvereins mit dem weiteren Ausbau der Kuranlagen befasst. Deutliche Kritik wird an der ungenügenden Bekämpfung der „Lärm- und Rußplage“ geäußert.839 Am 16. August 1935 hat die Stadtverwaltung schließlich in der Taubenheimstraße ein neues Gästeheim, zur Förderung des Kurbetriebs, eröffnet – das Kurhaus am Sulzerrain in der einst prächtigen Villa Lindauer.840 [118] Das Haus kann bis zu 20 Personen aufnehmen und verfügt über Gesellschafts-, Rauch- und Speisezimmer sowie über eine Diätküche. Im ehemaligen Kurhotel Herrmann dagegen wird am 3. Dezember 1936 das Rotkreuz-Krankenhaus eingeweiht, nachdem es bereits 1919 auch als solches genutzt worden war. Das Gebäude liegt außerhalb des neuen Kurzentrums und wird nun nicht mehr zu Kurzwecken genutzt. [020] Am 11. Dezember 1936 gründen die Stuttgarter als Abteilung des Fremdenverkehrsvereins den Kurverein Bad Cannstatt.841 „(...) Bereits am Gründungstag treten dem Verein etwa 100 Mitglieder bei. Baurat Richard Scheuerle hält einen Vortrag über den weiteren Ausbau von Bad Cannstatt. Er verweist auf die geplante Errichtung eines Kurmittelhauses, eines Hotels und dreier großer Schaubrunnen (…) Cannstatt soll kein Mode- und Weltbad werden, sondern ein Heilbad vor allem für den Stuttgarter selbst und für seine engere Heimat“.842 Der Ausbau der Kureinrichtungen wird am 23. März 1937 mit 1,2 Millionen Reichsmark veranschlagt. Geplant ist auch der Bau eines Mineralwasserabfüllhauses. Am 22. Juli 1937 sind für künftige Kurzwecke die beiden Anwesen Paulinenstraße 27 und Taubenheimstraße 24 erworben. Zu einem Besuch von Adolf Hitler persönlich, am 1. April 1938 im Stuttgarter Rathaus zu Gast, werden die Modelle des Wettbewerbs neben anderen Projekten ausgestellt.843 [123] [124] Gewinner Ernst Leistner sieht in seinem überarbeiteten Projekt nun links neben dem Kursaal ein Kurmittelhaus mit zwei Innenhöfen vor, davor einen langen Hotelbau mit Risaliten, eine Trinkhalle, eine Schwimmhalle, ein Inhalatorium und vor dem kleinen Saal daran anschließende imposante Wandelhallen sowie ein russisch-römisches Dampfbad. Die Baukosten hätten ersten Schätzungen zufolge etwa 1,1 Millionen Reichsmark betragen. Der Königsplatz, das ist der Vorplatz am Kursaal, bestünde aus abwechselnden Grünflächen. Letztlich schwebt der Stadt allerdings ein Plan vor, der eine große Freifläche zwischen den Gebäuden vorsieht, einen Innenhof, diese ist als Gauforum bzw. Reichsforum gedacht.844 Das Modell von Ernst Leistner wird auch auf der Deutschen Bau- und 838 Die Bauzeitung, Bd. 45, Jg. 1935, S. 54. 839 Ebd., S. 211. 840 Die Innenraumgestaltung mit Wandmalereien wurde vollständig umgestaltet, das Gebäude 1970-1973 abgerissen, um an dessen Stelle die neue Sportklinik errichten zu können. Bis 1945 waren Kurgäste in dem Kurhaus zu Gast. Informationen von Pro Alt-Cannstatt, Olaf Schulze, Gespräch vom 25.2.2020. 841 Der Kurverein war der Rechtsnachfolger des Brunnenvereins, erst 1945 wurde der Brunnenverein neu gegründet, nachdem er am 22. Dezember 1938 aufgelöst worden war. Um ca. 1960 wurden die Aktivitäten eingestellt. 842 Ebd., S. 341. 843 Die Stuttgarter erkennen die seltenen Qualitäten ihrer Stadt mit Umgebung und entwickeln den Werbeslogan der 1930er Jahre „Stuttgart – Die Großstadt zwischen Wald und Reben“. Ein früher Beleg ist ein Ufa-Ton-Kulturfilm vom 08.12.1935 (Premiere Berlin): https://www.youtube.com/watch?v=AAsdSacyfaw . Aufgerufen am 11.03.2022. 844 Zwischen Bad Cannstatt, Stuttgart-Ost und Untertürkheim entstand 1929-1933 nach Plänen von Paul Bonatz und Friedrich Scholer das Sportstadion „Adolf-Hitler-Kampfbahn“. In dem Stadion fanden zahlreiche internationale - 137 Siedlungsausstellung in Frankfurt am Main vom 3. September bis zum 9. Oktober 1938 ausgestellt. In Vorbereitung der Reichsgartenschau 1939 auf dem Stuttgarter Killesberg wird am 10. Februar 1939 noch der Strohm'sche Garten, das ist das ehemalige Privatgrundstück des Hutmachers Erhardt Strohm, dem Kurpark angegliedert.845 Nebenan wurde der Daimlerturm auf über 15 Meter Höhe aufgestockt.846 Wegen der politischen Situation bleiben fast alle Pläne allerdings ohne Verwirklichung. Nur das Abfüllhaus in der Sulzerrainstraße wurde begonnen, das Projekt eines modernisierten Kurzentrums ist gescheitert. Immerhin war man aber um die Neustrukturierung der Kurstadt bemüht, wenngleich militärische und propagandistische Beweggründe dahinter nicht zu leugnen sind. Hitler brauchte „gestählte Menschen für seinen von Anfang an avisierten Krieg“.847 Der Krieg stoppte die Planung abrupt, die nicht verwirklicht werden konnte. Auch bei diesen Projekten sollte der Kurpark in einer städtebaulichen Erweiterung nach historischem Plan mit dem Neckarufer und dem Rosensteinpark unmittelbar verbunden werden.848 Auf der anderen Seite kann man nur von Glück sprechen, dass die enormen Kursaal-Pläne weitgehend ohne Verwirklichung geblieben sind, denn ansonsten hätte es ein völlig anderes „Heil-Bad" Cannstatt gegeben. Die nächste Katastrophe für den Kurbezirk sollte folgen. 1940er. Zerstörung und Wiederaufbau Im Krieg stagniert der Kurbetrieb, man hat andere Sorgen, und die Kursäle werden provisorisch und übergangsweise wieder als Reservelazarett genutzt, aber auch für einige Veranstaltungen. Soldaten, die an der Front dienten und verwundet wurden, müssen behandelt werden, die Krankenhäuser sind überfüllt und müssen infolgedessen einen Aufnahmestopp für Patienten ausrufen, bald kommen weitere Verwundete aus der Zivilbevölkerung hinzu. Bad Cannstatt ist aus medizinischer Sicht eine wichtige Anlaufstelle. So kommen derzeit kaum Kurgäste, allerdings kommen viele Patienten auch von weiter entfernt in die Sauerbrunnen-Stadt mit ihren dringend benötigten Krankenhäusern und Kureinrichtungen, um sich hier zu regenerieren. Zur Bereicherung des Kurparks eröffnet die Stadt in einem ehemaligen Gewächshaus, das Daimler einst zur Werkstatt umfunktioniert hatte, am 6. März 1940 die Gottlieb-Daimler-Gedächtnisstätte an der Taubenheimstraße.849 Am 5. April 1940 tagen die Beiräte für das Kurbad. Der Umsatz erreichte im September 1939 bis zu 211.000 Flaschen, fiel im Oktober 1939 auf 67.000 Flaschen und steigt seither wieder. Mit 271.000 Flaschen im März 1940 wurde beinahe die Vorjahreshöhe erreicht.850 Um den Anforderungen des Sommers gewachsen zu sein, müssten täglich aber 20.000 bis 22.000 Flaschen gefüllt werden. Der Brunnenausschank soll während der Gefechte wegfallen. Das neue Abfüllhaus kann vorerst nicht vollendet werden, weil die Arbeitskräfte und Baustoffe fehlen, die Abfülleinrichtung dagegen stehe fertig in der Fabrik. Bis 1940 ist Stuttgart als Schauplatz im Zweiten Weltkrieg noch verschont geblieben.851 Doch die Engländer leiten im Sommer 1940 militärische Maßnahmen gegen das Deutsche Reich ein, um in erster Linie die Produktionsstätten und Infrastrukturen des Landes zu zerstören sowie die Wirtschaft Wettkämpfe statt. Die Sportstätte wurde in späterer Zeit immer weiter ausgebaut und entwickelte sich ab 1945 vom Neckarstadion zum Gottlieb-Daimler-Stadion und zur Mercedes-Benz-Arena, dem Fußballstadion des VfB Stuttgart. 845 Ebd., S. 550. Bis heute betreibt die Familie Strohm in der Marktstraße 21 in Bad Cannstatt ein Schuhgeschäft. 846 Der Kurverein zählte 1938 ca. 55.000 Übernachtungen. 38.000 Pers. hätten Kurkonzerte u. Veranstaltungen besucht. 847 Schukraft/ Kress 2006, S. 45. 848 Siehe hierzu Stuttgarter Tagblatt vom 8.2.1935. 849 Das Museum ist noch heute als Filiale des großen Mercedes-Benz-Museums am Neckarpark für Besucher geöffnet. 850 Vgl. Leipner 1982, S. 657. 851 Kriegszerstörung und Wiederaufbau stellen, schon vor den 1940er Jahren, einen zentralen Prozess in der Geschichte der Urbanisierung in Europa dar. Beim Wiederaufbau wurden zahlreiche Städte erheblich verändert. 138 zu schwächen. Stuttgart zählt als Industriestandort und Verkehrsstadt zu den deutschen Großstädten, die mit als erstes in das Fadenkreuz von Fliegerbombern geraten. Der erste Luftangriff geht schließlich am 25. August 1940 auf Stuttgart-Gaisburg und Stuttgart-Untertürkheim nieder. Gezielt zerstört werden die dortigen Industrien, Güterumschlagplätze, Gasanlagen sowie Energie- Wirtschaften. Am 27. Oktober 1940 veranstaltet der Turnverein Cannstatt 1846 e. V. noch einen sogenannten „bunten Nachmittag für verwundete Soldaten“852 im großen Kursaal, zu dem über 200 verwundete Soldaten geladen sind. Die Veranstaltung mit Musik, Unterhaltung und Essen soll zur Aufmunterung der durchaus traumatisierten Kriegsteilnehmer beitragen. Der Stadtteil Bad Cannstatt wird erstmals in der Nacht des 5. Mai 1942 bombardiert, 34 Kampfflieger erreichten das Stadtgebiet und beschädigen unter anderem die Neckarvorstadt. Ein weitaus schwererer Angriff auf Bad Cannstatt ereignet sich in der Nacht des 15. April 1943. Inzwischen hatten sich Großbritannien, die Sowjetunion und die USA als Allianz zu einer Anti- Hitler-Koalition zusammengeschlossen. Diesmal erreichen 393 Bomber der Alliierten den Luftraum über Stuttgart und zerstören neben den wichtigsten Infrastrukturen wie Bahnlinien nun auch gezielt Wohnsiedlungen und kulturelle Großbauten, es gibt 619 Tote und 703 Verwundete. Bei diesem 9. Luftangriff auf Stuttgart werden beide Kursaalbauten stark beschädigt. Im großen Kursaal stürzt das Dach ein, mit dem halbrunden Vorbau. Innen brennt der Saal völlig aus, dabei gehen insbesondere die historischen Wandmalereien, die Fresken als auch filigranen Verzierungen im pompejanischen Stil verloren. Glücklicherweise sind die Außenmauern des Saals noch weitgehend stehen geblieben, der Grundriss des Baus ist ja ziemlich unkompliziert angeordnet und kaum mit Innenwänden verschachtelt. Anders gestaltet sich dies beim kleinen Kursaal, dessen Grundmauern ebenfalls noch stehen, der jedoch einen weitaus kleinteiligeren Grundriss hat. Eine Spur der Verwüstung zeigt sich am kleinen Saal ebenfalls innen, mit zerstörtem Dach, ausgebrannten Zimmern und verbrannten Wandgemälden. Um den militärischen Feind zu bekämpfen oder zu schwächen, muss auch seine Versorgung und Infrastruktur zerstört werden. Zu den Zielscheiben der Bomber zählen hauptsächlich Verkehrswege, Fabriken sowie die zentralen Einrichtungen der Energieversorgung. Ein Kollateralschaden wie die Zerstörung von Kurgebäuden, Bädern, Brunnen und Krankenhäusern wird dabei billigend in Kauf genommen, ein Vorgang, welcher ein Wiedererstarken schon im Keim erstickt. Trotzdem geht der Kurbetrieb ohne größere Einschränkungen weiter, das Kurhaus am Sulzerrain und die Kuranstalt Daimler, letztere bis zur Zerstörung 1943, bleiben in Betrieb. [125] [126] Zudem finden jährlich im großen Kursaal die Mozart-Festspiele statt, die zur Hebung des kulturellen Kurlebens seit 1937 beitragen.853 Auf der anderen Seite geraten aber auch gezielt prachtvolle Gebäude in das Visier: Die absichtliche Beschädigung von Kulturdenkmalen mag auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar wirken, weil versorgungstechnisch, energetisch und wirtschaftlich ja relativ unbedeutend.854 Solches Vorgehen wirkt barbarisch, jedoch sind die Deutschen in Großbritannien, Frankreich, Polen usw. keineswegs zivilisierter vorgegangen und die Siegermächte setzen solche Zertrümmerungen als ganz bewusste Mahnmale.855 852 Leipner 1982, S. 708. Die folgenden Informationen beruhen teils auf Angaben aus der Chronik der Stadt Stuttgart. Von diesem Ereignis ist eine seltene Innenaufnahme des großen Kursaals im Originalzustand erhalten – ebd. [127] 853 Siehe Leipner 1982, Chronik der Stadt Stuttgart 1933-1945, S. 399: Das erste Mozartfest fand vom 18.-21. Juni 1937 statt und wurde veranstaltet vom Kurverein Bad Cannstatt in Verbindung mit der NS-Kulturgemeinde. Die Symphoniekonzerte wurden im großen Kursaal gegeben, Kammermusikwerke im 'maurischen Schlösschen' der Wilhelma, Orgelkonzerte und weitere Kirchenmusik Mozarts in der Stadtkirche Bad Cannstatt. 854 Jedoch kann mit den Bomben auch der Tourismus und damit ein wichtiger Wirtschaftszweig geschwächt werden. 855 Kulturhistorisch wäre interessant, den Begriff „Mahnmal“ unter Aspekten der Alliierten-Angriffe zu interpretieren und einen Katalog solcher Beispiele anzulegen. In der Regel ähnelt ein Mahnmal einem Denkmal, das künstlerisch entworfen und aufgestellt wird, um an historische Ereignisse zu erinnern. Ein Mahnmal erinnert an Schandtaten. Hinter der mutwilligen Zerstörung von Kulturdenkmalen, auch inoffiziellen, liegen manchmal ähnliche Absichten. Die Forschung spricht diesbezüglich, eher unscharf, von Kulturvandalismus. Meist werden beschädigte Gebäude wiederaufgebaut, um ihre Funktion wiederherzustellen. Bewusst als Mahnmal in Form einer Ruine stehen gelassen wurde z.B. die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin. Diese könnte als „Mahnmal-Ruine“, oder kurz Mahn- 139 Zerstört wird nebenan auch das Stadtbad von 1899, das städtische Logierhaus (ehemals Karl-Olga- Bad), Teile des Kurparks verbrennen sowie das Mineralbad Leuze und die Bäder in der Badstraße. Im gesamten Kurviertel gibt es schwere Schäden, viele der prächtigen Villen sind zertrümmert und alte Bäume verbrannt. Die Cannstatter Synagoge war schon in der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938, von den Nationalsozialisten veranlasst, durch die Cannstatter Feuerwehr abgebrannt worden. Beim zweiten schweren Luftschlag auf die Infrastruktur werden nochmals am 26. November 1943 mit dem 13. Luftangriff über Stuttgart einige Brunnen und Bäder zerstört sowie die Daimler-Benz-Werke in Untertürkheim. Am 21. Februar 1944 folgt ein weiterer ernster Anschlag von insgesamt 552 Fliegern. Die Folge sind 159 Tote und 977 Verwundete. Am 2. März 1944 wird das Eisenbahnviadukt Stuttgart-Münster in Trümmer gelegt, nochmal am 16. Juli des Jahres schießen Tiefflieger. In der Nacht vom 19. auf den 20. Oktober 1944 gelten der Neckarvorstadt und Stuttgart-Gaisburg zwei Angriffe. Bei diesem Anflug mit der bitteren Bilanz von 338 Toten, 872 Verwundeten, 38 Vermissten werden nebenbei die Parkbauten der Wilhelma und Schloss Rosenstein bombardiert. Die englische Kirche in der Daimlerstraße 17 wird am 26.11.1944, wie bei den Luftangriffen von 1943, ausgerechnet von dem „Royal Airforce Bomber Command“, durch mosquitoes der Luftwaffe des United Kingdom zerstört.856 Weitere Fliegerangriffe folgen am 9. Dezember 1944, Bahnanlagen werden getroffen, am 20. Januar 1945 nochmals Bahnanlagen sowie einige Fabrikgebäude in der Deckerstraße. Am 1. und 12. Februar, am 4. und 9. März 1945 detonieren die letzten Geschütze in Bad Cannstatt, mit zusätzlichen 118 Toten und 291 Verwundeten bei sechs Vermissten. Die letzten Angriffe hatten nochmal den Bahnanlagen gegolten. Während die Stuttgarter Innenstadt gravierende Kriegsschäden beklagt, ist die Bad Cannstatter Altstadt in ihrem Kern zu größeren Teilen verschont geblieben. Die Stadtkirche und das Rathaus mit den benachbarten Fachwerkhäusern sind beschädigt. Schon vor Kriegsende hatten die Cannstatter selbstständig mit dem dringlichsten Wiederaufbau begonnen. Für die im April 1945, bei dem Anrücken der alliierten Truppen in das Stuttgarter Stadtgebiet, durch die Wehrmacht selbst gesprengten Neckarbrücken, die spektakulär im Fluss liegen, hatten die Helfer provisorische Aufbauten über den Neckar geführt. Die zweite Wilhelmsbrücke wird nach dem Plan von 1929 unverändert wieder hochgezogen, aber die kunstvolle König-Karls-Brücke von 1893 wird dagegen durch einen Neubau ersetzt. 1948 wird an derselben Stelle und unter demselben Namen ein anderer Bau, eine Betonbogenbrücke in Betrieb genommen. 1949 ist dann auch die Wilhelmsbrücke wieder in Betrieb. Die neu zu errichtende Rosensteinbrücke wird bis 1953 von dem Plan des Jahres 1929 geringfügig abweichend wiederhergestellt. Ab Oktober 1948, nach der Währungsreform, erfolgt der Wiederaufbau der Kursaalbauten. Innen erscheint eine detailgenaue Restaurierung aufgrund sehr großer Verluste wohl zu umständlich und kostspielig: „(...) Die Wände und Decken sollen in einfachen Farben, vorwiegend in Weiß, gehalten werden“.857 Die Innenräume beider Saalbauten werden infolgedessen von Stuttgarter Restauratoren gereinigt, die Innenwände abgeschrubbt und daraufhin vollständig in reinem Weiß angestrichen. Auch die weitgehend zerstörte Holzdecke mit den Kassetten und Rosetten wird als weißer Himmel abgehängt. So präsentieren sich die Säle fortan; d.h. ohne die originale wie originelle Malerei und Stuckatur. Lediglich die kannelierten Kapitelle der dorischen Pilaster werden noch mit den Imitaten neu „vergoldet“. [053] Ernst Leistner ist 1949 als Leiter an der Erneuerung der Fassade des Großen Kursaals beteiligt.858 Am 28. Januar 1949 sind schließlich die gröbsten Schäden behoben. Bereits am 3. März 1949 findet die Wiederübergabe des Kursaals durch den Oberbürgermeister Dr. Arnulf Klett statt.859 Im originalen Zustand belassen wurde lediglich die äußere Baugliederung mit dem Ruine bezeichnet werden. Vgl. auch Erwin Gerlach: 'Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche', 3. Aufl., Regensburg 2003. 856 https://webarchive.nationalarchives.gov.uk/20070706055325/http://www.raf.mod.uk/bombercommand/nov44.html. Fliegerangriffe des Vereinigten Königreichs auf Stuttgart und Bad Cannstatt u.a. 1944. Aufgerufen am 11.03.2022. 857 Neue Cannstatter Zeitung vom 25.7.1949. 858 Stadtarchiv Stuttgart, N.6.9.3.3. 859 Neue Cannstatter Zeitung vom 25.7.1949. 140 Vorbau. Hervorzuheben ist eine dekorative Veränderung am äußeren Erscheinungsbild des großen Kursaals: Durch die Malermeister erhält der historische Zierfries mit den ursprünglichen Triglyphen und freien Metopenfeldern nun Stuckornamente in den Metopen, die es bisher nicht gab. Thouret hat die Ornamente jedenfalls nicht vorgesehen und sie sind auch nicht etwa nach einer späteren Ergänzung von vor 1943 rekonstruiert worden.860 Die Stuckornamente sind frei entworfen, wohl als weitere Ausschmückung konzipiert. Das antikisierende Mäander-Band, ein Fries über dem Eingang in dem halbrunden Vorbau, war in regelmäßigen Abständen mit Swastiken gemustert, die, dem pompejanischen Stil gemäß, besonders in der griechisch beeinflussten vorchristlichen Kunst Kampaniens und Apuliens zu finden sind.861 Der große Kursaal und die beiden Nebengebäude waren von außen stilistisch verbindend mit einem Mäander-Fries verziert. Das Mäander-Band wird nunmehr nicht restauriert, sondern beseitigt oder verborgen. Kurioserweise ähnelt die wechselnde Swastika darin Hakenkreuzen und ist wegen der Entnazifizierung in keiner Weise haltbar. Die neuartigen Stuckornamente in den Metopen sind wohl ein Ersatz. [127] [128] [129] [130] [110] Im neuen Saal mit Platz für maximal tausend Personen kann wieder gefeiert, ausgestellt, musiziert und sich versammelt werden. „(...) Allerdings wird er den Charakter einer Trinkhalle verlieren, denn man ist bei der Planung von der Notwendigkeit ausgegangen, für Bad Cannstatt und Groß Stuttgart wieder einen geeigneten Festsaal herzurichten“.862 Weiterhin werden aber nicht etwa feste Sitzplätze installiert, sondern je nach Bedarf ist Raum für eine beliebige Bestuhlung gelassen. Die Arbeiten kosteten rund 200.000 Mark und wurden durch den Brunnenverein vorangetrieben. Die Stuttgarter Nachrichten melden am 1. August 1952, dass auch die Instandsetzungsarbeiten an der Fassade und am kleinen Saal beendet seien. Bei der Restaurierung des Eitel'schen Saals ist man ähnlich vorgegangen, indem er außen detailgenau rekonstruiert wurde, innen jedoch die verloren gegangene Bemalung an den Wänden nicht erneuert worden ist. Auch der 1943 in Trümmer gelegte Brunnenhof wird 1950 wiedereröffnet. [131] Die Rasenflächen der unteren Kurparkanlagen wurden ab Sommer 1945 der örtlichen Bevölkerung zum Anbau von benötigtem Obst und Gemüse zur Verfügung gestellt.863 Die Umgebung des Kurparks wird danach unvorteilhaft wiederaufgebaut, verbaut, von Parkplätzen, Bauten und Straßenverkehr beeinträchtigt. Damit wird der Kurpark von den Grünanlagen am Neckar abgeschnitten. Nach der erfolgreichen Sanierung der alten Kurgebäude planen das neue Kuramt und das Gartenamt unter anderem eine vollständige Neuordnung der Kurparkanlagen. 1950er. Umgestaltung des Kurparks Einen radikalen Einschnitt bringt die Zeit ab 1954. Die ersten Ideen, den Kurpark vollständig neu zu gestalten, stammen von den Nationalsozialisten. Anregungen davon wurden später aufgegriffen und immer wieder diskutiert. 1954 schließlich nimmt das neue Projekt dann konkrete Formen an, die Umsetzung der Pläne wird ab Herbst 1958 erfolgen: „Kuramt Bad Cannstatt. Geschehen am 28. Oktober 1954. Wegen Neugestaltung des Kurparks und Ausführung von grösseren Unterhaltungs-Arbeiten im Rahmen des Haushaltsplans 1954 hat am 28. Oktober 1954 eine Begehung des Kurparks stattgefunden. Teilgenommen haben die Herren: Verwaltungsdirektor Bürkle (Gartenamt), Gartenbautechniker Stieglitz (Gartenamt), Gartenmeister Siegel (Gartenamt); Verwaltungsdirektor Auracher (Kuramt), Stadtamtmann Hennige (Kuramt). 860 Auf historischen Abbildungen ist der umgestaltete Zierfries erst ab den 1950er Jahren mit Ornamenten zu sehen – umfangreiche Bildbelege hierzu. Vgl. [129] [130] 861 Mögliches Vorbild ist auch ein Bandornament des Jupiter-Tempels Baalbek/ Heliopolis (Sonnenstadt > Swastika). 862 Neue Cannstatter Zeitung vom 25.7.1949. 863 Vgl. Bast/ Schwenk 2014, S. 82-84. 141 Das Gartenamt beabsichtigt, im kommenden Winter im Benehmen mit dem Kuramt eine grosszügige Planung über die Neugestaltung des Kurparks durchzuführen. In diesem Rahmen wird geprüft werden, ob die Herstellung des Zierbrunnens im oberen Teil des Parks (Rondel) möglich ist, ferner die Ingangsetzung des Wasserfalls nach modernem Stil und die Anpflanzung des seitherigen Blumenbeets hinter dem Großen Kursaalgebäude in Fortsetzung entlang des Weges zum Musikpavillon. Die notwendigen Mittel hierfür werden im Haushaltsplan 1955 vorgesehen. Sie sind für diesen Zweck raschmöglichst dem Kuramt mitzuteilen. Bis 31. März 1955 sind aus Mitteln des Haushaltsplans 1954 folgende Arbeiten auszuführen: 1. Durchforstung des gesamten Kurparks (Mittel sb. 15.000 DM); 2. Ausbesserung der Treppe hinter dem Daimler-Museum und Anbringung eines Holzgeländers auf beiden Seiten (Mittel sb. 15.000 DM); 3. Erweiterung des vorhandenen Schuppens zur Unterbringung von Bänken (Mittel sb. 21.000 DM); 4. Instandsetzung der Wege (Oberflächenbehandlung) vom Eingang der Wiesbadener Str. rechts hoch bis zur Abzweigung der Wandelhalle weiter entlang des Hangs zum Wirtschaftsgarten bis zum Rondel (Mittel sb. 21.000 DM). Die Instandsetzung der Wege wird nur insoweit ausgeführt werden, als Mittel nach Abzug für Erstellung des Schuppens noch verfügbar sind; 5. Im Zuge der Herstellung der Wege ist die Be- und Entwässerung vorher in Ordnung zu bringen (Mittel sb. 21.000 DM); 6. Gestaltung der Wiese beim oberen Musikpavillon (Mittel sb. 15.000 DM); 7. Gestaltung des Gräberplatzes (Mittel sb. 15.000 DM); 8. Aufstellung von 100 Nistkästen und Vogeltränken (Mittel sb. 15.000 DM); Schneiden der Hecke im Wirtschaftsgarten zur Erlangung einer besseren Sicht zum Musikpavillon (Mittel sb. 15.000 DM); 10. Namentliche Bezeichnung der alten wertvollen Bäume mit kleinen Emailleschildchen im oberen Teil des Parks (Mittel sb. 15.000 DM); 11. Anschaffung von 25 Bänken und 40 Papierkörben (Mittel sb. 4000 DM). Bad Cannstatt, den 29. Okt. 1954. Kuramt. i. V. (gez) Hennige.“864 Stuttgart will die Bundesgartenschau 1961 veranstalten und benötigt dafür neue Anlagen. 1957 wird die Stadt Stuttgart den Zuschlag erhalten. Am 8. September 1955 schreibt das Kuramt an das Stuttgarter Gartenamt zu Händen von Herrn Verwaltungsdirektor Bürkle: „Betr. Neugestaltung des Kurparks: (...) Seit dem 29. Oktober 1954 habe ich wohl gehört, daß Herr Stieglitz sich mit der Fertigung eines Neugestaltungsplanes beschäftigt; Einzelheiten oder der Plan überhaupt sind mit mir nicht durchgesprochen worden.“865 Herr Hennige vom Kuramt bemängelt in dem Schreiben weiter die fehlende Absprache mit dem Gartenbauamt, was für ein sehr geringes Maß an Professionalität spricht, mit dem zu dieser Zeit verfahren und über die Kulturdenkmale des neuen Landes Baden-Württemberg entschieden wird. Auch in den Plänen der 1930er wäre die Kursaal-Allee weggefallen. Dies wird aufgegriffen. Der Wilhelmsplatz soll ebenfalls umgestaltet werden. Am 14. März 1958 meldet die Cannstatter Zeitung die Schlagzeilen: „Kursaalanlagen werden völlig neu gestaltet. Cannstatts Kursaal-Allee wird verschwinden – Grüngürtel vom Wilhelmsdenkmal bis zum Mühlgrün – Baubeginn im Herbst.“ Cannstatter Bürger nehmen diese drastischen Vorhaben nicht stillschweigend hin. Das Kuramt Bad Cannstatt schreibt am 16. Juni 1958 an das Gartenbauamt: „Betr. Anlagen vor dem Kursaal. In der heutigen Ausgabe der Cannstatter Zeitung kommt auf S. 4 ein Artikel gegen die Herausnahme der Kursaalallee, überschrieben 'Zu Herrn Schöchle in die Lehre'. Ich nehme an, daß er sie interessieren wird.“ Die Vorgeschichte: Im Leserbrief eines Herrn W. B. war die Rede von einem „(...) verspäteten Aprilscherz, oder ob hier ein ernst zu nehmender Anschlag auf unsere Allee gemacht werden soll?“ Als „Lehrer“ gemeint ist Albert Schöchle, Wilhelma-Direktor und Gärtner- Meister. Weitere Leserbriefe werden versendet; die klare Mehrheit der Cannstatter Bürger äußert sich für den Erhalt der Allee mit dem alten Park. Befürworter bringen das Argument vor, die Allee sei ohnehin eine „Betonwüste“ und diene häufig nur als städtischer Parkplatz. Tatsächlich wurde sie zeitweise als Parkplatz genutzt, aber nur bei Großveranstaltungen im Kursaal. Ansonsten durfte sie 864 Stadtarchiv Stuttgart, 01.04.09. 205 Kuramt, H 1.1, Kurpark, Planung, Bau, Unterhaltung. 632 Planung und Neugestaltung des Kurparks, Inv. Nr.: 632. Das Kürzel sb.=selbige. 865 Ebd. Sofern nicht anders angegeben, stammen die folgenden Zitate und Informationen alle aus dieser Akte. 142 nicht mehr befahren werden und ist nach Meinung vieler Anwohner der zentrale Jugendsport- und Festplatz. Schließlich hätte man den Teer problemlos aufbrechen können, ohne sämtliche Bäume zu entfernen. So wäre eine Umnutzung des ehemals zentralen Fahrwegs in der Mitte der Allee, etwa zu einer Rasenfläche mit Blumenbeeten, als neuer Bestandteil des unteren Kurparks möglich gewesen, ganz so wie es vorbildhaft im Fall einer historischen Allee in Bad Pyrmont erfolgt ist. Nötig ist die Entfernung der alten Fahrstraße, die in einem modernen Kurpark ihre Berechtigung verloren hat. Bei ihrer Anlage 1822 gab es noch keine strikte Trennung von Verkehrs- und Erholungsflächen; nur Pferdekutschen fuhren darauf, bis zum Daimler-Reitwagen 1885 keine motorisierten Fahrzeuge. Als effektive Schattenspender sind die Baumreihen und Alleen wichtiges Element eines Kurparks. Wahrscheinlich ist der alte Park momentan nur schlecht gepflegt. Gegen den Willen des Großteils der Bevölkerung wird das neue Projekt dann jedenfalls mit aller Härte verwirklicht und man ist vor vollendete Tatsachen gestellt. Begründet hat das Gartenbauamt sein Vorgehen nun damit, dass die historische Anlage „(...) in ihrem heutigen Zustand (besonders durch die beiden Teerstraßen) keine geschlossene Grünfläche mehr“ biete. Den herbei gewünschten Erholungssuchenden wolle man einen wirklichen Grünpark schaffen. Die Baumgruppen, Sträucher, Blumenbeete und Grünflächen sollen „(...) harmonisch zusammenwirken“. Weiter heißt es „Bad Cannstatt braucht sehr dringend Grünflächen (...) Jeder soll das Erlebnis des eigenen Gartens vermittelt bekommen“, so Gartenbau- Direktor Dr. Kaufmann, während er mit einigen Fotos die Neubau-Pläne vorstellt. In der Cannstatter Zeitung vom 3. Juli 1958 sind schließlich die Beschlüsse aufgelistet: „1. Entsprechend dem Plan des Tiefbauamts vom 26. Juni 1958 wurde die Allee aufgehoben (entwidmet); 2. Dem Plan des Gartenbauamts vom 2. 6. 1958 wird grundsätzlich zugestimmt; 3. Die Kostenvoranschläge des Gartenbauamts vom 30. Juni 1958 wurden genehmigt; von dem Aufwand sind zu decken aus Mitteln des ordentlichen Haushaltsplans 1958 (...) öffentliche Anlagen 185.000 (…) Kurpark 100.000 Mark.“866 [135] [140] [141] [142] Die Allee-Lindenbäume würden an den Rand versetzt, zur Abschirmung gegen die Wohnviertel und Straßen. Die Grünfläche vergrößere sich durch die Herausnahme der Straßen und der Wege im unteren Parkteil um ein Viertel. Eine große, eckige Brunnenschale mit einem Durchmesser von 12 Metern wird im oberen Park installiert, mit Fontänen und Wasserablauf in Kaskaden auf ca. 50 m Länge. Eine Veränderung des Wegenetzes im oberen Park wird vollzogen, dabei der Stufengang von der Glashalle zur Parkhöhe erneuert, ein weiterer, stufenloser Aufgang zur Parkhöhe gebaut und ein barrierefreier Rundgang im Brunnenhof am Hang geschaffen. Dann erfolgt eine Erweiterung des Konzerthofs, der Ausbau des Westabhangs, die Neugestaltung des Brunnen- und Aussichtsplatzes. Insgesamt verringern sich auch hier die Wege zugunsten neuer Rasenflächen und Bepflanzung. Der Vorplatz des Kursaals gliedert sich in eine zentrale Rasenrotunde mit einem umlaufendem Blumenbeet innen, in der Mitte der hohe Sandsteinsockel des Reiterdenkmals mit König Wilhelm I. Rechts und links daran schließen in symmetrischer Ordnung zwei größere Rasenflächen an, sie sind der das Denkmal umrundenden Form diesseitig angepasst. Der Rasen nimmt auf diesem Vorplatz insgesamt eine unwesentlich größere Fläche als der Bodenbelag der Wege ein, der aus feinem Kies besteht. Bäume stehen in Einzelstellung vor den drei Kurgebäuden: Auf der nördlichen Rasenfläche steht eine Pyramiden-Eiche, zwei Platanen füllen die Lücke zwischen Mineralbad und Kursaal aus. Eine alte Magnolie bildet auf dem südlichen Rasen das Pendant zu der Pyramiden-Eiche. Kleine Buxkegel867 akzentuieren die Ecken dieser Rasenflächen, ihre Ränder sind mit schmalen Streifen von gemischt besetzten Blumenbeeten verziert. Jeweils drei Sitzbänke befinden sich in einer Reihe auf der dem unteren Kurpark zugewandten Seite. Vor dem Mineralbad steht eine Stieleiche und vor dem kleinen Kursaal stehen drei Sumpfzypressen, welchen der hier tatsächlich sumpfige Boden zugute kommt.868 Eine kleine Laubbaumgruppe befindet sich nebenan auf der Grünfläche vor den 866 Stadtarchiv Stuttgart, ebd. Zeitzeugenbericht E.H.Müller 2021: Wenige junge Linden 1958 verpflanzt, stehen 2022. 867 Buxus sempervirens: Immergrüner Buchs (Bux). Vor der Kursaal-Achse stand 1928 eine Rotdorn-Baumreihe. Siehe hierzu ausführlich Schlenker 1929, S. 1 ff. 868 Die Stieleiche, Pyramiden-Eiche, die zwei Platanen und die Magnolie waren schon um 1900 vorhanden, wie einige historische Fotografien belegen. Die Sumpfzypressen wurden um 1908 vor dem Neubau gepflanzt (Bildbelege). 143 Straßenbahnschienen am kleinen Kursaal. An die Gebäude schließen offene Wege ohne Begrünung an, in paralleler Linie zur Kursaal-Achse durchtrennt nochmal ein Weg die Rasenflächen, sodass sich vor den angesprochenen nochmals drei in Richtung der Bahnschiene öffnen, diese Flächen sind völlig ohne Blumenschmuck gehalten. Davor wiederum, noch vor den Straßenbahnschienen, der Hauptfußgängerweg zwischen der Teinacher- und König-Karl-Straße bzw. Taubenheimstraße. Den abgerundeten Ecken der verzierten Rasenflächen stehen rechtwinklige der schmucklosen Flächen gegenüber. Daraus ergibt sich ein Wegenetz aus kurvigen und eckigen Formen. Die Fläche im unteren Park gliedert sich in ein großes Rechteck, das durch die Mergentheimer, Wildbader, Daimlerstraße und den Königsplatz begrenzt ist. Die Fläche beträgt etwa 5 ha. Kleinere Grünflächen als Ausläufer des Parks erstrecken sich in nordwestliche Richtungen: Ein Dreieck zur Brunnenstraße, abgetrennt durch die Daimlerstraße, sowie ein Rechteck über die Schmidener Straße hinweg zum Neckar, das von dem dortigen Hallenbad in der Hofener Straße angeschnitten wird. Von dem Eingang an der Mergentheimer Straße führt ein Fußweg erst 30 m weg von dieser, auf die andere Seite Richtung Wildbader Straße und zurück in die Daimlerstraße. Ausgehend von dieser Kreuzung im vordersten Viertel des Kurparks führt ein Weg etwa parallel zur Mergentheimer Straße an den Vorplatz, auf der anderen Seite führt ein paralleler Weg an der Wildbader Straße ebenso dorthin. Ansonsten wird dieses Wegenetz nur durch zwei kleine Verbindungswege an der Parallele zur Wildbader Straße ergänzt, sie führen direkt nebeneinander in die Wildbader und Kreuznacher Straße. Der Verlauf der den Park kreuzenden Nauheimer Straße wird mitten im Park aufgenommen und führt geradlinig hindurch, als Parallele zur Kursaal-Langseite. Eine große Rasenfläche bildet den Bewuchs des unteren Parks, darauf einzelne Bäume und lockere Baumgruppen aus maximal drei nebeneinander stehenden Bäumen. Der Baumbestand im gesamten Park: Ahorn, Buche, Eibe, Eiche, Esche, Ginkgo, Kastanie, Kiefer, Linde, Pappel, Platane, Robinie, Ulme, Weide, Zypresse. Von verschiedenen Stellen aus ergibt sich eine breite Blickachse auf den Kursaal. Ursprünglich war der Blick durch die dichten Alleebäume verstellt und kaum frei. Die Wege und Randbereiche sind mit dichten Baumreihen, Sträuchern und Bepflanzungen gesäumt. Die Vegetation schirmt den Park von den Umgebungsstraßen ab. [142] Der obere Kurpark besteht aus einer etwa 10 Hektar großen Grünfläche, die begrenzt ist durch die Schmidener Straße, die drei Kurgebäude, die Taubenheimstraße, die Wiesbadener Straße und die Viaduktstraße. Auf die Anhöhe des Sulzerrains führen drei Aufgänge vom Brunnenhof aus hinauf, auch von der Taubenheimstraße und der Wiesbadener Straße, am Viadukt und der Schmidener Straße gibt es Eingänge. Das Wegenetz weist wesentlich organischere Verläufe als das des unteren Kurparks auf und kommt der historischen Situation zwar näher, wurde aber ähnlich weitgehend verändert. Wege schlängeln sich im oberen Park teils aufeinander zu, es gibt mehr als zwanzig Kreuzungen oder Abzweigungen. Die Hauptwege verlaufen hier in etwa paralleler Richtung zur Kursaal-Langseite, das ist gleichzeitig die Parallelrichtung des Eisenbahnviadukts. Den oberen Park charakterisiert zunächst die beibehaltene Aussichtsterrasse über den Kursaal hinweg. Ihre ursprünglich runde Form wurde in eine eckige umgewandelt, der auch die Form des neuen Springbrunnens als Ersatz für den alten Brunnen mit den Drachengestalten entspricht. Eine ruhige Mitte bildet die große Rasenfläche am Stifterpavillon, von welcher aus der alte Baumbestand am wirkungsvollsten zur Geltung kommt. An den Randbereichen befinden sich u.a. die historische Wandelhalle von 1861, eine neue Pergola von 1958, die Gottlieb-Daimler-Gedächtnisstätte mit dem Travertin-Turm, ein Schachspiel, eine neue Anlage für Minigolf, ein Tennisplatz und immer wieder begegnet man als Spaziergänger kleinen Denkmälern als Erinnerung an die Parkstifter, Garten- Architekten und Dichter. Verloren gegangen sind einige Pavillons und die Schweizerhäuser. Auch der Wasserfall ist nicht mehr in Betrieb. [088] [094] [102] Der neue Park unterscheidet sich vom historischen durch die neue Gestaltung.869 An vielen Stellen waren die Flächen nur unwesentlich kleiner bzw. das Wegenetz dichter. Der obere Kurpark wurde zudem über die Bahngleise sowie über die Gnesener Straße hinweg um eine Fläche von etwa drei 869 Vgl. hierzu die Beschreibung des originalen Parks (d. h. desjenigen mit der Kursaal-Allee): Punkt 1900er; 1910er. 144 Hektar erweitert, mit der sogenannten Wulfila-Anlage.870 Der Kurpark wurde damit, wie die ganze Stadt, in kleinem Maßstab weiter erschlossen. Die „unberührten“ Flächen verschwinden. Der Park hat sich zu einem Stadtpark entwickelt – die Urbanisierung des Kurparks. [140] [142] Zeitgleich entsteht die neugestaltete Partie im oberen Stuttgarter Schlossgarten mit dem Eckensee zwischen Neuem Landtag, dem Neuen Schloss und dem Opernhaus sowie die ebenso zeittypisch kantigen Formen mit Wasserspielen und Beeten im Killesbergpark. Noch viel deutlicher ist die Empörung und der Protest gegen die Umgestaltung des durch Nicolaus Thouret entworfenen und kriegsgeschädigten oberen Schlossgartens, die Schwäbische Heimat schreibt 1958 darüber: „(...) Aber mit größter Sorge sehen wir, wie die Erhaltung überlieferter Werte immer wieder neben der Schaffung neuer Ordnungen zurücktreten soll, und zwar in bedrohlichster Form an einer Stätte, deren Bewahrung wir unter den Einbußen der bitteren Jahre besonders dankbar empfunden haben: es ist der Bereich um den Oberen Anlagensee, auf den zugleich die Schloßgartenfront des Neuen Schlosses wie das Große Haus des Staatstheaters durch ihre Erbauer ausgerichtet ist, der aber nach preisgekrönten Entwürfen den Plänen für die Bundesgartenschau weichen bzw. durch und durch (buchstäblich: mit den tief in den Grund reichenden Kosten!) umgeschaffen werden soll. Wozu und mit welchem Recht?“871 [136] [137] [138] [139] [140] Damit verschwanden gleich mehrere Hauptwerke der Gartenkunst in Stuttgart und Bad Cannstatt. Überwiegend verloren sind die Kuranlagen von 1821, des Nicolaus Thouret und Johann Wilhelm Bosch, der Stadtgarten im unteren Kurpark von Baptist Müller und Karl Gebhardt von 1874, die Landschaftsgärten im unteren und im oberen Kurpark von Adolf Wagner 1881-1896, sowie die von Paul Ehmann zwischen 1900 und 1915 erweiterten oberen und unteren Anlagen des Kurparks im Jugendstil. Während der Bundesgartenschau 1961 ist der Plan des neuen Bad Cannstatter Kurparks im Marmorsaal des Teehauses im Stuttgarter Weißenburgpark ausgestellt;872 letzterer war ebenfalls einer Neugestaltung unterzogen. Einige Bürger und auch Denkmalschützer finden: Dem weiteren Verlust von historischen Garten- und Bauzeugnissen sollte jetzt ein Riegel vorgeschoben werden. 1960er. Denkmalschutz im Kurbezirk Die Bundesgartenschau vom 28. April bis zum 15. Oktober 1961 in Stuttgart richtet bundesweit die Aufmerksamkeit auch auf den gerade neu gestalteten Bad Cannstatter Kurpark. Rund 6,8 Millionen Besucher insgesamt kommen in die neuen Stuttgarter Parkanlagen.873 Ab dem 30. Juli 1962 werden zudem bei Renovierungsarbeiten im großen Kursaal Wände und Decken erneuert, eine neue Bühne errichtet und an den Pilasterkapitellen neue Blattvergoldungen angebracht. Im oberen Kurpark wird eine Pergola errichtet. Wie der Kurpark, so wären auch alle historischen Gebäude einer möglichen Umgestaltung oder gar dem Abriss schutzlos ausgeliefert.874 Anlagen aus der Kurarchitektur wurde in der Anfangszeit der Denkmalpflege nur wenig Beachtung geschenkt, weil diese zeitgemäß waren, vielleicht mit der Ausnahme der ältesten und prächtigsten Beispiele oder sogenannter Bäderarchitektur von Seebädern. Eine Hinwendung zur Architektur von Kurorten, sofern diese damals überhaupt als eigenständig und anerkannt definiert werden konnte,875 zeichnet sich erst in der Nachkriegszeit von 1945 an ernsthaft ab, denn Zerstörung forciert auch ein 870 Die Wulfila-Anlage und Wulfilastraße sind benannt nach dem gleichnamigen Bischof des 4. Jahrhunderts n. Chr. Quelle: Garten- Friedhofs- und Forstamt der Stadt Stuttgart, „Parkpflegewerk 1994 Kurpark Bad Cannstatt“. 871 Zitiert nach John 2000, S. 40-41. 872 Stadtarchiv Stuttgart, ebd. 873 Vgl. Arbogast/ Goes, S. 64-69. 874 Die Schritte des Denkmalamts in Stuttgart sind durchaus nicht selbstverständlich im Vergleich zu anderen Bädern, insbesondere Bad Wildbad, wo in dieser Zeit sehr viel abgerissen wurde. Vgl. Bothe 1984, Einleitung, S. 9-16. 875 Von der Kurarchitektur als „Baugattung“ wird erst anschließend gesprochen: Vgl. Bothe 1984: „Zur Geschichte einer Baugattung“ (Titel). 145 Schutzbedürfnis. Außerdem ist nun ein zeitlicher Abstand gegeben und die adelige und großbürgerliche Kur ist aus der Mode bzw. verliert an Bedeutung. Deutschland hat seine glanzvolle Kur- Kultur wiederentdeckt. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem anschließenden Wiederaufbau greift die Urbanisierung in einer neuen Phase nun weiter um sich als zuvor: Ein weitflächiger Ausbau der Verkehrsanlagen und Einrichtungen zum Konsum, wie Kaufhäuser, werden geschaffen. In der Fachzeitschrift „Archiv für physikalische Therapie, Balneologie und Klimatologie“ heißt es 1964 in weiser Voraussicht: „(...) Eine Verstädterung der Kurorte muß unbedingt vermieden werden“.876 Experten haben erkannt, dass die allgemeine Verstädterung im speziellen Fall von Kurorten mehr schadet als dass sie nutzt. Und, dass Kurorte unkonventionell, sensibler und gesondert, behandelt und gestaltet werden müssen. Für diese gilt es, mit neuer Infrastruktur die Kuranlagen einerseits erreichbar zu machen, andererseits zu dicht beieinander liegende Anlagen zu vermeiden.877 Kuranlagen, oft in Form großflächiger Parks, sind zu schützen vor allzu dichter Bebauung oder Industrie und Verkehrswegen. Neue Kur-Kliniken sprießen nun wie Pilze aus dem Boden und vielerorts werden alte Kurgebäude abgerissen.878 Doch schon bescheidene Maßnahmen im kleinen Maßstab können helfen: Nicht zuletzt die Umgestaltungsmaßnahmen machen auf den Wert des alten Zustands aufmerksam. Das Kulturamt der Stadt Stuttgart bereitet im Januar 1966 dann eine Inventarisation vor: Der große Kursaal wird eingetragen in das Landesverzeichnis der Baudenkmale von Württemberg am 25. Mai 1966.879 Zu dem Bau zählen der Brunnenhof mit der um 1895 von Paul Gottfried Christaller (1860- 1950) als Medailleur geschaffenen Graf-Taubenheim-Gedenktafel aus Bronzeguss. Am 10. Juni 1966 ist dann offiziell und gemeinsam mit dem Cannstatter Rathaus der Kursaal in die Landesdenkmalliste aufgenommen. Auf den Initiativ-Antrag des Kulturamts der Stadt Stuttgart vom 31. Januar 1966, vertreten durch Stadtarchivdirektor Dr. Vietzen, hat das Regierungspräsidium Nordwürttemberg über den Denkmalrat die entsprechenden Schritte eingeleitet.880 Die das Schreiben beantwortende Begründung seitens des Staatlichen Amts für Denkmalpflege Stuttgart vom 3. März 1966 lautet: „(...) 2. Kursaal, Königsplatz 1a. Der 1825-1835 nach Plänen von Thouret errichtete Saalbau besitzt neben seinen architektonischen Qualitäten auch historisches Interesse als Mittelpunkt des im 19. Jh. blühenden Bade- und Kurbetriebes in Bad Cannstatt. Der Antrag wird befürwortet. Prof. Dr. H. Dölker“.881 Beim großen Kursaal handelt es sich nach § 28 Denkmalschutzgesetz um ein „Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung“.882 Er ist in das Denkmalbuch eingetragen. Der kleine Kursaal ist später nach § 2 dieser Sachgesamtheit zusätzlich hinzu zu rechnen.883 Nach § 2 Denkmalschutzgesetz, als „Kulturdenkmal in Sachgesamtheit“, stehen außerdem die folgenden Kleinbauten, also „Kursaal mit Kurpark und Kursaal-Anlage“, rechtlich ausformuliert bis 1978, unter Schutz: Der Kurpark im Zustand der Umgestaltungen von 1958-1961; der Junobrunnen von Emil Kiemlen; die Puttengruppe mit Trauben von Kiemlen; der Lautenschlägerbrunnen von Jakob Clement; der eiserne Schmuck- Pavillon; die Bronzeplatte zu Ehren Graf von Taubenheims; das Berthold-Auerbach-Denkmal aus dem Jahr 1909 mit dem Porträt-Medaillon statt der Büste;884 das Forstrat-Gebhardt-Denkmal 1874; 876 Zeitschrift: „Archiv für physikalische Therapie, Balneologie und Klimatologie. Organ der Deutschen Gesellschaft für Balneologie, Bioklimatologie und Physikalische Therapie und der Deutschen Gesellschaft für Physikalische Medizin“, Bd. 16, Heft 6, Leipzig 1964, S. 478. 877 Siehe auch Gustav Ebe: „Die Anlage der Bäderstädte“, in: Camillo Sitte/ Theodor Goecke (Hrsg.): Zeitschrift „Der Städtebau“, Jg. 1909, S. 43 ff. Erst ab den 1970ern werden alte Kurarchitekturen und Kurstädte wieder erforscht; das Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München legt einen fotografischen Katalog an – Publikationen erst ca. 1980. 878 Hierzu ausführlich Bothe 1984, S. 9 ff. 879 Archiv des Landesamts für Denkmalpflege Baden-Württemberg, Dienstsitz Esslingen, Ordner Stuttgart-Bad Cannst. 880 Vgl. Chronik der Stadt Stuttgart 1966-1969, S. 67. Einige Angaben im Folgenden aus der Chronik der Stadt. 881 Archiv des Landesamts für Denkmalpflege Esslingen, Ordner „S-B.C. Großer und kleiner Kursaal bis Ende 1999“. 882 Das sind die später offiziell gültigen Bezeichnungen der 1970er Jahre: „Kulturdenkmal von besond. Bedeutung“. 883 Offiziell steht der kleine Kursaal gemeinsam mit einigen Kleinbauten im Kurpark erst seit 1979 unter Schutz (ebd.); 1972 trat das Denkmalschutzgesetz Baden-Württemberg in Kraft, man begann mit der systematischen Erfassung. 884 Der Schriftsteller Moses Baruch Auerbacher alias Berthold Auerbach (1812-1882) war Kurgast in Cannstatt. - 146 die Ferdinand-Freiligrath-Bank;885 das Gottlieb-Daimler-Denkmal von 1902; das Bronzemedaillon zur Erinnerung an C. F. Sick 1837.886 [064] [098] Was in Stuttgart-Bad Cannstatt bis 1978 unter Denkmalschutz gestellt wird, ist der neue Kurpark von 1961 mit den historischen Saalbauten. Der historische Kurpark ist bereits verloren: Möglich waren diese Eingriffe des Gartenamts nur, weil der Kurpark 1958 noch nicht unter Schutz stand, ebenso wenig übrigens der Schlossgarten in Stuttgart.887 Die Aufnahme in die Liste kommt, für den Schlossgarten und den Kurpark in ihrer ursprünglichen Qualität, zu spät.888 Das Erscheinungsbild des unteren Kurparks insgesamt wird sich seit 1961 kaum weiter verändern.889 Dabei geht es um Kulturgüter von allgemeinem Nutzen, sogar um medizinisch dienliche. Aber in der Nachkriegszeit standen andere Auffassungen im Vordergrund: Das distanzierte Verhältnis zur eigenen Vergangenheit betrifft nicht nur die jüngste Geschichte, sondern die ganze deutsche Kultur und auch ihre Architektur. Fragen der technischen und nutzungsgerechten, auf die Bedürfnisse des Menschen als Stadtbewohner ausgerichteten Gestaltung haben Priorität. Speziell in Stuttgart ist mit dem Gartenarchitekten Adolf Haag (1903-1966) eine neue, modernere Gartenkunst aufgekommen. Konsequente Begrünung und die Anlage von Naherholungsgebieten sind Leitlinien einiger Schulen der westdeutschen Nachkriegsmoderne. Dabei können Bauten aus der NS-Zeit sowohl vollständig entfernt als auch nachträglich noch verwirklicht werden, wie etwa das Beispiel des Mineralwasser- Abfüllhauses in der Sulzerrainstraße 24 in Bad Cannstatt zeigt. Die Maßnahmen der 1950er Jahre hatten mit Sicherheit auch ihre sinnvollen Seiten: Der obere Kurpark konnte über die Bahngleise der Güterumgehungsbahn hinweg sowie noch über die Gnesener Straße hinaus erweitert werden. Zudem konnte in fast sämtlichen Parkflächen wegen der Reduzierung der Wege die Grünfläche vergrößert werden. Die funktionale Moderne nach amerikanischem Vorbild setzt sich durch. Die Tendenz geht hin zu einer Rasterbauweise und führt symbolhaft zu fortschreitender Urbanität. Im Vordergrund stehen auch Unterhaltung und Konsum. Sport, Kino,890 Schnellrestaurants, Eis und Kiosks dürfen an keiner Stelle fehlen. Die eckige Form ist seit dem Bauhaus wieder modern und andersartig, sie bietet Abwechslung zur mehr verspielten und detailverliebten Vergangenheit. Abstraktion bestimmt nicht allein die äußere Form, sondern auch das Ornament, sofern letzteres überhaupt noch vorhanden ist. Naturalistisches sucht man vergeblich. Die Ästhetik von Betonfassaden, die rohe Materialsichtigkeit des Werkstoffs wird schon jetzt als Brutalismus von den Architekten Alison Smithson und Reyner Banham kritisiert.891 An Naturstein ist kaum noch gedacht, das maschinelle Vermögen wird nach Möglichkeit ausgestellt. Wie das Material wird auch die Konstruktion offen zur Schau gestellt, das Haus entblößt.892 Er folgte am Ende des Jahres 1881 dem Cannstatter Arzt Dr. Tritschler aber nach Cannes, wo Auerbach am 8.2.1882 verstarb. Siehe Schwäbische Kronik vom 6.8.1870 und vom 10.2.1882. Leider ist die ursprüngliche Büste des jüdischen Schriftstellers auf dem Denkmal im 2. Weltkrieg geraubt und für das Militär eingeschmolzen worden, sie wurde 1951 durch das Medaillon auf dem eigentlich als Sockel dienenden Stein ersetzt: Schmid, S. 88-89. Vgl. Gustav Wais: „Stuttgarts Kunst- und Kulturdenkmale“, Stuttgart 1954, S. 12. 885 Der Schriftsteller Ferdinand Freiligrath (1810-1876) war ebenfalls Kurgast in Cannstatt: Schmid 1989, S. 102-103. Siehe hierzu Wilhelm Buchner: „Ferdinand Freiligrath. Ein Dichterleben in Briefen“, Lahr 1882, 1. Bd., S. 448 ff. 886 Forstrat Karl Gebhardt (1800-1874), war vom Jahr 1863 an bis zu seinem Tode der Pfleger der Kurparkanlagen. 887 Insbesondere der Schlossgarten wurde unter teils heftigem Protest umgestaltet. Hierzu Punkt 1950er. 888 Übrigens stand auch der große Kursaal noch nicht unter Denkmalschutz. Gebäude und Park wurden zusammen geschützt. Der große und kleine Kursaal wurden nicht abgerissen, obwohl mehrfach in Erwägung gezogen (1946-49, 1971). 889 Erst in den 1990er Jahren beginnt das Garten- Friedhofs- und Forstamt im Rahmen des „Parkpflegewerks“ mit den ersten einzelnen Annäherungen an den ursprünglichen Zustand des oberen Kurparks. Hierzu Punkt 1990er. 890 Bis 1962 wurde das Wilhelmatheater als Kino (Lichtspieltheater) genutzt. Ein „Kinematograph“ ist seit 1912 belegt: „Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des Königreichs Württemberg“, Bd. 93, Stuttgart 1912, S. 3285. 891 Reyner Banham: 'The New Brutalism', in: Architectural Review, Jg. 1955, Heft 12, London 1955: https://artearquiteturadesign2.files.wordpress.com/2014/10/1955-december_-the-new-brutalism-by-reyner-banham- _-archive-_-architectural-review.pdf. Aufgerufen am 11.03.2022. 892 Bei einigen Wohnhäusern wurden sogar die ursprünglichen Dekorelemente entfernt für mehr moderne Schlichtheit - 147 Vor allem Mobilität, Technik und Bequemlichkeit bestimmen jetzt die Infrastruktur der Städte. Die Straßen sollen „autogerecht“ sein, sie werden zuallererst dem Automobil angepasst,893 dann erst dem Fußgänger. Das Auto steht und fährt für den mobilen Menschen, gerade in der Daimlerstadt, es ist das Maß der Dinge. Neue Lebensqualität soll hinzu gewonnen werden, das erste Bedürfnis wird in der Fortbewegung mit dem Auto gesehen. So kann zwar schnell die Ferne erschlossen werden, der Heimatort aber leidet darunter. Seither ist Stuttgart stärker denn je vom Autoverkehr betroffen und erheblich mit Abgasen belastet. Die Stadt ist seit den 1930er Jahren durch breite, mehrspurige Verkehrsstraßen zertrennt. Die ursprünglich Adolf-Hitler-Straße genannte und nach 1945 in Konrad- Adenauer-Straße umbenannte große Verkehrsachse trennt den Stuttgarter Schlossgarten zwischen Opernhaus und Staatsgalerie.894 In der Folgezeit wird man sich Gedanken über die Zukunft deutscher Großstädte machen. Bei der Neuplanung dieser sollen Umweltschutzmaßnahmen berücksichtigt werden. In den Kurstädten ist auf ihre Zukunftsfähigkeit hinzuarbeiten: „(...) Als vordringlichste Massnahme sollten alle Kurorte versuchen, die Bautätigkeit zu ordnen und damit einer möglichen Verstädterung und namentlich der in mancher Beziehung gefährlichen Streubauweise vorzubeugen“.895 Empfehlungen wie diese von Jost Krippendorf richten sich in erster Linie an Kurorte, welche ein geringes Maß an Verstädterung aufweisen, weniger an Großstädte mit Kuranlagen. Meist widmet die Stadtplanung sich den wenig verstädterten, räumlich freien Baustellen. Zugleich schreitet die Verbesserung der Situation bebauter Zonen weiter voran. Der Denkmalschutz sollte in die Fläche gehen und bedarf der Unterstützung als auch Vernetzung mit planerischen Maßnahmen, wie der Landschaftsplanung, der innerstädtischen Grünflächengestaltung, Garten-Denkmalpflege und der des Naturschutzes.896 Ein Kurviertel sollte flächendeckend geschützt werden, nur dann ist seine Zukunft gesichert. Die Stadt Stuttgart erkennt immer deutlicher die Qualität ihrer Parkanlagen. Über neue Grünflächen sollen sie im Folgenden besser miteinander verknüpft werden. 1970er. Grünflächen in der Großstadt Die bereits in den 1960er Jahren wahrnehmbaren Veränderungen im Städtebau greifen um sich.897 Als die schwerwiegendste Wohnungsnot in Deutschland nach dem Krieg gelöst war, fiel auf, dass ein Großteil aller Städte umfangreicher Sanierung und Neustrukturierung bedarf. Bund und Länder verabschieden deshalb am 19. Juni 1971 die Städtebauförderung.898 Diese ist Gesetz wie Programm zugleich und soll nun bundesweit den westdeutschen Kommunen zu einer positiveren Entwicklung Quelle: Olaf Schulze, Gespräch vom 04.03.2020. 893 Hiermit gemeint ist die allgemein bekannte „autogerechte“ Stadt, entsprechend der Charta von Athen 1933. 894 Seit einiger Zeit wird nun über eine neue „Kulturmeile“ für Stuttgart diskutiert und überlegt, die Konrad-Adenauer- Straße durch eine Untertunnelung zu führen, sodass die Kulturmeile oberirdisch verbunden wäre. Hierzu Thomas Braun: „Debatte um Tunnelbau in Stuttgart. Ist der Tunnel unter der Kulturmeile realisierbar?“, Artikel in der Stuttgarter Zeitung vom 4.7.2018. 895 Jost Krippendorf: „Gedanken zu aktuellen Problemen des Fremdenverkehrs und des Gastgewerbes am Beispiel der Schweiz“, Ausgewählte Aufsätze, in: Berner Studien zum Fremdenverkehr, Bern 1967, S. 34: „Sind unsere Kurorte 'up to date'?“. 896 Hierzu mehr unter Punkt 1990er der vorliegenden Arbeit: „Parkpflege und MineralBad“. 897 In der ersten Hälfte des 20. Jhs. hat sich die Stadt Stuttgart bereits so weit ausgedehnt, dass sie u.a. mit Bad Cannstatt sukzessive zu einer Großstadt zusammenwächst. Dies äußert sich vor allem in der Verdichtung der Bebauung am Nordbahnhof, entlang der Pragstraße und im Stadtteil Ost über S-Berg. Der Stadtteil Bad Cannstatt ist lediglich noch durch den Neckar und den Wasen getrennt, besonders über die wiederaufgebauten Neckarbrücken aber dennoch eng verbunden. Zu „Großstadt-Grün“, zum Heilklima des Waldes und zur Wichtigkeit des Sauerstoffs bereits um 1900 C. Sitte, in: „Der Lotse. Hamburgische Wochenschrift für deutsche Kultur“, 1. Jg., Heft 5 vom 5.11.1900, Hamburg 1900, bei A. Janssen, S. 139-146. 898 Vgl. Lauser/ Bunata/ Renner 2006, S. 20. 148 verhelfen: Straßenverkehr, Infrastruktur, Sozialwohnen, Naherholung sowie Umweltschutz haben oberste Priorität und Dringlichkeit.899 In der Neuen Sammlung in München findet ab November 1971 eine Ausstellung statt mit dem Titel: „Profitopolis oder der Mensch braucht eine andere Stadt: Eine Ausstellung über den miserablen Zustand unserer Städte und über die Notwendigkeit, diesen Zustand zu ändern, damit der Mensch wieder menschenwürdig in seiner Stadt leben kann“,900 an der Wend Fischer und Josef Lehmbrock maßgeblich mitwirken. Zu den Hauptthemen zählen bereits die Luftverschmutzung, Energiewirtschaft, Wohnen und der öffentliche Nahverkehr. Solch revolutionäres Gedankengut wird den Städtebau der 1970er Jahre fortan prägen. Nach dem Krieg stand neben Wiederaufbau und Wohnungsbau ein Konsumbedürfnis im Vordergrund, es kommt zum „Wildwuchs“901 im Städtebau, wie mit dem Bauen von Kaufhäusern, Bankgebäuden, Versicherungen, Verwaltungszentren, die nur zu häufig eine zusammenhanglose Stadtplanung bewirkten. 1970 ist der kleine Kursaal baufällig und vom Abriss bedroht, über den fortan ernsthaft diskutiert wird. Ein Neubauplan sieht den Ersatz durch einen Hotelkomplex mit 18-stöckigem Hochhaus vor. Im Stuttgarter Rathaus wird eine von Dr. Beck und Hausbau Bense bearbeitete „Gesamtkonzeption“ vorgestellt, als Diskussionsgrundlage, an der man die Bürger und Bewohner beteiligen will. Es sei möglich, bis zur Bundesgartenschau 1977 den Neubauplan zu verwirklichen, allerdings nur mit der Zustimmung der Öffentlichkeit. Diese ist gespalten: „(...) Entweder ist man mit dieser Konzeption einverstanden oder glaubt man, nach all den vielen Jahren nicht mehr daran, daß Cannstatt in dieser Richtung doch noch zum Zuge kommt“,902 in Richtung Kurbetrieb. Viele fürchten, der untere Kurpark könnte damit zu einer „Spielwiese der Reichen“ werden, die sich eine Neubau-Wohnung an dieser Stelle leisten könnten, sie sehen wesentlich dringenderen Bedarf an Sozialwohnungen. In dem Projekt sind zahlreiche Wohnungen eingeplant, die an der nördlichen Seite des Kursaals erbaut werden würden. In den Hang des Sulzerrains hinter dem Kursaal würde eine Veranstaltungshalle gebaut und mit dem Kursaal verbunden. Linker Hand, in der Sulzerrainstraße, sind drei formgleiche Häuser mit mehreren Etagen in Skelettbauweise vorgesehen, als Kurmittelhaus, Abfüllhaus, Wohnund Parkhaus.903 Direkt in das Vorfeld des Kursaals würde ein wuchtiges Gebäude mit zahlreichen Wohnungen einschneiden, hinter dem nochmal flachere Wohn- und Parkhäuser entstehen würden. Das Kultusministerium schreibt am 20. April 1972 an das Landesdenkmalamt: „(...) In Beziehung auf den Bau eines geplanten Hochhauses teilt Herr Donndorf die Bedenken und Fragen, die ich bei der Besichtigung des Modells vorgebracht habe. Es dürfte anzustreben sein, daß das Hochhaus optisch gegenüber dem Kursaal-Gebäude abgesetzt ist (...)“.904 Über ein Jahr lang beschäftigen die Verantwortlichen sich mit dem Projekt. [143] Im neueren Entwurf sind die Nebengebäude auf die Südseite des Kurparks, vor das Hochhaus, versetzt. Wieder einmal ist es das seriöse Engagement Cannstatter Bürger und des Denkmalamts, das letzten Endes die Umgestaltung mit dem Abriss des kleinen Kursaals verhindert und damit den Königsplatz in seiner Originalität erhält.905 Andere Neubauprojekte dagegen werden direkt in Angriff genommen, etwa im Verkehrswesen. Ende der 1960er Jahre wurde ein Konzept für einen unterirdischen Streckenabschnitt ausgearbeitet: Im Frühjahr 1970 haben die Bauarbeiten für die neue S-Bahn-Untertunnelung direkt unterhalb des Stadtgebiets begonnen, die sogenannte Verbindungsbahn. Das ist ein durchgängiges Tunnelsystem, zwischen Stuttgart-Vaihingen und Hauptbahnhof eingerichtet. Infolge dieser Grabungen verlieren 899 Das Gesetz ist bis heute gültig; die Förderung hat schon bis 1990 mit rund 14 Milliarden Euro eine Menge bewegt. 900 Unter dem gleichen Titel wurde sie 1979 als Wanderausstellung auch in Stuttgart u.a. gezeigt: Stadtarchiv Stuttgart. 901 Bullert/ Manoli 1979. 902 Cannstatter Zeitung vom 8.10.1971: „Kur am Arbeitsplatz“. 903 Zu dem Projekt waren verschiedene Modelle ausgestellt. Hier wird eine Variante davon abgebildet. [143] 904 Archiv des Landesamts für Denkmalpflege Esslingen, Ordner S-B.C.: „Großer und kleiner Kursaal bis Ende 1999“. 905 Ebd., 1971. Der Cannstatter Bezirksbeirat hatte das Hotel dagegen befürwortet, ein solches brauche diese Stadt. Vgl. Stuttgarter Zeitung vom 3.11.1972: „Kommerzielle Projekte abgelehnt – Kur- und Kulturzentrum in Cannstatt – Bürger wollen bei der Neugestaltung des Kurparks mitreden. Kritik am Oberbürgermeister“. Verwirklicht wurden hingegen die Straßenbahnschienen auf dem Königsplatz mit der Haltestelle „Kursaal“ 1976. Die Schienen trennen seit ca. 1950 den unteren Park. Dennoch ist die Straßenbahn ein vergleichsweise verträgliches Nahverkehrsmittel. 149 Mineralquellen in Cannstatt und Berg jedoch an Schüttung.906 Mit aufgrund dieser Vorfälle scheint daraufhin der Plan zu neuen Quellbohrungen aufzutauchen. Ist es ein reiner Zufall, dass 1971 eine Mineralquelle am Stuttgarter Marktplatz entdeckt worden ist? 1972 hat das Mineralbad Breuninger eröffnet.907 Stuttgart hat nun ein Mineralbad mitten in der Stadt, nicht nur die drei Bäder in Bad Cannstatt und Berg. Das neue Mineralbad befindet sich am Marktplatz, im Dachgeschoss des neu eingezogenen Kaufhauses „Breuninger“. 1971 sind Bauarbeiter beim Aushub der Baugrube für den Neubau des Kaufhauses auf eine Mineralquelle gestoßen.908 So können seit der Eröffnung am 3. Januar 1972 Kunden während der Einkaufszeit in dem in das Kaufhaus integrierten „Mineralbad“ schwimmen, dazu gibt es eine Sauna, Massagezimmer, Restaurant und eine reizvolle Sonnen- Terrasse über den Dächern der Stadt.909 Der Geologe Walter Carlé berichtet 1975: „(...) In den 115 Jahren zwischen 1857 und 1972 wurde von Zeit zu Zeit über die mögliche Erschließung von Thermalwasser in Bad Cannstatt gesprochen. Der Anlaß zu einem neuen Gespräch, dem nun endlich die Tat folgte, war geringfügig genug; doch sollte er genannt werden. Am Peter- und Pauls-Tag, Donnerstag, den 29. Juni 1972, mußte eine Großbehälter-Messung zur Eichung der Inselquelle im Mineralbad Leuze in so früher Morgenstunde durchgeführt werden, daß der gegen 6 Uhr beginnende Badebetrieb nicht gestört wurde. Während der Messung ging ich mit dem damaligen Direktor des Kuramts Bad Cannstatt fröstelnd im Badegelände auf und ab. Als Herr Arthur Schick mit einem Hinweis auf die morgendliche Kühle meinte, ein Thermalwasser im Leuze wäre doch eine gute Sache, entgegnete ich spontan, dies hier sei nicht der richtige Platz. Man solle sich in der Umgebung des Cannstatter Kurparks umsehen und versuchen, die sicherlich wasserleitende Hauptverwerfung des nördlichen Fildergraben-Randes anzutreffen. Bereits am Montag, dem 17. Juli 1972 benutzte der Wirtschaftsbürgermeister Fritz Buch eine Vertreterversammlung der Allgemeinen Ortskrankenkasse zu der sofort in die Presse gelangten Mitteilung, daß unter Bad Cannstatt Thermalwasser erbohrt werden könne. Am darauffolgenden Tag vertrat Oberbürgermeister Dr. Arnulf Klett vor Journalisten die Auffassung, daß man trotz sicherlich hoher Erschließungskosten ernsthaft prüfen solle, ob nicht zusätzlich zu den bestehenden Quellen im tieferen Untergrund Thermalwasser zu erschließen wäre, freilich ohne den bestehenden Mineralwasserschatz zu schädigen“.910 Zu der geplanten Bohrung in Bad Cannstatt beantragt die Stadt nun zunächst ein Gutachten durch das Geologische Landesamt von Baden-Württemberg. Nach einer Besprechung am 23. August 1972 beschließen Wirtschaftsbürgermeister Buch, Stadtdirektor Dr. Künne, Oberbaudirektor Schurr vom Tiefbauamt, Direktor Schick vom Kuramt und Walter Carlé die Umsetzung: „(...) Vorgeschlagen wurde eine Bohrung von etwa 400 m Tiefe, die nahe dem Neckarufer unmittelbar südlich der Gnesener Straße auf der stadteigenen Parzelle 5773/4 angesetzt werden sollte. Die Prognose lautete: 'Etwa gegenüber Münster kann eine 400 m tiefe Bohrung auf die wasserleitende Cannstatter Verwerfung angesetzt werden. Sie wird salinares und thermales Mineralwasser innerhalb des Buntsandsteins erschließen. Die Konzentration dieses Wassers liegt etwa zwischen 15 und 20 g/kg, die Temperatur voraussichtlich bei 28°C. Erhöhter Kohlendioxid- Gehalt ist denkbar. Die Förderung von einigen Sekundenlitern erscheint möglich'. In der Folgezeit fand das Bohrprojekt in den Stuttgarter Tageszeitungen und in der Landespresse eine lebhafte Beachtung (...)“.911 906 Die Schüttung der Berger Quellen verringerte sich um bis zu 20 l pro Sekunde. Das Bad Berg war zu dem Zeitpunkt das einzig privat betriebene Mineralbad der Stadt, im Besitz der Familie Blankenhorn. Quelle: Fam. Blankenhorn. 907 Vgl. Schukraft/ Kress 2006, S. 28. 908 Stuttgarter Zeitung vom 3.1.1972. 909 Weil sich das Bad in den Jahren nach dem Tod von Heinz Breuninger 1980 nicht mehr rentiert haben soll, wurde es im Jahre 1988 zum Bedauern vieler Stuttgarter geschlossen. Bis heute gibt es im Stadtzentrum keine vergleichbare Attraktion. Von einer dortigen Mineralquelle ist nach derzeitigem Stand der Recherche keine Spur. Hierzu auch Uwe Bogen/ Thomas Wagner et al.: „Stuttgart-Album. Eine Stadt erinnert sich“, Tübingen 2013, S. 132-135. 910 Carlé 1975, S. 102 bzw. 109: Der ehemalige Geologe Walter Eduard Hermann Carlé (1912-1996). 911 Ebd., S. 101 bzw. 103. 150 Die Bohrung wird am 19. Dezember 1973 durchgeführt und endet mit Erfolg. Erschlossen wird in 477 Metern Tiefe jedoch keine warme Quelle, sondern eine Natrium-Chlorid-Sole von kühlen 22° Celsius. Doch das Ziel ist im Grunde erreicht, denn Stuttgart kann nun die Entdeckung seiner ersten (Thermal-)Sole verkünden. Übrigens ist damit der sehr lang verfolgte Wunsch, eine Salzquelle zu erschließen, zweihundert Jahre später nun erfüllt. Doch Kochsalz wird jetzt nicht mehr so dringlich benötigt, dass dafür eine Saline gebaut werden würde. Die Solequelle wird nun dem Mineral- und Heilbad Cannstatt in der Sulzerrainstraße Nr. 2 für Kurzwecke zugeführt. Zu Jahresbeginn 1974 geht die Hofrat-Seyffer-Quelle dann in Betrieb. Im März 1973 wird beim Mühlsteg am Neckar, in nächster Nähe des Kurparks, an der Hofener Straße das neue Stadtbad eröffnet. Dieses ist ein Hallenbad mit einem einzelnen Schwimmbecken, gespeist von der Mombach-Quelle, das von Vereinen, Schulen und Bürgern genutzt wird. Direkt bei der Mombach-Quelle entsteht außerdem das neue Alfred-Raichle-Bad, nachdem die Quelle seit der Nachkriegszeit für ein Schwimmbad genutzt worden war. Der Schwimmverein Cannstatt 1898 e. V. musste 1950 die Neckarbäder wegen der Wasserverschmutzung des Flusses aufgeben und für den Schwimmsport auf den Standort am Mombach, in der Krefelder Str. 24, ausweichen. In Baden bei Wien etwa hat die Verstädterung vergleichsweise weniger gravierende Auswirkungen gehabt; dieser Kurort liegt weiter entfernt von dem Ballungsraum der Großstadt Wien.912 Dennoch stellen Stadtplaner „Versäumnisse“ fest, die bei der Stadtplanung offenbar nicht berücksichtigt oder übersehen wurden: Solche sind in der Konzentration auf andere Qualitäten, die vor dem Badewesen kamen, zu finden: „(...) Ähnliche Versäumnisse gibt es auch in anderen Kurstädten und Heilbädern, die in den Sog der Agglomerationen geraten sind und daher eine starke Verstädterung aufweisen. Diese bewirkt nämlich zwangsläufig, daß die Kureinrichtungen (Kurpark, Bäder sowie spezielle Dienstleistungseinrichtungen) statt wie früher am Rand, plötzlich im Siedlungsgebiet liegen, wo sie allein schon durch die Auswirkungen des Kraftfahrzeugverkehrs eine kontinuierliche Reduzierung ihres Rehabilitationswertes erfahren.“913 In Stuttgart wird im Januar 1973 ein neuartiges Angebot mit nachdrücklicher Botschaft ins Leben gerufen: Die sogenannte Stuttgarter Kur hat Premiere im Mineralbad Leuze. Das ist die Erfindung einer neuen Form der Kur, die speziell auf die hoch urbanisierte Situation der Landeshauptstadt zugeschnitten ist. Das Konzept sieht vor, den Stadtbürgern und Nachbarn eine Kur zwischen ihrer Wohnung und dem Arbeitsplatz zu ermöglichen. Die Stuttgarter Ärzteschaft hatte sich lange dafür eingesetzt und die Krankenkassen erkannten das Modell an und übernehmen einen Gutteil der Behandlungskosten für die Patienten. Der Vorteil dieser Praxis liegt für den Kurenden darin, dass er weiterhin zuhause wohnen bleiben kann und sein gewohntes Alltagsleben davon unbeeinträchtigt weiterführen kann, während er allein ambulant behandelt wird. Über einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten gibt es zwei bis dreimal in der Woche eine Behandlung.914 Die Urbanisierung wird damit, nicht zuletzt, der Kur verschrieben und der Stadt selbst eine Kur: Nachdem die Verkehrsführung in der Großstadt und unter anderem auch der bauliche Zustand der Cannstatter Altstadt mehrfach zuerst von engagierten Bürgern kritisiert worden war, diskutiert die Stadt Stuttgart über Möglichkeiten zur Sanierung des Cannstatter Stadtkerns. Dabei geht es um die Bewahrung von Kulturdenkmalen, um die Instandsetzung der historisch bedeutenden Brunnen, neue 912 Der ehem. Kurort Oberlaa dagegen wurde mit der Großstadt Wien vereinigt: Mehrere Beispiele unter Punkt 7. 913 E. Kunze/ O. Reichert/ V. Wallner/ R. Wurzer: „Stadtplanung Baden. Entwicklung, Ziele, Maßnahmen“, Technische Hochschule Wien, Institut für Städtebau, Raumplanung und Raumordnung. Schriftenreihe Stadtplanung Baden, Bd. 11, Wien 1972, S. 87 (Punkt „2.14. Die Verstädterung von Kurorten und Heilbädern“). 914 Quelle: Bäderbetriebe Stuttgart, Anita Grube, Informationen vom 28.12.2017: Bald nahmen jährlich etwa 1.000 Patienten dieses Angebot wahr. Die Stuttgarter Kur wurde 1999 auf das MineralBad Cannstatt beschränkt; im Kur- Zentrum Leuze wurden die Betriebskosten zu hoch. Im MineralBad Cannstatt unternahmen die Bäderbetriebe den letzten Versuch, das Kurangebot am Bestehen zu erhalten: Die Krankenkassen bezahlten weiter 1.600 DM, davon übernahm 200 Mark Selbstbeteiligung der Patient. Während der Kur konnte er in seinem Haus wohnen. 2006 wurde die Stuttgarter Kur abgeschafft, seither sind Kuren auf ärztliches Rezept nur noch über den Privatbetrieb ZAR (Zentrum für ambulante Rehabilitation) im MineralBad Cannstatt oder auf Rezept im Mineralbad Leuze möglich. 151 Verkehrsführung, sowie die Erhaltung und Vergrößerung der Grünflächen und die Würdigung von alten Bauten. Ein großzügiges Sanierungsprogramm wird nun ausgearbeitet und in den folgenden Jahren schrittweise verwirklicht. Und im weiteren Verlauf des Engagements geht als eine Abteilung des Cannstatter Brauchtumsvereins Kübelesmarkt daraus die Aktion „Pro Alt-Cannstatt“ hervor, die sich seitdem für die Erhaltung und Verschönerung der Neckarstadt einsetzt.915 Im Rahmen dieser Altstadtsanierung bemüht sich das Stadtplanungsamt um neue Konzepte für den Stadtteil Bad Cannstatt: Das Stadtplanungsamt der Stadt Stuttgart hat 1974 zunächst „vorbereitende Untersuchungen“ getroffen und anschließend dann „Varianten zu einer städtebaulichen Konzeption“ erarbeitet, die in Entwurfsideen zu einer möglichen Neugestaltung münden. Vorrangig interessieren hierbei die Pläne zur Umgestaltung der Vorstadt entlang des Neckarufers als Teil der Kurstadt. In mehreren Mappen, die bis 1975 veröffentlicht werden,916 sind die Blätter mit den Plänen einsehbar. Unter der Rubrik „Grünflächen“ sind die Uferbereiche auf beiden Seiten des Neckarbetts bearbeitet, dichtere Grünanlagen zwischen Rosenstein und Kurpark werden geplant. Das finale Gesamtkonzept sieht, was es schon im 19. Jahrhundert gab, eine flächig ausgeweitete Verknüpfung der Parkanlagen entlang des Flusses mit Promenaden vor, die zeitlos ist. Diese Pläne werden zunächst aber nur sehr geringfügig umgesetzt.917 Stuttgart hat sich unterdessen mit Erfolg um die kommende Veranstaltung der Bundesgartenschau 1977 beworben und einen Wettbewerb an Landschaftsplaner ausgeschrieben, mit 103 angeforderten Unterlagen. Mit Blick auf die Parkanlagen Bad Cannstatts bringt erst die Bundesgartenschau 1977 eine wesentliche Veränderung. In städtebaulicher Hinsicht sollten im Zuge dessen Neugestaltungen umgesetzt werden, die auf den vergebenen Preisen beruhen. Die Reichsgartenschau von 1939 sowie nach dem Krieg die Deutsche Gartenschau von 1950 wurden noch auf dem dazu neu entworfenen Killesberg veranstaltet. Bei der einschneidenden Bundesgartenschau 1961 rückte unter anderem Bad Cannstatt erstmals in den Fokus, in erster Linie ist aber der mittlere und obere Schlossgarten in Stuttgart der zentrale Schauplatz gewesen. Die historischen Anlagen sind 1960 und 1961 radikal umgestaltet worden. Von 1977 an kommen der untere Schlossgarten, der Rosensteinpark und das Neckarufer in Bad Cannstatt in das Blickfeld. Das Motto der Schau lautet: „Grün- und Freiflächen in der Stadt – Maßstab einer menschenwürdigen Umwelt“.918 Die Großstadt wird, ganz nach den Idealen der Zeit, lebenswerter gemacht.919 Das Gartenbauamt mit dem Leiter Friedrich Goes setzt die Pläne um, die aus einem Wettbewerb des Jahres 1973 hervorgegangen sind. Gewonnen hatten u.a. der Landschaftsarchitekt Hans Luz (1926-2016) und der Architekt Max Bächer (1925-2011). Neben der teilweisen Umgestaltung von Partien des unteren Schlossgartens und seinen Wiesenflächen entlang der unter König Friedrich I gesetzten Allee nach Cannstatt und dem Rosensteinpark, der vor allem am Hang Richtung Berg Neugestaltungen erfährt, sind es besonders die Parkflächen vor den Mineralbädern Leuze und Berg, die gestaltet werden und hier interessieren: Ein vulkanischer Topographie ähnelnder Park wird neu angelegt, mit begrünten Hügeln, dazwischen Schlängelwegen und auf den Erhebungen sogenannten Geysiren. Das sind monumentale Brunnen in vulkanähnlicher Kegelform, die mit Neckarwasser versorgt werden, das sie sprudelnd nach oben befördern und so die für den Ort charakteristischen Mineralwasserquellen der Stadt symbolisieren sollen. Diese Geysir-Brunnen werden auch Berger 915 Der 1975 gegründete Verein ist seit 1981 eingetragen. Größte Erfolge sind die Sanierung des Klösterles von 1463, in dessen wiederaufgebaute Scheuer 1988 das 1959 gegründete Heimatmuseum als das „Stadtmuseum Bad Cannstatt“ einziehen konnte. (Schmid 1989, S. 108). Zudem die Instandsetzung des Burgholzhofturms 1987, die künstlerische Ausgestaltung des Mineralbades Cannstatt 1994 durch H. Pizzinini u.a. http://www.proaltcannstatt.de/home.html. 916 Siehe hierzu Annette Mächler: „Stuttgart-Bad Cannstatt, Erneuerung der Altstadt: vorbereitende Untersuchungen“, Hrsg. Stadt Stuttgart 1975. Verfügbar in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. 917 Im Rahmen der Bundesgartenschau 1977 werden schmale und getrennte Grünstreifen am Fluss entlang angelegt. Das europäische Denkmalschutzjahr 1975 war die entscheidende Tätigkeitsaufnahme in der Gartendenkmalpflege. Vgl. Dieter Hennebo: „Gartendenkmalpflege: Grundlagen und Erhaltung historischer Gärten und Grünanlagen“, Stuttgart 1985, S. 28. Zuvor gab es auch schon eine Gartendenkmalpflege, aber eben eine weniger systematische. 918 Hierzu Arbogast/ Goes 1993, S. 72 ff. 919 Zur damaligen Verkehrsentlastung und Stadtsanierung siehe auch Siegfried Hieber, in: Stroheker 1979, S. 139-144. 152 Sprudler genannt. Entworfen sind sie von Luz und Bächer. Die Grünfläche verbindet in der Mitte die beiden Parkanlagen der Villa Berg und des Schlosses Rosenstein erstmals fließend miteinander, sie stellt einen Übergang über Brücken und Überführungen her, der nur von Straßenbahngleisen und der Haltestelle „Mineralbäder“ unterbrochen ist. Kleine Seen oder Teiche werden mit Aufstiegen und Treppen hinauf in den Rosensteinpark angelegt. Auf den Wegen zu den Mineralbädern, die als Fuß- und Radwege getrennt sind, werden einzelne Blumenbeete mit Rosen, Stauden und niedrigen Sträuchern angelegt. Eine Hängebrücke über dem vielbefahrenen Leuzeknoten, geplant von dem Ingenieur Jörg Schlaich, führt gemeinsam mit einem kleineren, schwingenden Seilsteg vom oberen Rosenstein zu den Mineralbädern. Die Bundesstraßen B10 und B14 werden am Leuzeknoten als Tunnelröhren unter Dach gebracht und damit der Verkehrslärm reduziert und die Fußverbindungen erweitert. Informative Tafeln erinnern an den vergessenen Kurort, weitere erklären wissenschaftlich Herkunft, Entstehung und Zusammensetzung des Stuttgarter Mineralwassersystems. Der neue Park wird fortan Schwanenplatz genannt. Am Neckar, im Bereich zwischen Wilhelma auf der einen und Schönestraße auf der anderen Seite, werden einige Wege erneuert und entlang der Bundesstraße 10 schmale Grünflächen gesetzt. Der ursprünglich flache Seilerwasen wird mit Rasen- und Grünflächen terrassiert. Nach dem Entwurf der Holzbau-Ingenieure Dieter Sengler und Julius Natterer entsteht für ca. 1,9 Millionen DM920 ein bedeckter Holzbalkensteg über den Neckar, der ausschließlich als Fußgängerbrücke, Unterstand und Fahrradüberführung konzipiert ist.921 Der insgesamt 158 Meter lange und 3,80 Meter breite, mittig abgeknickte Neckarsteg gilt als technisches Meisterwerk, weil er eine der am weitesten gespannten Holzbalkenkonstruktionen auf der Welt ist.922 Der Steg ist überdacht, fast ausschließlich aus Holz errichtet und ruht neben den Uferzugängen auf nur einer Stützkonstruktion über dem Fluss. Er verbindet in 8,70 Metern Höhe die Parkanlagen am Neckar, eröffnet dem Besucher Ausblicke auf die Cannstatter Altstadt, Hafen, Wilhelma, Schloss Rosenstein und umgeht auf elegante Weise den Straßenverkehr. Weniger ausdrücklich erklärt, doch gleichsam naturgemäß, steht die Holz-Brücke in der Tradition von Kurarchitektur. Die Besonderheit liegt in der Überdachung der 158 Meter langen Konstruktion, das ist eine Rarität.923 Dieser Steg entspricht nebenbei dem Bautypus der überdachten Wandelgänge. Er wird noch mit dem Laubdach der Flusspromenaden und der Wilhelma verbunden. Über der Schönestraße wird eine steinerne Brücke errichtet, der Wasensteg. Über die B10 führt der ebenfalls steinerne Wilhelmasteg, oder wegen der Bemalung auch der Elefantensteg924 genannt. Der Wasen- und Wilhelmasteg sind entworfen von Klipper & Partner. Auf der Cannstatter Neckarseite wird ein Hang neu angelegt mit Rasenflächen, Kinderspielplatz und Basketballkorb. Alle Brücken können pünktlich zur Gartenschau als drei von insgesamt zehn neuen Brücken in Stuttgart, trotz unvorhergesehenem Zusammenbruch der Holzbrücke, am 29. April 1977 eingeweiht werden.925 Der Holzsteg offenbart bei der Eröffnung im strömenden Regen sofort seine Zusatzfunktion, indem er den ersten Besuchern der Gartenschau einen dankbaren Schutz im Trockenen gewährt.926 In Richtung Cannstatter Wasen bilden die neuen Grünzüge nun wichtige Zugänge zum Neckar und entlang des Flussufers. Aber etwa eine ausgeweitete Wiederherstellung des Kurorts war nicht direkt vorgesehen, weil schlichtweg unmöglich. Aufgrund der dichten Gewerbegebiete und der auf den Autoverkehr ausgerichteten Infrastruktur wäre eine völlige Umstrukturierung der Großstadt nötig, die finanziell wie baulich eben kaum zu stemmen ist. Gleichwohl hat die Bundesgartenschau 1977 außergewöhnliche Fortschritte in der großstädtischen Parkgestaltung gebracht und immerhin der 920 Dirk Herrmann: „Cannstatter Holzbrücke muss fallen“, in: Stuttgarter Zeitung vom 8.9.2014. 921 Der Steg wurde zw. Juni u. November 2016 abgerissen, wich der neuen S21-Bahnbrücke. Quelle: Verfasser vor Ort. 922 Zwischen der Flussmole und den Ufern erstreckte sie sich jeweils ca. 65 und 72 m lang (insgesamt 72 Meter). 923 Im Zuge von S21 sollte daher mit einem neuen überdachten Fußgängersteg unbedingt ein Ersatz geschaffen werden. Die Cannstatter Zeitung meldete am 7.2.2014, dass auf Antrag der Grünen eine Brückenverlegung geprüft werde. 924 Auch der „Elefantensteg“ wurde 2014 für die Brücken- und Tunnel-Bauarbeiten von S21 entfernt. Beleg vor Ort. 925 Hierzu Dirk Hermann: „Cannstatter Holzbrücke muss fallen. Die Enttäuschung des Holzsteg-Erfinders“, Stuttgarter Zeitung vom 8.9.2014. 926 Ebd. 153 Stadt-Bevölkerung ihre Parks nun besser zugänglich und erlebbar gemacht. Dass seit 1979 endlich keine Kraftfahrzeuge mehr ohne Sondergenehmigung durch die, damit zu einer reinen und einer der ersten Fußgängerzonen in Baden-Württemberg erklärten, Cannstatter Marktstraße fahren dürfen, kann als ein Gewinn bezeichnet werden. Die Stadt Stuttgart insgesamt ist tatsächlich lebenswerter gestaltet, und einige Wohngebiete vom Zentrum bis Bad Cannstatt sind jetzt deutlich wirksamer in die Parklandschaft insgesamt integriert. Besonders die zahlreichen Brücken stehen von nun an symbolisch wie funktional für die moderne Parkgestaltung in der Großstadt. Die bereits auf die Gartenschau von 1961 zurückgehende kleine Grünanlage beim Mühlsteg am Neckar wurde mit dem Bau des Stadtbades in der Hofener Straße um einige Bäume und Rasenflächen erweitert. Die Parkanlagen in Stuttgart-Bad Cannstatt sind jetzt überbrückt, gut miteinander verbunden und stellen überdies auch einen ununterbrochenen Fußweg her von Alt-Cannstatt zu den Mineralbädern Berg und Leuze. 1980er. Leuzebad und Mineralwasser Das größte und beliebteste Mineralbad Stuttgarts ist, neben Bad Berg, „Das Leuze“. Es befindet sich zwischen Stuttgart-Berg und Bad Cannstatt. Bis zur Neckarkanalisierung 1929 stand es mitten auf der Berger Insel im Neckar und war nur über Brücken, Stege und mit dem Boot zu erreichen. Man nannte es auch Inselbad. Überdies gab es ein Flussbad Leuze mit zwei Schwimmbecken und Einzelbadekabinen, es war gespeist sowohl mit Mineralwasser als auch mit Neckarwasser.927 Durch die Kanalisierung wurde die Insel beseitigt; der schmälere Kanal auf Seiten von Berg zugeschüttet. Damit kam das Bad noch näher an den Stadtteil Berg heran, während es auf der anderen Seite durch die Verbreiterung der Wasserstraße vom Stadtteil Bad Cannstatt weiter weg rückte. [084] [085] Bei der Änderung des Flusslaufs versiegten außerdem die Leuze- und die Inselquelle, die letztere hatte ja der Stadt Cannstatt gehört. Sie mussten neu gefasst werden und man hatte Erfolg, denn von 12 Litern konnte die Schüttung auf ganze 185 l pro Sekunde gesteigert werden. Die neue Inselquelle ist viel stärker und ähnlich hoch mineralisiert, wird aber nicht mehr offiziell für Trinkkuren verwendet. Der 1861 neu erbaute Trinkpavillon wurde entfernt. Zuvor hatte der Verkauf von Sprudelwasser bei Leuze eine Rolle gespielt, in einem integrierten Abfüllraum wurde das natürlich kohlensäurereiche Wasser aus der Inselquelle in Steinzeugkrüge abgefüllt. Um 1900 wurden solche Steinzeugkrüge allmählich von moderneren Glasflaschen abgelöst, in denen das Mineralwasser von nun an verkauft wurde. [146] [147] [148] Kurgläser mit Motiven des Badeorts blieben weiterhin beliebt.928 In dem französischen Heilbad Vichy zum Beispiel wurden kunstvoll verzierte Kurgläser aus farbigem Glas gefertigt, bis zur Jugendstil-Epoche, vielerorts nochmals in den 1950er und 1960er Jahren. In Paris hergestellte Teller mit Cannstatt-Ansichten belegen den überregionalen Ruf Cannstatts im 19. Jh. Marode und von einer neu konzeptionierten Verkehrssituation bedroht, wird die künftige Situation des historischen Bades Leuze ab 1975 im Gemeinderat lebhaft diskutiert und bestimmt. Das bereits seit 1842 bestehende Mineralbad ist in seiner Geschichte mehrfach umgebaut und erweitert worden. Zuletzt wurde das Bad nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg durch Pläne von Hellmut Weber zwischen 1955 und 1965 zu einem Hallen- und Freibad umgebaut.929 [134] Lange war der Freibade- Bereich erheblich von dem Verkehrslärm der benachbarten B10 und B14 betroffen, die sehr viel befahren sind. Für die Bundesgartenschau 1977 wurden dann die zwei Bundesstraßen 10 und 14 am Leuzeknoten schließlich mit Tunnelröhren überdeckt, der sogenannte „Leuzetunnel“. Dieser Tunnel 927 Hierzu auch Punkt 1830er der vorliegenden Arbeit: „Kurspaziergänge sowie Uferpromenaden“. 928 Bislang konnte der Verfasser kein originales Cannstatter, Berger oder Leuze-Kurglas der Biedermeierzeit finden; das in der 2016 eröffneten Dauerausstellung des Stadtmuseums Bad Cannstatt ausgestellte Glas könnte ein originales Cannstatter Kurglas sein: Quelle: Olaf Schulze, Gespräch vom 4.3.2020. 929 Vgl. Schukraft/ Kress 2006, S. 57. 154 spiegelt erneut den deutlichen Kontrast zwischen Badeort und Großstadt wider, denn wo wird ein Autoverkehrstunnel nach einem Kurbad benannt? Denn immerhin gibt es hier seit 1973 wieder eine erfolgreiche Kurpraxis in den Räumen, mit der Stuttgarter Kur, welche die Kur- und Bäderbetriebe praktizieren lassen. Im Mineral- und Heilbad Cannstatt in der Sulzerrainstraße gibt es ebenso ein Angebot. Nicht allein für die Gartenschau, sondern auch für das Wohl des Kurbads sind die Bundesstraßen nun überdeckt worden und eine förderliche Maßnahme für die Neuentwicklung des Kurbads; die Deckel schirmen es wirksam von bedrohlichen Lärm- und von Abgasemissionen ab. Die Stadt denkt auch darüber nach, das Bad zu verkaufen und damit in private Hände zu geben. Vor dem Verkauf durch Leuze 1919 war es in Pacht und ein Privatbetrieb gewesen. Auch taucht der Gedanke auf, das Bad in den benachbarten, ruhigeren Rosensteinpark zu verlegen. Letztendlich entschied sich der Gemeinderat aber gegen die Privatisierung und für eine Sanierung und Erweiterung am historischen Standort:930 Am 13. Oktober 1977 erhielt das Kur- und Bäderamt der Stadt Stuttgart durch den Gemeinderat den Auftrag, das Leuze um eine moderne Schwimmhalle sowie Außenbecken zu erweitern.931 Am 2. März 1978 stand der Entwurf der Architekten Ingeborg und Rudolf Geier,932 und die künstlerische Ausgestaltung lag bei Otto Herbert Hajek (1927-2005), der in den 1970er Jahren Vorsitzender des Deutschen Künstlerbunds war und im Februar 1980 den Auftrag erhielt. Schon einen Monat später waren seine Entwürfe fertig und wurden am 22. Mai 1980 durch den Gemeinderat stilistisch und finanziell bewilligt. Geschult zunächst u.a. im Stil des Informel an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart als Bildhauer, entwickelte Hajek zwischen den 1960er und 70er Jahren seinen eigenen Stil, der nach den Merkmalen der Kunstgeschichte am trefflichsten einem abstrakten (Neo-) Expressionismus zugeordnet werden kann, dies wegen der vielfältig verwendeten kräftigen Farben und der abstrakten, geometrischen Formen.933 Hajek stattet das Bad mit abstrakten Plastiken, bunt bemalten Fliesen und flächig bemalten Wänden aus. Eine 4 Meter hohe Stele trägt zum Beispiel den Titel „römische Erinnerung“, der antike Bezugspunkt wird deutlich. Alle Farben sind in dem kunstvollen neuen Mineralbad vertreten, von den Grundfarben Blau, Rot und Grün über Gelb, Lila, Orange, Pink, Rosa bis hin zu tiefem Schwarz. Die farbigen Wände und bunten Fliesen in den Becken, unter den bewegten Wellen des Wassers, erzeugen eine eindrucksvolle Stimmung, die das Mineralbad farbenfroh und lebendig machen. Der silbern glänzende Mineraltrinkbrunnen aus Edelstahlblech in der Eingangshalle, in dem die Kohlensäurebläschen sichtbar werden, wurde bereits 1965 entworfen von Walter Lochmüller (1905-1992) und ist mit Emaillearbeiten verziert. Der Künstler Anton Stankowski (1906-1998) schuf ebenfalls bereits 1965 eine farbige Glaswand in dem halbrunden Treppenhaus sowie eine Keramikwand in der Kaltbadehalle. Günther Neusel entwarf schon 1960 einen Zierbrunnen.934 „Das Leuze“ behält einige bauliche Elemente bei und wird zu einem noch kunstvolleren, sehr bunt bemalten, ja farbenfrohen Bad. Erbaut wird die neue Schwimmhalle von 1979 bis 1983, mit insgesamt 6 Badebecken innen und außen, Badehalle mit Außenschwimmbecken und zwei wärmeren Schwimmbecken. Auf ca 1.700 Quadratmetern Wasserfläche kann im quellfrischen Mineralwasser gebadet werden. Die Baukosten betragen insgesamt 46 Millionen DM. Am 19. Oktober 1983 wird Das Leuze dann wiedereröffnet.935 Das Wasser tauscht sich fortwährend selbst aus und muss nicht künstlich gereinigt 930 Vgl. ebd. 931 Quelle: Bäderbetriebe Stuttgart: Der Gemeinderat hatte wegen der geplanten Führungsänderung der Bundesstraßen B10 und B14 am Leuzeknoten zunächst eine Verlegung des Leuze in den Rosensteinpark und 1975 den Verkauf an einen privaten Investor in Erwägung gezogen. Letztlich wurde vom Gemeinderat aber der Neubau beschlossen. 932 Heute: „Geier-Völlger Architekten“ - https://voellger-architekten.de/projekte/hallenbad/ Aufgerufen am 11.03.2022. 933 Eine unanfechtbare Zuordnung zu einem Stil allein wird jedoch kaum möglich sein oder von dem Künstler gewollt. 934 Sehenswert ist seit 2001 auch ein künstlich gezüchteter Stalaktit, ein Mineralwasser-Tropfstein über einer Konsole, der sehr langsam mit neuen Kalkablagerungen wächst und an die faszinierende Bildung des Cannstatter Urgesteins Travertin erinnern soll, welcher durch Mineralablagerung entstanden ist. Zu besichtigen vor Ort. 935 1983 wurde das Leuze mit dem Architekturpreis des Bundes deutscher Architekten sowie 1989 mit dem IAKS Award für funktionsgerechte Architektur ausgezeichnet. Quelle: Bäderbetriebe Stuttgart, Michaela Bauersachs. 155 oder abgepumpt werden. Schleusen mit Plastiklamellen verbinden die kalte und warme Badehalle je mit den Außenbecken. Dort stürzt ein Wasserfall als Massagedusche hinab, neben Massagedüsen, einem Strömungskanal und Buchten mit der Möglichkeit, auf Sprudlern zu liegen. Mit knapp einer Million Besuchern jährlich zählt Das Leuze als offizielles 4-Sterne-Mineralbad Premium seither zu den bestbesuchten Schwimmbädern in Deutschland.936 Neben dem Mineralwasser der Leuzequelle, die zusätzlich sieben Trinkbrunnen, davon zwei im Foyer und fünf auf dem Vorplatz, versorgt, wird Mineralwasser der Inselquelle und der Mombach-Quelle im frisch sanierten Mineralbad verwendet, das besonders in den Abendstunden rege von den Großstädtern genutzt wird. [149] [150] [151] Wenig später, im März 1984, macht ein handfester Skandal in der deutschen Presse Schlagzeilen. Überraschend stellt sich heraus, dass einige Stuttgarter Mineralquellen erheblich verunreinigt sind: „Umwelt. Gift im Brunnen. Stuttgart. An 62 Brunnen der Landeshauptstadt, so ließ Oberbürgermeister Manfred Rommel (CDU) seine Gemeinderäte im Ältestenrat des Kommunalparlaments zunächst heimlich wissen, hätten sich Spuren von Chlorkohlenwasserstoff- Verbindungen feststellen lassen, und zwar 'in gefährlichen Konzentrationen'. Doch Stadtrat Uli Maurer (SPD), gleichzeitig 'Schattenminister' für Umweltfragen in der Wahlmannschaft des SPDSpitzenkandidaten Ulrich Lang für die Landtagswahl am 25. März dieses Jahres, paßte die 'Geheimdiplomatie' des christdemokratischen Oberbürgermeisters nicht. Er ging an die Öffentlichkeit und löste damit einen Umweltskandal aus, der die Ämter der 640 000 Einwohner zählenden Stadt seit Tagen in Atem hält.“937 Angeblich sind aber nur die gering mineralisierten Quellen betroffen; nicht die hochkonzentrierten Mineralquellen wie die Insel- und Leuzequelle, das Mineralbad Leuze bleibt damit verschont.938 Der Ruf des Sprudels ist dahin, das Vertrauen geht verloren und lässt die Verkaufszahlen einbrechen. Die Bad Cannstatter Mineralbrunnen AG lässt auf die Meldungen hin schnell Filter mit Aktivkohle einbauen; diese Abhilfe kommt jedoch zu spät. Mineralwasser muss natürlich rein sein, es darf nicht chemisch gereinigt werden. Die Schädigung der Mineralquellen und ihres Rufs hat auch eine neue Werbeoffensive zur Folge. Das Leuze bewirbt sein Mineralbad im öffentlichen Raum und in den Medien. Die Bad Cannstatter Mineralbrunnen AG bewirbt zwischen 1985 und 1986 ihre Sprudel- Produkte noch mit Slogans und Werbetexten wie solchen auf Flaschenetiketten: [148] „Mineral C. Gesundheit aus Bad Cannstatt. Die Gesundheitswelle rollt. Und mit ihr gewinnen natürliche Mineralwasser-Getränke zunehmend an Bedeutung. Auch in Ihrem Sortiment sollte ein quellfrisches Mineralwasser nicht fehlen: Cannstatter Quelle. Geschmacksneutral, vorzüglich zum Mischen mit Wein und Obstsäften.“ Oder: „Cannstatter Wilhelms-Brunnen. Die Cannstatter Mineralquellen haben sich durch ihren hohen Gehalt an Mineralstoffen einen hervorragenden Ruf geschaffen. Trinkkuren mit dem Cannstatter Wilhelmsbrunnen sind auch aus einer modernen medizinischen Fürsorge nicht mehr wegzudenken“.939 Gezielt wird wieder auf den medizinhistorischen Begriff „Trinkkur“ zurückgegriffen. Gemeint ist in diesem Kontext allerdings lediglich das private Mineralwassertrinken aus gesundheitsbewusster Vorsorge. Denn professionell begleitete Trinkkuren mit Bad Cannstatter Mineralwasser werden im Gegensatz zu den Badekuren nicht mehr angeboten, weder von den Kur- und Bäderbetrieben noch 936 Hierzu mehr unter Punkt 7 der vorliegenden Arbeit: „Bädervergleich“ – u.a. Vergleich der Besucherzahlen. 937 Die Zeit vom 2.3.1984: „Gift im Brunnen“ https://www.zeit.de/1984/10/gift-im-brunnen Aufgerufen am 11.03.2022. 938 Reinigungsbetriebe, Lackierereien, metallverarbeitende Betriebe werden als Verursacher der Umweltverschmutzung vermutet. Das Gelände der ehemaligen Mineralöl-Firma Epple in der sogenannten „Quellenstraße“ gilt seit 2010 wieder als nutzbar. Der Boden war dort über Jahrzehnte verseucht. Hierzu Cannstatter Zeitung vom 15.4.2010, Uli Nagel: „Schmotz-Epple ist wieder sauber. Hoher Preis. Bad Cannstatt – Gefahr für die Mineralquellen ist laut dem Umweltamt gebannt“. Siehe auch Stuttgarter Zeitung vom 7.6.2013. Die Quellenstraße (Nord) ist u.a. nach dem ehemaligen „Lämmlesbronnen“ unterhalb der Lämmleshalde, aber auch noch weiteren Quellen, benannt. Sogenannte Chlorkohlenwasserstoffe gelten als krebserregend. Bis zu 25 Mikrogramm im Liter sind zulässig; 600 Mikrogramm je Liter werden in Proben festgestellt. In vier der Cannstatter Quellen liegen die Werte angeblich, mit zwischen 2.4 und 13 Mikrogramm, noch im zulässigen Bereich. Quelle: Vgl. Die Zeit 2.3.1984, ebd. 939 Flaschenetikette einer letzten Werbeoffensive der Bad Cannstatter Mineralbrunnen AG der Jahre 1985-87. Quelle: Bäderbetriebe Stuttgart, Michaela Bauersachs. Der Verfasser verweist auf Assoziationen mit Vitamin C im Slogan. 156 von privaten Anbietern oder Fachärzten. Der Genuss des Wassers am Brunnen oder aus der Flasche liegt nunmehr in der Hand des Einzelnen. Im Februar 1987 muss der Verkauf des „Schwaben-Sprudels“ endgültig eingestellt werden. Somit kann die Tradition der Trinkkur in Cannstatt nicht einmal mehr über den alltäglichen Wasserkonsum am Leben erhalten werden. Cannstatt ist zu einem reinen bzw. (unreinen) Mineralbad geworden. Nur noch der Badebetrieb ist vorerst möglich. Die Geschichte des Cannstatter Sprudels in Flaschen, zu dem ursprünglich auch die Inselquelle von Leuze gehört hatte, ist zu Ende. Der Kurbetrieb ist nun beschränkt auf Badekuren wie Bewegungsbäder oder Schlamm- und Moorbäder, Naturfango- Wärmepackungen, Elektrotherapie, auf Massagen, Therapien und spezielle Heilanwendungen. Seit 19. Dezember 1984 ist die erste Sauna im Mineralbad Leuze eröffnet. Zum ersten Mal können auch Schwitzbäder nach dem finnischen Vorbild genommen werden, ein richtungsweisender Schritt in Bezug auf Entspannung und Wellness.940 Die negative Erfahrung bewirkt ein Umdenken. Fest steht: Es sollte mehr getan werden, wenn Bad Cannstatt zumindest noch als Mineralbad für die Bevölkerung erhalten bleiben soll. Der Abschied von dem heißgeliebten „Bad in Champagner“,941 dem geradezu organoleptischen Mineralwasser als Spirituose, wäre schmerzhaft. Für viele Leute ist das regelmäßige Mineralbaden ein unverzichtbares Ritual.942 Der Bestand an Heilquellen sollte systematisch geschützt werden vor Umwelteinflüssen, baulichen Beeinträchtigungen, Bohrungen. Bis 1990 wird ein erstes Heilquellenschutzgebiet abgegrenzt, die Verordnung dazu tritt zunächst aber noch nicht in Kraft.943 Das Mineral-Heilbad Cannstatt in der Sulzerrainstraße 2 soll ebenfalls neu erbaut werden. [133] [144] 1990er. Parkpflege und MineralBad In den folgenden Jahren kommt es in Bad Cannstatt zu positiven Entwicklungen als Badestadt.944 Bei der internationalen Gartenbauausstellung vom 23. April bis 17. Oktober 1993 in Stuttgart steht ein lange erdachtes und gewolltes stadtplanerisches Grünkonzept im Vordergrund: Die Verbindung der bundesweit einmaligen historischen Parkanlagen Stuttgarts zu einem „Grünen U“.945 Das sind der Schlossgarten, der Park der Villa Berg, der Rosensteinpark mit Wilhelma und der Höhenpark Killesberg auf einer Distanz von rund 8 Kilometern. Um die fünf Parkanlagen barrierefrei vereinen zu können, sind neue Grünflächen in den Lücken nötig: Insbesondere auf der Prag fehlt noch eine direkte Anbindung des Rosensteinparks an den Killesbergpark. Diese wird nun hergestellt mit den neuen Anlagen, mit dem Leibfriedschen Garten946 und dem Wartbergpark.947 Die Gartenschau repräsentiert das Motto „Verantwortungsbewußter Umgang mit der Natur in der Stadt“.948 Was man hier als Natur begreift ist weniger klar definiert, vielleicht auch den Killesberg mit den angrenzenden Wäldern. Fakt ist, dass über eine Neukonzeption des westlichsten Abschnitts 940 Bis 1998 wurde die Das-Leuze-Sauna auf 6 Schwitzräume vergrößert. 2005 wurde zudem eine Blockhaus-Sauna aus finnischem Polarkieferholz errichtet: Vgl. Schukraft/ Kress 2006, S. 60-61. Wellness ersetzt zunehmend die Kur. 941 Volksmund und Werbung der Bäderbetriebe Stuttgart: Vgl. Schukraft/ Kress 2006, S.19 ff., Memminger 1812, S. 30. 942 Von 1985-1987 erfolgt außerdem die Sanierung des Wilhelmatheaters und ist aus denkmalpflegerischen und städtebaulichen Gründen positiv. Das Gebäude konnte in die äußerliche Originalform von 1840 gebracht werden und sogar die Wandmalerei restauriert. Veranlasst von Ministerpräsident Späth und unterstützt durch den Verein Pro Alt-Cannstatt. Hierzu J. Breuer/ W. Mayer/ H. Reichwald: „Erweckung aus dem Zauberschlaf“, Stuttgart 1987. 943 Hierzu Punkt 2000er der vorliegenden Arbeit: „Heilquellenschutz und S21“. 944 Vorrangig interessieren hier die IGA 1993, das Parkpflegewerk für den Kurpark und der Neubau des Mineralbades. Schließlich folgen einige Informationen über sonstige Entwicklungen, die Stuttgart-Bad Cannstatt betreffen. 945 Hierzu und über die Historie der einzelnen Parks siehe ausführlich das Werk von John 2000, S. 9 ff. 946 Der Name „Leibfried“ ist als ein Phantasiename erfunden für die Station von Hans Luz und seinem Büro. Siehe Hans Luz: „Rund ums Grüne U“, Stuttgart 2012, S. 69 ff. 947 Einst stand auf dem Talmuldengelände „Wartberg“ die Burg Wartenberg, nach der das Gelände benannt ist. Ebd. 948 Für die Konzeption erhielt die Stadt Stuttgart ab 1985 die Mittel und war damit der Ausrichter der IGA 1993. Ebd. 157 am Killesbergpark nachgedacht wird, der bisher von der Messe Stuttgart genutzt wird, die verlegt werden soll.949 Damit wird der Weg frei für eine Anbindung an die stadtnahen Waldgebiete am Kräherwald, welche sehr viel eher als „Natur“ bezeichnet werden können und im Grunde erst die Form des Grünen U vervollständigen.950 Getreu dem Motto der IGA stellt der Künstler Herman de Vries das sogenannte „Sanctuarium“ auf, einen kreisrunden Zaun mit lanzenförmigen Stäben, in dem der Vegetation freier Lauf gelassen wird. Hans Luz gestaltete den künstlichen Hügel „Bastion Leibfried“, mit spiralförmigem Aufgang und geraden Treppenaufgängen. Auf dem höchsten Punkt gibt es eine ummauerte Aussichts- Plattform, die zugleich, diesem Konzept entsprechend, von fünf Hainbuchen bewachsen ist. Vom Pragsattel aus gesehen, zählt dieser von den fünf Bäumen markant bekrönte Aussichtshügel mit Grasbewuchs bald zu den charakteristischen Wahrzeichen der Stadt. Attraktionen der Gartenschau sind die Nationengärten951 und die Panoramabahn, eine eingleisig fahrende Schwebebahn auf eigens für die Ausstellung angelegter Fahrstrecke zwischen Killesbergund Rosensteinpark, die weniger für die Fortbewegung als für den Ausblick gedacht ist. Weil ein langfristiger Betrieb wohl kaum wirtschaftlich wäre, wird die Bahn nach der IGA '93 zum Bedauern vieler Stuttgarter wieder entfernt.952 Mit etwa 7.300.000 gezählten Besuchern bei 20 teilnehmenden Ländern war die internationale Gartenbauausstellung in Stuttgart ein Erfolg. Symbolisch markiert den Höhepunkt bzw. höchsten Punkt des Grünen U der 1986-1991 geplante, aber erst 2000-01 errichtete Killesbergturm953 des Architekten Jörg Schlaich, eine elegante Stahlseil- Konstruktion von 40 Metern Höhe mit vier Aussichtsplattformen. Für die Ausführung des Projekts wurde der 1861 gegründete Stuttgarter Verschönerungsverein eingeschaltet. In Form des von dem Gartenkünstler Hans Luz (1926-2016) entwickelten Grünen U ragt von der Turmspitze ein kreativ gestalteter Wetterhahn in den Himmel, entworfen von dem Grafikdesigner Bernd Schuler: „Dabei wird das Neue Schloss als Ausgangspunkt durch die fünfzackige, das Bärenschlössle als Ziel durch die dreizackige Krone versinnbildlicht.“954 Als vierköpfige Planungsgruppe Luz, Lohrer, Egenhofer, Schlaich verwirklichen die Architekten und Gartenplaner die neuen Anlagen am Wartberg und den Leibfriedschen Garten. Zur gelungenen Parkverknüpfung gehören auch die neuerrichteten Brücken mit den Namen der ersten Städtepartnerschaften, „Cardiffer-Steg“ und „St.-Helens-Steg“. Das neue Grüne U kann im übertragenen Sinne zusätzlich stehen für eine grüne Urbanisierung, an seinem Saum und auf dem Killesberg entstehen zudem neue Wohnungen und im Rahmen von Stuttgart 21 wird das U weiter anwachsen. Die Parkverknüpfung kommt überdies den Interessen der Bäderstadt entgegen; noch ein elementarer Baustein bleibt ein zukünftig anzugehendes Projekt: Die Anbindung der zu begrünenden Flussufer, besonders der des Kurparks. Bislang macht Stuttgarts Grünes U ausgerechnet einen Bogen vor Bad Cannstatt. Unter Einbeziehung der seit 1821 dafür vorgesehenen Cannstatter Anlagen würde aus dem U ein Y. 949 In der Tat wurde die Messe Stuttgart 2012 an den neuen Standort am Flughafen Leinfelden-Echterdingen verlegt, die alten Messehallen auf dem Killesberg wichen der neuen Parkanlage „Grüne Fuge“ mit einer Fläche von 10 Hektar. Gartenarchitektonisch und ästhetisch ist die sogenannte Grüne Fuge, die tatsächlich wie eine Fuge wirkt, umstritten: Vgl. Thomas Braun: „Höhenpark Killesberg. Zwist um die Grüne Fuge“, Stuttgarter Zeitung vom 23.5.2012. 950 Durch den Wegfall der oberirdischen Bahngleise am Hauptbahnhof würde das Grüne U mit S21 zwischen Schlossgarten und Rosensteinpark mit neu bebauter und begrünter Fläche um bis zu 100 Hektar anwachsen. Quelle: S21. 951 Der original chinesische Garten (Qingyin) der IGA 93 wurde auf dem Stuttgarter Kriegsberg wiederaufgebaut. Auch der japanische Garten der IGA wurde zwischen dem unteren Schlossgarten und Park Villa Berg wiederaufgebaut. 952 Die Stuttgarter Panoramabahn verkehrte auf der BUGA 1997 in Gelsenkirchen und noch bis 2014 in Magdeburg: https://www.volksstimme.de/nachrichten/sachsen_anhalt/1378860_Panoramabahn-faehrt-fuer-immer-davon.html. 953 Aufgrund der Finanzierung scheiterte das Turmbau-Projekt 1993 zunächst, konnte ab 1998 jedoch mit einer Turm- Patenschaft realisiert werden. Die stiftenden Firmen und privaten Geldgeber erhielten an den Treppenstufen eine anerkennende Erinnerungs-Tafel. Der Turm mit zentralem Mast, welcher spektakulär auf einer Stahlkugel von der Größe eines Medizinballs ruht, und dessen tragende Stahlseile im Boden verankert sind, ist mit einem Maschennetz durchsichtig. Je vier spiralförmig verbundene Wendeltreppen winden sich nach oben und unten. Der Turm ist eine ästhetische als auch baustatische Sehenswürdigkeit. Quelle: Verschönerungsverein Stuttgart 1861, siehe Anm. unten. 954 Wortlaut einer Erklärung des Verschönerungsvereins Stuttgart e. V. zum Killesbergturm, veröffentlicht online unter: http://www.killesbergturm.de/index.php?article_id=40, Seite des VSV Stuttgart 1861. Aufgerufen am 11.03.2022. 158 In diesem Kontext hat das Gartenbauamt, nachdem es 1990 bereits das Parkpflegewerk für den Rosensteinpark955 erarbeitete, bis Juni 1994 jetzt auch ein Parkpflegewerk für den Bad Cannstatter Kurpark erstellen lassen.956 Das Gartenbauamt geht darin dem Gedanken nach, gegebenenfalls den Originalzustand wiederherzustellen. Diese Anregung geht zurück auf eine Diplomarbeit an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen, die der Gartenarchitekt Michael Bott bereits 1985 verfasst hatte.957 Er hatte unter anderem vorgeschlagen, den Junobrunnen wieder zu einem würdigen Schmuckplatz zu machen, den eisernen Trinkpavillon nach dem historischen Vorbild zu rekonstruieren, den Wasserfall am Hang wieder zu reaktivieren, den Steingarten neu anzulegen, die Wandelhalle von 1861 zu sanieren und ihre Umgebung attraktiver zu gestalten sowie die runden Springbrunnen vor dem Kursaal wiederherzustellen. Denn „(...) warum sollte man nicht, ähnlich wie bei einem alten Gebäude, einen Park restaurieren“?958 Vielleicht gelinge es im Zusammenhang mit einem neuen Kurzentrum, so Bott. [086] [087] Mit dem Bau des Stuttgarter Hauptbahnhofs ab 1908 verkleinerte sich die begrünte Fläche des Rosensteinparks um mehr als acht Hektar, Paul Bonatz schlug sogar vor, Gebäude der Technischen Hochschule mitten in den Park zu bauen.959 Radikale Vorhaben wie diese riefen dann die ersten „Parkschützer“ auf den Plan. 1928 bereits formulierte der Gartenarchitekt Karl Luz: „Verbaut man im Schwabenlande den letzten Park? (…) Jede Verwendung des Rosensteinparks, die außerhalb der erwähnten Zwecke der Erholung im weitesten Sinne liegt, ist Raub an einem Gut, das der Allgemeinheit und unseren Kindern gehört (…). 'Hände weg vom Rosenstein!'“960 Auch in dieser Veröffentlichung ist ein erster Ansatz zur Parkpflege in Stuttgart zu sehen; der Verband deutscher Gartenarchitekten sowie die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst sprachen 1928 unter anderem auch von der „sozialen, hygienischen und städtebaulichen Bedeutung“ des Parks.961 Grundsätze wie dieser gelten für alle Parks in Stuttgart. Sachkundige schätzen den Kurpark in seiner historischen Qualität von 1920 am wertvollsten ein.962 Die Restaurierung des Parks, besonders der Brunnenallee, wäre eine sinnvolle Maßnahme, jedoch: „(...) Seit Jahrzehnten streiten sich die Fachleute der Gartendenkmalpflege um die Frage: Müssen alle Anteile einer Epoche an der Entstehung des Denkmals respektiert werden, einschließlich der Narben der Geschichte? (…) Ist es der Reichtum an Aussagen über die verschiedenen Epochen hinweg und die Erinnerung an den Lauf der Geschichte, oder beruht der Wert auf einer Form von besonderem künstlerischen Rang in einer bestimmten Epoche?“963 Das Garten-, Friedhofs- und Forstamt weist weiter darauf hin, dass die Wiederherstellung eines „Idealzustandes“ die Zeugnisse früherer oder späterer Zeiten unwiederbringlich zerstören könnte. Anlagen der 1950er Jahre seien ja 955 Hierzu Rainer Herzog: „Rosensteinpark Stuttgart, Parkpflegewerk“, Stuttgart 1990: Seit dem Neubau des Stuttgarter Hauptbahnhofs am Beginn des 20. Jhs ist die Fläche des Rosensteinparks immer weiter zurückgegangen: Durch die Bahnschienen, durch die Umwidmung von Teilen zum zoologischen Garten und vor allem durch die Baumaßnahme zur „autogerechten“ Stadt mit Anlegung der Cannstatter Straße, Bundesstraße 14, Ehmannstraße u.a. 956 Uli Nagel: „Kurpark – Alte Bausünden beseitigen – Gartenbauamt ließ Parkpflegewerk für den Cannstatter Kurpark erstellen – Herstellung des Originalzustandes“, in: Cannstatter Zeitung vom 18.6.1994. Mit der Ausarbeitung wurde das Büro des Landschaftsarchitekten Professor Eberhard + Partner beauftragt. 957 Michael Bott stellte seine Diplomarbeit dem Verfasser vorliegender Arbeit 2016 freundlicherweise zur Verfügung. 958 Christian Dörmann: „Der Cannstatter Michael Bott hat seine Diplomarbeit über den Kurpark geschrieben. Gärtnerisches Kleinod im Zeitwandel. Vom einstigen Glanz blieb wenig – Historisches wartet auf Wiederentdeckung“, in: Stuttgarter Nachrichten vom 2.10.1985. 959 Hierzu auch John 2000, S. 59-61 – bei Karl Luz 1928, siehe folgende Anm. 960 Karl Luz, in der Zeitschrift: „Garten-Gestaltung“ (Hrsg. Verlag Gartenkunst), Jg. 41, Frankfurt am Main 1928, S. 168-172. Luz kritisiert die Neubaupläne von Bonatz scharf und verteidigt vehement die historische Anlage. Er spricht damit für den Verband deutscher Gartenarchitekten und die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst. Vgl. John, ebd./ http://rosenstein-park.de/index.php?page=Rosenstein_Geschichte. Aufgerufen am 11.03.2022. 961 Zuvor wollte übrigens der „Tiergartenverein“ den Park zu einem Zoo machen, vor Albert Schöchle 1952. Hierzu: „Die Gartenkunst“, Bd. 43, Selbstverlag der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst 1930, S. 10/ „Schwäbisches Heimatbuch“ (Hrsg. J. F. Steinkopf), Jg. 1930, Stuttgart 1930, S. 115. 962 Siehe Michael Bott et al.: (Manfred Schmid/ Rüdiger Krause/ Eberhard Wagner), in: Schmid (Hrsg.) 1989, S. 92-95. 963 Garten- Friedhofs- und Forstamt der Stadt Stuttgart, Akten im Archiv von 1994 und Ausstellungstafel von 1995. 159 ebenfalls erhaltenswert. Seit 1994 wird daran gearbeitet, den oberen Park in langsamen Schritten, kurz-, mittel- oder langfristig, wo möglich wieder an der alten Anlage der 1920er zu orientieren.964 Sämtliche Maßnahmen zur Pflege oder Restaurierung sind in Prioritätsstufen eingeteilt, abgestuft nach Dringlichkeit und Aufwand.965 Die Wiederherstellung ist möglich, weil hier wesentliche Teile im Originalzustand erhalten sind und die verlorenen Gestaltungen anhand der Buch-Publikation des Georg Schlenker von 1929 zu rekonstruieren. Völlige Umgestaltung zugunsten der ursprünglichen Substanz oder der Neuanlage wäre jedoch kaum machbar, allein aufgrund des Denkmalschutzes: Seit 1978 ist der Kurpark in Sachgesamtheit geschützt. So beinhaltet das Parkpflegewerk eben auch die Architekturen von 1958 sowie von 1974. An Randbereichen ist die originale Wegeführung und die naturidealisierende Anlage am besten überliefert. Die funktionalen und weitgehend kantigen Formen der oberen Anlage mit rechtwinkliger Wegkreuzung sollen teils vollständig entfernt und nach der Bestandsaufnahme von 1928 die geschwungene Wegeführung wiederhergestellt werden. Für den unteren Park wird als „Idealkonzept“ die Planung von 1959 zugrunde gelegt. Man war zu dem Schluss gekommen, dass die Wiederherstellung des Originalzustandes von 1915 in den unteren Anlagen einen radikalen Kahlschlag bedeuten würde, der „(...) wegen der Schutzwürdigkeit des alten Baumbestandes, aus Kostengründen, im Hinblick auf die Nutzbarkeit der Anlage und im Hinblick auf die ökologische Bedeutung des Bestandes nicht zu empfehlen“966 wäre, so heißt es in einer 1994 verfassten Erklärung des Gartenbauamts. Der Königsplatz soll weder nach dem Plan von 1825 noch etwa nach einem späteren umgestaltet werden, sondern neu gestaltet. Dies ist der am häufigsten veränderte Parkabschnitt, vor 1881 nur aus einer Rampe mit einfassenden Rasenbeeten bestehend. 1881, als das Reiterdenkmal hierhin versetzt worden war, wurden rechts und links dieses zentralen Denkmals organisch geschwungene Rasenflächen mit Blumenbeeten darin angelegt. Auf jeder der beiden Platzseiten befand sich je ein kreisrundes Springbrunnenbassin. [101] Als der Königsplatz 1910 umgestaltet wurde, entfernte man die Springbrunnen und ersetzte die organischen Formen der Blumenbeete durch geometrische und symmetrische des Jugendstils. Die nächsten Veränderungen wurden vor und nach dem Zweiten Weltkrieg vorgenommen. Danach folgten Umgestaltungen der 1950er und 1970er Jahre. Jedoch das mitten auf dem Platz stehende Denkmal gab stets die Gestaltung vor, die auch heute noch bestimmt, dass mehr oder minder gespiegelt zwei Rasenflächen neben einem Rondell als Beeteinfassung um das Reiterstandbild angelegt sind. Obwohl der alte Baumbestand ein notwendiges Refugium für zahlreiche Vogelarten, Insekten und andere Tiere ist,967 wurde von Naturschützern noch kein Verbot offiziell geltend gemacht.968 Doch bewahrt ja immerhin der flächendeckende Schutz der Gartendenkmal- und Parkpflege den Kurpark einschließlich Baumbestand vor Eingriffen, die auch aus Naturschutzgründen nicht zulässig sind. Auch kranke und sogar tote Bäume, sogenannte Mangelhabitate, sollen stehengelassen werden, da sie sowohl ein Nährgehölz als auch eine Brutstätte bereit stellen. Die Randbereiche von Gehölzen und Wiesen sollen extensiv gepflegt werden, dies bedeutet im Gegensatz zur intensiven Pflege, dass der Rasen nicht überall voll und regelmäßig abgemäht wird. Die untere Liege- und Spielwiese vor den Kurgebäuden sowie die zentrale Wiese im oberen Park werden dagegen intensiver gepflegt, da hier die öffentliche Nutzung durch die Stadtbürger vor der Inanspruchnahme durch die Flora und Fauna steht, so bestimmt es jedenfalls das Gartenbauamt. Der Park wird vor allem von älteren Menschen, Eltern mit Kindern, Hundehaltern, Passanten, Joggern und Radfahrern sowie Jugendlichen genutzt, dies ergab eine Statistik der Parkpflege. 964 Das alte Wegenetz ist für heutige Ansprüche allerdings zu kleinteilig und würde eher viel Grünfläche zerstören. 965 Ebd.: Kurzfristige Maßnahmen (Priorität 1) verbessern mit relativ geringem Aufwand die Situationen anhand des Plans von 1959. Mittelfristige Maßnahmen (Priorität 2) machen unter höherem Aufwand den Plan von 1959 sichtbar und langfristige Maßnahmen (Priorität 3) rekonstruieren unter höherem Aufwand den Zustand von 1959 bzw. 1915. 966 Garten- Friedhofs- und Forstamt der Stadt Stuttgart, Parkpflegewerk. Zitiert aus Dokumenten im Archiv des Amts. 967 Ebd. An den Hangbereichen, am Stifterpavillon, an der Bahnlinie sind originale Bestände erhalten sowie im Süden das Sulzerrain-Wäldchen. Die wild wachsenden und gepflanzten Blütenpflanzen helfen mit gegen Insektensterben. 968 Interessen von Naturschützern und von Denkmalschützern treffen sich in den historischen Kur- und Stadtparks. 160 Den Bad Cannstattern fehlt durchaus ein modernen Anforderungen und Ansprüchen genügendes Kur- und Mineralbad; 1992 bis 1994 wird es schließlich errichtet: Ein neuer historischer Tag für Bad Cannstatt ist der 27. August 1994, Termin der Einweihung des frisch erbauten neuen Kurbades am Sulzerrain. Für das Gebäude als auch für die gesamte Badestadt stehend, erhält es den klangvollen Namen MineralBad Cannstatt. Es ist das Mineral, der Edelstein Bad Cannstatts. In dieser Wortkreation ist ein weiterer Schritt in der Urbanisierung des Kurbades zu erkennen: Neben dem gläsernen Hallen- und Freibad mit einem Kurmittelzentrum entstanden auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Hotelbau und Wohnungen. Dieses bauliche Ensemble ist entworfen von Architekt Wilfried Beck-Erlang (1924-2002). Dort, wo ja bereits der Vorgängerbau gestanden hatte, unmittelbar an der Nordseite des Kursaals anschließend, wurde der Neubau in der Sulzerrainstraße 2 errichtet. Die neuen Bauten nehmen allerdings eine ungleich größere Fläche ein als die vorherigen und geben dem Areal ein anderes Erscheinungsbild. Dieses Vorhaben konnte erst nach einer Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg und mit der Gartendenkmalpflege, welche eine starke Beeinträchtigung der historischen Bausubstanz sahen,969 durchgesetzt werden. Im Oktober 1991 wurde das alte „Mineralheilbad“ abgerissen. Es war sanierungsbedürftig, die Sanierung wäre aber so teuer gewesen, dass ein Neubau als die bessere Lösung berechnet wurde.970 Das Heilbad geht auf das alte Stadtbad von 1900 zurück, wurde 1943 aber zerstört und abweichend wiederaufgebaut. In dem Gebäude hatte es seit Eröffnung des neuen Stadtbades am Mühlsteg 1973 wieder Kurmittel wie Magnet- und Elektrotherapie gegeben, seit 1974 auch Sole-Inhalationen. Die Stadt kann für einen Neubau die nötigen Gelder nicht bereitstellen, so wird der Plan gefasst, das Grundstück in private Hände zu geben.971 Die Firma Wolff & Müller führt das Neubau-Projekt schließlich auf eigene Kosten hin aus und vermietet das Grundstück wiederum an die Stadt.972 Abermals nur durch private Geldspenden und mit Engagement des Vereins Pro Alt-Cannstatt kann die künstlerische Ausgestaltung verwirklicht werden. Ein privater Bauherr ist nicht zu „Kunst am Bau“ verpflichtet, wie Pro Alt-Cannstatt erklärt, sodass es die Initiative übernommen habe. In Kooperation mit dem Kur- und Bäderamt sowie dem Architekten Beck-Erlang konnte der Künstler Helmut Pizzinini gewonnen werden. Pizzinini entwirft für das Bad farbige Fliesen, mit Mäander, in Weiß-Orange, vor allem aber in Dunkelblau und Dunkelgrün. Der Außenbereich des Bades wird flächig mit Travertinplatten verkleidet. Brunnen mit Edelstahlblech sowie eine Plastik der badenden Venus im Außenbereich schaffen die passende Atmosphäre. Das MineralBad Cannstatt verfügt über drei Schwimmbecken sowie drei Liegebecken. Das größte Schwimmbecken, in dem Massageduschen und Massage-Sprudler installiert sind, ist dabei mittig in einen Innen- und einen Außenbereich unterteilt. Das Becken wird versorgt mit dem einzigartigen Solewasser aus der Hofrat-Seyffer-Quelle, das auf 30° Celsius erwärmt wird. Außen gibt es einen ovalen Strömungskanal, in dem die Badegäste im Kreis schwimmen können um einen wiederum oval eingefassten Whirlpool. Im warmen Mineralwasser kann auch bei Minusgraden problemlos im Außenbecken gebadet werden. Über Treppen gelangt man aus dem Becken auf die Sonnenterrassen in Form des Flachdecks des Gebäudes oder die mit Travertinplatten belegte Terrasse als Freibereich. Hier schließt sich an der Travertinwand ein Kneippbecken von 16° Celsius mit groben Kieselsteinen am Grund an. An der Wand erinnert der künstliche „Felsenbrunnen“ mit herabfallendem Wasser an die im 19. Jahrhundert am Sulzerrain entspringende Quelle namens Felsenbrunnen. [036] In der gläsernen Halle können hartgesottene Badegäste in das 18° Celsius kühle, naturbelassene Mineralwasser des Wilhelmsbrunnens eintauchen, das auf die Kälte abgestimmt mit moosgrünen 969 Archiv des Landesamts für Denkmalpflege Esslingen, Ordner S-B.C. „Großer und kleiner Kursaal bis Ende 1999“/ Garten- Friedhofs- und Forstamt der Stadt Stuttgart, Archiv. „Parkpflegewerk Kurpark Bad Cannstatt“ 1994. 970 Quelle: Bäderbetriebe Stuttgart. Seit 1977 war der Ersatz durch ein neues Bad gewollt, vorerst aber nicht bezahlbar. 971 Ebd. 972 Die Stadt Stuttgart kaufte 2009 das Grundstück wieder von der Firma Wolff & Müller zurück. Hierzu Cannstatter Zeitung vom 11.3.2009: „Stadt kauft das MineralBad. Bad Cannstatt: Kompromiss mit Eigentümer Wolff & Müller erzielt – Glaskuppelkonstruktion muss 2010 saniert werden“. 161 Fliesen verkleidet ist. Diese verleihen dem Mineralwasser eine ansprechende, grünliche Färbung. Der Effekt wird noch gesteigert durch unter Wasser hell durchscheinende Lichter, welche selbst die grünlichen Kohlensäurebläschen sichtbar machen und damit, nach antiker Manier, das Schwimmen zu einer sinnlichen, wohltuenden Erfahrung. Das große Liegebecken in runder Form sorgt für die entspannte Aufwärmung nach oder vor dem kalten Bad. Daneben gibt es ein 36° Celsius warmes Gemeinschaftsbecken, welches Liegeflächen für zehn bis zwanzig Personen bietet. Wie die zwei kleinen Whirlpools für bis zu vier Personen wird dieses von der Hofrat-Seyffer-Quelle gespeist, die künstlich auf 36° Celsius erhitzt wird. In einer daran anschließenden Badehalle folgt ein weiteres 36° Celsius temperiertes Therapie- und Bewegungsbad mit dem leicht salzhaltigen Mineralwasser der Hofrat-Seyffer-Quelle. Im ersten Stockwerk des Gebäudes ist der Kurmittelbereich eingerichtet, mit Bewegungstherapie-Zentrum, Gymnastik- und Ruheräumen. Im zweiten Obergeschoss befindet sich die Saunalandschaft mit verschieden heißen Dampfbaderäumen und Meditationssauna, die mit 50 bis 60° Celsius heißer Luft versorgt wird. Ein anderes historisches Bad-Hotel muss dagegen für immer fallen. 1995 wird das letzte Gebäude des einst vielbesuchten Ensembles Hotel Herrmann in der Badstraße abgerissen. 1998 eröffnet an dessen Stelle das neue Rotkreuz-Krankenhaus, das seit 1919 in dem alten Hotel untergebracht war. Mit dem Roten Kreuz bleibt immerhin die ureigene Bestimmung des Orts erhalten, nämlich die, der Gesundheit zu dienen. Letztes baukulturelles Zeugnis des Mineralbades Schiffmann, das wiederum auf das Frösner'sche Bad973 zurückgeht, ist der Schiffmann-Brunnen. Er befindet sich zwischen der Bad- und Eisenbahnstraße.974 Schon 1972 schloss das Mineralbad Schiffmann, in dem hauptsächlich Wannenbäder betrieben wurden. [132] Mit dem letzten Bad in der Badstraße ist eine fast 2000 Jahre lange Badetradition zu Ende gegangen oder zumindest unterbrochen worden. An dieser Stelle hatten schon die Römer ihre Badeanlagen errichtet, wie sie dies an zahlreichen Standorten ihrer Provinzen zu tun pflegten, etwa im heutigen Budapest.975 Hervorzuheben ist auch die seit Mai 1996 beurkundete Städtepartnerschaft zwischen Stuttgart-Bad Cannstatt und Budapest-Újbuda. Die beiden Städte Stuttgart und Budapest verbindet, dass sie mit den größten Mineralwasservorkommen in Europa bedeutende Badeorte sind. Dabei hatte 1995 das ungarische Kulturinstitut die Initiative ergriffen.976 Über Vereine, Engagierte sowie Ehrenamtliche pflegen die beiden Städte seither einen Austausch. Insbesondere Ausstellungen zu kulturellen und künstlerischen Themen finden hin und wieder statt. Diese Städtepartnerschaft fordert dazu auf, sich ein Beispiel an der ungarischen Kur- und Badekultur zu nehmen. 1999 ist die seit 1974 durchgeführte Altstadt-Sanierung Bad Cannstatts vorläufig abgeschlossen, die ca. 44 Mio. DM gekostet hat. Zahlreiche Fachwerkhäuser spätmittelalterlicher Prägung konnten erhalten, saniert und wieder instand gesetzt werden, wobei die Sanierung des Klösterles von 1463 hervorzuheben ist. Das Stadtviertel wurde merklich aufgewertet. Cannstatt als Bad kommt dieser hohe Aufwand zugute. Im Folgenden zeigt sich, ob die Kur in der Großstadt eine Perspektive hat. 973 Hierzu ausführlich Maximilian Grimm: „Frösner'sches Bad“, publiziert am 19.04.2018, in: Stadtlexikon Stuttgart. 974 Nach eigenen Angaben des Krankenhauses vom 14.3.2018 wird das nur noch gering mineralisierte Wasser des Schiffmannbrunnens derzeit, Stand 2021, nicht mehr für therapeutische Zwecke oder für Kuranwendungen verwendet. Der Brunnen im Freien ist im Stil der 1960er Jahre erhalten. Der Brunnen im Foyer sei Dekoration. 975 Vgl. Peter F. Sugar et al.: „A History of Hungary“, Bloomington/ Indianapolis 1990, S. 5 ff. 976 Informationen der Stadt Stuttgart. Quelle: https://www.stuttgart.de/item/show/3497/1. Aufgerufen am 11.03.2022. 162 XXI. DIE STADTERNEUERUNG ALS KUR Seit dem 1. 1. 2000 wird der Begriff „Kur“ in der Sozialgesetzgebung nicht mehr verwendet.977 Der Ersatz lautet als Überbegriff nun: „Gesundheitstourismus“. Die Bezeichnung Kurort hingegen steht weiterhin in den Gesetzen der Heilbäder.978 Im Volksmund halten sich ohnehin die Wörter: Berichtet eine Person davon, dass sie „eine Kur macht“ oder „in Kur geht“, meint diese in der Regel ihren Aufenthalt in einem Heilbad. Ein Kuraufenthalt ist zumeist mit einem Ortswechsel verbunden, sehr häufig von einer Stadt in eine eher ländliche Umgebung, in welcher ein Heilklima gegeben ist. In erster Linie werden heute Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahmen wahrgenommen. Wenn nun selbst in exotischen Ländern Hotelketten mit europäischen Standards ausgestattet sind, welche mit Wellness sowie „Kuranwendungen“ werben, lässt sich feststellen: Inzwischen existiert eine Globalisierung der Kur.979 Hotels verfügen über eigene Wellness-Bereiche, Spa-Schiffe legen ab und auf den Dächern von Wolkenkratzern können die Hotelgäste in sogenannten Infinity-Pools baden.980 Wellness ist alltäglich und omnipräsent, sie ist an ihren traditionellen Standorten obsolet geworden und mitten in Metropolen möglich. Virtual Reality ermöglicht virtuelle Spaziergänge. Aus den autogerechten Städten vergangener Tage sollen im weltweiten Trend, der aktuell deutlich zu beobachten ist, lebenswerte, grünere Städte oder Stadtteile gemacht werden. Mit einem Mehr aus Wohnräumen, Parkanlagen, begrünten Fassaden, klimafreundlicher Energie. Die Beweggründe sind verschiedener Art: Asthma und Stress als Folgeschäden, Zeitmanagement aufgrund von Staus und Verkehrskollaps stellt einen wirtschaftlichen Aspekt dar, im sozialen Raum der Wohnungsmangel.981 Seit 2018 wird ein Seilbahnsystem für Stuttgart geprüft, das durchaus Anklänge an die Berg-Bahnen der Romantik mitbrächte, um möglicherweise den Nahverkehr auf der Straße zu entlasten.982 Wie der Mensch ärztliche Hilfe braucht, so benötigen ungesunde Städte eine Kur; zu ihrer eigenen Genesung, vor allem zu der ihrer Bewohner. Das Auskurieren ist ein Rückgewinn des früheren, besseren Gesundheitszustands. Der Begriff Revitalisierung kann im übertragenen Sinn angewendet werden, speziell für den urbanen Kontext: Eine Kur ist stets eine Erneuerung; und übergeordnet kann dies die Stadterneuerung sein. Als Metapher einer Schönheits-Kur983 kann die Stadterneuerung vorgehen, indem Brachflächen, nicht mehr benötigte Industrieanlagen, Fabriken etc. durch neue Stadtquartiere ersetzt werden. Idealerweise durch Stadtparks, grüne Wohngebiete und Arbeitsplätze. Nicht nur als bauliche Instandsetzung, sondern eben auch der menschlichen Gesundheit förderlich aufgefasst werden kann insbesondere der aus dem Lateinischen abgeleitete, auf Bauten bezogene Fachbegriff Sanierung. In Stuttgart-Bad Cannstatt und Berg sollte Erneuerung bedeuten, den Charakter dieser Stadtteile als Kur- und Badeorte zu bestärken – bei gleichzeitiger Erhaltung des allgemeinen Wohlstands.984 Die Kommunikation, früher häufig als Konversation im Kursaal gepflegt, findet im Informations- Zeitalter völlig anders statt, zunehmend digital. Hotels im bayerischen Landkreis Cham testen seit Mai 2018 einen Roboter an der Rezeption und erproben das Self-checkin.985 Im Anthropozän hält 977 Sozialgesetzbuch BRD, Buch V. Quelle: „Juristisches Informationssystem für die BRD“: https://www.gesetze-iminternet. de/sg b 5/ index.html. Aufgerufen am 20.7.2018. Darin ist die gesetzliche Krankenversicherung geregelt. Gelistet sind u.a. medizinische Vorsorgeleistungen (§23) und Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§40). 978 Voraussetzungen für die Anerkennung von Kurorten oder Aberkennung des Titels „Bad“ sind bundesweit gültig. Die Prädikatisierung aber ist nicht durch den Bund, sondern durch die einzelnen Länder in Deutschland festgeschrieben. 979 Manche Reiseanbieter benutzen den Begriff „Kur“ für einfache Wellnessangebote und Hotels erheben eine Kurtaxe. 980 Auch mobile „Kurformen“ sind möglich, inzwischen gibt es beispielsweise Autositze mit Massagefunktion. 981 Das Online-Reinigungsunternehmen „zipjet“ hat Stuttgart in einer Studie 2017 überraschend als entspannteste Stadt der Welt ermittelt anhand dieser Mess-Faktoren: Bevölkerungsdichte, Verkehr, Luftverschmutzung, Arbeitslosigkeit, Kaufkraft, Geschlechter-Gleichstellung, Grünflächen, Sicherheit, Lärmbelastung, Pro-Kopf-Schulden, psychische Gesundheit, ethnische Gleichstellung, Sonnenstunden, Lichtverschmutzung, soziale Sicherheit, körperl. Gesundheit: https://www.travelbook.de/ziele/staedte/die-entspanntesten-staedte-der-welt. Vgl. Zeitumstellung seit 1980 u. Stress. 982 Hierzu Josef Schunder: „Darum stößt die Seilbahn-Idee auf Zustimmung“, Artikel in der Stgt. Ztg. vom 5.12.2019. 983 Vgl. Erdem Gökalp: „Bad Cannstatt. Schönheitskur für den Kurpark“, in: Cannstatter Zeitung vom 27.5.2017. 984 Die Tätigkeitsfelder verlagern sich dabei, wie angesprochen, eben auf umweltverträglichere Einkommensquellen. 985 Hierzu Renate Roßberger: „Pepper hilft Hotelgästen. Cham testet Roboter im Tourismus“, Beitrag im bayerischen - 163 man im Alltag mittlerweile häufig Dialog mit einer Computerstimme der künstlichen Intelligenz, während zwischenmenschlich seltener miteinander gesprochen wird. Stattdessen ist jeder mit seinen eigenen Informationen beschäftigt, im Privatraum wie mobil, in der Öffentlichkeit. Auf dem Land verhält sich dies, noch, traditioneller und man unterhält sich weiterhin im bewährten Vier-Augen- Gespräch, aber auch dort halten die neuen Medien, die digitale Aufrüstung und sozialen Netzwerke Einzug. Unterdessen steigt die Häufigkeit an psychischen Erkrankungen, wie Fachärzte verstärkt beobachten.986 Die jüngste Technologie (abgeleitet von griech. technē: Kunst, Technik und logos: Wissenschaft) bleibt unterdessen auf dem Prüfstand. Was Kurbäder diesbezüglich leisten können, ist insbesondere Entschleunigung und Kommunikationsförderung. Die Städte wachsen weiter und die Weltbevölkerung wächst ebenso, der Lebensraum wird immer enger, die Mietpreise steigen vielerorts, in Ballungsräumen herrscht Wohnungsknappheit und die Infrastrukturen werden stetig erweitert und an neueste Standards angepasst. In den ersten zwanzig Jahren des 21. Jahrhunderts steigt die Verstädterungszahl auch in Deutschland wieder und weiterhin an, insbesondere Familien sowie Berufstätige ziehen in die Stadt.987 Sehr viele Menschen fühlen sich, trotz Gesundheitsbelastung, der Kultur hingezogen. Manche sind sogar der Meinung: „(...) welcher einigermaßen vernünftige Mensch kann nur auf den Gedanken kommen, auf dem Land zu leben? Meilen entfernt von Zivilisation und Geschmack“.988 Doch bei der Definition von „Land“ und „Natur“ soll differenziert werden, denn Fakt ist, dass wir in Mitteleuropa seit tausenden Jahren gar nicht mehr in einer Natur-Landschaft, sondern weitgehend in einer Kultur-Landschaft leben, in welcher selbst ein vermeintlich naturbelassener Wald in der Realität eine aufgeforstete Kultur von Menschenhand ist.989 In den Großstädten leiden mehr Bewohner unter Atemproblemen, Allergien, Asthma. Es gibt jetzt medizinische Studien zu dem Zusammenhang mit Emissionen.990 Stuttgart unternimmt mit dem „Feinstaubalarm“ sowie Dieselfahrverbot etwas gegen Luftverschmutzung. Doch fällt eine Verkehrsrevolution offensichtlich schwerer an einem Ort, der die Verkehrsgeschichte maßgeblich mit geprägt hat. Insgesamt will aber auch Stuttgart mehr für seine Lebensqualität tun, was wir als Nächstes im Projekt Stadt am Fluss sehen. Die Ideen dazu können als stadterneuernd bezeichnet werden, mit Blick auf ihren Beitrag zu Renaturierung und Urbanisierung mit schonender Umweltbilanz. Cannstatts Infrastrukturen als Bad sind längst in die „verkehrsgerechte“, industrielle Stadtlandschaft verwickelt und dementsprechend wieder zu entwickeln. Urbanistik ist ein interdisziplinäres Feld; auf die momentanen Entwicklungstendenzen der Städte sind Fachleute verschiedener Forschungsgebiete aufmerksam geworden. Der Biologe Clemens G. Arvay zum Beispiel veröffentlichte jüngst ein Buch unter dem Titel „Biophilia in der Stadt – Wie wir die Heilkraft der Natur in unsere Städte bringen“. Arvay schlägt etwa Biophilia-Korridore vor, grüne Straßenzüge in der Großstadt, die eine gesundheitsfördernde sowie therapeutische Wirkung entfalten würden.991 Die Einschätzung, ein gesundes Leben sei allein außerhalb jeglicher Urbanität möglich, bleibt immer noch relevant: „(...) In allen Stücken, deucht mich, ist das Land den Städten Rundfunk vom 25.5.2018: https://www.br.de/nachrichten/bayern/pepper-hilft-hotelgaesten-cham-testet-roboter-imtourismus, Qt27r0b Aufgerufen am 11.03.2022. Urban Health Games: https://elib.uni-stuttgart.de/handle/11682/109 986 Studie der DAK-Gesundheit und des Dt. Zentrums für Suchtfragen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Siehe Hamburger Abendblatt vom 1.3.2018: https://www.abendblatt.de/hamburg/article213588889/Studie-Soziale- Medien-koennen-suechtig-und-depressiv-machen.html. Außerdem: Isabella Heuser (Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Berliner Charité). Siehe auch D. Ulrich/ S. Diefenbach: „Digitale Depression. Wie neue Medien unser Glücksempfinden verändern“, 2016. S.a. "Healing Architecture" (Nickl-Weller 2013). 987 Hierzu die Zahlen des Statistischen Bundesamts auf: https://www.destatis.de/DE/Startseite.html. Aufger. 11.3.2022. 988 Norman Robbins: „Tiptoe through the Tombstones“ (Comedy-Thriller 1998), übersetzt durch Axel von Koss, S. 3. 989 Ab ca. 1850 wurde mit dem „Sulzerrainwäldchen“ im oberen Cannstatter Kurpark eine künstliche Wald-Anlage zu Kur-Zwecken geschaffen, als Ersatz für den fehlenden Naturwald. Hierzu Punkt 1880er und 1900er dieser Arbeit. 990 Prof. B. Hoffmann (Umweltmedizinerin)/ Dr. A. Schneider (Epidemiologin)/ Prof. C. Hornberg (Gesundheitswiss.): Gesundheitl. Bewertung von NOx-Emissionen aus Dieselfahrzeugen, v. 20.6.17. https://www.uniduesseldorf. de/home/fileadmin/redaktion/Oeffentliche_Medien/Presse/Pressemeldungen/Dokumente/Kurzstellungna hme_Experten_Umweltepidemiologie.pdf. Aufgerufen am 11.03.2022. 991 Arvay 2018, S. 225. Mancherorts wird in öffentlichen Stadtgärten z.B. auch Gemüse zur Versorgung angebaut, das kostenlos von jedem geerntet werden darf – gleichzeitig bringt man dadurch den Bürgern einen Nutzgarten näher. 164 vorzuziehen: Dort ist die Luft rein, die Aussicht lachend, das Gehen sanft, das Leben leicht (...)“.992 Gleichwohl stehen wir erst am Beginn der Umsetzung, weil ähnliche Vorschläge schon früher teils gemacht wurden.993 Reagierend auf die Großstadt- und Zivilisationskritik994 des 19. Jahrhunderts entwickelte Ebenezer Howard (1850-1928) 1898 die sogenannte Gartenstadt, ein Begriff, der in der Stadtplanung geläufig ist und seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts u.a. in Industriestädten zur Anwendung kam. In Bad Cannstatt sind nach solchen Prinzipien gestaltete Bezirke die Altenburg, der Sommerrain oder das Steinhaldenfeld: Wohngebiete von Reihenhäusern mit Vorgärten.995 Der urbanistischen Philosophie des lebenden Organismus996 entsprechend, sind Grünanlagen die Lunge einer jeden Großstadt, die von Bad Cannstatt und die der Bad Cannstatter, oder der Meeresstrand etwa die Lunge Travemündes und die der Travemünder. Das Herz Stuttgart-Bad Cannstatts ist das sensible Mineralwassersystem. 2000er. Heilquellenschutz und S21 Die am abenteuerlichsten versteckten Mineralwasser-Trinkbrunnen Deutschlands befinden sich in Stuttgart-Bad Cannstatt. Nicht jeder Cannstatter oder Stuttgarter kennt alle Brunnen, zum Beispiel den Inselebrunnen,997 den Kunstmühlebrunnen oder auch den Veielbrunnen. Es befindet sich etwa der Kunstmühlebrunnen an der vielbefahrenen Bundesstraße 10, der Veielbrunnen steht im ehem. Gewerbegebiet am Wasen. Ähnlich auch die Auquelle an der Neckartalstraße und Voltastraße. Die Travertinquelle tritt ausgerechnet auf dem Gelände einer Müllverbrennung an der Neckartalstraße zutage. Im Wohnblock der Badstraße steht verborgen der Schiffmannbrunnen. In den versteckten Gassen der Altstadt finden wir den Schreinerei-Brunnen in der Zaisgasse und den Kellerbrunnen in der Kellerbrunnengasse. Um all die Brunnen zu sehen, muss eine Entdeckungsreise durch die Stadt angetreten werden. In unserem Jahrtausend stehen einige der Brunnen an vernachlässigten Stellen. Dabei liegt gerade in den Mineralbrunnen ein ungenutztes Potenzial der Bäderstadt, das über die gesamte Bäder-Geschichte hinweg hinter den Möglichkeiten geblieben ist: „Gegen jedes Leiden sprudelt eine Quelle“, stellte Gerhardt 1935 fest.998 Weltweit verfügen nur wenige Bäder über eine solche Vielfalt an unterschiedlich einsetzbaren Heilwässern. Die Mineralisierung jeder einzelnen Quelle ist einzigartig und unnachahmlich.999 Erst seit wenigen Jahren jedoch gilt das Mineralwasser wieder als sauber, weil es nurmehr geringfügig verunreinigt ist, und daher als bedenkenlos trinkbar. Skurril kann beobachtet werden, wie an den öffentlichen Mineralbrunnen in S-Bad Cannstatt und SBerg manche Passanten oder Kinder das Mineralwasser erstmals kosten, dabei vor Ekel ihr Gesicht 992 Johann Heinrich Ludwig Meierotto: „Abschnitte aus deutschen und verdeutschten Schriftstellern zu einer Anleitung der Wohlredenheit besonders im gemeinen Leben“, Berlin 1794, S. 455. 993 Vgl. auch die Entwicklung der Industrie-Planstädte des 20. Jahrhunderts, mit Arbeitermietshäusern einschließlich Grünanlagen. Zu Kultur- und Zivilisationskritik im Allgemeinen: Theodor W. Adorno: „Prismen. Kulturkritik und Gesellschaft“, Berlin/ Frankfurt a. M. 1955. Außerdem die Stichworte „Bauhaus“ und „Charta von Athen“. 994 Hierzu Reulecke, S. 139 ff. Damit einhergehend ist bekanntermaßen die Kapitalismuskritik, Gesellschaftskritik usw. 995 Quelle: Informationen von Olaf Schulze, Gespräch vom 7.3.2020. Hierzu auch das Werk von Weinschenk 2016. 996 Vgl. Luz, in: Stroheker (Hrsg.) 1979/ Argan 1984: Stadtgeschichte und -entwicklung als "Curriculum vitae". 997 Wegen der Bauarbeiten von Stuttgart 21 ist der „Inselebrunnen“ übergangsweise entfernt worden. 998 Gerhardt: „Bad Cannstatt vor hundert Jahren“, Sonder-Abdruck aus dem Schwäbischen Merkur, Stuttgart 1935. Vgl. A. Baur: „Kurleben in Bad Cannstatt. Gegen jedes Leiden sprudelt eine Quelle“, Stgt. Nachrichten v. 19.6.2017. 999 Man unterscheidet zwischen hoch und gering mineralisiertem Wasser. Der Wilhelmsbrunnen, Veielbrunnen, Leuzeund Inselquelle sowie Berger Urquell ähneln sich sehr. Der wissenschaftliche Name dieser Quellen ist ein langer: „Natrium-Calcium-Chlorid-Sulfat-Hydrogencarbonat-Säuerling“. Geringer konzentrierte Wässer werden bezeichnet als „Calcium-Magnesium-Sulfat-Hydrogencarbonat-Mineralwasser“. (z.B. Auquelle, Schiffmann-, Kellerbrunnen). Die Gottlieb-Daimler-Quelle ist eine Natrium-Calcium-Chlorid-Sole und die Hofrat-Seyffer-Quelle als konzentrierte Kochsalzquelle eine Natrium-Chlorid-Sole. Quelle: Bäderbetriebe Stuttgart; Informationstafeln an den Brunnen. 165 verziehen, und das Sauerwasser soeben wieder ausspeien.1000 Stuttgart hat das größte Vorkommen mineralisierter Quellen in Westeuropa.1001 Ein entscheidender Schritt ist der Schutz der einmaligen Brunnen bzw. Heilquellen.1002 20021003 tritt die Verordnung in Kraft: „Verordnung des Regierungspräsidiums Stuttgart zum Schutz der staatlich anerkannten Heilquellen in Stuttgart-Bad Cannstatt und Stuttgart-Berg vom 11. Juni 2002“1004. Das Wassergesetz gilt nach dem § 1, 'Räumlicher Geltungsbereich', insbesondere den folgenden anerkannten Heilquellen (die sechs erstgenannten in Berg): Berger Urquell, Nordquelle, Ostquelle, Südquelle, Westquelle, Mittelquelle Berg, Gottlieb-Daimler-Quelle, Wilhelmsbrunnen I, Wilhelmsbrunnen II, Leuzequelle, Inselquelle und Veielquelle.1005 Dazu wurde ein „Heilquellen- Schutzgebiet“ abgesteckt, welches über die Stadtgrenzen von Stuttgart hinaus geht.1006 Die Stadt erklärt auf ihrer Website: „(...) Dieses Ziel zu erreichen, war nicht einfach, da die traditionsreichen Bad Cannstatter und Berger Quellen mitten im dicht besiedelten 'Herzen' einer Großstadt entspringen. Ihr Einzugsgebiet erstreckt sich auf einen wirtschaftlichen Ballungsraum mit etwa siebentausend Industrie- und Gewerbegebieten, in dem 1.5 Millionen Menschen leben (...) Stuttgart hat mit dem vorliegenden Quellenschutzgebiet ein erstrangiges Ziel der kommunalen Umweltpolitik erreicht – ein wichtiges Signal in einer Zeit, in der in Stuttgart richtungsweisende Großprojekte in 'Sichtweite' der Heilquellen und mit bisher nicht da gewesenen baulichen Eingriffen realisiert werden sollen“.1007 Abgesehen davon bemüht sich Bad Cannstatt weiterhin um seine äußere Attraktivität. Im Sommer 2000 war durch engagierte Bürger und Vereine die Initiative „Stadtmarketing Bad Cannstatt“ ins Leben gerufen worden. Beweggründe für die Schaffung der Initiative waren Negativentwicklungen wie solche: „Kaufkraftverlust, schlechtes Image, schlechter Branchen-Mix, Integrationsprobleme, Verödung, Fehlen von Zielen und Perspektiven etc.“.1008 Wenn auch die Aktivitäten dieser Initiative schon zwei Jahre später mangels Erfolgs beendet werden müssen, ist man immerhin bemüht um: „Erhaltung und Ausbau der Nahversorgung, Wiederherstellung und Stärkung des B-Zentrums, Stärkung der Identität, Verbesserung des Images, städtebauliche Veränderungen, Ausbau der Flächenpotenziale, Stärkung des Einzelhandels, Schaffung von Synergieeffekten, Schaffung einer hohen Branchenvielfalt, Förderung der Integration, Belebung, Kommunikation/ Kooperation“.1009 Ein Workshop für ein Stadtmarketing-Konzept wird erarbeitet, ab Oktober 2000 finden Sitzungen statt mit folgenden Arbeitsgruppen: „Kunst und Kultur; Geschichte Wasser und Quellen; Einkaufen; Atmosphäre; Vielfalt; Standort- und Arealentwicklung“. Im Oktober 2000 waren dazu in der Bad 1000 Umweltskandale mit verunreinigten Brunnen haben zur Verunsicherung beigetragen. Der eigentliche Grund aber, warum viele Probanden irritiert auf den Geschmack des Wassers reagieren, ist trivial: Es bedarf der Gewöhnung. 1001 Quelle: Stadt Stuttgart. Siehe auch 'Wasserkreislauf' sowie Bäderbetriebe Stuttgart, „Mineralwasserbroschüre“: https://www.stuttgart.de/leben/umwelt/wasser/mineralwasser-und-heilquellen.php Aufgerufen am 11.03.2022. 1002 Spätestens in den 1960er Jahren wurde über die Gesetzeslage nachgedacht. Mitte der 1990er Jahre forcierte das Regierungspräsidium Stuttgart mit dem Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau BW die Arbeit daran. 1003 Vgl. Hagel 2002, S. 156. 1004 Stadt Stuttgart – Stadtrecht, Ordnungsziffer 1/20. 1005 Der § 2 der Verordnung regelt den 'Schutz gegen qualitative und quantitative Beeinträchtigungen', sprich es darf weder der Mineralgehalt verändert oder durch gefährliche Fremdstoffe zerstört noch die Schüttung einer Quelle beschädigt werden. Die Paragraphen 3 bis 5 bestimmen jeweils den Schutz der Kern-, Innen- und Außenzone. 1006 Es schließt die Landkreise BB, ES, LB und den Rems-Murr-Kreis in einer Ausdehnung von 30.062 Hektar mit ein. Die Kernzone erstreckt sich von der Mülldeponie (!) im Norden bis zu dem ehemaligen Schlachthof im Süden, vom oberen Schlossgarten im Westen bis zum Espan im Bad Cannstatter Osten. Hydro-Geologen gehen davon aus, dass der Hauptstrom des Grundwassers aus südwestlicher Richtung, Bereich Sindelfingen, einsickert und von dort in das Quellgebiet gelangt. Nach 10 bis 20 Jahren Wanderung wird ein Regentropfen zum Mineralwassertropfen im Grundwasserspiegel. Dieser hat im langsamen Absickern Feststoffe aus dem Gestein gelöst. 1007 Homepage der Stadt Stuttgart: https://www.stuttgart.de/item/show/192672/1. Aufgerufen am 11.03.2022. 1008 Hierzu ausführlich Häffner 2008, S. 44 ff. Siehe auch die wiederholte Kritik von Bürgern am Lobbyismus u.a. 1009 Ebd. Informationen zu der Initiative bei Häffner. Zur Entwicklung des Einzelhandels in Stuttgart-Bad Cannstatt. siehe Acocella 2017: Seit 2008 ist nach Acocella die Anzahl der Einzelhandelsbetriebe erneut um mehr als 10% zurückgegangen. 166 Cannstatter Marktstraße 383 Passanten und 297 Einzelhändler befragt worden, um Stärken und Schwächen sowie Risiken und Chancen in der Entwicklung Bad Cannstatts zu ermitteln: 90% der Befragten bezeichneten Konkurrenzdenken und Konflikte sowie Einzelarbeit statt Kooperation als die Hauptgründe für das Scheitern des Stadtmarketings.1010 2004 eröffnet der sogenannte „Stadtstrand“ am Seilerwasen, mit einer künstlich aufgeschütteten Sandfläche, auf der sich eine kleine Gastronomie mit Bar und Liegestühlen befindet. Allerdings kann am „Strand“ nicht etwa im Fluss gebadet werden, dieser ist hier bisher nicht zugänglich. Am Mühlgrün eröffnet 2006 der „Neckar-Biergarten“. 2008 kann noch eine Attraktion realisiert werden, mit dem „Theaterschiff“, das im Vorfeld des Biergartens vor Anker liegt. In dem 67 Meter langen und 8 m breiten Schiff ist Platz für bis zu 300 Besucher, im Zuschauerraum gibt es 160 Sitzplätze. 2009 wird Stuttgart 21 konkreter. Das Tiefbahnhofs-Bauprojekt mit dem deutschlandweit bekannt gewordenen Namen ist auch ein städtebauliches Unternehmen, das u.a. den Stadtteil Bad Cannstatt betrifft. S21 soll laut dem Werbeslogan von 2009 nichts weniger als das „Neue Herz Europas“ werden.1011 Um 1905 war noch in Erwägung gezogen worden, den Stuttgarter Hauptbahnhof in das inzwischen zu der Hauptstadt gehörende Cannstatt zu verlegen.1012 Die seit Beginn der 1990er Jahre geäußerten Kritikpunkte im Hinblick auf mögliche Schädigungen des Grundwassers sind von Verantwortlichen zurückgewiesen worden und können nicht bewiesen werden, sie bleiben jedoch relevant.1013 Spätestens seit 1996 ist das Risiko bekannt und sachkundig bewertet.1014 Am Cannstatter Neckarufer wird neben der Neckarbrücke mit Tunnelröhren für den Tiefbahnhof, die direkt unter dem Rosensteinpark verlaufen, auch an einem Tunnel für den Automobilverkehr der Bundesstraßen B10 und B14 gebaut. Die Einfahrten liegen einerseits bei der Straßenbahnhaltestelle „Rosensteinpark“ an der Pragstraße sowie auf der anderen Seite am Neckarknie unterhalb der neuen Bahnbrücke. Der Tunnelbau soll letztlich oberirdisch eine Fahrspur frei stellen und eröffnet damit Räume zur Stadtgestaltung am Fluss. Eine einmalige Möglichkeit besteht darin, die B10 weiter von Befahrung, Lärm und Abgas zu entlasten und daneben eine neuartige Flusspromenade anzulegen.1015 Revitalisierend, zumindest mit dem Abbau der oberirdischen Verkehrsanlagen vom Kopf des alten Bahnhofs bis zum Rosensteinpark, kann Stuttgart 21 als Städtebauprojekt genannt werden.1016 Der Zugewinn von ganzen 100 Hektar Fläche würde bei einer sich sehr selten bietenden Gelegenheit zu einer grüneren, ruhigeren, reineren und, mit dem versprochenen Wohnungsbau,1017 auch sozialeren Stadt beitragen. Pflichtaufgaben sind weiter die Erhaltung, Pflege und Reinhaltung der Parkanlagen, Quellen, Denkmäler, Straßen, Plätze, Gehwege. Hinzu kommt eine Trennung von Verkehrsstraßen, Radwegen und Bürgersteigen, wie dies auch andere Städte vorbildlich regeln, z.B. Freiburg. An 1010 Ebd., S. 59. Hilfestellungen für ein in Zukunft erfolgreicheres Stadtmarketing wären nach Häffner beispielsweise: Beteiligung der Stadtverwaltung und Politik, Finanzierungsmodelle, einfache und schnell umsetzbare Maßnahmen als Erfolgserlebnisse sowie hauptberufliche Stadtmanager statt nur Ehrenamtliche, zudem mehr Kommunikation. 1011 Bei optimaler Ausschöpfung der symbolhaften 21 Quellen könnten Bäder entstehen mit internationalem Format. 1012 Der erste Stuttgarter Central Bahnhof lag in der Schloßstraße und war nicht mehr leistungsfähig, das neue Konzept sah allerdings wieder einen Kopfbahnhof vor. Dabei gab es mit dem sogenannten „Sprickerhof'schen Bahnhof“ bereits damals die Idee zu einem Durchgangsbahnhof. In Cannstatt gab es seit 1845 einen Durchgangsbahnhof. Damit verfügt Stuttgart seit 1905 über einen Durchgangsbahnhof. Hierzu H. Kübler (Catalogus: „δ. Presseartikel“). 1013 Ein sogenanntes Grundwassermanagement wurde 2011 eingerichtet, soll während der Bauzeit Schäden vermeiden. Fest steht, dass der Tiefbahnhof über dem Einzugsgebiet des Mineralwassers gebaut wird. Bauten kommen mit ihren Fundamenten den Grundwasser führenden Gesteinsschichten gefährlich nahe. Hierzu Dr. Ralf Laternser, „Geologie 21“: https://www.ingenieure22.de/cms/index.php/ projekte-studien/geologie Aufgerufen am 11.03.2022. 1014 Hierzu Wolfgang Ufrecht: „Hydrogeologie und Baugrund, Schutz der Mineral- und Heilquellen: eine Bestandsaufnahme und Bewertung im Zusammenhang mit der Planung für das Städtebauprojekt 'Stuttgart 21'“ (Hrsg. Landeshauptstadt Stuttgart, Umweltschutz- und Ordnungsreferat), Stuttgart 1996. Die Bedenken werden sich in naher Zukunft als wahr oder unbegründet herausstellen, die Mineralquellen rein und kräftig bleiben oder nicht. 1015 In dem 2011 ins Leben gerufenen „Bürgerhaushalt“ sind dazu bereits einige Vorschläge gemacht worden: Punkt 8. 1016 Unter der Bedingung der Einhaltung gewisser Versprechen: Hierzu Christian Milankovic, Stgt.Zg. v.5.7.2018. Sollte sich aber herausstellen, dass die oberirdischen Gleise nur für noch mehr Leistungsfähigkeit (!) doch erhalten bleiben sollen, würde dies jeder städtebaulichen Aufwertung spotten. 1017 Vgl. Jörg Nauke: 'Stuttgart 21. Gleisvorfeld: Wohnungsbau oder Stadtwald?', Artikel vom 22.2.2016 in der Stgt. Zg. 167 dieser Stelle sei bemerkt, dass sich viele Straßen und Plätze in Bad Cannstatt dauerhaft in erheblich verschmutztem Zustand präsentieren, eines „Bades“ keineswegs würdig. Die Kehrwoche sollte aufgefrischt werden, wie Bürger mit Recht fordern.1018 Denn erst die wahrnehmbare Reinheit der Luft, des Wassers und des festen Untergrundes kann das Bewusstsein für das Bad zurückbringen. 2010er. Bad und Stadt am Fluss Seit über 100 Jahren sind die Neckarufer in Stuttgart mit verdichteten Industrieanlagen bebaut und kaum zugänglich für die Stadtbevölkerung oder erlebbar. [158] Am 10. November 2015 wird durch die Stadt Stuttgart ein Masterplan publik, benannt als Landschaftspark Neckar.1019 An vereinzelten Uferzonen sollen weitere zugängliche Grünflächen entstehen. Neben der Umgestaltung des Ufers am Rosensteinpark sowie des Vorfelds an der Wilhelma mit S21 liegen die Blickpunkte auf einer Neugestaltung des Geländes am Cannstatter Wasen und Seilerwasen in Bad Cannstatt, sowie auf der Neckartalstraße gegenüber dem Mühlgrün und dem Hechtkopf.1020 Langfristig sollte auch das Ziel sein, den Kurpark und Rosensteinpark-Wilhelma am Neckar entlang wieder zu verbinden.1021 Im Bad Cannstatter Tourismus werden mit dem neuerlichen Bau von Hotels und von Jugendherbergen ebenso förderliche Richtungen eingeschlagen, wobei das Motel One seit 2016 in der Badstraße 20 sogar wieder direkt an einem historischen Standort der Cannstatter (Bad-)Hotellerie steht.1022 Historisch betrachtet, hat die Industrie selbst in den Wohngebieten lange Zeit einen zentralen und rentablen Wirtschaftszweig gestellt, den man wohl nicht allzu schnell umsiedeln können wird:1023 Es geht schließlich um Arbeitsplätze und Wohlstandssicherung. Aus der heutigen Perspektive sieht sich die traditionelle Produktion allerdings mit einem Strukturwandel1024 und Auslagerung konfrontiert, die längst global stattfindet. Wohnraum und Industrie inklusive Verkehr sollten getrennt werden.1025 Standards und Anforderungen im innerstädtischen Lebensraum haben sich mittlerweile geändert.1026 Auch die Stadtbevölkerung hat berechtigte Standortansprüche. An den Neckarufern in der Region Stuttgart sind die „Zugwiesen“ in Poppenweiler bei Ludwigsburg ein vorbildhaftes Beispiel für eine 1018 Zahlreiche Eingaben in den Bürgerhaushalt seit 2011. Gründung der Aktion „Let's putz!“ durch den Förderverein „Sicheres und Sauberes Stuttgart“. Gefordert wird die allgemeine Sauberkeit, die nicht nur Kurstädte betrifft. 1019 Thomas Braun: „Masterplan Landschaftspark Neckar – Stadt am Fluss macht Fortschritte“, in: SZ vom 11.11.2015. Dieser wurde am 18.9.2017 vorgelegt. Auf einer Agenda der Partei Bündnis '90 Die Grünen zur Wahl des Stgt. Oberbürgermeisters am 21.10.2012 war u.a. versprochen worden, den Neckar wieder „erlebbar“ zu machen. Nachdem 2009 erstmals in der Geschichte des Landes BW eine grüne Regierung an die Spitze gekommen ist, hat Stgt. ebenfalls eine grüne Spitze. Dies beweist nicht zuletzt, dass ihre Bürger sich speziell mit der Anlage neuer Parks eine grünere, lebenswertere Stadt wünschen. 1020 Ein neuer Platz wurde zwischen dem Biergarten und Parkhaus Mühlgrün 2017 mit gepflastertem Boden anstelle der alten Rasenflächen geschaffen, worunter die Platanen im Sommer 2018 sichtlich litten. Quelle: Verfasser vor Ort. 1021 Der Bürgerhaushalt wurde 2011 als eine Art Briefkasten zur Bürgerbeteiligung eingerichtet. Damit kann jeder/ jede in Fragen der Stadtplanung mitreden. Doch weit motivierender auf eine Teilnahme würde sich ein Preis auswirken. 1022 Hierzu Punkt 1810er und 1870er dieser Arbeit. Bis 2012 entstand zudem u.a. eine Jugendherberge am Neckarpark. 1023 Vgl. Deborah Brinkschulte: www.stuttgartamneckar.de. Aufgerufen am 11.03.2022. Die Stuttgarter Stadtplanerin Deborah Brinkschulte hat ihre Diplomarbeit 2011 über „Stuttgart am Neckar“ verfasst; Deborah Brinkschulte, heute Deborah Köngeter. Nun gibt es erste Überlegungen, z.B. die Wilhelmsbrücke in Bad Cannstatt für den Autoverkehr ganz zu sperren. Ab wann dies der Fall sein wird, bleibt zunächst jedoch weiter offen. 1024 Neben der Industrie werden zunehmend Dienstleistungen in der Stadt obsolet; auch Banken (Stichwort bitcoin und Blockchain). Durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI) fallen weitere Arbeitsplätze in den Städten weg. In moralischer, ethischer, psychologischer etc., Hinsicht, sollte die KI weiter hinterfragt werden. 1025 Um dem Parkplatz- und Verkehrsproblem auf der Straße zu begegnen, wurden bereits erste sogenannte „Parklets als Relaxzonen“ in der Stadt geschaffen – zu Ruhezonen umfunktionierte Parkplätze, z.B. in Form einer Sitzecke, und ein Anwohner-Parken ist eingeführt. Auch der lange angedachte autofreie Marktplatz ist 2013 Realität geworden. 1026 Von April bis November 2019 stand mitten auf der Marktstraße in Bad Cannstatt ein Pkw-Anhänger mit einem Käfig voll Grünpflanzen darauf, um Möglichkeiten zur Fassadenbegrünung zu veranschaulichen – ein Projekt der Universität Stuttgart in Kooperation mit einem Anbieter von Pflanzsystemen. Quelle: Verfasser vor Ort. 168 Renaturierung. Viele Wasservögel, Fische, Amphibien und Säugetiere haben sich in der künstlichen Auenlandschaft mit kleinen Abzweigungen zwischen Inseln, einem „Neckarbiotop“, eingerichtet. Auf 1,7 Kilometern Länge wurde der Neckar dort, unterstützt durch die EU, bis 2012 renaturiert.1027 Die Universität Stuttgart arbeitet in Kooperation mit der Landeshauptstadt Stuttgart derzeit in einem interdisziplinären Pilotprojekt mit dem Namen WECHSEL an zukunftsgerichteten Studien zu der gegenwärtig wie zukünftig im Wandel begriffenen Struktur dieses Wasserwegs. Im Zuge derer sind künftig Nutzungsstrategien, anschließend Umgestaltungen vorgesehen: „(...) Die Grundlagen des Forschungsprojekts bilden eine realistische Abschätzung der Energiepotenziale am Neckar und daraus abgeleitete Szenarien für Flächenpotenziale der Stadt- und Landschaftsentwicklung entlang des Flusses.“1028 Stuttgart liegt nur im Verbund mit später hinzugekommenen Stadtteilen, denen im Osten, am Fluss – besonders mit Bad Cannstatt.1029 [158] [162] Vor dem geschichtlichen Hintergrund erfolgt mit dem Landschaftspark Neckar zugleich auch eine Annäherung an das Erbe der Badestadt. Beate Bulle-Schmid erklärt 2015, „(...) es sei das Ziel (...) den Neckar irgendwann wieder für Badelustige zu öffnen“.1030 Wassersport unterschiedlicher Art wird längst wieder auf dem Fluss betrieben.1031 Während die kleinen Einzelkabinen vergangener Tage nicht mehr zeitgemäß sind, bieten die ehemaligen Sturzbäder und besonders Schwimmbecken direkt im Strom ein Anschauungsmaterial als Inspirationsquelle.1032 Die meisten Flüsse in Deutschland sind aktuell noch erheblich von Bakterien und Keimen belastet, sodass sie kein gesundheitlich unbedenkliches Baden darin zulassen.1033 In der Schweiz hingegen weisen zahlreiche Gewässer eine derartig reine Wasserqualität auf, dass sich dort die historischen Flussbäder halten konnten. An den urbanen Ufern der Limmat in Zürich besteht das Frauenbad am Stadthausquai in der Form seit 1888; die Anstalt geht sogar auf eine Erstanlage von 1837 zurück, als auch für Frauen das öffentliche Baden zulässig wurde. Die rechteckige Holzkonstruktion mit vier Reihen von Kabinen, vier Eckpavillons, Innenhof und Außenschwimmbecken schwimmt am Ufer befestigt auf der Limmat. Erst war dies ein Wasch- oder Reinigungsbad, ohne Schwimm- Becken. 1888 erhielt es die erhaltene Form mit Pavillons. Auf den Sonnenterrassen im Innenhof sind Palmen aufgestellt. Mit den Flussbädern am oberen und unteren Letten kamen später weitere, moderne Bäder hinzu. Großzügige Sonnenterrassen sind über das Ufer hinaus in den Fluss gebaut, Stege und Stahltreppen führen in den Fluss. Gitter, durch welche das Flusswasser hindurch strömt und damit frisch bleibt, dienen zum Schutz der Schwimmer vor Strömung. Die Züricher Flussbäder sind weiterhin beliebt und erfolgreich in Betrieb. [159] [160] [161] Als Berlin im 19. Jahrhundert zur Metropole anwuchs, etablierten sich dort die Flussbäder auf der Spree. In Cannstatt dagegen wurden Strudel- und Sturzbäder auch zu Kurzwecken angewendet, z. 1027 Siehe auch Gerhard Schertler: „Zugwiesen Poppenweiler. Ökoprojekt statt Betonkorsett“, Artikel in der Stuttgarter Zeitung vom 09.06.2012. 1028 Andrea Mayer-Grenu: „Stuttgart soll 'Stadt am Fluss' werden – Kooperationsprojekt der Universität Stuttgart mit der Landeshauptstadt Stuttgart“. Presseinformation als Online-Mitteilung der Universität Stuttgart vom 18. April 2017. 1029 Doch Hafenanlagen, die befahrene Wasserstraße und die Energiewirtschaft können nicht vollständig ausweichen und radikal verbannt werden, so viel lässt sich schon im Vorfeld der Forschung sagen. Gemeinsam haben all die Ansätze, denen sich Institute ebenso wie Privatleute widmen, aber das Ziel, den nicht mehr aktiven Industrieballungsraum am Fluss in vorsichtigen Schritten aufzulockern und letzten Endes womöglich nachhaltig, nicht voll, abzuziehen. 1030 Thomas Braun: „Masterplan Landschaftspark Neckar – Stadt am Fluss macht Fortschritte“, in: SZ vom 11.11.2015. Peter Pätzold mahnt bei der Frage nach Flussbaden hingegen zur Zurückhaltung an: „Auf einer Schifffahrtsstraße wird das wohl nicht erlaubt werden, aber die Hand ins Wasser halten wäre ja auch schon was“. 1031 Es gibt Ruderer, mutige Schwimmer, auch Stand-Up-Paddling wird angeboten. Oder das Projekt einer surfbaren Neckarwelle, nach dem Vorbild der künstlichen Surfwelle im Münchner Eisbach: Ein möglicher Standort, in einem Nebenkanal am Inselbad Untertürkheim, vor einem Energiekraftwerk, wurde in einer Machbarkeitsstudie geprüft. 2019 wurde das Projekt wegen der ungenügenden Wasserqualität aber gestoppt: https://www.buergerhaushaltstuttgart. de/vorschlag/43426. Aufgerufen am 11.03.2022. Langfristig könnte die Surfwelle jedoch realisiert werden. 1032 Das Leuze, derzeit durch eine Mauer vom Ufer getrennt, war einst Flussbad und könnte dies bald wieder werden. 1033 Seit den 1950er Jahren ist wegen der Belastung durch Abwasser oder Schadstoffe von Fabriken, Kraftwerken, auch von Klärwässern sowie agrarischen Düngemitteln kein Baden mehr möglich bzw. erlaubt. Seit 1978 besteht ein offizielles Badeverbot für den Neckar der Stadt Stuttgart. 2015 prüfte man die Aufhebung, aber ohne Möglichkeit. 169 B. von J. Heine.1034 Die heilsame Wirkung mancher Neckarbäder, durch Abkühlung und Bewegung, verglich man mit Effekten von Seebädern.1035 Die Sturzbäder wurden außerdem für Massagezwecke eingesetzt.1036 Stadtplaner haben erste Ideen zu Flussbädern im Neckarknie1037 in Bad Cannstatt; aber die Gesundheitsämter erteilen aktuell keine Genehmigung.1038 An Sommertagen mit großer Hitze, die Zahl solcher steigt, würden die überfüllten Freibäder entlastet und Badegäste auf mehr Bäder der Stadt verteilt. Bewegungsbäder und Kältetherapien sind auch winters praktizierbar. Wie die Heilquellen, so sind auch Flüsse zu schützen vor gefährlichen Substanzen. Neben dem kostbaren Element H2O, dem Wasser, das Bäder, Mineralbrunnen, Kneippkur-Anlagen sowie Moor- und Seebäder versorgt, ist ein anderes hochsensibles, unsichtbares, Element für die Kurorte von entscheidender Bedeutung: O2, der Sauerstoff. Für Heilquellen-Kurorte erwünschter Nebeneffekt, leben Luftkurorte hauptsächlich von dem eingeatmeten Heilmittel. Interessant ist es nun, gerade das Beispiel Cannstatt anzuführen, denn selbst die Stadt Cannstatt galt einst als Luftkurort.1039 Aus heutiger Sicht klingt dies unvorstellbar, wird doch ausgerechnet auf der Cannstatter Straße am Neckartor zwischen Stuttgart-Mitte und Bad Cannstatt seit Jahren der deutsche Höchstwert an Luftbelastung gemessen, es ist die „schmutzigste Straße Deutschlands“.1040 Der Oberamtsarzt Carl August Abele schrieb der Cannstatter Luft 1844 zwar keine „spezifische Kraft“ zu, allerdings verfüge der Kurort über „(...) eine reine, milde Luft, welche die Oxydations- Prozesse belebt und in entsprechendem Grade anregt (...) einleuchtend und durch die Erfahrung aller Zeiten außer Zweifel gesetzt“.1041 Hofrat Albert Veiel bestätigte dies 1867.1042 Auch in einem „Führer durch Cannstatt und Umgebung“ von 1887 heißt es diesbezüglich ausdrücklich: „Cannstatt als Luftcurort. Die verschiedenen Vorzüge, welche Cannstatt durch seine herrliche Lage und sein gesundes Klima besitzt, berechtigen dasselbe, sich in die Reihe der Luftkurorte und Sommerfrischen zu stellen, welche Kranken und Gesunden einen wohlthätigen Erholungsaufenthalt während der Sommermonate darbieten. Das warme, jedoch gemässigte Klima, der geringe Unterschied zwischen den Temperatur-Extremen, die Reinlichkeit der Luft (...).“1043 Obwohl es sich hierbei eben um den Auszug aus einem Reiseführer handelt, in dem wohl unstrittig überwiegend Positives oder unter Umständen Beschönigtes berichtet wird, darf davon ausgegangen werden, dass die Stadt damals durchaus mit einer ungleich reineren Luft versorgt war als später. Luftkuren, einst nahezu überall gegeben, haben sich parallel mit der Luftverschmutzung während der Industrialisierung entwickelt. Erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts sind Kurgäste wirklich an einer Luftkur interessiert. Sogar in dem 1883 in Leipzig herausgegebenen europäischen Bäder- Lexikon von Robert Flechsig, das mehr als 638 Kurorte in ganz Europa aufführt, ist „Canstatt mit 1034 Siehe „Illustrierte medizinische Zeitung“, herausgegeben von Gustav Rubner, 2. Bd., München 1852, S. 14. 1035 Brunnenverein (Hrsg.): Cannstatt, klimatischer Bad- und Trinkkurort u. seine Umgebung, Würzburg 1887, S. 29-30. 1036 Seit den 1990ern gibt es auch in Deutschland wieder vereinzelt Flussbäder, beispielsweise an kleinen Gewässern in bayerisch Franken, z.B. in Bamberg, bei Regensburg, Ansbach und an der Wörnitz. In den Großstädten, die an breiten Flüssen, Schifffahrtsstraßen und Industrieflüssen liegen, gestaltet sich die Situation im Moment schwieriger. Die Städte Berlin, Frankfurt a. M. und München u.a. bemühen sich um eine Wiederkehr ihrer Flussbäder. 1037 Im Rahmen des nicht offenen städtebaulichen Ideen-Wettbewerbs „Neckarknie“ machten beispielsweise die Büros Ramboll Studio Dreiseitl und Glück Landschaftsarchitektur Vorschläge für ein „Neckarbad“. 1038 Auf der anderen Seite mag verwundern, dass an vergleichbar industrienahen Flussufern des breiteren Neckars als Vorfluter, in Heidelberg etwa, an ausgewiesenen Badestränden geschwommen werden darf. Auch am jungen Neckar, bei Rottenburg/ Tübingen. In Städten mit kleineren Fließgewässern wie München (Isar) ist das Wasser reiner. 1039 Siehe Tritschler 1841, S. 84; 98; 107/ Abele 1844, S. 5; 15; 20-21/ Veiel 1867, S. 3; 81. 1040 Siehe etwa Welt.de: „So soll Deutschlands schmutzigste Kreuzung sauber werden“, Artikel vom 6.5.2017: https://www.welt.de/politik/deutschland/article164313680/So-soll-Deutschlands-schmutzigste-Kreuzung-sauberwerden. html, sowie ebd.: „Bedrohlicher Feinstaub in Stuttgart – mehr Smog als in Peking“, Artikel vom 21.7.2017: https://www.welt.de/vermischtes/article161387851/Bedrohlicher-Feinstaub-in-Stuttgart-mehr-Smog-als-in- Peking.html. Aufgerufen am 11.03.2022. 1041 Abele 1844, S. 21. Jüngste Bemühungen drehen sich 2022 um geringere urbane Hitze, mehr Nachhaltigkeit usw. 1042 Veiel, S. 12. Vgl. „Cannstatt. Klimatischer Bad- Trink- und Luftkurort“, Broschüren des Brunnenvereins - 1880er. 1043 Führer durch Cannstatt und Umgebung 1887, S. 14. Vgl. Loh 1877, S. 36; 45. 170 Berg“ u.a. als Luftkurort gelistet.1044 Der Bogen spannt sich von Portugal bis zum Kaukasus und Nordafrika, den meisten Orten sind wenige Zeilen gewidmet, und bemerkenswert ist, dass Cannstatt äußerst positiv angesprochen wird, auf ganzen 2 ½ Seiten. Ansonsten werden nur die größten und bedeutendsten Bäder in Europa dermaßen ausführlich behandelt. Mit der fortschreitenden Industrialisierung im Rhein-Neckar-Raum ab 1860 verschlechterte sich die Luftqualität in dem Ballungsraum Stuttgart schleichend, die Eisenbahn, Schiffe, der steigende Automobilverkehr, Fabriken, Wohnbauten trugen ihren Teil bei. Anzeichen einer Schädigung der Luft durch Industrieabgase sind so alt wie das Gewerbe selbst, Verbreitung und Geschwindigkeit dieses unsichtbaren Prozesses jedoch überraschten.1045 Gefahren wurden dennoch früh erkannt.1046 Trotz ungeeigneter Luftqualität1047 der Umwelt können privilegierte Bäder eine Luftkur im kleinen Rahmen praktizieren. Voraussetzung ist eine verfügbare Solequelle. Eine Möglichkeit zur Luftkur bietet da die Sole-Inhalation: Ein Gradierwerk ist ein technisches Bauwerk, das ursprünglich zur Salzgewinnung entwickelt wurde: Im 16. Jahrhundert bereits in Bad Kissingen. Mit Reisigzweigen, durch die das Solewasser rieselt, erhöht und reinigt man die Konzentration des Salzes. Eine für die Salzgewinnung geeignete Sole muss nur einen Natriumchlorid-Anteil von zehn Gramm pro Liter aufweisen. Dass diese eindrucksvollen Anlagen nicht allein der Salzherstellung dienen, sondern darüber hinaus einen medizinischen Nutzen erfüllen, erkannten schon im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts Chemiker um Justus Liebig (1803-1873). Der Kreuznacher Badearzt Johann Erhard Peter Prieger (1792-1863) veröffentlichte 1827 die Schrift Kreuznach und seine Heilquellen und empfiehlt darin ausdrücklich den Atemwegs-Erkrankten die Gradierwerke.1048 [170] Mit dem durch Reisigzweige zerstäubten Wasserdunst wird eine Methode zur Inhalation im Freien erzeugt, die gesunder Meeresluft nahe kommt.1049 Diese für die Kurarchitektur entdeckten Anlagen dienen noch im 21. Jahrhundert als verloren geglaubte Wandelgänge. 1910 wurde in Reichenhall ein Kur-Gradierwerk erbaut. Heute werden Gradierwerke bevorzugt bzw. ausschließlich für Kurzwecke verwendet, z.B. in Bad Orb,1050 Nauheim oder Dürkheim. In Baden-Württemberg befindet sich eine Anlage in Bad Rappenau. Diese wurde für die Landesgartenschau 2008 im Salinenpark errichtet, ist 30.78 Meter lang, 4.75 Meter breit und 8.38 m hoch1051 und kostete ca. 300.000 Euro.1052 [171] Speziell der Cannstatter Ortsname Sulzerrain verweist auf Salz, das hier seit dem 16. Jahrhundert, ohne Erfolg, zu gewinnen versucht wurde. Spätere, tiefere, Bohrungen haben sehr wohl eine Sole1053 erschlossen, die Hofrat-Seyffer-Quelle. Die geringe Sole1054 wäre zum Bau eines Kur-Gradierwerks 1044 Flechsig 1883, S. 328-330. 1045 Erste Maßnahmen zum Schutz der Umwelt/ Luft wurden in Cannstatt 1840 ergriffen, als ein Lokalstatut erlassen wurde, um die Umgebung des Sulzerrains vor Lärm und Abgasen zu schützen. Vgl. Hagel 2002, S. 90-91; 148. 1046 Deutlich wird der Handlungsbedarf auch hieran: Nachdem sich die Redaktion der Stuttgarter Zeitung 2015 einen Aprilscherz erlaubte, indem sie ein angebliches Fahrverbot auf der Waiblinger Straße an Wochenenden, als „Naherholungsgebiet“, verkündete, kommentierte ein Leser darauf zynisch, dann werde ja „(...) Cannstatt bald zum Luftkurort“. Hierzu Stuttgarter Zeitung. v. 1.4.2015. Dass die Stadt tatsächlich als Luftkurort galt, ist unvorstellbar. 1047 Sofern am betreffenden Standort die Grenzwerte an Luftschadstoffen in den Messungen nicht überschritten werden. 1048 Johann Erhard Peter Prieger: „Kreuznach und seine Heilquellen“, Kupferberg 1827, S. 63. 1049 Die salzhaltige Luft wirkt sich positiv auf die Atemwege aus, befeuchtet sie, reinigt sie von Bakterien, wirkt sekretlösend und abschwellend. Asthmatiker und Pollenallergiker machen davon besonders hilfreich Gebrauch. Das herabrieselnde Solewasser bindet durch Wasserdunst schadhafte Staubpartikel, reichert die Luft mit Salzaerosol an. 1050 Das Bad Orber Werk misst 155 Meter Länge, zwölf Meter Breite und achtzehn Meter Höhe. 1806 errichtet. [170] Das älteste in alter Form wiederaufgebaute Gradierwerk Deutschlands, 1562 errichtet, steht in Bad Kissingen. 1051 Quelle: Informationstafel am Gradierwerk in Bad Rappenau. Für die Bundesgartenschau in Heilbronn 2019 wurden auch drei kleine Gradierwerke geschaffen. Mindestens alle 20 Jahre muss der Reisigbesatz ausgetauscht werden. 1052 Seit 2007 findet alle zwei Jahre in Bad Rothenfelde eine Lichtkunst-Biennale statt, welche sich dort die originelle Oberflächenstruktur des Gradierwerks zu Nutze macht. http://www.lichtsicht-triennale.de/. Aufger. am 11.03.2022. 1053 Das Solewasser der Hofrat-Seyffer-Quelle enthält einen Salzgehalt von mind. 1,5 Prozent (15g pro Liter). Quelle: Bäderbetriebe Stuttgart, Flyer im Foyer der Mineralbäder. Der Gehalt ist gut vergleichbar mit der Kreuznacher Sole. In Bad Kreuznach arbeiten 6 Gradierwerke. Mit einer gemeinsamen Länge von 1.100 Metern ist dies die größte Luftkur-Architektur Deutschlands. Zu Kreuznach siehe auch: Kur- und Salinenbetriebe der Stadt Bad Kreuznach (Hrsg.): „175 Jahre Heilbad Bad Kreuznach 1817-1992“, (Festschrift), Pfaffen-Schwabenheim 1992. 1054 Der Brunnen der Hofrat-Seyffer-Quelle wurde 2006 zugeschüttet wegen einer Verunreinigung mit Arsen. Der - 171 geeignet.1055 Selbst mit beschränkten Mitteln ist es machbar, hier eine neue Sehenswürdigkeit mit historischem Ortsbezug zu schaffen. Nebenbei kann Salz erschlossen und eine erfolgreiche Kur im kleinen Rahmen zurückgewonnen werden, die am Ende des 19. Jahrhunderts zerstört und vertrieben worden ist: Die hierzulande dringend benötigte Luftkur. Die Entlastung der Atemluft insgesamt, ihre Wiederentdeckung als schutzbedürftiges Gut, steht an – vielleicht sogar als Heilmittel. Grenzwert liegt bei 0,01 mg/l. Die Alte Maxquelle in Bad Dürkheim hat den zweithöchsten Arsengehalt der Welt. Für das Gradierwerk wird das Wasser der Neuen Maxquelle entarseniert. Quelle: Bad Dürkheimer Woche. Amtsblatt der Stadt Dürkheim vom 8.6.2017, 42. Jg., Nr. 23, S. 3. Das SoleBad Cannstatt entarseniert ebenso für 4 Becken. 1055 Idee des Verfassers. Mögliche Bauplätze im Kurpark oder beim Spielplatz Neckarine. Vorstellbar auch als Turm, Mühle oder Brücke. Gradierwerke sind für gering konzentrierte Solen geeignet. Mit Beimischung von Kochsalz kann überall auch eine künstliche Sole verwendet werden. Die Cannstatter Natursole ist mit 2 l/s schüttungsreich und für den Bau eines sehr großen Gradierwerks geeignet. Andernorts wird mit Pumpen ein Wasserkreislauf erzeugt. 172 5. Zusammenfassung Ein Großteil der bedeutenderen Bäder in Mitteleuropa ist im 16. Jahrhundert neu gegründet worden. Zu den anfangs kleinen, aber ältesten Badeorten auf dem Kontinent zählt Cannstatt. Die einst kleine Stadt am Neckar ist seit den 1590er Jahren schriftlich als Heilbad überliefert. Aus den bescheidenen Anfängen heraus hat sich über die Jahrhunderte ein beachtlicher Kurbetrieb entwickelt, der im 19. Jahrhundert seinen Höhepunkt hatte. Früh als Badeort in Erscheinung getreten, war es schließlich die Trinkkur, welche im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert Cannstatt zu einem Kurort werden ließ. Von der Sauerbrunneninsel am westlichen Rand der Stadt nahm die Trinkkur ihren Lauf bis zu dem Hang namens Sulzerrain am östlichen Ende; die Stadt war stets von Gesundbrunnen umgeben. Nennenswerte Innovationen des Kurorts Cannstatt sind u.a. 1793 das erste Kur-Flussbad Europas, 1818 das erste moderne Pferderennen in einem deutschen Kurort, oder ab 1845 die frühe Eisenbahn. Der von 1825 bis 1839 erbaute große Kursaal erhielt 1841 wie das Wilhelmatheater Ornamente im pompejanischen Stil und Fresken mit Kurstadt-Ansichten nach Karl Josef Bernhard von Neher. Im neunzehnten Jahrhundert begann der Aufschwung als Badeort und die Entwicklung zur Kurstadt; das Kurwesen trieb anfangs den Städtebau mit an. Die langsame Stadtentwicklung wurde im letzten Jahrhundertviertel aber von der Industrialisierung bestimmt; der Bade- und Kurbetrieb war seitdem dann nicht mehr prägend für die Wirtschaft als auch die Gestaltung der Stadt, sodass die Anlage der Kur- und Bäderstadt teils überlagert und in den Schatten gestellt wurde. Ab 1874 und vor allem seit 1881 erweiterte ein neuer Verschönerungsverein die Kurparkanlagen schrittweise um eine Fläche von rund zehn Hektar. Jetzt gab es einen wirklichen „Kurpark“, auf der Höhe sowie rechts und links der Hauptallee zum Kursaal, gewiss auch als eine Antwort auf die Industriegebiete. Immer mehr Fabriken ließen sich nieder, am Mühlgrün und im Industriegebiet am Bahnhof. Der Wandel zu einer Industriestadt war vollzogen. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts kamen Gäste von außerhalb nach Cannstatt zur Kur, dann nicht mehr. Neben den Königen waren es Privatpersonen wie Carl Friedrich Sick (1780-1837) und bürgerliche Familien, die Cannstatt erst zu einem internationalen Bad werden ließen: Die Familie Seyffer, mit Oberamtmann und Hofrat Johann Friedrich Seyffer (1746-1816), seinen zwei Söhnen Kupferstecher Friedrich August Seyffer (1774-1845) und dem Gartendirektor Ernst Eberhard Friedrich von Seyffer (1781-1856), hatte vielfältigen Einfluss auf den Kurort. Vergleichbar ist dies sonst nur noch mit den Cannstatter Familien Zais, Linckh, Frösner, Heine, Ebner, Tritschler, Veiel sowie Mitgliedern des Brunnenvereins. Badeärzte und Chirurgen wie Johann Friedrich Reichenbach (1726-1790) und sein Bruder Jeremias Friedrich Reichenbach (1725-1810) wirkten in Cannstatt. Sie waren die Söhne des chirurgus maior Jacob Friedrich Reichenbach, und Jeremias Friedrich war der Vater des herzoglich württembergischen Leibmedicus Wilhelm Heinrich Reichenbach (1763-1843). Auf dem gleichen Gebiet waren der Chirurg Johann Georg Greiß, der Badmeister Weissinger, oder der Oberamtsarzt Immanuel Gottlieb Elwert (1759-1811) lange Jahre tätig, später zum Beispiel Carl von Burckhardt (1818-1888).1056 Eher indirekt mit dem Kurwesen in Verbindung gebracht werden können hingegen Cannstatter wie zum Beispiel: Der Universalgelehrte und Philosoph Georg Bernhard Bilfinger (1693-1750), der Orientalist Christian Friedrich Schnurrer (1742-1822), der Orgelbauer Eberhard Friedrich Walcker (1794-1872), oder der Musiker Bernhard Molique (1802-1869). Prominente Kur- und Badegäste in Cannstatt waren u.a. die Schriftsteller Honoré de Balzac,1057 Berthold Auerbach, Ferdinand Freiligrath, Paul Heyse und Hermann Hesse. Auch Friedrich Schiller 1056 Die Oberamtsärzte, Badeärzte und Chirurgen hatten wesentlichen Anteil am Aufstieg des Kurwesens, aber nicht alle Personen prägten den Kurort auch in architektonisch-städtebaulicher Hinsicht – dazu gehören die Reichenbachs. Zu den Reichenbachs siehe u.a. Ernst Raithelhuber: „Wilhelm Heinrich Reichenbach: Herzoglich württembergischer Leib- und Regimentsmedikus 1763-1843“, in: Uhland 1984, S. 108-121/ Felix Burckhardt: „Karl Ludwig Friedrich Freiherr von Reichenbach. Chemiker und Industrieller 1788-1869“, in Robert Uhland (Hrsg.): „Lebensbilder aus Schwaben und Franken“, Bd. 12, Stuttgart 1972, S. 200-212. 1057 Balzac hielt sich im Mai und Juni 1845 im Hotel Herrmann in Cannstatt auf: Schwäbische Kronik vom 30.5.1845. Zeitgleich war Herzog Maximilian Joseph von Bayern (1808-1888) Gast. Zu Auerbach: Schw. Kronik v. 6.8.1870. 173 wandelte über den Kahlenstein und Johann Wolfgang von Goethe besuchte Cannstatt.1058 Wegen des in Stuttgart residierenden und wiederholt in Cannstatt gastierenden Hauses Württemberg logierten teils Angehörige des europäischen Hochadels im Hotel Herrmann und versammelten sich auch am Brunnen. Das Ende der deutschen Monarchie 1918 hat nicht nur für Cannstatt das Ende des Kurbetriebs älteren Stils bedeutet. Im 20. Jahrhundert ist Cannstatt kaum noch ein Kurort für Fremde, die Bäder bleiben aber bestehen und die Kurgäste1059 kommen wie zu den Anfängen nun eher aus der Umgebung, wie aus Stuttgart. In der etwa fünfzig Jahre anhaltenden Hochphase der Kur, zwischen 1830 und 1880, lagen die Kurgastzahlen bei 1.000 bis maximal 3.000 Personen jährlich. International messen lassen kann sich Cannstatt, das keine Spielbank hatte, allein um 1850, als zahlreiche Bäder an die 5.000 Gäste im Jahr zählten. Bald darauf verlor die Stadt Cannstatt nicht nur den Anschluss, sondern allmählich auch ihre wenigen Kurgäste. Aber an Gästezahlen allein lässt sich die Bedeutung eines Heilbades sowie die Heilkraft seiner Quellen schließlich nicht ablesen. Relevant wäre hier eben vielmehr die Anzahl an Geheilten, und die ehemaligen Praxen der Bäderstadt hatten in der Tat mit zwei bis 3.000 geheilten Patienten, nicht jährlich, sondern insgesamt, beträchtliche Heilungserfolge. Dies erkennt man auch daran, dass viele Kranke sogar die weite Anreise aus Amerika auf sich nahmen, um am Neckar geheilt zu werden, so hofften sie. Gründe für die Stagnation1060 des Kurbetriebs sind in unterschiedlichsten Faktoren zu suchen: Zum einen war ein Ausbau der Kuranlagen stets mit hohen Kosten verbunden, die der Brunnenverein und Verschönerungsverein allein mit Geldspenden von Privatleuten und finanzieller Unterstützung des Königs stemmen konnten. Zum anderen wurde die Erwirtschaftung neuer Gelder vor allem durch das Spielbankverbot erschwert. Privatpersonen betrieben die Bäder und sie behielten die Einnahmen teils für sich ein,1061 der Verkauf von Mineralwasser rentierte sich kaum und die geringe Kurtaxe brachte ebenso wenige Gelder in die Kassen des Brunnenvereins ein. Besonders die öffentliche Wasserversorgung machte Mineralwasser entbehrlich.1062 Ab 1861 wurde das Neckar-Wasserwerk in Betrieb genommen, um 1877 folgte eine Filteranlage. Das Nutzwasser für Privathaushalte, 1879-1884 in Cannstatt installiert,1063 sowie die Landeswasserversorgung durch Donauwasser1064 seit 1917 verdrängten schließlich die Nutzung der öffentlichen Mineral-Brunnen. Auch Einheimische nutzten die Brunnen dann weniger. Einwandfreies Trinkwasser konnte natürlich weiter am Brunnen geholt werden. Die Kriegsfolgen waren für das Kurbad unbestritten verheerend; der negative Einfluss der Industrien und Maschinen auf den Kurbetrieb des ganzen 19. Jahrhunderts aber wird teils überschätzt.1065 Seit etwa 1870-1880 waren andere und neu gegründete Bäder eine 1058 Dass die bekanntesten Kurgäste in Cannstatt durchweg Schriftsteller waren, kann als Merkwürdigkeit gelten, könnte jedoch auch mit dem Sitz von Verlagen in Stuttgart und Cannstatt begründet werden. Außerdem spielt ja eine Rolle, dass die Schriftsteller meist Tagebuch führten und Briefwechsel pflegten, die überliefert sind als schriftliche Belege. Andere Persönlichkeiten und Talente teilten ihre Aktivitäten wohl weniger mit, sodass ihr Aufenthalt nur vermutet werden kann. Bade- und Kurgastlisten mit Namen sind teils in Jahrgängen des Schwäbischen Merkur veröffentlicht (z.B. Jg. 1857/58). Am 16.8.1889 besuchte der Schah von Persien den bengalisch beleuchteten Cannstatter Kurpark. 1059 Die Auswertung sämtlicher Kurgastzahlen erschien dem Verfasser als weniger relevant, zumal diese nicht sehr hoch waren (max. 3.000 jährlich) und die Richtigkeit der Angaben, die schöngefärbt wurden, hinterfragt werden muss. 1060 Von einem scheinbar endgültigen „Niedergang des Kurbetriebs“ aber sollte angesichts der zeitlichen Relation sowie mit Blick auf Entwicklungspotenziale nicht die Rede sein, sodass der Verfasser den Begriff „Stagnation“ vorschlägt. 1061 Siehe hierzu Punkt 1850er/ 1860er der vorliegenden Arbeit. 1062 Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 903 Cannstatt, Inv. Nr. 2623/4. Vgl. Walter Meyer-König: „Stuttgart und das Wasser: Geschichte der Stuttgarter Wasserversorgung“ (Hrsg.: Technische Werke der Stadt Stuttgart AG), Stuttgart 1979. 1063 Siehe Ströhmfeld 1896, S. 10. 1064 Die Region Stuttgart wird, wie große Teile des mittleren Neckarraums u.a., heute teils mit Bodenseewasser versorgt: https://www.bodensee-wasserversorgung.de/trinkwasser/weg-des-wassers/. Aufgerufen am 11.03.2022. 1065 Vgl. Fuhs 1993: „Kurstadt und Natur“, S. 328 ff.; Ilsemarie Walter: „Teplitz-Schönau: Kur- und Industriestadt? Eine nordböhmische Kleinstadt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“, München 2003; Michael Hascher, in: Eidloth 2006; Gerta Walsh: „Schornsteine in der Kurstadt. Geschichte der Bad Homburger Industrie“, Offenburg 1993; Andrea Pühringer: „Rauchende Schlote in der Kurstadt. Industrie, Industrialisierung und Kurwesen in Bad Homburg in: Aus dem Stadtarchiv, Vorträge zur Bad Homburger Geschichte“ 2012-13, S. 97-125. 174 ernsthafte Konkurrenz und der Hauptgrund für die Abnahme der Kurgastzahlen in Cannstatt.1066 Die Stadt Cannstatt vereinigte sich 1905 mit Stuttgart; der größte Nachteil an dieser Vereinigung liegt für den Kurort wohl in der Tatsache, dass er nicht mehr als selbstständige Stadt in den Listen geführt wird und somit amtlich gar nicht mehr als Badeort in Erscheinung treten kann. Dafür war der Stadt der Bau eines neuen Kurgebäudes versprochen worden, für welches nur das Geld fehlte. Von 1907-1908 wurde auf der Südseite des Kursaals ein neues Wirtschaftsgebäude angeschlossen, der sogenannte Kleine Kursaal, der nach den Plänen von Albert Eitel erneut aus einem Wettbewerb hervorgegangen ist. Erbaut in Jugendstil-Formen bereichert dies die Kuranlagen ein weiteres Mal. Auch die Parkanlagen vor dem neuen Saal wurden in diesem Stil dem Gebäude angepasst, nach Plänen von Paul Ehmann. In den 1920er Jahren gab es erneut große Pläne für den Ausbau der Badestadt, von den National- Sozialisten wurden diese sogar in Angriff genommen, aber dennoch durch die einsetzende Kriegs- Wirtschaft und wegen des Mangels an frei verfügbaren Baustoffen kaum verwirklicht. Unter dem NS-Regime und auch in der Nachkriegszeit wurde ein neues Abfüllgebäude in der Sulzerrainstraße erbaut. Der Kursaal sollte mit großen Nebengebäuden erweitert werden, doch diese Pläne blieben unverwirklicht. In diese Zeit fällt jedoch die Verleihung des amtlichen Namenszusatzes „Bad“. Im Grunde genommen war Cannstatt bereits kein (internationaler) Kurort mehr, als es im Juli 1933 umbenannt wurde in Bad Cannstatt. Seither hat der offizielle Stadtname Stuttgart-Bad Cannstatt Gültigkeit. Wegen verschiedener Tunnelbauarbeiten und der Fluss-Kanalisierung versiegten Quellen von hoher Qualität, darunter die uralten Quellen namens Männlein und Weiblein, welche schon zur Römerzeit genutzt wurden, Berger Sprudel, Inselquelle, die obere Sulz am Wilhelmsplatz. All diese Mineralquellen waren hoch mineralisiert und substanziell wichtig für den Kurbetrieb. Dies waren in ihrer Zusammensetzung einzigartige Wässer, die unwiederbringlich zerstört worden sind. Aufgrund der Schadensbegrenzung konnte man im Jahr 1930 die Gottlieb-Daimler-Quelle in rund 135 Metern Tiefe erschließen, die einen ähnlich einmaligen Mineralgehalt aufweist. In den Bombenangriffen der 1940er Jahre wurde ein Großteil des Baubestands aus dem Kurort zerstört oder erheblich beschädigt: Die Dächer des großen und des kleinen Kursaals stürzten ein, die Mineralbäder am Sulzerrain brachen zusammen, die Bäder Leuze und Berg waren beschädigt, die Gebäude des Bad-Hotels Herrmann waren fast vollständig zerstört. Auch die Wilhelma wurde durch Bomben getroffen, wobei das Wilhelmatheater die Treffer noch am besten überstanden hat. Wegen der industriellen Anlagen und der Verkehrsmittel wurde Stuttgart im Zweiten Weltkrieg zerstört. Andere Kurstädte kamen im Vergleich glimpflich davon. Am großen Kursaal wurde bei der Sanierung der Zierfries an den Außenwänden um Ornamente in den Metopen ergänzt, die wohlgemerkt nicht zu der originalen Kunst am Bau gehören. Der Tanzsaal des Frösner'schen Bades wurde nicht wiederhergestellt. Dem Wiederaufbau folgten Überlegungen zur Umgestaltung des Kurparks. Von 1958 bis 1961 setzte das Gartenamt diese Pläne in die Tat um und vernichtete dabei unter heftigem Protest von Cannstatter Bürgern die historische Kursaal-Allee von Oberhofgärtner Wilhelm Bosch und Stadtplaner Thouret. Der gesamte untere sowie der obere Kurpark wurden umgestaltet, nur für eine Gartenschau. Solch ein Vorgehen rief den Denkmalschutz auf den Plan. Für den Kurpark war es schon zu spät, aber die Gebäude konnten noch rechtzeitig vor dem Abriss bewahrt und unter Schutz gestellt werden. Dem großen Kursaal, der seit 1966 unter Denkmalschutz steht, folgten bis Ende der 1970er Jahre der Kleine Kursaal, die Nebengebäude, Parkbauten und der Kurpark im Stil der 1960er Jahre nach. Darin liegt ein zentraler Schritt für das Gedeihen der Kurstadt überhaupt, denn ohne den Schutz dieser historischen Anlagen würde es nie mehr einen nennenswerten Kurpark geben. Ohnehin wird Bad Cannstatt ab diesem Zeitpunkt kaum noch mit Bädern und Kuren in Verbindung gebracht; es steht vielmehr für hervorragende Technik 1066 Alternative Wellness- und Badeangebote gibt es in weiter steigender Anzahl, z.B. die „SchwabenQuellen“ im SIZentrum, „Float Stuttgart“ oder das Sport- und Badezentrum „Fildorado“ - alle Beispiele kommen ohne Mineral-, Thermal- oder sonstige Heilquellen aus. Badelustige sind nicht auf die Mineralbäder und Kurzentren angewiesen. 175 und Innovation.1067 1971 durfte der Kleine Kursaal nicht abgerissen werden, als er einem Hotelneubau in Form eines Hochhauses weichen sollte. In den Folgejahren erhielt Stuttgart neue S-Bahn-Tunnels, wobei erneut die Mineralquellen in Bad Cannstatt und Stuttgart-Berg in Mitleidenschaft gezogen wurden. Wieder einmal folgte auf den Schaden die Fassung einer neuartigen Quelle, man hatte zwar auf heißes Quellwasser gehofft und immerhin konnte tatsächlich Wasser mit einer Temperatur von 22° Celsius und geringen Salzanteilen erschlossen werden: Die „Hofrat-Seyffer-Quelle“, benannt nach dem königlichen Oberamtmann Johann Friedrich Seyffer, der sich 1787 um die Quellen kümmerte, ergänzt den Quellenreichtum um eine Sole. Als „Thermalwasser“ kann diese Mineralquelle aber wohl kaum bezeichnet werden, denn natürlich heiße Heilquellen fehlen weiterhin. In den 1980er Jahren wurde das Mineralbad Leuze in seine heutige Form gebracht, zur selben Zeit musste jedoch der Verkauf von Cannstatter Mineralwasser gestoppt werden, weil darin Spuren von Chlorkohlenwasserstoffen entdeckt wurden. Ab 1987 wurde dann kein Sprudel aus Bad Cannstatt mehr verkauft, dabei hatte der Absatz seit dem Ende des 18. Jahrhunderts eine Rolle gespielt, die Stagnation des Kurbetriebs, den Krieg und den Städtebau überdauert. Gleichwohl hatte der Sprudel schon lange mit ernstzunehmender Konkurrenz zu kämpfen, Mineralwasser als alltägliches Getränk gibt es in allen Sorten und aus verschiedensten Quellen des Landes heute in jedem Supermarkt. Bereits in der Nachkriegszeit haben einzelne Stadtbezirke in Stuttgart, die lange industriell genutzt gewesen waren, ihre Funktion verloren und lagen brach. Noch heute gibt es vereinzelt Brachen und Ruinen.1068 In wirtschaftlicher Hinsicht vollzieht sich derzeit ein deutlich sichtbarer Übergang vom sekundären Sektor, der Produktion, mehr zum tertiären Sektor hin, zur Dienstleistung. Zwischen 1970 und 1987 war in der ganzen Stadt Stuttgart der Rückgang an Beschäftigten im Stadtteil Bad Cannstatt am größten: Von 45.780 auf 35.193 Beschäftigte.1069 Der Produktionssektor verzeichnete in diesem Zeitraum einen Wegfall von fast der Hälfte aller Beschäftigten. Gleichzeitig haben sich die industriell genutzten Flächen halbiert. Rund 50% sind nicht mehr in Betrieb oder werden für den Dienstleistungssektor in Anspruch genommen. Wegen der Nähe von nur fünf Kilometern zur Landeshauptstadt Stuttgart hat Bad Cannstatt hohe Kaufkraftverluste zu verzeichnen.1070 Seit den 1970er Jahren, der Zeit der Städtebauförderung und Grünflächenpflege, befindet sich der Stadtbezirk Bad Cannstatt in einem strukturellen Wandel.1071 Insbesondere durch Großprojekte, die anhand von Fördermitteln durch Stadt, Land, Bund als auch die EU möglich geworden sind, haben sich einige Stadtgebiete bereits deutlich verändert. Das sind unter anderem: - Die Cannstatter Altstadt, die durch das Sanierungs- und Entwicklungsprogramm (SEP) von Bund und Ländern in zwei Schritten stellenweise gründlich saniert werden konnte: In einer ersten Phase von 1976 bis 1999 und in einer weiteren, die 1987 begann und bis 1998 neue Projekte umsetzte. Hauptsächlich Altbauten wurden dabei saniert. - Die Neckarvorstadt mit dem Wohnumfeld-Programm (WUP), durchgeführt von 1983 bis 1999 sowie durch die Fördermittel des Landessanierungsprogramms (LSP) zwischen 1998 und 2012. - Die industriellen Brachflächen der Zuckerfabrik, durch das o. g. SEP, zwischen 1988 und 2002. - Der Burgholzhof (Nord) durch das oben genannte Landessanierungsprogramm von 1994-2006. 1067 Viele Einheimische, Fremde und Erfinder z.B. interessieren sich für völlig andere Gebiete des Orts oder sie gehen anderweitigen Innovationen nach. Eine kaum bekannte Information an dieser Stelle ist z.B., dass beim damaligen Steinbruch Lauster durch den Luftfahrttechniker Lutz Kayser (1939-2017), der 1975-1987 das OTRAG-Konzept entwickelte, in den 1960er Jahren an Raketenantrieben getüftelt und experimentiert wurde. Quelle: Informationen des Familienarchivs Lauster. Vgl. Michael Ohnewald: „Stuttgarter Raketenbaufirma Otrag. Ein schwäbisches Himmelfahrtskommando“, Artikel in der Stuttgarter Zeitung vom 24.9.2018. Weltruf hingegen hat bekanntlich die Strahlkraft des Mercedessterns und seiner Fahrzeuge. Weit bekannt und ein Arbeitgeber sind auch die Mahle-Werke. 1068 Siehe hierzu das folgende Kapitel: 6. „Bestandsaufnahme“. 1069 Quelle: Lauser/ Bunata/ Renner 2006, S. 8 ff. Die Zahl der Beschäftigten lag 2006 bei 31.600. Und 2014 bei 27.130. Quelle: Stadt Stuttgart, Statistisches Amt – Datenkompass Stadtbezirke Stuttgart 2014/2015. 1070 Vgl. Häffner 2008, S. 49. 1071 Vgl. Ebd. 176 - Das ehemalige US-Hospital, durch das LSP, zur Umnutzung umgestaltet von 1995 bis 2008. - Das Gewerbegebiet Veielbrunnen im Rahmen des Stadtumbaus West (SUW), von 2003 bis 2018. - Die Teinacher Straße nahe dem Kurpark im Rahmen des LSP zwischen 1999 und 2013 erneuert. - Das Areal ehem. Güterbahnhof, umgenutzt durch das EU-Forschungsprojekt zur Revitalisierung von Brachflächen (REVIT), umgestaltet von 2003 bis 2007, die nächste Phase seit 2012 in Arbeit. - Der Stadtbezirk Hallschlag, gefördert durch das Programm Soziale Stadt (SSP), umstrukturiert seit 2007, mit Umnutzung des „Römerkastells“ und Anlegung des Travertinparks zur Naherholung. - Die Gestaltung und Entwicklung des Erlebnisareals „Neckarpark“ durch das LSP seit 2011. In der Nähe der Umbau des ehemaligen Lagers für den Großeinkaufsverein der Kolonialwarenhändler Württembergs durch das Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung von 2005 bis 2011 zum neuen Stadtarchiv Stuttgart; 2017 die Eröffnung des 9.000 Quadratmeter großen Veielbrunnenparks.1072 Die Stadterneuerungsmaßnahmen sind es, die den industriell geprägten Stadtteil revitalisieren und lebenswerter machen. Im neuen Jahrtausend wurde der lang vorbereitete Heilquellenschutz offiziell, ein Schutzgebiet für die Stadt ist seit 2002 rechtskräftig. Es soll die Erhaltung und Reinhaltung des Mineralwasserschatzes sicher stellen. Sofern der Bau des Tiefbahnhofs- und Städtebauprojekts S21 auch die versprochenen oberirdischen Gleisflächen frei werden lässt, können diese Verkehrsanlagen ebenfalls in benötigte Wohn- und Grünflächen umgewandelt werden. Die zweite Dekade unseres Jahrhunderts war in Stuttgart-Bad Cannstatt in städtebaulicher Hinsicht geprägt von dem Projekt namens „Stadt am Fluss“. Der Neckar soll allmählich von den altlästigen Industrien und nicht mehr aktiven Gewerbegebieten an den städtischen Ufern befreit werden und der Stadtbevölkerung zugänglich und nutzbar gemacht werden. Bisher ist zwar zu wenig geschehen, doch langfristig gesehen kehren damit eines Tages wohl auch die traditionellen Flussbäder zurück, die wie erwähnt ab 1792 elementarer Bestandteil des Badebetriebs gewesen waren und um 1950 verschwanden. Der seit den 1970er Jahren anhaltende Strukturwandel geht weiter. Leider sind aber wegen der Gesundheitskrise und des Ukraine-Krieges die gegenwärtigen Entwicklungen der 2020er Jahre mitsamt dem öffentlichen Leben in eine verschärfte Stagnation geraten; man spricht bereits von einer nächsten Zeitenwende. Eine modernisierte Gesundheits- und Klimapolitik ist allerdings möglich, ohne Menschen ihre Grundrechte zu beschneiden.1073 Kurgastzahlen Cannstatt mit vom Verfasser nach schriftlichen Quellen geschätzten Zahlen ab 1880: 1790 1821 1839 1845 1850 1855 1860 1880 1900 1933-39 1973-90 2000er 140 633 789 1.684 1.279 3.495 2.948 ca.500 ca.100 ca.10.000 ca.1.000 ca.100 pro Jahr Einwohnerentwicklung Cannstatt von ca.1800 bis 2020 nach Jahr und statistischer Einwohnerzahl: 1801 1821 1834 1852 1871 1900 1957 1961 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2.753 3.403 5.055 6.698 11.804 26.497 75.245 77.506 72.850 66.478 64.937 67.378 66.910 71.285 6. Bestandsaufnahme Es sind die Brunnen, Mineralbäder, Kurgebäude, Parkanlagen, Straßenachsen, Villenviertel sowie Denkmäler, die Bad Cannstatt noch als Kurstadt erkennen lassen. Jedoch kommen diese derzeit nicht mehr ausreichend zur Geltung, weil sie beengt sind von parkenden Autos, Gebäudeblöcken, Fabrikbrachen, Gewerbegebieten, Verkehrsstraßen und Industrievierteln. [172] [173] [174] [175] Folgende Mineralbrunnen sind in erneuerter Form erhalten: Der Wilhelmsbrunnen neben dem Gottlieb-Daimler-Brunnen in dem Brunnenhof des Kursaals, der sog. Lautenschlägerbrunnen am 1072 Quelle: Stadt Stuttgart, Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung. Vgl. Digitales Stadtlexikon: Artikel „Bellingweg 21, Bad Cannstatt“: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/dts/ von Barbara Six. Aufgerufen am 11.03.2022. 1073 Der Verfasser will ausdrücklich nicht mit der seit März 2020 einschneidend reformierten Grundrechts-, Klima- und Gesundheits-Politik in Verbindung gebracht werden bzw. überhaupt mit vorliegender Arbeit politisch wirken. 177 Königsplatz 1, ein Brunnen der Auquelle in der Neckartalstraße mit einer sichtbaren Fontäne hinter Glaswänden, der Kellerbrunnen in der Kellerbrunnengasse, der Schiffmannbrunnen in der Nähe der Badstraße, fünf Brunnen von der Leuzequelle am Schwanenplatz, der Kunstmühlebrunnen in der Poststraße nahe der B10, der Veielbrunnen im Veielbrunnenweg, der Schwefelbrunnen im unteren Schlossgarten.1074 Der 1910 aufgestellte Junobrunnen von Emil Kiemlen nimmt als Zierbrunnen eine Sonderstellung ein, ebenso der neue Springbrunnen von 1959 als Ersatz für den alten Brunnen von um 1900 in den oberen Anlagen. [112] [122] [156] [157] Die drei wichtigsten Mineralbäder sind: Das 1994 neu errichtete MineralBad Cannstatt in der Sulzerrainstr. 2, das seit der Renovierung und Neueröffnung 2021 „SoleBad Cannstatt“ heißt; das weitgehend in der Form von 1984 bestehende Mineralbad Das Leuze an der Mercedesstraße und das Bad Berg am Park der Villa Berg. Die ausführenden Planer, 4a-Architekten, wollen darauf achten, die ursprüngliche Form und den Charakter des Bades Berg beizubehalten. Seit den 1950er Jahren ist die einhundert Jahre ältere Erstanlage mit dem Innenhof zwischen vier Flügeln zu einem Lförmigen Bau mit lediglich noch zwei Flügeln umgeformt worden. Über einen Anbau wird die Anlage erweitert. Die Kaltbadehalle wird vergrößert, der Ostflügel um vier Meter verschoben, sodass circa 100 qm neuer Platz frei werden. Das Architekturbüro „Planquadrat“ plant ein Kompetenzzentrum mit dem im Gemeinderat diskutierten sogenannten „Gesundheits-Campus“ neben dem neuen Mineralbad.1075 Dafür wird auf 5.400 qm der bis 1977 zur Bundesgartenschau angelegte Schwanenplatz zwischen Bad Berg und dem Leuze-Mineralbad teilweise umgestaltet. Drei miteinander verbundene und wirksam in die Stuttgarter Parklandschaft integrierte Baukörper sollen dann ein „Forum“ für innovative Gesundheit bilden, mit Einrichtungen der medizinischen Fachbereiche von Diagnostik, Vorsorge und Therapie – insofern anknüpfend an den traditionellen Kur-Standort. [00: Umschlagabbildung rechts unten – SoleBad Cannstatt] [149] [150] [151] Außerdem gibt es noch das 1973 errichtete Stadtbad an der Hofener Straße, das 2016 vom Abriss bedroht war, inzwischen aber vielleicht ersetzt werden soll und das Mombach-Schwimmbad an der Krefelder Straße, auch „Alfred-Raichle-Bad“ genannt, in dem der Schwimmverein Cannstatt 1898 e.V. trainiert. Die übrigen Stuttgarter Bäder haben keine Mineralquelle. Von den ehemaligen Kurgebäuden sind acht in äußerlich unveränderter Form, weil restauriert, erhalten: Der 1949 wiederaufgebaute große Kursaal1076 neben dem kleinen Kursaal am Königsplatz 1, das 1985 bis 1987 wiederhergestellte Wilhelma-Theater an der Rosensteinbrücke, das ehemalige Hotel zum goldenen Ochsen in der Brückenstraße 1. Von der früheren Heilanstalt Heine steht jetzt nur noch ein Gebäudeflügel in der Badstraße Nr. 15. Zu den Kurgebäuden gezählt werden sollten außerdem der Musikpavillon hinter dem kleinen Kursaal, die 1861 im oberen Kurpark aufgestellte Wandelhalle, der gusseiserne Pavillon von 1903 sowie der 1894 aufgestellte Daimler-Turm. [097] [103] [106] [145] Die großen Parkanlagen bestehen aus dem Rosensteinpark mit der Wilhelma, den Grünzügen am Neckar, den unteren sowie den oberen Anlagen des Kurparks. Sie stellen mit zusammen über 100 Hektar das flächenmäßig größte und wichtigste Element der Kuranlagen im Stadtraum dar. Ihr Erhalt hat oberste Priorität. Die ursprüngliche Fläche des Rosensteinparks hat sich bereits um fast die Hälfte verkleinert. Der Kurpark dagegen ist bislang eher angewachsen. [063] [152] [153] [154] Einzelne Straßenachsen lassen noch die ursprüngliche Stadtplanung als Bad erkennen, diese sind: Die König-Karl-Straße zwischen dem Kursaal und dem Wilhelmsplatz, die ab 1891 noch über die König-Karls-Brücke bis weit in den Stuttgarter Schlossgarten verlängert wurde. Der Wilhelmsplatz hat seinen Platzcharakter eingebüßt. In der Hochphase des urbanen Struktur- und Funktionswandels wollte man stets schnelle Resultate sehen im Hinblick auf die autogerechte Stadt. Die Resultate von 1074 Die Brunnen der Berger Quellen befinden sich 2020 mit dem Bad im Umbau und werden anschließend neu gefasst. 1075 Hierzu auch Cannstatter Zeitung vom 26.4.2018. 1076 Letztmalig verändert wurde der große Kursaal 2008-13 durch einen rückwärtigen Korridor mit grauem Putz außen, eine neue Dachkonstruktion und flexible Trennwände, Bühnentechnik, sanitäre Anlagen, einen Küchenneubau und eine Tiefgarage der Architektenpartnerschaft EMT (Eckert Manthos Tagwerker). Siehe hierzu Olaf Nägele (Red.): „Kursaal Bad Cannstatt. Ihr Veranstaltungsort mit Tradition“, (Hrsg.: Landeshauptstadt Stuttgart), Stuttgart 2014. 178 damals sind allzu offensichtlich. Immerhin wurden einzelne Alleebäume stehen gelassen. Wichtige Achsen sind außerdem die Mergentheimer Straße und die Wildbader Straße, welche in den 1880er Jahren parallel zu den unteren Anlagen des Kurparks ausgerichtet wurden. Die Hauptachse aus der 1822 angelegten Kursaalallee ist 1958 entfernt worden. Eine Reihe von Platanen zeugt noch von der einst prachtvollen Promenade entlang des Neckars, es handelt sich um Neupflanzungen von 1929 und 1949. [173] [174] Zu den historischen Villenvierteln zählen Gebäude der Gründerzeit um den Daimlerplatz, einige Villen und großbürgerliche Mehrfamilienbauten in der König-Karl-Straße und Wiesbadener Straße, vereinzelt in den übrigen Straßenzügen, insbesondere südlich der Kuranlagen. Erhalten ist auch die durch englische Kurgäste am Kurviertel erbaute jetzige Christuskirche, die 1944 zerstört und wieder aufgebaut wurde.1077 Die 1938 gezielt abgebrannte Synagoge dagegen wurde nicht wiederaufgebaut – dafür wurde ein Mahnmal geschaffen. Zwischen dem ausgehenden 19. und dem beginnenden 20. Jahrhundert entstanden, sind diese Bauzeugnisse in der Hauptsache dem Historismus und Jugendstil zuzuordnen. Die oft prächtigen Fassaden wurden nach dem Krieg ab 1945 teils wiederhergestellt und sind mit zahlreichen Sandsteinornamenten versehen. [075] [076] [077] [078] Es bleiben die Kleindenkmäler und anderen Kunstwerke: Die 1837 geschaffene Tafel für den Förderer der Kuranlagen Carl Friedrich Sick am Aufstieg auf den Sulzerrain. Das Denkmal an den Forstrat Karl Gebhardt von 1874 in Form eines Platanenblatts in den oberen Kurparkanlagen. Das Reiterstandbild mit König Wilhelm I von Johann Halbig, 1875 aufgestellt auf dem Wilhelmsplatz und 1881 versetzt vor den Kursaal auf den Königsplatz. Die Gedenktafel an den Präsidenten des Brunnenvereins Graf von Taubenheim mit dem Porträt im Brunnenhof, 1894 geschaffen von Paul Gottfried Christaller. Das Gottlieb-Daimler-Denkmal neben der Gedächtnisstätte, 1902 geschaffen von Emil Kiemlen und ursprünglich am Gartenzaun vor der Villa Daimler in der Taubenheimstraße aufgestellt und zwischen 1940 und 1960 vor die Daimler-Gedächtnisstätte versetzt. Eine von einst vier Puttengruppen in den Jugendstil-Anlagen, als Skulptur nach Entwürfen von Emil Kiemlen am äußeren Westrand des Kurparks. Das Auerbach-Denkmal, 1909 geschaffen von Hermann Volz, jedoch nicht im Originalzustand von Volz erhalten. Die steinerne Freiligrath-Sitzbank im oberen Kurpark. Die Büste des Kurkapellmeisters Robert Stolz vor dem Kursaal. [064] [072] [091] [098] Kunstwerke im Park: Das Mahnmal zur Erinnerung an die am 5. August 1950 im Kursaal von Bad Cannstatt verabschiedete Charta der deutschen Heimatvertriebenen, ist eine 1986 geschaffene Plastik der Künstlerin Ingrid Seddig, an der Wand des kleinen Kursaals hängt dazu eine weitere Tafel. Der sogenannte „antike Torso“ ist eine 1971 geschaffene Steinskulptur von Gertrud Angelika Wetzel am Westrand des Kurparks. Schüler des Johannes-Kepler-Gymnasiums haben 2014 Wände in den unteren Anlagen von 1960 mit Fliesen verschönert. Kuranwendungen werden derzeit nur noch im „SoleBad Cannstatt“ und im Mineralbad Leuze angeboten, das sind hier z.B.: Teilmassagen, manuelle Lymphdrainagen nur auf ärztliches Rezept, Kompressions-Bandagierung nur auf Rezept, Bewegungstherapien im Bewegungsbad auf Rezept, Thermotherapien als Wärmetherapien mittels Heißluft (Teillichtbad) sowie Funktionstraining der Rheuma-Liga. Der private Betrieb „Zentrum für ambulante Rehabilitation“ (ZAR) ist 2007 in die vormals von den städtischen Bäderbetrieben genutzten Räumlichkeiten des inneren Kurzentrums im SoleBad Cannstatt eingezogen. Dort sind, ebenfalls auf Rezept, die gleichen Kurbehandlungen erhältlich wie im Mineralbad Leuze. Zu den Mineralquellen: Ca. 44 Millionen Liter Mineralwasser werden insgesamt pro Tag aus allen Stuttgarter Mineralquellen zusammengerechnet ausgeschüttet – das entspricht rund 500 Liter pro Sekunde. Ein Großteil davon strömt aus nicht gefassten Quellen ungenutzt in den Neckar. Teils ist dies ersichtlich an aufsteigenden Gasbläschen. [155] Stuttgart verfügt über symbolträchtige 21 unterschiedliche Mineralquellen:1078 1077 Die erste englische Kirche in Deutschland entstand 1857 in Bad Ems: Hierzu Ziegler 2004, S. 149 ff.; 205 ff. 1078 Eine exakte „Quellen“-Anzahl ist irrelevant, weil Grundwasser ein zusammenhängendes Drucksystem ist. Brunnen: Relevant sind vielmehr Schüttungsmenge und Mineralgehalt der Brunnen, die untereinander erheblich variieren. - 179 1 Wilhelmsbrunnen, 2 Lautenschlägerbrunnen,1079 3 Gottlieb-Daimler-Quelle (alle drei Kurpark), 4 Hofrat-Seyffer-Quelle (Reinhold-Maier-Brücke Neckar), 5 Inselquelle (Neckarknie), 6 Leuzequelle, 7 Berger Urquell, 8 Berger Nordquelle, 9 Berger Ostquelle, 10 Berger Mittelquelle, 11 Berger Westquelle, 12 Berger Südquelle (alle Bad Berg), 13 Wilhelma-Quelle (im zoologisch-botanischen Garten), 14 Auquelle (Voltastraße), 15 Kellerbrunnen (Kellerbrunnengasse), 16 Travertinquelle (Kraftwerk Münster), 17 Schwefelbrunnen (untere Anlagen Schlossgarten), 18 Schiffmannbrunnen (Badstraße), 19 Kunstmühlebrunnen (Poststraße S-Berg), 20 Veielbrunnen (Veielbrunnenweg), 21 Mombachquelle (Quellsee an der Neckartal-Straße mit Badebecken, gefasst als Inselebrunnen am Neckarhafen – derzeit Baustelle S21). [175] Die 11 erstgenannten Brunnen sind als offizielle Heilquellen staatlich anerkannt und überwiegend hoch konzentrierte Mineralwasserbrunnen mit typischem Sauerwasser-Geschmack, Daimler- und Seyffer-Quelle schmecken als Solen bitter und salzig, während einige der letzteren eine niedrigere Konzentration haben und damit eine mildere Geschmacksrichtung aufweisen, die gewöhnlichem Tafelwasser ähnelt. Das Spektrum reicht von gering konzentrierten Quellen über schwefelhaltige Wässer, stark kohlensäurehaltige oder chloridhaltige Säuerlinge bis hin zur konzentrierten Sole. Die Heilquellen wirken besonders bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rheuma, Hautleiden, muskulären oder orthopädischen Problemen sowie zur Steigerung der Leistungsfähigkeit. Die durchschnittliche Wassertemperatur der natürlich kohlensäurehaltigen Quellen liegt bei etwa 18° Celsius und es kommen nur geringe Temperatur-Unterschiede vor. Drei Thermalquellen sind zu nennen: Hofrat-Seyffer-Quelle (22°C), Inselquelle (21°C), Berger Urquell (20°C).1080 Bereits ab einer natürlichen Wassertemperatur von mindestens 20° Celsius oder mehr spricht man von einer „Thermalquelle“, wenngleich sich diese Art „Thermalwasser“, zumindest als Badewasser, auf der Haut doch ziemlich kalt anfühlt. Mutmaßlich mit aufgrund der räumlichen Nähe zum Schwäbischen Vulkan bei Bad Urach ist auch im Bad Cannstatter Erdboden durchaus eine gewisse Restwärme vorhanden, welche das Grundwasser erwärmt.1081 Berühmte Kurstädte wie Baden-Baden, Wildbad oder Wiesbaden besitzen demgegenüber heiße Quellen von etwa 40° C oder gar sehr heiße von 70° Celsius und darüber. Die Bad Uracher Therme misst 61° C. Nicht mehr zugänglich, versiegt oder zugeschüttet sind die Quellen: 1 Männlein, 2 Weiblein, 3 Heine'scher Brunnen (alle drei Badstraße), 4 Stadtsulz (am Cannstatter Rathaus), 5 Obere Sulz (am Wilhelmsplatz), 6 Wilhelmaquelle mit Trichter (Wilhelma), 7 Rosensteinquelle (Quellenstraße), 8 Ochsenquelle (Brückenstraße), 9 Mühlgrünquelle (Parkhaus Mühlgrün), 10 Zais'scher Brunnen, 11 Geßwein'scher Brunnen (beide am Mühlgrün), 12 Quelle im Stern'schen Garten (Brunnenstraße), 13 Wiesenquelle (Sulzerrain), 14 Carlsquelle (Sulzerrain), 15 Trommelwiesenquelle (Veielbrunnen- Weg), 16 Brunnen in der Taubenheimstraße, 17 Berger Sauerbrunnen, 18 Hirschquelle (im unteren Schlossgarten an der Cannstatter Straße), 19 Stöckachbrunnen (Stöckach), 20 Breuninger-Brunnen (Marktplatz in Stuttgart), 21 Brunnen Raitelsberg (Ost), 22 Südmilch Quelle (Cannstatter Str.), 23 Wullebrunnen (Konrad-Adenauer-Straße), 24 Bopser-Brunnen mit Gehaltsrückgang (Weinsteige), 25 Brunnen Neckarpark (Mercedes-Benz-Arena). Einige der intakten Brunnen werden heute nur wenig bis überhaupt nicht mehr genutzt. Zu nennen ist neben dem verkannten Potenzial insbesondere der Verlust der fünf erstgenannten Brunnen als einstmals wichtige Heilquellen im Kurbetrieb. Auch die zweckentfremdete Nutzung des Brunnens im zoologisch-botanischen Garten ist hierbei anzumerken, vor allem weil dieser ursprünglich durch ein aufwendiges Verfahren mit Trichter von einem Süßwasserzustrom getrennt wurde, sodass in der königlichen Wilhelma ein gleichzeitiger Genuss von Süßwasser und von Mineralwasser, sowie die Durchführung einer Trinkkur, möglich war. Touristenmagneten der Stadt sitzen direkt an der Quelle. Jeder monographischen Darstellung fehlt vor allem der Vergleich. Bereits 1883 gedachte Robert Quellen existieren nicht für die Ewigkeit, können an Gehalt gewinnen und verlieren. Neue werden erschlossen. 1079 Zur Vereinfachung wird anstelle des „Wilhelmsbrunnens Nr. 2“ der Name des abgezweigten Brunnens verwendet. 1080 Bis 1901 wurden die Temperaturen in Deutschland oft noch in Réaumur angegeben. 1° Celsius entspricht ca. 0,8° R. 1081 Vgl. Hagel, in: Niess/ Lorenz 2004, S. 58. 180 Flechsig diesen Umständen abzuhelfen und veröffentlichte sein Überblickswerk „Bäder-Lexikon“. Im Vorwort heißt es „(...) über gewisse lokale Verhältnisse eines Kurorts und dessen Kurmittel (…) Geben auch in vielen Fällen Monographien hierüber Aufschluß, so thun diese es leider meist in einer die 'oratio pro domo' nicht verkennen lassenden, schöngefärbten Darstellung, welche mit den thatsächlichen Verhältnissen nicht immer vollkommen übereinstimmt (...)“.1082 Tatsächlich sind es in erster Linie Badeärzte, Freunde und Förderer Cannstatts, die schriftliche Abhandlungen über den Kurort veröffentlicht haben. Um ein unscharfes historisches oder aktuelles Bild zu vermeiden, wird Bad Cannstatt im Folgenden mit anderen Bädern des 19. Jahrhunderts, die auch im 21. Jahrhundert noch solche sind, verglichen.1083 Doch wie außergewöhnlich ist nun Bad Cannstatts Entwicklung als Kurstadt, und ist es in seiner Situation allein? 7. Bädervergleich Die Glanzzeit der Bäder ist längst Geschichte und von einer Kur vielerorts kaum noch eine Spur. Spätestens in der zweiten Hälfte des 20. Jhs. hat sich herausgestellt, dass Land- und Kleinstädte besser oder fast ausschließlich für Kuraufenthalte geeignet sind. Hier ist vor allem das notwendige Heilklima vorhanden, weitläufige Bewegungsfreiheit gegeben, Enge und Hektik nach Möglichkeit vermieden. Größere Städte haben die Kur immer weiter eingeengt und letztlich vertrieben. Abgase sowie Lärm verursachen Stress und machen Kuren heute fast unmöglich. Gleichwohl ist nicht jeder kleine bzw. heute noch intakte Erholungsort frei von regionalplanerischen Fehlgriffen: Der Kurort Bad König im hessischen Odenwald zum Beispiel verfügt zwar über günstige Voraussetzungen der landschaftlichen Umgebung mit reichlich Platz, trotzdem ist in dem örtlichen Kurpark ständig der Verkehrslärm der Bundesstraße 45 zu hören, sodass ein Kuraufenthalt empfindlich gestört wird. Eine Wiederentdeckung der Kur zeichnet sich ab: „Die Funktion der Kurparks ist heute wichtiger denn je. In unserer modernen und technischen Welt mit der Reizüberflutung durch die Medien benötigen die Menschen ganz besondere Rückzugsmöglichkeiten“,1084 so formuliert es der Deutsche Heilbäderverband auf seiner Website. Die Anzahl alter Menschen nimmt zu. Eine Kur kann aber nur nutzen, wenn sie sich neuen Umständen und Anforderungen anpasst. Kann eine Großstadt nebenbei Kurstadt sein, oder stehen wir hier vor einem Widerspruch in sich? Manche Kurstadt hat sich seit der Gründerzeit zu einem Kurbad mit urbaner Struktur entwickelt, wie etwa Wiesbaden, Aachen, Cannstatt. Insbesondere Aachen und Cannstatt mit Stuttgart sind zu Großstädten angewachsen. Das städtische Wachstum stand dem Kurwesen sukzessive im Weg, denn Industrie, Verkehr, Baustellen und Abrisse sowie die Kriegszerstörung vertrieben die Kurbetriebe mancherorts fast restlos, wie beispielsweise in Bad Aachen geschehen.1085 Cannstatt läuft Gefahr, sein Prädikat als „Bad“ zu verlieren. Nur die Heilquellen bewahren es bislang davor. Zurecht fragen Kurgäste sogar längst nach der „(...) Berechtigung, mit der sich eine 300.000 Einwohner zählende Stadt wie Aachen oder auch Bad Cannstatt, ein Stadtteil von Stuttgart, 'Heilbad' nennen“1086 darf. Denn: „(...) Nicht jeder Kurort hält, was sein Titel verspricht. Von einem vorbildlichen Heilklima kann längst nicht überall die Rede sein“,1087 stellten Wissenschaftler bereits Ende der 1980er Jahre fest. Es wird außerdem unterschieden zwischen rein städtisch betriebenen Bädern wie z.B. Stuttgart oder auch Wiesbaden, Privatbetrieben wie etwa der Kur- und Badegesellschaft Aachen mbH, und den staatlich getragenen, 1082 Flechsig 1883, S. V. Wie schon Flechsig andeutet, lässt sich feststellen, dass nahezu alle Kurort-Monographien lokalpatriotisch schöngefärbt sind Wenn darin Informationen von Außenstehenden eingeholt wurden, dann fast ausschließlich bei in den Kurbetrieb Involvierten. Schließlich macht dies etwa einen Reiseführer aus. 1083 Der Verfasser vorliegender Abhandlung war jederzeit um sachgerechte Angaben und fachliche Kritiken bemüht. 1084 Quelle: http://www.deutscher-heilbaederverband.de/qualitaet/park-im-kurort/ Aufgerufen am 11.03.2022. 1085 Der Zweite Weltkrieg war in Aachen in erster Linie ausschlaggebend. Ende 2020 hatte Aachen 248.878 Einwohner. 1086 Leslie Rowe: „Kampf ums Prädikat“, in: Die Zeit vom 30.9.1988. 1087 Ebd. Wenig zutreffend werden Großstädte wie Stuttgart - scherzhaft - gelegentlich "größtes Dorf der Welt" genannt. 181 oft kulturell bedeutendsten Staatsbädern wie z.B. Bad Kissingen als bayerisches Staatsbad, Baden- Baden als baden-württembergisches, Bad Ems als rheinland-pfälzisches, oder Bad Pyrmont als ein nieder-sächsisches Staatsbad u.a. Die drei Staatsbäder Baden-Baden, Bad Ems und Bad Kissingen werden als die bedeutendsten Kulturzeugnisse und als die prächtigsten Bauzeugnisse von deutschen Kurstädten gesehen und wurden am 24.07.2021 mit acht anderen europäischen Kurstädten in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen.1088 Es sind die Bäder Karlsbad, Franzensbad, Marienbad als westböhmisches Bäderdreieck Tschechiens, Bath in England, Spa in Belgien, Vichy in Frankreich, Montecatini Terme in Italien und Baden bei Wien in Österreich – elf berühmte Bäder der Glanzzeit. Heilbäder und insbesondere Kurstädte, sofern es letzte überhaupt noch gibt, müssen sich nun den Anforderungen der Gegenwart anpassen. „Unter den Kur- und Modebädern des 19. Jahrhunderts ist Wiesbaden die einzige Stadt, die die Entwicklung hin zur Großstadt ohne den Verlust ihrer Identität als Kurstadt vollzogen hat“,1089 behauptet etwa Diplomingenieur Martin Horsten, Leiter der Denkmalschutzbehörde der Stadt Wiesbaden. Wann wir uns in einem Kurort und wann in einer Kurstadt befinden, scheint allerdings weniger erheblich zu sein als die Frage nach der Großstadt. Interessanterweise hat sich die Städte-Definition seit dem Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr verschoben: Seit der internationalen Statistik-Konferenz von 1887 gilt eine Stadt mit mindestens 100.000 Einwohnern als Großstadt.1090 Verfügte ein Ort im Mittelalter über Stadtrecht, dann wird er meist als „Stadt“ bezeichnet. Definiert sind außerdem die „Landstadt“ mit weniger als 5.000, die „Kleinstadt“ mit weniger als 20.000 sowie die „Mittelstadt“ mit weniger als 100.000 Einwohnern. Während Bad Cannstatt mit den dörflichen Kurorten in ihrer idyllischen Landschaft kaum noch vergleichbar ist, gibt es eine Reihe von interessanten, ähnlichen Vergleichsbeispielen: In Aachen, dem römischen Aquae Granni mit seinen heißen Quellen, gibt es heute drei gesonderte Kuranlagen: Den Kurgarten an der Monheimsallee im Nordosten, den Kurpark von Burtscheid im Südosten sowie den zentralen Kurgarten am Elisenbrunnen genau in der Stadtmitte. Burtscheid liegt mit nur rund 5 Kilometern ähnlich nah an der Aachener Innenstadt wie Bad Cannstatt an der Stuttgarter Innenstadt; der Kurgarten Burtscheids grenzt sogar an den Aachener Hauptbahnhof. Wie Cannstatt wurde der vormals eigenständige Kurort Burtscheid, schon im Jahr 1897, mit der Kurstadt Aachen vereinigt. In diesem Fall vereinigten sich zwei Kurstädte.1091 Im Zweiten Weltkrieg wurde Aachen ganz zerstört.1092 Unmittelbar nach den ersten Bombentreffern des Jahres 1941 beauftragte die Stadt Professor Mehrtens mit Wiederaufbauplänen.1093 Mehrtens schlug u.a. vor, alle drei Kuranlagen zu erhalten, sodann die Stadtmitte und Monheimsallee über die für den Automobilverkehr zu sperrende Peterstraße als reine Promenaden- und Ladenstraße miteinander zu verbinden. Der Plan scheiterte 1944 wohl an der vollständigen Zerstörung der Stadt; damit bleiben die Parkanlagen, ganz anders als in Stuttgart, isoliert voneinander. Besonders interessiert hier der innerstädtische Kurpark am Elisenbrunnen, letzter weist auch parallele Gestaltungselemente auf wie die ursprünglich für Cannstatt durch Barth geplante Wandelhalle von Bad Boll. Nach 1945 hat Aachen dann jedoch bedauerlicherweise „das Risiko einer innerstädtischen Kuranlage gemieden“,1094 wie 1984 Andreas Bernhard feststellte. Die Konzeption von Mehrtens und von anderen Stadtplanern, etwa mit den Ladenstraßen als Kurpromenaden, hätte durchaus originelle und bundesweit sicherlich einmalige 1088 Hierzu Förderer 2010/ Eidloth (Hrsg.) 2012. Die Bewerber Bad Homburg, Pyrmont, Wiesbaden scheiterten 2016. 1089 Martin Horsten: „Das baukulturelle und gartenkünstlerische Erbe Wiesbadens im 20. und 21. Jahrhundert“ 2011. Online: https://www.wiesbaden.de/kultur/kulturerbe/bau-gartenkunst.php. Aufgerufen am 11.03.2022. 1090 M. Körösi, Bulletin de l'institut international de statistique 1887, Bd. 2, Nr. 1, S. 212. 1091 In der Zeit vor 1941 verlief die Kurstädte-Vereinigung Aachen-Burtscheid noch befruchtend, z.B. mit dem Bau des Neuen Kurhauses. Auch Stuttgart hat Mineralquellen und kann im weitesten Sinne als Kurstadt bezeichnet werden – zumal seit der Eingemeindung des Kurorts Berg 1836 die nötigen Einrichtungen vorhanden sind – die Stadt Stuttgart selbst trat im Gegensatz zu Aachen in den prägenden Zeiträumen aber kaum als Kurort in Erscheinung. 1092 Wie in Stuttgart gibt es Industrie in der Stadt und eine Technische Hochschule. Aachen, mit aktuell knapp 248.000 Einwohnern, verzichtet auf das Führen des Titels „Bad Aachen“ aufgrund von Nachteilen in alphabetischen Listen. Der Stadtname Aachen leitet sich von Mineralquellen ab (vgl. aqua/ Aken/ Aix-la-Chapelle; Teinach; Stöckach). 1093 Vgl. Andreas Bernhard, in: Bothe 1984, S. 180. 1094 Andreas Bernhard, ebd., S. 172. 182 Varianten einer Kurstadt, für ein anderes Publikum, hervorgebracht. Einzigartig für eine deutsche Großstadt liegt der Elisenbrunnen, mit dem angrenzenden Kurgarten, mitten in der Innenstadt. Die einzelnen drei Kurparks sind städtebaulich leider nicht zu verbinden, sie liegen isoliert und allseitig verbaut.1095 Hier hat die Stadt Stuttgart mit ihren Parkanlagen enorme Vorteile und könnte sie mit einer Direktanbindung des Kurparks sogar noch ausbauen. Die Achse Kurpark-Neckar ist für die Zukunft eine lösbare städtebauliche Aufgabe. [174] Beim Bau des großen Aquis Grana City Hotel 1980 wurde aber die Möglichkeit verpasst, neue Therapieanlagen in Aachen zu schaffen. Der Reiz der Bäderstadt Aachen liegt doch gerade in ihrer weltgewandten Urbanität, man denke an den Dom, und die für ein Bad eher ungewöhnlich dichte Bebauung und Demographie stellen schwierige, aber attraktive Aufgaben. Mit zwei großen Kurkliniken ist der Kurbetrieb fast ausschließlich in den rund fünf km von der Innenstadt entfernten und nah am Hauptbahnhof gelegenen Stadtteil Burtscheid verlagert.1096 Doch heute leidet Aachen mit knapp 245.000 Einwohnern in Talkessellage wie schon Stuttgart unter der Luftverschmutzung; an vergleichbare Diesel-Fahrverbote ist bereits gedacht. Ebenfalls werden hier neue Bauplätze und Wohngebiete gesucht. Die Politik will sich für den Erhalt des Kurstandorts Burtscheid einsetzen. Der Weg hin zu einer „gesünderen“ Stadt, als Voraussetzung einer Wiedereinführung oder als Belebung der Kur, wäre hier ein gemeinsames Interesse der Städte Aachen und Stuttgart. Wiesbaden, das römische Aquae Mattiacorum als Großstadt mit Kurbetrieb, sollte ebenso mehr für die Luftreinhaltung, Verkehrsentlastung und die Radweg-Infrastruktur tun.1097 Die Kuranlagen befinden sich wie in Stuttgart-Bad Cannstatt konzentriert nordöstlich der Innenstadt. Weiter in der Richtung schließen die Kurparkanlagen am Salzbach entlang seit 1827 an den Stadtteil Sonnenberg an, der zu den stadtnahen Waldgebieten im Norden führt. Heute zählt Wiesbaden rund 278.000 Einwohner und verfügt über drei große Kliniken, die auf Kuranwendungen spezialisiert sind. Kunsthistorisch nahezu einmalig ist der von dem Cannstatter Christian Zais entworfene Straßenplan „Historisches Fünfeck“ der Stadterweiterung. Nach Wiesbaden kam Zais über den Umweg durch Hofheim am Taunus, wo er nur einige Monate als Landbaumeister tätig war, danach folgte eine Berufung zum nassauischen Bauinspektor, die ihm bereits im Jahr 1805 seine Stelle in Wiesbaden vermittelte. Dabei mag eine Rolle gespielt haben, dass der nassauische Staatsminister Ernst Franz Ludwig Marschall von Bieberstein (1770-1834) mit Zais auf der Stuttgarter Hohen Karlsschule studiert hatte. Angefangen mit dem alten Kurhaus 1808-1811, über die Wilhelmstraße 1810, den prachtvollen Boulevard der Kurstadt, folgten repräsentative Bauten darauf, wie das Erbprinzen- Palais von 1813 und das nicht erhaltene Hotel „Vier Jahreszeiten“ von 1821. Die Wilhelmstraße, benannt nach Wilhelm I von Nassau-Weilburg, verläuft genau zwischen der Wiesbadener Altstadt im Westen und dem Kurviertel im Osten, woran das Bowling Green mit dem neuen Kurhaus anschließt. „Die Stadt Wiesbaden in ihrer Ausdehnung im Jahr 1910 steht heute als eines der größten Flächendenkmale nahezu vollständig unter Denkmalschutz“.1098 In den 1960er und den 1970er Jahren hat die deutsche Kunstgeschichte schließlich ihre Gründerzeit- und Kurarchitektur wiederentdeckt.1099 Die Kurstadt Wiesbaden mit ihrer edlen Villenbebauung war nach 1945 noch vergleichsweise geringfügig von der Zerstörung des Zweiten Weltkriegs betroffen und sie steht u.a. deswegen auch international betrachtet als ein Paradebeispiel für erfolgreichen Denkmalschutz. Ihre Struktur als Kur- und Beamtenstadt ist eben noch deutlich erkennbar. Dabei war auch Wiesbaden als Kurstadt um 1963 anhand von Ernst Mays Planwerk „Das neue Wiesbaden“ ernsthaft in Gefahr und es verdankt seine Erhaltung vor allem dem Denkmalschutz und Protest bürgerlicher Demonstranten und Studenten.1100 Im Jahr 1974 wurde der Schutz von Kulturdenkmälern in Hessen gesetzlich 1095 Vgl. ebd. Zur Aachener Stadtgeschichte auch Michael Römling: „Aachen. Geschichte einer Stadt“, Soest 2007. 1096 Siehe auch Sarah-Lena Gombert: „Was wird aus dem Kurwesen in Burtscheid?“, Artikel vom 7.5.2018 unter URL: http://www.aachener-nachrichten.de/lokales/aachen/was-wird-aus-dem-kurwesen-in-burtscheid-1.1889946. 1097 Beim Vergleich der Radwege in Großstädten belegte Wiesbaden den letzten Platz: ADFC Fahrradklima-Test 2016. 1098 Horsten 2011, S. 48. 1099 Vgl. Bothe 1984, S. 12. 1100 Vgl. Horsten, ebd. Mit dem "Faulbrunnen" im Stadtwald hat z.B. auch Frankfurt a.M. eine schwefelhaltige Quelle. 183 verankert. Um 1975 hat sich Wiesbaden für einen völlig anderen Kurs in der Stadtplanungspolitik entschieden und wurde daraufhin im Jahr 1978 für „Stadtgestalt und Denkmalschutz im Städtebau“ prämiert. Wiesbaden wird zum Vorbild in puncto städtebaulicher Denkmalschutz, als auch für die architektonische Dokumentation des neunzehnten Jahrhunderts sowie der gleichzeitig auftretenden Kurarchitektur. Zu der enormen Frequentierung von Wiesbaden besonders um 1900 hat sicherlich auch beigetragen, dass es mit Schlangenbad, Bad Schwalbach und Bad Soden von mindestens drei weiteren Taunusbädern umgeben ist, sodass sich die Anreise in jeder Hinsicht lohnte. Im Taunus gibt es ein außergewöhnlich reiches Vorkommen an Thermal- und Mineralquellen und demzufolge ein sehr dichtes Netz an Heilbädern. Im Norden gehört das berühmte Niederselters dazu, im Westen zudem Bad Ems, im Osten Kronberg und Bad Homburg. Die Bundesstraße 260 wird deshalb auch „Bäderstraße“ genannt; diese Landschaft an Kurorten ist gut vergleichbar mit dem Gebiet zwischen Fichtelgebirge, Erzgebirge und Kaiserwald an der deutsch-tschechischen Grenze. Bonn hat heute über 322.000 Einwohner und wurde durch die Eingemeindung von Bad Godesberg im Jahre 1969 zur Bäderstadt. Im Vergleich mit Stuttgart-Bad Cannstatt kam die Vereinigung Bonn- Bad Godesberg recht spät zustande. Die Godesberger Heilquellen bekamen ab 1790 überregionale Beachtung, als der Kurfürst Maximilian Franz von Österreich (1756-1801) den Draitschbrunnen neu fassen, eine Redoute, neun Logierhäuser sowie einen Kurpark anlegen ließ. Mit 74.280 Einwohnern Ende 2017 und einer Fläche von 31,97 km² ist Bad Godesberg ähnlich hoch urbanisiert und flächenmäßig gut doppelt so groß wie Bad Cannstatt mit über 70.000 Einwohnern und 15,71 km² Fläche. Jedoch ist Bad Cannstatt damit wesentlich dichter besiedelt. Mit dem Rhein liegt Bad Godesberg an einem Fluss, der noch breiter ist als der mittlere Neckar. Allerdings liegt Godesberg mit über 8 Kilometern wesentlich weiter entfernt von der Innenstadt Bonn als Bad Cannstatt von der Innenstadt Stuttgart mit nur 4 km. Die Fläche an Wald ist im Bonner Stadtteil Bad Godesberg mit 7,9% für Kurstädte gering, im Vergleich mit Stuttgart-Bad Cannstatt allerdings recht hoch; Bad Cannstatt hat mit verschwindenden 0,1% praktisch keinen Wald mehr. Anders ist das Stadtgebiet Stuttgart insgesamt mit fast einem Viertel von Waldgebieten bedeckt, was doch beachtlich ist. Der Nachteil für Bad Cannstatt, das im Nordosten der Stadt liegt, besteht darin, dass sich der Wald fast ausschließlich im Süden und Westen Stuttgarts befindet.1101 Die lebensnotwendige grüne Lunge Bad Cannstatts ist die Parkfläche, die immerhin rund 12,8 Prozent der Gesamtfläche einnimmt. Weitere 16,8% sind Agrarflächen und ein Teil davon sind Weinberge, durchaus mit Weinwanderwegen als Bewegungsmöglichkeit im Freien. Wegen des Neckars ist übrigens die Wasserfläche mit 6,4% auch für Kurstädte überdurchschnittlich groß. Als abschreckendes Beispiel für Großstädte mit Kurbetrieb dürfte die Tatsache gewertet werden, dass Godesberg, seit 1926 „Bad“ Godesberg, sein Kurort- Prädikat abgeben musste und unter den staatlich anerkannten Kurorten in Deutschland nicht mehr gelistet wird.1102 Kassel, die Großstadt in Hessen mit knapp 200.000 Einwohnern, wurde 1928 mit Wilhelmshöhe vereinigt. Der auf einer Anhöhe von 276 Metern gelegene Ort Wilhelmshöhe wurde schon in der Barockzeit als Lustgarten entdeckt und fortan zu einem Landschaftsgarten mit Bergpark, Grotte und Aussichtsburg gestaltet. Nach Plänen von Giovanni Francesco Guerniero (1665-1745) ließ Landgraf Karl von Hessen-Kassel (1654-1730) den „Herkules“ als oktogonalen Bau mit Aussichtsturm und Grotten erbauen. Auf der Turmspitze steht eine Skulptur des Herkules. Für den Landgrafen Wilhelm IX wurde zudem 1786 bis 1798 im klassizistischen Stil das stattliche Schloss Wilhelmshöhe erbaut. Die Wilhelmshöhe mit ihrer Aussicht ist seither ein beliebtes Ausflugsziel geblieben. Erst in den 1970er Jahren wurden gezielte Bohrungen nach Thermalwasser durchgeführt, 1979 mit Erfolg, und 1980 wurde eine Thermalsole schließlich als Heilquelle staatlich anerkannt. Seither sind auf der Höhe Kuranlagen und im Stadtgebiet von Kassel Kurhotels errichtet worden. Zu den in Deutschland 1101 Vgl. Siegfried Hieber, in: Stroheker 1979, S. 139-144. Die größte Fläche Cannstatts ist die bestehende Wohnfläche. 1102 Siehe Simon Wörpel: „Bad Godesberg hat Kurorts-Prädikat eingebüßt“, in: General-Anzeiger Bonn, Artikel vom 3.9.2011. Vgl. Heilbäder- und Kurorteverzeichnis, Anlage 15 zu § 35 Abs.1 S.1 Nr.4 der Bundesbeihilfeverordnung (BGBI. I, S. 2403; 2425), ausgegeben zu Bonn am 31.10.2016. Vgl. Deutscher Heilbäderverband: Nicht gelistet. 184 staatlich anerkannten Heilbädern zählt Bad Wilhelmshöhe erst seit 2002. Durch seine Lage hat Wilhelmshöhe das Glück, etwas abseits des großstädtischen Geschehens zu liegen und von Wäldern umgeben zu sein, die Sauerstoff und Kühle produzieren. Mitten in der Bundeshauptstadt Berlin befindet sich der Stadtbezirk Gesundbrunnen. Bereits der Ortsname weist auf eine heilkräftige Mineralquelle hin;1103 in der Tat war der 1861 in die Metropole eingemeindete Bezirk seit etwa 1748 ein Kurort. Ein Bade- und Kurbetrieb konnte noch bis 1891 aufrecht erhalten werden, bis durch den Bau der Kanalisation die Quelle stark beschädigt wurde und nicht mehr neu gefasst werden konnte. Die namensgebende eisenhaltige Mineralquelle von Berlin- Gesundbrunnen sprudelt heute nicht mehr.1104 Ebenfalls bald in Vergessenheit geraten ist der in der Hansestadt Hamburg im Jahre 1633 entdeckte Gesundbrunnen mit Gasthof in Hamburg-Borgfelde. Mit der Gemeinde „Brunnthal“, neben Bogenhausen, wurde der bayerischen Metropole München 1892 ein Kurort des 19. Jahrhunderts mit Brunnenhaus (Brunnhaus) eingemeindet. In der Domstadt Köln wird die „Claudius-Therme“ zwar durchaus mit staatlich anerkannter Heilquelle betrieben; dennoch ist ein offizieller Heilbäderbetrieb hier bisher nicht zulässig. Im letzten Viertel des 19. Jhs. wurde in dem erst 1999 nach Dresden eingemeindeten sächsischen Langebrück das „Curbad“ Lindenhof betrieben. Doch ob in Berlin, Hamburg, München oder Köln – in keiner der deutschen Millionenstädte konnte ein offizielles Kurwesen aufrecht erhalten werden. Wanne-Eickel, Kurort seit 1894, vereinigte sich mit anderen Bezirken 1975 zur Stadt Herne, die heute 156.774 Einwohner zählt. Mitten im Ruhrgebiet gelegen, dem größten Industrieballungsraum in Deutschland, ist Herne-Wanne ein Großstadtbezirk mit Sole-Thermalbad und für die Region ein sehr wertvolles „Rheumazentrum Ruhrgebiet“. Zwei weitere Bäder im Ruhrgebiet und nebenan sind Hamm, mit 179.571 Einwohnern und seit 2009 mit einem Gradierwerk, sowie die Kreisstadt Unna (Königsborn) in Westfalen. Alle drei sind aufgrund der Gesetzeslage in Nordrhein-Westfalen nicht offiziell als deutsche Kurorte gelistet. Doch sogar Atemtherapien mit Sole an den Gradierwerken im Grugapark Essen sowie im Revierpark Mattlerbusch in Duisburg-Hamborn sind heute mitten in dem einst stark luftverschmutzten Großstadt-Ballungsraum Ruhrgebiet und Binnenhafen Duisburg möglich. In Mülheim a.d. Ruhr gibt es im Raffelbergpark ein ehem. Solbad, Bochum und Dortmund haben Mineralquellen. Vor dem Hintergrund des Wortstamms „Hall-“ wie in Reichenhall kommen zahlreiche Orte in Betracht. Mit Halle an der Saale liegt eine Großstadt im Osten Deutschlands vor, in der 1923 bis 1925 das nicht mehr betriebene Solbad Wittekind entstand. Nach Jahrhunderten der Salzgewinnung aus der Natursole wurde hier 1846 das erste Solebad eingerichtet, welches durchaus berühmt wurde. Es gibt eine Geschichte um den „Kurgarten“ in der Metropolregion Nürnberg im mittelfränkischen Fürth und seit 2007 wieder ein Thermalbad. In Offenbach am Main wurde 1888 eine Heilquelle erschlossen und in einigen weiteren deutschen Großstädten bzw. größeren Städten und Stadtteilen gibt es natürlich Mineralwasser. Die Barockstadt Ludwigsburg bewegt sich ähnlich wie Hanau-Wilhelmsbad mit über 93.000 Einwohnern statistisch am Rande einer Großstadt. Die ehemalige württembergische Residenz mit ihrem weit bekannten Barockschloss ist eine Stadt der Alleen. 1926 wurde das 1907 zum Heilbad aufgestiegene Hoheneck am Neckar eingemeindet. Das am 14. Juli 1907 eröffnete Heilbad im Jugendstil wartete mit einem Hotel, zwölf Holzwannen und einer Trinkhalle auf. 1978 wurde das alte Bad geschlossen. Der Bohrturm steht noch heute und in der Ruine ist noch ein Mineralbrunnen in Betrieb, an dem Trinkwasser abgefüllt werden kann. Das einzige Heilbad in Hoheneck verfügt heute über drei verschieden temperierte Becken, eine Dampfgrotte, ein Sole-Inhalatorium, ein Sole-Bewegungsbad. Das Heilbad bietet Aquafitness- Kurse und Übungsbehandlungen an. Freiburg im Breisgau hat derzeit 227.590 Einwohner und mit dem „Eugen-Keidel-Bad“1105 an einem Waldrand, rund acht Kilometer vor der Freiburger Innenstadt 1103 Ebenso verraten die Ortsnamen „Hohenbrunn“, „Hellabrunn“ (München) und der des Stadtbezirks „Perlach“ etwas über Quellen. Obwohl eine Nutzung des „Hohenbrunn“ im Mittelalter überliefert ist, entwickelten sich diese Orte ab der Neuzeit bzw. im 19.Jh. nicht wie andere Bspe. zum Kurort. Vgl. Eisenach, Teinach, Urach, Kreuznach, Aachen. 1104 Möglicherweise könnte mit heutiger Technik wieder ausreichend Mineralwasser dieser Quelle erschlossen werden und damit erneut ein Bade- und Kurbetrieb für die Metropole Berlin entwickelt werden. Vgl. Wien-Oberlaa. 1105 Eugen Keidel (1909-1991) war von 1962-82 Bürgermeister von Freiburg und forcierte den Bau des Thermalbades. 185 gelegen, seit 1979 ein Mineral-Thermalbad mit einer Saunalandschaft, einem Naturbadebereich und Massagebereich. Freiburg ist eine grüne Stadt und hat mit der konsequenten Anwendung v.a. der Solarenergie eine Vorbildfunktion. In dem Heilbäder- und Kurorteverzeichnis des Bundes ist auch Freiburg im Breisgau als ein „Ort mit Heilquellen-Kurbetrieb“ gelistet. Die Stadt der Ökohäuser hat eine fahrradfreundliche Infrastruktur. Aquasportkurse, therapeutische Behandlungen und Wohlfühl- Anwendungen sind im Angebot des Eugen-Keidel-Bades zu finden. Salzgitter (104.948 Einw.) ist eine Großstadt im Südosten Niedersachsens und mit Salzgitter-Bad seit 1985 anerkanntes Sole- Heilbad, nachdem der Ort bereits im Hochmittelalter eine bedeutende Saline für die Salzproduktion gewesen war und die sehr starke Sole seit 1879 auch zu Badezwecken genutzt worden war. Um 1886 entstand ein Badehaus und 1911 ein größeres Bad mit Kurgarten. Im Jahr 1972 wurde ein neues Thermalsole-Wellenbad eröffnet. Wegen der Eisenerzvorkommen wurde dort ab den 1930er Jahren Erzbergbau mit Eisenhütten betrieben. Mit dem Sitz von u.a. Stahlkonzernen sowie mit Produktionen für Automobile seit den 1960er Jahren ist Salzgitter eine große Industriestadt. 2009 konnte durch eine Bürgerinitiative ein Gradierwerk errichtet werden, welches an die historische Bedeutung der Salzgewinnung für die Stadt erinnern soll und zugleich ein willkommenes Heilmittel für Atemwegserkrankte ist. Cuxhaven ist mit fast 50.000 Einwohnern die größte selbstständige Stadt unter den deutschen Seeheilbädern; mit über 76.000 Einwohnern ist Wilhelmshaven wegen seines Industriehafens kein anerkanntes Seebad mehr. Obwohl an der Nordsee mit ihren für die Atemwege günstigen Bedingungen gelegen, sind große Häfen durchaus problematisch aufgrund industrieller Abwässer und alter Dieselmotoren der Schiffe, die im Gegensatz zu den Fahrzeugen auf der Straße sogar teils noch ungefiltert sind. In Rostock und Lübeck befinden sich nah an deren Häfen zwei weitere Seebäder: Das Seeheilbad Warnemünde wurde bereits 1323 nach Rostock (208.886 Einw.) eingemeindet, liegt im Norden der Großstadt unweit des Rostocker Hafens an der Ostseeküste und hat noch immer den anerkannten Heilbad-Status. Ähnlich gehört das anerkannte Seeheilbad Travemünde zur Hansestadt Lübeck (217.198 Einwohner). 1913 wurde Travemünde nach Lübeck eingemeindet und veranschaulicht seine Geschichte als Meerwasser- und Sonnenbad seit 2007 in einem eigenen Seebadmuseum.1106 Sogar international als Heilbad erfolgreich ist das ungarische Budapest an der Donau.1107 Die größte Kurstadt in Europa ist mit ca. 1,8 Millionen Einwohnern Budapest. Die Parkanlagen und Erholungsflächen der ungarischen Hauptstadt sind dabei nicht einmal groß oder besonders glücklich verbunden. Mit rund 70 Millionen Litern Mineralwasser, die jeden Tag aus den Thermalquellen fließen, verfügt Budapest über das weitaus größte Mineralwasser-Vorkommen in Europa.1108 Mit seinen mehr als 22 Millionen Litern in Brunnen gefasstem Mineralwasser hat erwiesenermaßen die Stadt Stuttgart mit Bad Cannstatt und Berg das zweitgrößte europäische Vorkommen.1109 Geologen schätzen, dass weitere zwanzig Millionen Liter Mineralwasser in Stuttgart ungenutzt in den Neckar abfließen. Die Stadt an der Donau dampft an eiskalten Wintertagen wegen ihrer heißen Quellen. Die Osmanen eroberten einst diese Stadt und hinterließen türkische Bäder, die bis heute in Betrieb sind, wie den Király Hamam [167], Lucács Hamam, Rudas Hamam oder den Veli Bej Hamam. Das Széchenyi Thermal- und Schwimmbad z.B. verfügt über 21 Becken. Die Wasserfläche der Becken insgesamt beträgt 6.000 Quadratmeter, damit ist dies eines der größten Schwimmbäder weltweit. Das Leuze, als das größte Mineralbad in Stuttgart, verfügt dagegen über eine Wasserfläche von 1.700 qm in 6 Becken. An der zur Verfügung stehenden Menge von Mineralwasser gemessen, bleibt Stuttgart weit hinter den Möglichkeiten als Bäderstadt zurück: Allein schon die hochkonzentrierten Wässer der Veielquelle und des Kunstmühlbrunnens bleiben ungenutzt. Doch was macht speziell Budapest erfolgreich? In Budapest gehört das Bad gewissermaßen zu den Selbstverständlichkeiten des alltäglichen Lebens. Die Bäder haben in Osteuropa durchaus einen höheren Stellenwert als in 1106 Auf Literaturhinweise zu den angeführten Beispielen, die man meist in genannten Quellen findet, wird verzichtet. 1107 Vgl. hierzu Schukraft/ Kress 2006, S. 132. 1108 Über 120 Thermalquellen sind gefasst. Hierzu Csapó Tamás/ Lenner Tibor: „Settlement Morphology of Budapest“, Basel 2016, S.8. S.a. Weclawowicz-Bilska, E: Transformations of health resorts in the Cracow metropolis, 2018. 1109 Quelle: Website Stadt Stuttgart. Bäderbetriebe Stuttgart, „Mineralwasserbroschüre“. Siehe Anm. 1001. 186 Deutschland, insbesondere die Budapester Bürger identifizieren sich mit ihren Bädern, spielen im Schwimmbecken traditionell Schach. Ein sehr großer Stolz der osteuropäischen Metropole sind die Bäder und prachtvollen Badhotels und Bad-Paläste entlang der Donau.1110 Die Gebäude und Straßen werden gepflegt, stehen oft unter Denkmalschutz und werden von den zahllosen Fremdenführern täglich einer interessierten Schar von Touristen aus aller Welt schmackhaft gemacht. Während die Stuttgarter Museen, speziell die großen Technikmuseen, sehr wohl internationale Touristengruppen anziehen, haben dieselben von einem Kursaal nur selten gehört. Auch Budapest hat mit Emissionen, Licht-Verschmutzung, Straßenlärm usw. zu kämpfen und bisher eher weniger Lösungen erarbeitet als die deutschen Großstädte.1111 Budapest strahlt geradezu mit seinen Bäderbauten, bietet aber auch ein reichhaltiges Kultur- und Nachtleben an und ist bei jungen Leuten en vogue. Die in Osteuropa insgesamt oft vorzufindende, über alle Maßen positive Vermittlung und Vermarktung der Kurbäder lässt über die wie in jeder anderen Großstadt auch vorhandenen Schattenseiten hinwegsehen. Das Beispiel Budapest zeigt insofern deutlich, dass es darauf ankommt, welche Bedeutung man dem Bad beimisst und, zu welchen Anstrengungen man zum Wohle dessen bereit ist. Mängel sind zu verschmerzen, solange sie nicht überwiegen. Die Städtepartnerschaft Budapest-Bad Cannstatt sollte nun wirklich zu einem Austausch von Ideen und Nutzungskonzepten für die Bäder führen und so zu den Klimaschutzzielen der Industrie-Nationen und Großstädte beitragen. In Europa können das englische Cheltenham Spa, Nizza an der französischen Mittelmeerküste, Le Havre am Atlantik, Wien-Oberlaa sowie auch die „Idealstadt“ Livorno1112 in der Toskana oder das nordspanische San Sebastián als Beispiele für Großstädte mit vorhandener Kurstruktur gelten.1113 Die eisenhaltigen Mineralquellen in London-Clerkenwell wurden ab dem 17. Jahrhundert besucht. Weltweit zu nennen sind u.a. Sotschi in Russland, Bursa in der Türkei, Kairo in Ägypten, Addis Abeba in Äthiopien, in Amerika die Beverly Hot Springs in Los Angeles USA, Cuautla in Mexiko, Chillán in Chile, die Caldas Novas in Brasilien. China hat unter anderem in den Millionenstädten Anshan, Dalian, Suining und Tianjin zahlreich besuchte Bäder. Auch um die Mega-City Mumbai in Indien liegen natürliche Thermalwasserquellen mit heilsamen Bädern. Da Vulkanismus ein Indiz für Thermalquellen ist, kommen z.B. Island mit Hauptstadt Reykjavík oder Japan in den Blickpunkt: Japanische Thermalquellen werden Onsen genannt. In der größten Stadt der Welt, Tokio, sowie in den Millionenstädten Kobe und Nagoya werden Heilbäder betrieben, deren oftmals jahrhundertealte Kultur mit der europäischer Mineral- und Thermal-Heilbäder vergleichbar ist. Der Sembawang Hot Spring Park in Singapur oder die Peninsula Hot Springs an der Küste vor Melbourne in Australien sind nur zwei weitere Beispiele mittlerweile globalisierter Big-City-Spas des zwanzigsten und des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Im Übrigen gibt es zahlreiche deutsche Kurorte in der Größe von Mittelstädten, in oder neben welchen sich Industrie angesiedelt hat, z.B. in Bad Ems, Bad Homburg, Bad Vilbel, Bad Kreuznach oder Bad Friedrichshall. Dicht an Lübeck mit Seebad Travemünde liegt der Heilquellen-Kurort Bad Schwartau. Eine Mittelstadt ist auch die Kurstadt mit dem Kfz-Kennzeichen „BAD“, Baden-Baden. Zusammenfassend zeigen diese Vergleichsbeispiele, dass eine zunehmende Verstädterung der Kur längst nicht mehr die Ausnahme ist. Im Übrigen kämpfen fast sämtliche Kurorte, unabhängig von ihrer Größe, um den Fortbestand der Kur. Selbst Kurstädte wie Baden-Baden oder Bad Homburg vor der Höhe, mit ihren über 50.000 Einwohnern, zählen statistisch zwar nicht zu den Großstädten, sind aber vergleichbar von den Folgen der fortschreitenden Urbanisierung, Bevölkerungszunahme, Verkehrssituation und Emissionen betroffen. Einige Kurorte liegen überdies im dichteren Umland 1110 Wie im Neckar gab es bis um 1950 Flussbäder in der Donau. Doch auch das Wasser der nicht weit der Neckarquelle entspringenden Donau, zwischen Villingen-Schwenningen und Donaueschingen, ist ab etwa Ulm nicht rein genug. 1111 Ungarns ehemaliger Staatspräsident László Sólyom setzte sich in den 1980er Jahren für den Umweltschutz ein, die heutige Situation des Budapester Stadtklimas steht in gesamteuropäischem Kontext, wird erforscht und verbessert. Vgl. https://www.wien.gv.at/umweltschutz/uhi.html. Aufgerufen am 11.03.2022. 1112 Besonders gerne kurte im italienischen Seebad Livorno übrigens König Wilhelm I: Hierzu Sauer 1997, S. 233. 1113 Letzte Einwohnerzahlen Stand 2018: Debrecen 208.016, Miskolc 168.075, Cheltenham 115.600, Nizza 342.522, Le Havre 172.366, Livorno 158.916, San Sebastián 186.370. 187 von Metropolen, sind von deren Suburbanisierung und Einflussfaktoren wie Verkehrsaufkommen mit beeinträchtigt, manche davon könnten sogar früher oder später eingemeindet werden.1114 Für Großstädte wie Stuttgart und die anderen Beispiele gilt es nun, Konzepte einer an die speziellen Gegebenheiten angepassten Kur zu erarbeiten, vielleicht auch ein anderes Publikum als Zielgruppe zu erreichen. Die Prioritäten könnten anstatt auf die für das 20. Jahrhundert so typische klinische Struktur noch entschiedener als bisher auf Wellness- und Erholungsangebote des 21. Jahrhunderts ohne ärztliche Begleitung, nach dem Budapester Erfolgsmodell, gesetzt werden. Mit attraktiven Kur-Einrichtungen und mit Billigangeboten für gesundheitsbewusste Menschen - Junge wie Alte, Frauen wie Männer, Gesunde wie Kranke, Einheimische wie Fremde, Reiche wie Arme - könnten die Großstädte zu alternativen Kurstädten werden. In dem ländlichen Bad Aibling in Bayern, das sich momentan ungewöhnlich positiv entwickelt,1115 wurde 2002 in stolzen 2.300 Metern Tiefe knapp vierzig Grad heißes, hochmineralisiertes Wasser erschlossen. Tiefste Cannstatter Bohrung ist bisher die Hofrat-Seyffer-Quelle in 477 Metern Tiefe mit 22 Grad Celsius. Je tiefer gebohrt wird, desto wärmer ist dort in der Regel das Grundwasser. Eine der heißesten Thermalquellen Baden-Württembergs befindet sich, mit 61° Celsius, wegen des Uracher Vulkans in Bad Urach, das Luftlinie nur ca. 40 Kilometer von Bad Cannstatt und Stuttgart entfernt liegt. 2007 eröffnete die Therme von Bad Aibling, mit Kuppeln und Lichtöffnungen darin erinnert sie an ein orientalisches Bad, entworfen ist die Therme von dem Stuttgarter Planungsbüro Behnisch Architekten. Die erst 1989 eröffnete Mineraltherme in der Stadt Böblingen wird gespeist von einer Thermalsole aus 775 m Tiefe, im hessischen Bad Endbach wurde man in 952 Metern fündig, im niederösterreichischen Payerbach fand man in etwa 2.500 Metern Tiefe 70 Grad heißes Wasser, in Bad Birnbach in 1.700 m.1116 Das österreichische Bad Blumau nutzt sein ganze 107° C kochendes Grundwasser zusätzlich als Erdwärmekraftwerk. Es gibt folglich einen Zusammenhang zwischen natürlichem Thermalwasser und erfolgreichem Kurbetrieb. Fläche % Bauten Verkehr Agrar Parks Wald Wasser S-Cannstatt: 43,8 20,1 16,8 12,8 0,1 6,4 S-Vaihingen: 31,3 14,4 8,3 4,4 40,1 1,5 Aachen: 24,4 10,2 40,4 3,4 18,5 0,6 Homburg: 22,5 7,7 27,2 0,4 41,7 0,5 Kissingen: 10,7* 35,5 3,0 46,7 2,5 Neuenahr: 12,2 8,5 21,8 1,6 53,4 0,7 Pyrmont*: 7,3 5,8 51,8 1,4 31,9 1,4 Vilbel: 26,5 10,5 52,3 0,7 7,1 2,3 Wiesbaden: 10,9 11,3 29,6 6,5 26,4 2,6 Deutschland: 13,8* 51,1 3,0 29,7 2,3 *: Bebaute und Verkehrsfläche zusammen. Pyrmont=Landkreis Hameln-Pyrmont. In der aktuellen Liste deutscher Kurorte sind „mehr als“1117 350 Orte aufgeführt. Diese Kurorte sind vom Deutschen Heilbäderverband anerkannt. In dieser Liste zählt der Verfasser vorliegender Arbeit neben Gemeinden und Kleinstädten 52 Mittelstädte und 8 Großstädte. Rund 17% der Kurorte sind also mittlere oder große Städte. Auch die Großstädte sind anerkannte „Kurorte“: Aachen, Freiburg, 1114 Z.B. Bad Vilbel und Bad Soden bei Frankfurt, Schlangenbad bei Wiesbaden, Bad Friedrichshall bei Heilbronn. 1115 Die Therme Bad Aibling zählte in den jüngsten Statistiken rund 300.000 Besucher jährlich – Bayerischer Rundfunk: https://www.br.de/nachrichten/bayern/bad-aibling-bayerns-aeltestes-moorbad-investiert-in-die-zukunft,RpkMJ3d. Aufgerufen am 15.03.2020. 1116 In München-Freiham wurde ebenfalls Thermalwasser erschlossen und es gibt seit 2018 Ideen zu einem Thermalbad: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/freiham-ein-thermalbad-im-westen-1.4270026. Aufgerufen am 11.03.2022. 1117 Der Deutsche Heilbäderverband selbst spricht von „mehr als“ 350 Orten. Die exakte Zahl scheint daher irrelevant: https://www.deutscher-heilbaederverband.de/die-kur/wissenswertes/heilbaeder-und-kurorte/. Aufgerufen 11.03.22. 188 Kassel, Lübeck, Rostock, Salzgitter, Wiesbaden und Stuttgart mit Bad Cannstatt und mit Berg.1118 Der Unterschied zwischen „Kurort“ und „Kurstadt“ ist wissenschaftlich nicht definiert:1119 Sinnvoll wäre z.B. eine Abgrenzung anhand der üblichen Stadt-Definitionen: Landstadt, Kleinstadt, Mittelstadt, Großstadt, Millionenstadt, Mega-City, Megalopolis. Genaue Differenzierungen könnten insofern eingeführt werden: Kurdorf (unter 1.000 Einw.); Kurlandstadt (1.000 bis 5.000 Einw.); Kurkleinstadt (5.000 bis 15.000 Einw.); Kurmittelstadt (mind. 15.000 bis ca. 50.000 Einw.); Kurmetropole (annähernd 100.000 Einwohner oder mehr). Anhand solcher Benennungen würde erkennbar, welche Kurorte wohl eine eher geringfügige Infrastruktur aufweisen, dafür aber die medizinischen Voraussetzungen mit dem guten Zustand ihrer Umwelt besser erfüllen (=Kurdörfer, Kurlandstädte, Kurkleinstädte); und welche anderen Kurorte (=Kurmittelstädte und Kurmetropolen) hoch urbanisiert und infrastrukturell komplett sind, kulturell geprägter und international bekannter sind, aber mit erheblichen Umweltproblemen zu kämpfen haben. Oder vereinfacht: Kurort (für eine kleine Stadt), Kurstadt (für eine Mittelstadt), Kurmetropole (für eine Großstadt).1120 Stuttgart hat 630.305 Einwohner und ist mit Abstand die größte Stadt mit Heilquellen-Kurbetrieb in Deutschland. Über die aktuellen Besucherzahlen und die Übernachtungen1121 lassen sich folgende Angaben machen: Bad Wildungen zählte 2015 rund 1.430.000 Übernachtungen. Ähnlich zählte Bad Kissingen über 1 Mio.1122 Bad Füssing bei Passau (mit 7.572 Einwohnern im Jahr 2018), als das seit 1979 führende deutsche Heilbad, zählt jährlich über 2 Mio. Übernachtungen. Zum Vergleich: Die Bäderbetriebe Stuttgart zählten 2016 insgesamt rund 2.450.000 Besucher.1123 An Übernachtungen in Stuttgart, also an allgemeinen Übernachtungen in der Großstadt als Wirtschaftszentrum, Kulturstadt und allgemeines Reiseziel usw., kann die Bedeutung ihrer Bäder freilich nicht abgelesen werden; tatsächliche Kurgäste werden seit 2006 von den Bäderbetrieben Stuttgart nicht mehr erfasst. Doch der Besuch der Stuttgarter Bäder, woran die drei großen Mineralbäder entscheidenden Anteil haben, ist im bundesweiten Vergleich sehr zahlreich; und damit auch wirtschaftlich nicht unbedeutend für Stuttgart. Wiesbaden zählt jährlich etwa 1,4 Millionen Besucher in allen städtischen Bädern, ähnlich Freiburg, Aachen erfasst rund 900.000. Unter den deutschen Bäder-Metropolen ist Stuttgart, an den allgemeinen Besuchen ohne Kur gemessen, die Nummer 1 – und liegt, jedenfalls in dieser Statistik, sogar unter allen offiziellen deutschen Mineral-Heilbädern auf Platz 1.1124 Nun zurück zu der eingangs gestellten Frage: Gibt es die ideale Kur-Planstadt? Anke Ziegler hat 2004 gezeigt, dass sich zumindest ein „Idealtypus“ Kurstadt im 19. Jahrhundert herausgebildet hat. Sie belegt dies anhand der Beispiele Bad Ems, Wiesbaden, Baden-Baden und 1118 Kassel-Wilhelmshöhe, Lübeck-Travemünde, Rostock-Warnemünde und Salzgitter-Bad sind Stadtteile mit Kurbad. 1119 Vgl. Fred Kaspar „Kurstadt & Kurort“, Online-Artikel des Instituts für vergleichende Städtegeschichte der Universität Münster, veröffentlicht 1.9.2014. Bislang führte aber noch niemand Definitionen ein: https://www.unimuenster. de/Staedtegeschichte/portal/einfuehrung/stadttypen/Kurstadt_Kurort.html. Vgl. auch Andreas Förderer: „Charakteristika des Typus 'Kurstadt'“, in: „Playgrounds of Europe“ 2010 (s. Literaturangabe): https://www.badenbaden. de/mam/files/stadt/kulturerbe/klein_101027_vergleichsstudiedruckfreigabe.pdf. Aufgerufen am 11.03.2022. 1120 Wie die Kurmetropole findet man auch die anderen vorgeschlagenen Bezeichnungen vereinzelt umgangssprachlich, aber nicht wissenschaftlich zur systematischen Unterscheidung. Der Verfasser leitet die Begriffe v. a. geschichtlich, statistisch, morphologisch und topographisch ab – je nach historischer Entwicklung, Situation und Größe der Stadt. Der Begriff „Kurmittelstadt“ hätte gar zwei Bedeutungen, zumal die Kurmittel sinnigerweise inbegriffen sind. Drei kunsthistorisch prachtvolle und kulturell bedeutende Kurstädte – Bad Kissingen, Baden-Baden, Bad Ems – sind durch den Welterbestatus hinreichend geadelt und können mit eben diesem Titel benannt und abgegrenzt werden. 1121 Der Deutsche Heilbäderverband zählt regelmäßig die Übernachtungen, Ankünfte und die Aufenthaltsdauer. 1122 Quelle: Deutscher Heilbäderverband. https://www.deutscher-heilbaederverband.de/themen/zahlen-daten-fakten/. 1123 Damit haben die Stuttgarter Bäder mit die meisten Besucher. Siehe Punkt „4. Einführung“ der vorliegenden Arbeit. 1124 Das Leuze Mineralbad allein zählt jährlich 600.000 bis 700.000 Badegäste; das MineralBad Cannstatt über 200.000. Quelle: Bäderbetriebe Stuttgart/ Bürgerhaushalt Stuttgart https://www.buergerhaushalt-stuttgart.de/broschuere/51. Vgl. Europa Therme Bad Füssing: Im Rekordjahr 2014 kamen 304.720 Badegäste in die Therme, nur halb so viele wie in das Stuttgarter Mineralbad Leuze und etwa gleich viele wie in Rekordjahren in das MineralBad Cannstatt. Nur die beliebtesten Freizeitbäder – keine städtischen oder Staatsbäder – erreichen vergleichbare Besucherzahlen. Ausgenommen von der Statistik sind Seebäder (mit Frequentierung der Meeresstrände und Bade-Hotels anstelle der Mineralbäder). Die privat betriebene Therme Erding ist laut eigener Angabe sehr besucht und die größte der Welt. 189 Bad Homburg vor der Höhe.1125 Angesichts der Tatsache, dass es sich bei all diesen Beispielen aber um Stadterweiterungen und nicht um Neuplanungen handelt, sind diesem „Idealtypus“1126 Grenzen gesetzt. Die Grundvoraussetzung einer Planstadt ist eigentlich, dass diese frei auf einer weitgehend unbebauten Fläche vollständig neu geplant, und eben nicht erweitert, werden kann. Theoretisch genügen für den Idealtypus Kurstadt die um die kleine Altstadt gezielt als Kuranlagen geplanten Erweiterungen, unter Hinzuziehung ihres Ausgreifens in die umgebende Landschaft, die dann aber weitestgehend für Kurzwecke zu erschließen ist. Der mittelalterliche Stadtkern ist dann eine, schon um 1840, bereichernde Attraktion mit zwar belebter und bewirtschafteter, aber auch musealer Funktion.1127 Solche Kurstädte sind stark von ihrer Umgebung abhängig, die entsprechend gestaltet werden sollte, und die Altstadt sollte nicht allzu viel Verkehrsaufkommen haben. Nur selten können Stadtteile als „Planstadt“ bezeichnet werden. Insofern sollten die sogenannten Wildbäder genauer unter die Lupe genommen werden, da solche zumeist in der Wildnis entstanden, und bei welchen tatsächlich das Bad der ausschlaggebende städtebauliche Impulsgeber wäre. Sollte es in diesem Fall erst in der Neuzeit zur Stadtentwicklung gekommen sein, als es charakteristische Kurarchitekturen und Kuranlagen bereits gab, könnte gut von einer Kur-Planstadt die Rede sein. Allerdings sind bei genauer Erforschung viele Wildbäder ebenfalls mittelalterliche Städte, mit einer Mauer, die sich nicht grundlegend von anderen Mittelalter-Städten unterscheiden. Sicherlich kam es erst wegen der Quellen zur Ansiedlung; ein Stadttypus lässt sich allerdings noch nicht feststellen. In der Theorie könnten die wirklich abgelegenen Wildbäder eventuell als Kur-Planstädte bezeichnet werden. Allerdings gibt es dann eher geringfügige Gestaltungskriterien und der Bautypus könnte zudem an der Definition von „Stadt“1128 scheitern. Wenige Anlagen reichen allerdings aus, wenn Kurorte eben über das ungewöhnlich stark ausgeprägte Element „Landschaft“ definiert werden. Ohnehin sind die meisten Landschaften hierzulande Kulturlandschaften. Der Idealtypus einer „Kur- Planstadt“ wäre wohl eine Landstadt, mit weniger als etwa 5.000 Einwohnern, deren Infrastruktur hauptsächlich auf die Kurbäder, Brunnen, Hotels, Landschaft und die Kurmittel ausgerichtet ist. Hier mag das Beispiel Badenweiler gelten. Das ausschlaggebende Gestaltungskriterium ist dann das Element „Natur“, das unmittelbar in die Anlagen eingebunden werden sollte. So führen ausgedehnte und gut ausgebaute Spazierwege in die nähere und weite Umgebung, in therapeutische Kur-Wälder, zu luftigen Höhen für Luftkuren oder an heilsame Meeresküsten.1129 Von Beginn an gezielt als Kurorte angelegt wurden das Alexandersbad im Fichtelgebirge und das westböhmische Franzensbad. Alexandersbad wurde ab Mitte des 18. Jahrhunderts unter Markgraf Christian Carl Alexander (1736-1806) von Brandenburg-Ansbach geplant, wobei die Urbarmachung des Orts, der den Namen des Markgrafen erhielt, erst mit einer Quellfassung begann. Vergleichbar erschien Franzensbad auf der Städtekarte, das um 1793 unter dem namensgebenden Kaiser Franz II (1768-1835)1130 geplant und neuartig angelegt wurde. Das parallel verlaufende axiale Straßennetz um die Heilquelle wurde entworfen von dem Abt Tobias Gruber (1744-1806).1131 Dort hatte seit dem 1125 Siehe Ziegler 2004, S. 172-252. Allerdings geht sie eben nicht auf Planstädte ein. Vgl. Eidloth 2012, S. 24. 1126 Trotz der Herausarbeitung eines Idealtypus spricht Ziegler nicht von einem einheitlichen Typus: Vgl. S. 189. 1127 Ziegler, S. 187, sieht in den Altstädten der Bäder des 19. Jahrhunderts vorrangig Versorgungs- und Dienstleistungs- Zentren. Seit der Romantik wurden aber die mittelalterlichen Baustile, wie romanisch und gotisch, bereits auch als „Denkmale“ betrachtet. Zahlreiche sind damals gut erhalten. Dies sind die Anfänge der Heimatkunde und des Denkmalschutzes. Als Ausflugsziele der Umgebung werden auch Bauten der Altstadt in den Kurführern der Zeit genannt: Hierzu z.B. Abele 1844, S. 202/ Veiel 1852, S. 132 – wenngleich das Beispiel in dem Fall Esslingen ist. 1128 Bei der Landstadt, mit weniger als 5.000 Einwohnern, beginnt erst die Definition von „Stadt“. Kriterium ist zudem meist ein seit dem Mittelalter verliehenes oder vorhandenes Stadtrecht. 1129 Vgl. Hirschfeld 1785, S. 91. 1130 Kaiser Franz II war der letzte Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Franzensbad gehört heute als Westspitze zu dem westböhmischen Bäderdreieck mit Karlsbad und Marienbad in Tschechien. Alexandersbad in Oberfranken liegt in unmittelbarer Nachbarschaft des böhmischen Bäderdreiecks, gehört aber zu Deutschland. Zu diesem Kurort-Ballungsraum zählen u.a. auch die sächsischen Kurorte Bad Elster und Bad Brambach sowie das tschechische Königswart. Literatur hierzu u.a.: Lubomír Zeman, siehe folgende Anm. 1131 Vgl. Lubomír Zeman: 'The Towns of the West Bohemian Spa Triangle in the Context of the European Spa Heritage', in: Eidloth 2012, S. 98 ff. 190 17. Jahrhundert allein die bekannte Mineralwasserabfüllanlage des Nachbarorts Eger bestanden und um 1705 war das erste Bad-Gasthaus am Ort errichtet worden. In dem Moorgebiet wurden auch die Moorheilbäder eingeführt. Die Neugründung dieses Orts 1793 ist eine Kur-Idealstadt.1132 Das Kur-Bad Cannstatt demgegenüber ist wie die genannten Kurstadttypen des 19. Jahrhunderts als Stadterweiterung entstanden. Andere Erweiterungen sind die Industriegebiete. Demzufolge ist Bad Cannstatt weder eine Plan-Kurstadt noch Plan-Industriestadt. Indizien einer gezielten Standort- Wahl der Stadt, exakt bei den Heilquellen, bestehen und sind bis in die Antike nachzuverfolgen. Das Kurviertel des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit seinen Villen und Kurpensionen, die Parkanlagen, Uferpromenaden sowie Straßenachsen prägen durchaus das Stadtbild und eine Kur-Infrastruktur ist deutlich zu erkennen. Zahlreiche Kurspazierwege in der einstigen Kurlandschaft sind überbaut worden. Die Wald- und Weinwanderwege führen diese Tradition heute fort. Aus spezifischer Sicht sind die Industriegebiete Fremdkörper in der einst therapeutischen Landschaft. Abgesehen davon darf Bad Cannstatt, mit der Einbeziehung seiner museal interpretierbaren Altstadt, wenn nicht zu den idealen, dann doch zu den typischen Kurstädten des 19. Jahrhunderts gerechnet werden. Das bautypologische Differenzieren zwischen der ausgesprochenen Rarität der Idealstadt1133 eines Kurorts und der gängigen Stadterweiterung ist wichtig im Hinblick auf die weitere Entwicklung der europäischen Kurstädte im Allgemeinen, von welchen die Mehrzahl auch typische mittelalterliche Handelsstädte gewesen waren. Deren Kurbetrieb war oft nur ein Wirtschaftszweig neben anderen und drohte im 19. Jahrhundert von anderen Urbanisierungs-Tendenzen überholt zu werden. Auch die genannten Großstädte sind zum Großteil nach wie vor anerkannte Heilquellen-Kurorte. Entscheidend ist eben, dass aktuell keine bzw. kaum auswärtige Kurgäste in diese Bäder kommen. Von einem scheinbar endgültigen „Niedergang“ des Kurbetriebs dieser Großstädte aber sollte besser nicht die Rede sein – vielmehr gilt es, die Potenziale zu erkennen und wieder zu nutzen.1134 8. Vorschläge Das Grüne U Stuttgarts kann am Neckar um ein erhebliches Stück zu einem Grünen Y bzw. X1135 erweitert werden – mit dem Kurpark und dem Wasenufer – so wie es unter König Wilhelm I zuerst vorgesehen war. Neben der bereits ausführlich behandelten Park-Erweiterung wäre im Zuge dieser aber auch eine Aufstockung jeglicher Kurmittel notwendig: Zum Beispiel in Form der Kneipp-Kur. Kneipp-Becken wie in Bad Wörishofen z.B. können grundsätzlich überall errichtet werden.1136 [168] Künftig wird wohl wieder eine Badekur direkt im Neckar möglich sein.1137 Die Luftkur ist eine Form der Atemtherapie, die in dieser Stadt unmöglich scheint. Dem ist nicht so; dank einer Technik hierfür. Mit dem Gradierwerk als Sole-Inhalatorium hat selbst die Luftkur eine Bauform gefunden. 1132 Vgl. Eidloth, S. 25. Trotzdem bildete sich wie gesagt erst im 19. Jahrhundert eine eigenständige „Kurarchitektur“ heraus und auch die allein um die Heilquelle geplanten Kurorte wuchsen erst allmählich zu typologischen Kurstadt- Anlagen mit dem dazu gehörenden Bauten-Ensemble (Kursaal, Wandelhalle, Trinkhalle, Kurbad etc.) heran. 1133 Seit der Antike wurden Heilquellenvorkommen selten übersehen; deshalb waren solche Orte meist früh besiedelt. 1134 Die Negativentwicklung der letzten Dekaden bedeutet nicht das Ende; eher zeichnet sich eine Wiederentdeckung der Bäder ab und es ist möglich, dass mittel- oder langfristig die alten Verhältnisse und Strukturen übertroffen werden. 1135 Vorschlag der Bürgerbeteiligung S21. Die weiteren Vorschläge sind, wenn nicht anders angegeben, vom Verfasser. 1136 Auch für Kneipp-Kurorte wird ein staatliches Prädikat verliehen, sofern sich diese auf die medizinische Anwendung der Kneippkur spezialisiert haben und über die notwendigen Einrichtungen verfügen. Die Mehrzahl an Tretbecken nach Kneipp befindet sich dennoch außerhalb der offiziellen Kurorte, etabliert wie Swimmingpools. Bürger haben bereits mehrfach die Anlage von Kneippbecken in Bad Cannstatt gefordert (2017): https://www.buergerhaushaltstuttgart. de/vorschlag/41016. Aufgerufen 11.3.2022. Entsprechende Anlagen in Bad Cannstatt gibt es ausschließlich innerhalb der kostenpflichtigen Mineralbäder, nicht frei. Zu einer vollständigen Anlage für Kneippkuren nach dem Bad Wörishofener Pfarrer Sebastian Kneipp (1821-1897) gehört u.a. auch ein Heilkräutergarten. 1137 Hierzu Vorschläge im Bürgerhaushalt 2019: https://www.buergerhaushalt-stuttgart.de/vorschlag/53151. Gegenüber dem Stadtbad tritt z.B. die Auquelle aus, diese hat eine sehr ergiebige Schüttung, wird viel zum Abfüllen genutzt. 191 Eine Form der Kältetherapie nennt sich Kryo-Kur.1138 In der Schneekabine von Bad Bocklet, die 2017 eröffnete, wird bei minus 12° Celsius Kunstschnee erzeugt. Die Kabine ist einem Winterwald nachempfunden. Eisbäder/ Kaltwasserbäder nach sibirischem Vorbild könnten eine Ergänzung sein. Die Ganzkörper-Kältetherapie kommt in der Rehabilitation und Prävention zum Einsatz. Zum traditionellen Cannstatter Brauchtum zählt seit jeher die schwäbisch-alemannische Fastnacht und ist seit 2014 „immaterielles nationales Kulturerbe“ der UNESCO. An jedem Fasnets-Samstag findet der 1925 ins Leben gerufene große Küblerball im großen Kursaal statt. Eine der Hauptfiguren aus der Cannstatter Fasnet ist der heimische Brunnengeist, welcher zu jeder Fastenzeit am 6. Januar aus den Brunnentiefen erweckt wird. Bei diesem Zeremoniell steigt eine originell als Brunnengeist verkleidete Figur mit Holzmaske, darauf Schilf- und Fischapplikationen, vom Jakobsbrunnen herab, in welchen sie am Fasnetsdienstag schließlich wieder versenkt wird. Die Figur verkörpert auf das Deutlichste die kulturelle Bedeutung des örtlichen Quellwassers, das untrennbar mit Bad Cannstatt verbunden ist. Über ein Firmen-Sponsoring zur Fastnachtszeit beispielsweise wäre eine Förderung der Pflege, Instandhaltung wie auch des Ausbaues der Brunnen möglich. Das sogenannte Waldbaden ist derzeit Trend.1139 Es ist vom japanischen Shinrin Yoku abgeleitet. Ein Reichtum Stuttgarts sind die Wälder, die mit den städtischen Verkehrsmitteln, mit dem Fahrrad oder auch zu Fuß erreichbar sind. Fast ein Viertel der Stadtfläche ist bewaldet. Größere Gebiete von Mischwald schließen sich vor allem im Westen und Süden an, der Kräherwald grenzt direkt an den Stuttgarter Westen, daran schließen sich größere bewaldete Flächen an, etwa mit dem Heimberg, mit dem Birkenkopf, Bürgerwald, Schwarzwildpark, Rotwildpark, Pfaffenwald u.a. Im Süden der Stadt, bei Degerloch, um den Fernsehturm, liegen die Waldgebiete Hahn, Kohlau und der Wald der Waldau, weiter in östlicher Richtung zudem die Gebiete Wernhalde, Kienle, Frauenkopf und der Raichberg z.B. Von Bad Cannstatt1140 aus sind die Wälder im Stuttgarter Westen gut erreichbar, über die Parkanlagen des Grünen U gibt es nach dem Killesberg sogar eine grüne Direktverbindung über den Bismarckturm, an den direkt der Kräherwald anschließt. Über industriell geprägte Räume um Stuttgart-Ost herum erreicht man außerdem den Raichberg und den Frauenkopf hinter Gaisburg. Fünf km nah liegt im Südosten der Schurwald mit dem Kernen-Turm. Im Idealfall schließen Wälder unmittelbar an einen Kurpark an. Hierin sind Kurorte im Wald nicht zu übertreffen, Bedingungen wie zum Beispiel diejenigen von Grasellenbach können lediglich imitiert werden. Nicht zuletzt Lesen kann eine Form der Kur sein.1141 Das Wilhelmatheater ist seit der Sanierung im Jahr 1987 mit seinen 349 Zuschauerplätzen trotz der vergleichsweise geringen Platzkapazität zur Veranstaltung von Konzerten als auch Theaterspielen geeignet, wird seither allerdings fast ausschließlich von der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart genutzt. In erster Linie dient das Wilhelmatheater als Probebühne für die Musik- und Schauspielstudenten und wird damit durchaus angemessen bespielt. Dennoch sollte es auch ein Ziel sein, wieder mehr und häufigere Großveranstaltungen in diesem historischen Bad Cannstatter Theater stattfinden zu lassen, sodass es wieder mehr wahrgenommen wird und seine Spielzeiten als Kurtheater in Erinnerung ruft – speziell in Zeiten der Stuttgarter Opernsanierung. [163] [164] [166] Die Benachteiligung von einst, durch das Spielbankverbot etwa, hat sich längst umgekehrt. Denn das Vergnügungsangebot in der Großstadt ist ungleich größer und vielfältiger als in jedem Kurort abseits des urbanen Lebens. Der in der Stadt Kurende muss sicherlich keine Bedenken haben, dass etwa Langeweile aufkommen könnte. Man sollte außerdem über einen Fakt 1138 Die Kryo-Kur bzw. Kryotherapie oder Kältetherapie hilft bei Rheuma, Arthritis, Fibromyalgie, Schwellungen und Schmerzen, ist entzündungshemmend und dauert über variierende Zeiträume je 5-10 min bei ca. minus 110° C. 1139 Hierzu Arvay 2018: Shinrin-Yoku. Der Autor geht detailliert auf die Möglichkeiten zum stadtnahen Waldbaden ein. 1140 Wie erwähnt, verfügt der Stadtteil Bad Cannstatt mit 0,1% praktisch längst über keinen Wald mehr. Siehe Punkt 7. Die Wälder unserer Kulturlandschaft (vgl. Naturlandschaft) sind seit Jahrtausenden aufgeforstet und kein > Urwald. 1141 Wenn es darum geht, auf andere Gedanken zu kommen, bietet die entspannte Lektüre geeignete Möglichkeiten. Traditionell verfügen einige große Kurorte über Lesekabinette in ihren Anlagen, die bei schlechtem Wetter als Ersatz für die Parkbänke dienen. Keinem Kurpark würde es schaden, wenn die Anzahl öffentlich zugänglicher Lesezimmer, der neuen wellenförmigen Parkliegen, oder die der Pavillons erhöht werden würde. 192 nachdenken: Wenn bei gestressten Städtern ein Mehr an Ruhe und Entschleunigen helfen soll, um der Hektik des Alltags zu entfliehen und somit regenerieren zu können, dann würde umgekehrt möglicherweise den von der Einöde betroffenen Landbewohnern das Gegenteil helfen: Besonders die Abwechslung und Aktivität des großstädtischen Lebens. Dem Burnout gegenüber steht das Boreout. Ausgewogenheit, das richtige Gleichgewicht, gilt als gesund. Bereits 1880 wurde die bislang der Aristokratie vorbehaltene Wilhelma der Öffentlichkeit gegen Bezahlung zugänglich. Ihre Öffnung forcierte den Ausbau der städtischen Anlagen um den Kurpark. Nach der Zerstörung der Bauten im zweiten Weltkrieg erweiterte Albert Schöchle (1905-1998) den königlich botanischen Garten 1952 um einen zoologischen Teil. Sollte der Tag kommen, an dem die Zootierhaltung als nicht mehr zeitgemäß erkannt und entsprechend abgeschafft wird, könnte diese Parkanlage ihrer Funktion, von 1880, rückgeführt werden: Als eine Oase der Ruhe. Dies wäre ein Neugewinn fortan kommunaler Grünflächen, bei Beibehaltung oder Erweiterung des botanischen Gartens. Das neue alte Neckarknie sollte der Stadt gehören und offen sein für alle. Dasselbe gilt für Bad Cannstatts Mineralquellen; einschließlich Wilhelmaquelle. Die Stadt Stuttgart sollte auch mit ihrer überdurchschnittlichen Zahl an Sonnenstunden werben. Seit den 1920er Jahren gehörte das Sonnenbad zu den örtlichen Kuranwendungen. Möglichkeiten zum Sonnenbaden auf Terrassen, Dachterrassen und Liegewiesen sind in den Mineralbädern, sogar verglichen mit gewöhnlichen Freibädern, allerdings sehr ausbaufähig. Eine besondere Form eines Naherholungsgebiets mit Erinnerung wäre eine Wiederherstellung der Sauerbrunneninsel im Neckar in einem kleineren Maßstab. Die Inselquelle könnte wieder auf einer kleinen Insel als Trinkbrunnen genutzt werden, z.B. auf der Mittelmole der am selben Ort errichteten Staustufe im Neckarknie. Es bestehen Ideen zur Umnutzung der alten Eisenbahnbrücke als Grünpark bei Inbetriebnahme der neuen mit Stuttgart 21. Von Vorteil könnte die alte Brücke andererseits zur Entlastung des Kfz- Verkehrs sein, indem sie z.B. von Fahrrädern befahren wird, solang es keine Alternativen gibt. Zahlreiche Bürger und Vereine fordern 2019 vehement den Erhalt des Stadtbades am Mühlsteg.1142 Neben dem 2017 eröffneten, neu angelegten Veielbrunnenpark auf 9.000 Quadratmetern wäre nun möglicherweise Platz frei für ein neues, großzügiges Mineral-Freibad mit geräumigen Liegewiesen, das mit der hoch mineralisierten Veielbrunnenquelle gespeist werden könnte.1143 Am Seilerwasen, wo bereits Römer ihre Bäder hatten, sollte in den aktuell geplanten neuen Anlagen vorzugsweise ein Mineralbad berücksichtigt sein, auch um den Ort mit der ältesten Badetradition in Stuttgart wieder aufleben zu lassen. Gespeist würde das Mineralbad von dem 1833-1972 für Wannenbäder genutzten Schiffmann-Brunnen.1144 Der Bau eines neuen Mineralbads, z.B. beim Cannstatter Wasen oder am Neckarpark, würde mit dem qualifizierten, ungenutzten Mineralwasser des Kunstmühlebrunnens versorgt. An zumindest einer Stelle sollte ein großzügiges Mineralbad, das sich international messen lassen kann, mit mindestens zehn Schwimmbecken, Kinderbereich mit Wasserrutschen, Wellenbad, Palmenparadies, echt türkischem Hammam sowie Saunen Platz finden, moderne Kureinrichtungen erhalten und z.B. den traditionsbewussten Namen „Curbad“ erhalten. Ein Badesee1145 mit Natur- 1142 Das neue Sportbad könne das Stadtbad, das für den Schwimmunterricht nach wie vor wichtig ist, nicht ersetzen. Das Sportbad, nach einem Entwurf von AHM Architekten, Berlin, u. Lehmann Architekten, Offenburg, soll mit zwei Schwimmbecken in einer Halle für Wettbewerbe geeignet sein. Ein 50 m Schwimmbecken mit 8 Bahnen sowie ein 25 m Becken neben einer Tribüne aus 900 Sitz- und Stehplätzen sind vorgesehen. Baukosten mind. 44 Mio. Euro: Hierzu Cannstatter Zeitung v.9.1.20. Zur Brücken-Umnutzung (S21) nennt Peter Mielert das Vorbild New York. 1143 Schließlich erinnern der Park, der Brunnen sowie der gesamte Stadtteil an die Cannstatter Kur- und Hautärzte- Familie Veiel. Der Veielbrunnenpark würde seinem Namen nur gerecht, wenn auch der Veielbrunnen in den Park einbezogen würde. Neben dem Sportbad für den Schwimmsport wäre ein Mineralbad das Pendant für Kuren. Kurmittelzentrum, Saunen, Kältekammern und Inhalatorien u.a. wären die Standardausstattung. Neben dem Mercedes-Benz-Museum, der Mercedes-Benz-Arena, Porsche-Arena und dem Stuttgarter Stadtarchiv würde ein neuartiges Mineral-Kurbad an dem kulturell als auch wirtschaftlich starken Standort mit dem seit 2005 offiziellen Namen „NeckarPark“ die vielfältige Historie der Stadt nach außen repräsentieren. 1144 Im Hitzesommer 2018 kam die Idee auf, Mineralwasser in den Eckensee, neben dem Schlossplatz im Stuttgarter Zentrum, zu pumpen - im Sommer zum Schwimmbecken umzufunktionieren: Stuttgarter Zeitung vom 3.8.2018. 1145 Die Idee zu einem Stuttgarter Badesee besteht ebenso schon länger; ein möglicher Standort ist aber noch zu finden - 193 Erlebnis und Sandstrand, z.B. im Steinbruch des Travertinparks [169] oder eben weiter entfernt, wäre eine Komplettierung.1146 Und vielleicht sogar ist bei einer tief genug niedergebrachten Bohrung (in 2.000 Metern etwa) Thermalwasser oder eine stärkere Sole anzutreffen, was eine wertvolle Ergänzung des Quellenbestandes wäre. Potenzial zu seltenen Heilstollen gibt es im Travertinpark. Visualisierung. Der Landschaftsarchitekt Michael Bott regte bereits 1985 an, u.a. den Wasserfall am felsigen Abhang des Sulzerrains als deutlich sichtbares Zeichen des Wasserreichtums wieder in Betrieb zu nehmen.1147 Insgesamt gilt es, die Besonderheiten der Badekultur zur Bewusstmachung wirksamer zu visualisieren, so könnte etwa die Kopie des in Bad Cannstatt gefundenen römischen Weihesteins mit den Quellnymphen an der viel überquerten Wilhelmsbrücke angebracht werden. Ein künstlerisches Gesamtkonzept zum Thema Bäder/ Quellen, mit verteilten Kunstobjekten, ist notwendig: Am Neckar entlang, vom Kurbezirk über die Altstadt und den Wilhelmsplatz bis zum Bahnhof. Die Blühpflanzen sind zu vermehren, die dauerhafte Sauberkeit der Anlagen und Wege ist sicherzustellen und die Altstadt mit weiteren Attributen „Bäderstadt“ zu versehen. Die kulturelle und industrielle Nutzung des Sulzwassers durch Mühlen und Wasserräder könnte in kreativer Form wiederaufgegriffen werden.1148 Eine besondere Sehenswürdigkeit wäre die offene Zurschaustellung der Fontäne der Auquelle am Mühlsteg: Der etwa 5 m hohe gläserne Turm von Architekt Roland Gerlach, in dem die Quelle seit 1982 bereits zu sehen ist, verdreckt zu schnell und wird nicht gut genug gepflegt. Würde man die Fontäne mit ihrem natürlichen artesischen Druck jedoch frei empor springen lassen, d.h. als Springbrunnen mit Bassin wie etwa der „Große Sprudel“ in Bad Neuenahr- Ahrweiler, wäre diese Attraktion vermutlich über 6 Meter hoch.1149 Tourismus/ Verkehr: In einem Workshop der Initiative „Zukunft Bad Cannstatt 2030“1150 wurde mitunter vorgeschlagen, dass der Stuttgarter Sightseeing-Bus wieder am Kursaal hält. Dringend zu verbessern ist die Verkehrssituation am Wilhelmsplatz.1151 Im Übrigen sollte, wie bereits im frühen 20. Jahrhundert mehrfach von Kunsthistorikern gefordert, das Reiterstandbild für König Wilhelm I vom Kursaal wieder versetzt werden auf den Wilhelmsplatz; eine Maßnahme aus kunstästhetischen Gründen und wegen des Namens.1152 Auf dem Wasen sollte an die Anfänge des landwirtschaftlichen Festes erinnert werden, das jährlich zum Abschluss der Badesaison stattfand: Vielleicht direkt auf dem Volksfest als erlebbare Attraktion, in Form eines historischen Spaßbades o.ä. Alle möglichen Wassersportarten könnten, nach dem Vorbild des Cannstatter Fischerstechens1153 von 1717, auf dem Neckar erprobt werden und weitere alternative Veranstaltungen eingeführt werden mit Wettkämpfen oder artistischen Vorführungen, um damit den Fluss einem großen Publikum näher zu bringen. https://www.buergerhaushalt-stuttgart.de/vorschlag/52887. Aufgerufen am 11.03.2022. 1146 Weil der Max-Eyth-See mit Neckarwasser aufgefüllt ist, kann wegen der Keime nicht mehr darin gebadet werden. Von 1935 bis 1941 war der, damals zum Neckar offene, Max-Eyth-See, zwischen Cannstatt und Hofen gelegen, auch ein Badesee mit Strandbad. Hierzu Punkt 1920er der vorliegenden Arbeit: Anmerkungen. 1147 Bott 1985, S.98. Zu Maßnahmen gegen urbane Hitzeinseln s.a. https://elib.uni-stuttgart.de/handle/11682/9838 (N. Baumüller 'Stadt im Klimawandel' 2018); Bernd Krupka: 'Neue Stadtökologie im Klimawandel', Stuttgart 2022. 1148 Keine der einst zahlreichen Mühlen Cannstatts ist heute erhalten. Vgl. z.B. die Mühlen in Esslingen am Neckar. Über die Jahrhunderte gab es u.a. die Flurmühle, Sulzmühle, Mombachmühle, Ölmühle, Schleifmühle, Pulvermühle, Haldenmühle, Kunstmühle, Stadtmühle. Hierzu ausführlich das Werk von Bonenschäfer 2016. 1149 Vgl. Schukraft/ Kress 2006, S. 18: In dieser Publikation ist diese Idee bereits formuliert. 1150 Bürgerinitiativen wie diese „Zukunftswerkstatt“ mit Arbeitskreisen, Besichtigungen, öffentlichen Veranstaltungen, oder das Projekt „Gesund aufwachsen in der Neckarvorstadt“ sind seit etwa 2015 aktiv und mit wichtigen sowie zukunftsweisenden Entwicklungen verbunden, die nicht zuletzt an des Erbe der Bad Cannstatter Gesundheits- Einrichtungen anknüpfen. Hierzu http://zukunft-bad-cannstatt.de/ (Dietrich Haaf)/ siehe auch Galante-Gottschalk 2018 sowie die Arbeit von Riedlinger 2009. Stichworte hierzu auch Kinder/ Senioren. 1151 Die unvorteilhafte Situation ist lange ein Problem und konnte auch 2002 durch die letzte Umgestaltung nur ungenügend verbessert werden. Vgl. auch Werner Luz, in: Stroheker 1979, S. 134-138/ Hagel 2002, S. 123-124. 1152 Ähnlich wäre die 1965 autogerecht geplante Verkehrsführung des Augsburger Platzes, am östlichen Rand Bad Cannstatts, vollkommen neu zu überdenken: Hierzu Cannstatter Zeitung vom 28.6.2019. 1153 Das erste Fischerstechen der württembergischen Fischer- und Schifferzunft, die in Cannstatt saß, fand bereits 1717 statt und findet, nach längeren Unterbrechungen, seit 1985 alle zwei Jahre statt. Zu einem Erfolg sind außerdem das 1970 als das erste Stuttgarter Straßenfest gegründete „Wein- und Brezelfest“ und seit 2002 das „Cannstatter Kulturmenü“ geworden. Feste und kulturelle Veranstaltungen wie diese kommen dem ältesten Stadtbezirk in der vielfältigsten Hinsicht zugute. Zum Wein- & Brezelfest sowie Fischerstechen: Stroheker 1979, S. 113-122. 194 9. Schluss Der Stadtname Bad Cannstatt ist ein sprechender Name, ein sogenanntes Aptonym, denn er enthält die Lautfolge von: Ein Bad kann Stadt sein. Diese Stadt scheint gewissermaßen prädestiniert, den Beweis zu erbringen, als hochgradig urbanisierter Kurort funktionieren zu können. Symptomatisch ist, dass kein eigener Fachterminus für Großstädte mit Kuranlagen und Bädergeschichte existiert, weshalb in vorliegender Arbeit der Begriff der Kurmetropole entwickelt wird. Kurstädte sind eben nicht nur Reisedestinationen, sondern auch „auserkorene“ Wahlwohnsitze und die angestammte Heimat zahlreicher Menschen, die größtenteils in der Dienstleistung, aber auch in der Landwirtschaft, Information und Industrie arbeiten. In diesem Spannungsfeld ist es wichtig, sich des hohen Werts der früheren Gesundbrunnen im Kontext der heutigen „gesunden Städte“ wieder neu bewusst zu werden, sodass eine angemessene Stadtplanung zustande kommen kann. Aus einer Reihe von Fehlschlägen und Enttäuschung hat sich ein regelrechter Minderwertigkeits- Komplex als Kurort entwickelt. In der Kurlandschaft existieren eben zurecht auch Großstädte;1154 in früheren Zeiten stand die Industrie der Kur noch nicht einmal im Weg, das Gegenteil war der Fall. Die Eisenbahnen, Fabriken und die Industriellen brachten erst Kapital in die Stadt und trugen dort zu manch einer Parkerweiterung, Brücke, technischen Attraktion oder auch nur Pavillon-Errichtung bei. Anhand aller genannten Bäder-Vergleiche zeigte sich, dass es verbreitet zu einer, mancherorts umfangreichen, Verstädterung von Kurorten kam und, dass diese Entwicklung anhält. In nahezu all solchen Fällen war das Bad für die weitere Stadtentwicklung im Zeitalter der Industrie dann jedoch nicht mehr ausschlaggebend. Die Wirtschaft und Stadtgestalt strahlten in andere Richtungen aus. Schon lange können Unternehmen von Weltruf dabei helfen, auf die Kulturgeschichte aufzubauen. Mercedes-Benz und der VfB Stuttgart, beide Weltmarken entstanden erst wegen des Kurbetriebs in Bad Cannstatt und sind mit der Entwicklung eng verbunden. Dies gilt es, wirkungsvoll nach außen zu repräsentieren. Ebenso ist das traditionelle Cannstatter Volksfest1155 auf dem Cannstatter Wasen zu einem überregional bekannten und gefeierten Fest geworden. Deutlich sichtbare Erinnerungen an die Anfänge des Festes, das jährlich zum Abschluss der Bade-Saison stattfand, wären hilfreich. Heute stellt sich die Frage, wie viel Urbanität ein Kurbad verträgt. Der meist partiell vorgehenden Stadtplanung fehlt häufig ein ästhetisches Gesamtkonzept, das eine Stärke früherer Zeiten war. Für Giulio Carlo Argan (1909-1992) bedingt die Stadt die Kunst und umgekehrt. Doch sobald die Kunst verloren geht, ist laut ihm auch die Existenz der Stadt in Gefahr. Gute Stadtplanung sollte stets den Genius Loci erkennen und betonen. Wenn in der Vergangenheit ein Projekt erfolgreich verlief, war dafür in der Regel eine charismatische Persönlichkeit mit prägend. In Cannstatt war dies lange Zeit, 1816-1864, König Wilhelm I von Württemberg, der die Stadtentwicklung neben den bürgerlichen Vereinen entscheidend mit forcierte. Die Stadtgestaltung als Kurort lag in den kreativen Händen von Nicolaus Thouret, bereits unter Friedrich I mit ersten Entwürfen beauftragt. Heutige Stadtplanungen können sich unter Umständen als gesichtslos, beliebig und austauschbar erweisen. Darüber hinaus können gerade Kurstädte wichtige Funktionen im Zeitalter von Umweltbelastung, Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt und Großstadterneuerung erfüllen. Den Kurstädten könnte, ja sollte, im interdisziplinären Diskurs um eine allgemein gewollte „gesunde Urbanisierung“1156 eine zentrale Rolle zukommen, vielleicht sogar als die entscheidende Versuchsstätte. Die Großstädte mit Kurbetrieb sind geradewegs dazu bestimmt, den angesprochenen Strukturwandel vorbildhaft zu 1154 Die im Bäder-Verzeichnis des Deutschen Heilbäderverbands so genannten „Orte mit Heilquellen-Kurbetrieb“. 1155 In die USA ausgewanderte Cannstatter brachten das Cannstatter Volksfest sogar mit nach Amerika, dort wird es bis heute gefeiert. Hierzu Herbert Medek: „Kleine Geschichte des Cannstatter Wasen“, Karlsruhe 2018/ Rainer Redies: „200 Jahre Cannstatter Wasen. Kaiser, Zeppeline, Lenin und Wildwest“, Konstanz 2018. Das originale Cannstatter Volksfest auf dem Cannstatter Wasen lockt jedes Jahr zahlreiche Festgäste von nah und fern an. Zum 200. Jubiläum 2018 kamen mehr als vier Millionen Besucher auf den Wasen. Das 2018 ins Leben gerufene „Historische Volksfest“ auf dem Stuttgarter Schlossplatz wird zukünftig wohl regelmäßig stattfinden. 1156 Hierzu Williams 1999; Ahn/ Burke/ McGahan 2015; Anttiroiko 2018; D'Onofrio/ Trusiani 2018; Schlicht 2017; Arvay 2018; Gebhard/ Kistemann 2016; Krebes 2014. S.a. 'Smart city'; '15min-Stadt'; 'Ökostadt'; CO2-neutrale u.a. 195 verkörpern. Sie verfügen über die naturgegebenen Heilmittel und über die städtebaulichen Anlagen. Mit einem künstlerischen Konzept könnte dieser Wandel visualisiert werden. Ein Gradierwerk z.B. kann künstlerisch gestaltet werden sowie mit Lichtkunst inszeniert. Solch ein Bauwerk würde sogar Kunst, Geschichte, Technik, Medizin und Wissenschaft (Technologie) vereinen. Die Entwicklung zum Kurort hängt mit den Salzgewinnungsversuchen aus der Cannstatter Sulz zusammen. Über die Entwicklungsgeschichte hinaus würde eine Weiterentwicklung zur Kurmetropole damit forciert. Beeindruckend ist, was Millionenstädte wie Budapest (Stadtteil Újbuda), oder das türkische Bursa (Stadtteil Çekirge) aus ihren Möglichkeiten als Bäderstädte machen, und daran sollte sich Stuttgart (Stadtteil Bad Cannstatt) orientieren, vor allem in puncto Kooperation, Investition und Marketing. Die ersten Schritte hin zu Heilquellenschutz, Flusswasserreinhaltung und Luftschonung sind jetzt gemacht und damit die Voraussetzungen geschaffen für eine Stärkung des Kurbetriebs. Insofern darf man optimistisch sein und einer vielversprechenden Zukunft entgegen sehen. In das hoffnungsvolle Bild fügen sich allerdings nicht die von Umweltaktivisten als skandalös angeprangerten Vorhaben mit dem ehemaligen Lauster-Travertin-Steinbruch bei Bad Cannstatt und Münster ein, der, wie sehr richtig argumentiert wird, das Potenzial zum UNESCO-Weltnaturerbe hätte.1157 Der von 2007-2014 für 1,7 Millionen Euro angelegte Travertinpark [169] von 8 ha auf dem Grundstück des ehemaligen Steinbruchs Haas im Bezirk Hallschlag sollte mit dem Lauster-Steinbruch verbunden werden und könnte dann sogar der einzige Park der Region sein, der zugleich Natur- und Kulturerbe wäre.1158 Bad Cannstatt als Medizinort ist nach wie vor Ansiedlung zahlreicher Ärzte und Apotheken,1159 sein historischer Kurpark wird geschätzt und von Bürgern genutzt.1160 Die 1954 als „Krankenhaus für Sportverletzte“ gegründete Sportklinik Stuttgart befindet sich neben dem Kursaal am Kurpark und sie steht bundesweit für hohe medizinische Kompetenz. Im Jahr 2020 ist Bad Cannstatt trotz Heilbäder-Status keine herkömmliche und frequentierte Kurstadt mehr. Bad Cannstatt und die Bad Cannstatter sehen sich selbst als Bürger einer „Stadt in der Stadt“.1161 Innerhalb der Stadt Stuttgart erfüllt der Stadtbezirk Bad Cannstatt die Funktion eines B-Zentrums ohne vollkommene, hektische oder große Urbanität.1162 Insofern kann sich dieser Stadtbezirk selbst definieren und sollte sich, sofern die Kur revitalisiert werden soll, dann auch wieder als Bad interpretieren. Die Anlagen einer Kurstadt sind hier insbesondere in Form der Veranlagung vorhanden. Obwohl als ein Gesamtwerk konzipiert, hat auch die vorliegende Arbeit nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und erst recht nicht die Absicht, an die größenwahnsinnigen Ideen zu einem Welt- Heilbad anzuknüpfen. Allein die Auswertung der alten Cannstatter Gästelisten nach Kurgastzahlen und Gesellschaftsstruktur bleibt eine Arbeit für sich und eine mehr als spannende Aufgabe, bei der wahrscheinlich manch eine Überraschung und Prominenz weiterhin auf ihre Entdeckung wartet. 1157 Seit 1908 befindet sich ein Kraftwerk, erst „Hauptdampfzentrale“ genannt, an diesem offensichtlich ungünstigst gewählten Standort in der Neckartalstraße in Stuttgart-Münster. Die Müllverbrennung erzeugt zwar Energie, ihr Standort ist aber austauschbar. Auf das herausragende Potenzial des Steinbruchs als „Welt-Kulturerbe“ machten die Bürgerinitiative „Frischluft für Cannstatt“ und das „Stuttgarter Wasserforum“ durch Barbara Kern und Barbara Drescher aufmerksam: http://www.hundert-wasser.org/URL1521658229.html. Aufgerufen am 11.03.2022. Die Travertinbrüche sind ebenso schützenswert wie z.B. das geologische Naturdenkmal „Seelberg-Wiesen“ bei der Heinrich-Ebner-Str., 1957 eingetragen, der erdgeschichtliche „Neckarnagelfluh“ am Sulzerrain, die Mombachquelle. 1158 Auch international sind Demonstranten neuerlich auf dem Vormarsch, wie die jüngste Generation von Umwelt- Aktivisten „Fridays For Future“ (Zit. 'There is no plan(et) B') zeigt. Zur sog. 'Letzten Generation' kein Kommentar. 1159 Ausstellung hierzu im Stadtmuseum Bad Cannstatt vom 17.5.-30.10.2017. Bad Cannstatts älteste Apotheke ist die 1638 gegründete Kron-Apotheke, Marktstraße 59. In der 1952 gegründeten „Kur-Apotheke“, Marktstraße 3, sind nach eigenen Angaben heute keine speziellen Kurmittel oder Kurangebote mehr erhältlich. Die Kur-Apotheke will jedoch an die Ortsgeschichte erinnern. Ähnlich die „Quellen-Apotheke“, König-Karl-Str. 20. 1160 Neben Arztpraxen, Apotheken und Sportklinik befinden sich in Kurpark-Nähe die Altenheime des Evangelischen Vereins mit der sogenannten 'Villa' Seckendorff, 8 Schulen, Kindertagesstätten, Kindergärten sowie die Sportplätze des Cannstatter Tennisclubs (CTC, einst CFC). Das 1879 gegründete Krankenhaus Bad Cannstatt am östlichen Stadtrand (Prießnitzweg 24) befindet sich weitgehend noch in der Nähe. Die Stuttgarter „Paulinenhilfe“ steht auf dem Fachgebiet der Orthopädie in der Nachfolge der Heilanstalten Cannstatts, „Heine“ sowie „Ebner“. 1161 Vgl. M. Hahn, in: Lauser/Bunata, S.7. Eine Stärke ist die multikulturelle Bevölkerung (s.a. Gastarbeitergeschichte). 1162 Vgl. Häffner 2008, S. 45. Nach wie vor ist Bad Cannstatt ein wirtschaftlich-kultureller Mittelpunkt der Region. 196 Die Geschichte, auch diejenige von Bad Cannstatt, geht weiter. Die Genese der Kurstadt ist in der reichen Historie begründet, das Genesen als Kurstadt ist abhängig von einer guten Stadterneuerung unter Berücksichtigung der Historie. Manch ein Projekt, das früher allein an der Finanzierung oder Machbarkeit scheiterte, wäre heute in der Theorie relativ unkompliziert zu realisieren. Die Baden- Württemberger sagen gerne selbstironisch über sich: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“.1163 Zum Können und zur Kunst zählt als bildende auch eine gekonnte Stadtplanung: Die Kunst der Urbanisierung, unter Bewahrung der Kultur und dem Lernprozess aus der Geschichte. Nun soll vereint werden, was zueinander gehört. Die Devise lautet: Ein Bad kann Stadt. 1163 Der Slogan von 1999 (Scholz & Friends) wurde 2021 abgelöst durch die Kampagne „THE LÄND“ (Jung von Matt). 197 BILDTEIL [001] Weiherelief römischer Quellnymphen um 150 in Cannstatt 2017. [002] Siegel des Heinrich Schilling von Canstatt um 1283. 198 [003] Buchillustration mit Maria im Bade um 1400. [004] Familienwappen der Schilling von Canstatt um 1450. 199 [005] Siegel der Stadt Cannstatt um 1486. [006] Offizielles Stadtwappen von Bad Cannstatt 2020. [007] Gotischer Schlussstein mit Cosmas und Damian um 1500. [008] Foto des Cannstatter Spitals von 1545 um 1909. 200 [009] Stich von Cannstatt nach Matthäus Merian 1643. [010] Ansicht von 'Cantstatt' und dem Badgarten vom Kahlenstein aus nach J. F. Haug 1797. [011] Ansicht des Trinkpavillons auf der Sauerbrunneninsel nach Friedrich Keller um 1850. 201 [012] Plan der Gegend um Cannstatt nach einer Aufnahme von Karl August Friedrich Duttenhofer 1816. [013] Plan von 'Bellevue bey Canstadt' 1840. 202 [014] Aquarell der Neckarpartie mit Schlösschen Bellevue von Julius Woelffel 1810. [015] Aquarellierte Federzeichnung zu zwei Zimmern im Landschlösschen Bellevue von Ferdinand von Fischer 1815. 203 [016] Radierung des Badhauses am Neckar in Cannstatt von August Seyffer um 1812. [017] Foto des 1810 errichteten Königsbades von Nicolaus Thouret in Stuttgart um 1940. [018] Stahlstich des 1810 eröffneten ersten Kurhauses in Wiesbaden von Christian Zais um 1840. 204 [019] Foto des 1813 errichteten Erbprinzenpalais von Christian Zais in Wiesbaden 2016. [020] Foto des bis 1818 errichteten Frösnerschen Badhotels in der Cannstatter Badstraße um 1900. 205 [021] Gartenansicht des Frösnerschen Badhotels in Cannstatt um 1831. [022] Ansicht des Tanzsaals im Frösnerschen Badgarten in Cannstatt um 1821. [023] Plan des Frösnerschen Badgartens in Cannstatt um 1823. 206 [024] Ansicht der Ölmühle mit Mineralbrunnen am Cannstatter Sulzrain nach August Seyffer um 1813. [025] Plan des Sulz-Rains bei Cannstatt 1816. 207 [026] Plan der Anlagen auf dem Sulzrain nach Karl August Friedrich Duttenhofer 1820. [027] Radierung des Thouretschen Plans zum Rindenpavillon am Sulzrain von August Seyffer 1813. 208 [028] Ansicht des von Nicolaus Thouret entworfenen Hippodroms auf dem Cannstatter Wasen um 1820. [029] Darstellung eines Wagenrennens auf der Pferderennbahn des Cannstatter Volksfests um 1830. 209 [030] Situationsplan der Anlagen am Sulzrain mit Allee vom Zollerschen Bad zum Brunnen nach F. Fleischmann 1820. 210 [031] Entwurf von Nicolaus Thouret zu einer Trinkhalle mit Brunnenallee am Cannstatter Sulzrain 1821. 211 [032] Ansicht der von Nicolaus Thouret entworfenen neuen Brunnenhalle am Cannstatter Sulzrain um 1821. [033] Entwurf mit vier Varianten zu einem Pavillon am Cannstatter Sulzrain um 1821. 212 [034] Projekt zu einer offenen Wandelhalle am Cannstatter Sulzrain um 1821. [035] Foto der 1823 errichteten Wandelhalle in Bad Boll von Gottlob Georg Barth 2016. 213 [036] Projekt von Joseph Aloys Maucher zu einem neuen Kursaal am Cannstatter Sulzrain um 1821. 214 [037] Foto des Wilhelmsbads in Cannstatt mit dem 1819 erbauten Tanzsaal von Christian Zais und Garten um 1880. [038] Ansicht der neuen Allee am Cannstatter Sulzrain mit dem Zaisschen Tanzsaal des Wilhelmsbads rechts um 1822. 215 [039] Ansicht der neuen Allee am Cannstatter Sulzrain mit dem Rindenpavillon um 1822. [040] Foto der seit um 1668 konzeptionell bestehenden vierreihigen Brunnenallee in Bad Pyrmont 2017. [041] Blick vom neuen Aussichtspunkt auf dem Sulzerrain über Cannstatt von Franz Schnorr um 1835. 216 [042] Entwurf von Joseph Aloys Maucher zu einem Mineralwasser-Abfüllgebäude am Cannstatter Sulzrain von 1824. 217 [043] Ansicht des Füllhauses neben Rindenpavillon und Brunnenhalle von links nach Ferdinand F. Wagner vor 1837. [044] Foto eines originalen Cannstatter Mineralwasserkrugs vom Sulzerrain aus Steinzeug von 1830-1860. 218 [045] Stahlstich von Ludwig Mayer und Samuel Lacey mit Blick auf die Neckarauenlandschaft bei Cannstatt 1840. [046] Entwurf der ersten Cannstatter Wilhelmsbrücke über den Neckar von Etzel und Thouret um 1835. 219 [047] Foto der zweiten Cannstatter Wilhelmsbrücke von 1930 über den Neckar mit ehem. Badhotel Ochsen links 2017. [048] Aufriss und Grundriss des 1821 von Thouret entworfenen und bis 1840 erbauten Cannstatter Kursaals um 1910. 220 [049] Farbrekonstruktion des Ostgiebels am panhellenischen Zeus-Tempel auf Ägina nach Abel Blouet 1838. [050] Fotocollage der ursprünglichen Kassettendecke mit Rosetten im großen Kursaal Cannstatt 2009. 221 [051] Erste Fotografie des großen Cannstatter Kursaals innen von Joseph Egle 1857. [052] Seltenes Fotodetail der 1943 verbrannten und 1949 entfernten Wandfresken im großen Cannstatter Kursaal 1940. 222 [053] Innenaufnahme des letztmalig bis 2013 renovierten großen Kursaals in Bad Cannstatt 2017. [054] Foto des Deckenornaments im pompejanischen Stil im halbrunden Vorbau am Cannstatter Kursaal 2016. 223 [055] Ansicht des bis 1841 äußerlich fertiggestellten Kursaals mit den beiden Nebengebäuden um 1843. [056] Aufriss und Deckengestaltung der 1841 errichteten Restauration neben dem Cannstatter Kursaal um 1841. [057] Dreizehn Ansichtstafeln als Erinnerung an Cannstatt nach Friedrich Keller um 1855. 224 [058] Entwurf von Josef E. Zeller zu einem neuen Badhaus im 'hindustanischen' Stil am Cannstatter Sulzerrain 1842. [059] Entwurf von Vinzenz de Pay zu einem neuen Badhaus im 'maurischen' Stil am Cannstatter Sulzerrain um 1842. 225 [060] Farbfotografie des königlichen Badhauses von 1842-1846 im 'maurischen' Stil in der Wilhelma um 1910. [061] Aquarell des bis 1843 von de Pay erbauten 'Maurischen Bades' am Cannstatter Sulzerrain von Ch. Wagner 1851. 226 [062] Lithographie der Aussicht vom Sulzerrain auf Cannstatt mit der Gedenktafel an C. F. Sick links um 1855. [063] Foto der Aussicht vom oberen Kurpark auf dem Sulzerrain nach Bad Cannstatt 2016. 227 [064] Foto der gusseisernen Gedenktafel für C. F. Sick im oberen Kurpark auf dem Cannstatter Sulzerrain 2016. [065] Foto der 1846 erbauten Bahnbrücke über den Neckar mit Blick auf Cannstatt und den Tanzsaal rechts um 1870. 228 [066] Ansicht des Platzes vor dem neuen Stuttgarter Mineralbad in Berg mit der Berger Restauration rechts um 1857. [067] Ansicht vom Schwimm-Bassin des neuen Stuttgarter Mineralbades in Berg um 1857. 229 [068] Foto der 1861 errichteten Wandelhalle von Johann Michael Knapp im oberen Bad Cannstatter Kurpark 2016. [069] Stich mit Innenansicht eines Badezimmers in der Ebnerschen Heilanstalt für Orthopädie in Cannstatt 1868. [070] Entwurf zu einem neuen Kursaal in Cannstatt von Julius Beisbarth am Stuttgarter Polytechnikum 1866. 230 [071] Holzschnitt der Kraußschen Flussbadeanstalt im Neckar am Wehr in Cannstatt 1868. [072] Das 1875 von Johann Halbig für Wilhelm I auf dem Cannstatter Wilhelmsplatz geschaffene Denkmal vor 1881. 231 [073] Lithographie mit Ansicht des Cannstatter Kurbezirks aus der Vogelperspektive nach W. Breitschwerdt 1866. [074] Ansicht des Cannstatter Kurbezirks aus der Vogelperspektive um 1896. 232 [075] Foto mit Blick über den Kursaal auf die Brunnenallee und die Cannstatter Königstraße um 1885. [076] Foto der Cannstatter Königstraße mit Blickrichtung auf den Kursaal 1909. 233 [077] Foto der 1873 eingeweihten englischen Kirche in der Daimlerstraße Bad Cannstatt 2020. [078] Die 1874 eingeweihte und 1938 niedergebrannte Synagoge in der König-Karl-Straße in Bad Cannstatt um 1930. 234 [079] Panorama-Foto der 1824 eingeweihten russisch-orthodoxen Kapelle auf dem Württemberg 2018. [080] Plan der Heilanstalten mit Kurgärten und der oberen Sulz in der Cannstatter Badstraße 1874. [081] Ansicht der Maschinenfabrik der Gebrüder Decker und Co. in Cannstatt aus der Luft 1868. 235 [082] Foto des 1886 errichteten Karl-Olga-Stegs in Cannstatt mit der Sauerbrunneninsel links um 1910. [083] Foto der Kurpromenaden in Baden-Baden an der Oos mit romantischen Fußgängerstegen 2016. 236 [084] Foto des Mineralbades Leuze auf der Berger Insel 1896. [085] Foto der 1886 eröffneten Schwimmhalle im Mineralbad Leuze um 1910. 237 [086] Foto des südlichen Eingangs in den oberen Cannstatter Kurpark um 1900. [087] Koloriertes Foto des Mineralwasserteichs in den unteren Cannstatter Kuranlagen um 1910. 238 [088] Foto des Springbrunnens mit wasserspeienden Drachen im oberen Cannstatter Kurpark um 1900. [089] Plan über die Errichtung eines Gewächshauses in der Nähe des Cannstatter Kursaals für den Brunnenverein 1889. 239 [090] Foto des 1891 nach Plänen von Friedrich Keppler errichteten Aussichtsturms auf dem Burgholzhof 2016. [091] Foto des um 1890 neu errichteten Pavillons über dem Wilhelmsbrunnen mit Taubenheim-Denkmal rechts 1910. 240 [092] Foto im Kurwandelgang des Cannstatter Trinkpavillons mit dem Wilhelmsbrunnen um 1906. [093] Foto des Cannstatter Wilhelmsbrunnens unter dem Trinkpavillon am Kursaal um 1925. 241 [094] Foto des Bechstein-Pavillons mit Sulzerrainwäldchen im oberen Cannstatter Kurpark um 1905. [095] Plan zu einem Kassenhäuschen vor dem Brunnenhof und oberen Park des Cannstatter Kursaals 1896. [096] Foto der umzäunten Cannstatter Kursaalanlagen mit Kassenhäuschen um 1900. 242 [097] Foto der im Jahr 1900 neu aufgestellten Konzertmuschel hinter dem Kursaal in Bad Cannstatt 2017. [098] Foto der Gedenktafel in Form eines Platanenblatts für Forstrat K. Gebhardt im oberen Cannstatter Kurpark 2016. [099] Entwurf zum Stadtbad neben dem Kursaal in Cannstatt von Wittmann & Stahl 1894. 243 [100] Plan über die projektierte Vergrößerung der Kursaal-Anlagen in Cannstatt von Paul Ehmann 1900. [101] Foto der Anlagen am Vorplatz des Cannstatter Kursaals mit dem 'Städtischen Kurhaus' links um 1900. 244 [102] Foto einer Familie vor dem Schweizerhäuschen im oberen Cannstatter Kurpark um 1905. [103] Farbfoto des um 1903 errichteten Stifterpavillons im oberen Cannstatter Kurpark um 1914. 245 [104] Entwurf 'Piazza' zum neuen Wirtschaftsgebäude am Kursaal in Cannstatt von Adolf Retter um 1905. 246 [105] Entwurf von Theodor Fischer zu einem neuen Wirtschaftsgebäude am Cannstatter Kursaal um 1905. 247 [106] Foto des neuen Wirtschaftsgebäudes 'kleiner Kursaal' in Cannstatt um 1909. [107] Foto der Gartenwirtschaft des neuen kleinen Kursaals in Cannstatt um 1910. 248 [108] Foto der ornamentierten Decke im großen Saal des neuen kleinen Kursaals in Cannstatt um 1909. [109] Foto der Jugendstil-Wandmalerei im großen Saal des neuen kleinen Kursaals in Cannstatt um 1909. 249 [110] Foto eines Wandreliefs am neuen Cannstatter Wirtschaftsgebäude 'kleiner Kursaal' 2016. [111] Foto des Giebelreliefs am neuen Cannstatter Wirtschaftsgebäude 'kleiner Kursaal' 2016. 250 [112] Foto des 1910 aufgestellten Junobrunnens von Emil Kiemlen im Cannstatter Kurpark 2017. 251 [113] Foto der neugestalteten unteren Anlagen im Cannstatter Kurpark aus der Vogelperspektive um 1915. [114] Farbfoto der Blumenbeete in den neugestalteten unteren Anlagen im Cannstatter Kurpark um 1915. 252 [115] Foto des Junobrunnens in Cannstatt um 1915. [116] Foto der neuen unteren Kuranlagen mit Pavillon um 1920. [117] Foto des Jugendstil-Laubengangs in den neugestalteten unteren Kuranlagen in Cannstatt um 1915. 253 [118] Farbfoto des großen und kleinen Kursaals in Cannstatt mit dem Kurhaus am Sulzerrain im Hintergrund 1928. [119] Foto des Wilhelmsplatzes in Bad Cannstatt mit dem modernen Café Widmann in der Mitte um 1940. 254 [120] Foto der ersten Wilhelmsbrücke von Etzel und Thouret über den Neckar in Cannstatt mit Aussichtsbuchten 1925. [121] Foto der neuerbauten zweiten Wilhelmsbrücke über den Neckar in Cannstatt mit breiter Fahrbahn um 1930. 255 [122] Foto des neuen Lautenschlägerbrunnens in Bad Cannstatt bei einer Trinkkur um 1937. [123] Modell zur Erweiterung der Bad Cannstatter Kursaalbauten von Architekt Ernst Leistner um 1935. 256 [124] Werbekarte des Kurvereins Bad Cannstatt um 1935. [125] Faltblatt zu dem neuen Kurhaus am Sulzerrain in Bad Cannstatt von 1939. 257 [126] Foto der neu eingerichteten Kuranstalt Daimler in Bad Cannstatt um 1940. [127] Foto einer Veranstaltung für verwundete Soldaten im bemalten Bad Cannstatter Kursaal 1940. 258 [128] Foto eines antik griechischen Mäander-Bandes mit Swastiken auf Kos 2018. [129] Foto des kriegszerstörten Kursaal-Portals in Bad Cannstatt mit Mäander-Fries und Swastiken um 1943. [130] Foto des wiederaufgebauten großen Kursaals in Bad Cannstatt mit neuen Ornamenten in den Metopen um 1950. 259 [131] Foto des Brunnenhofs am Bad Cannstatter Kursaal bei einer Trinkkur um 1952. [132] Foto eines Badezimmers mit eingelassenem Wannen-Kurbad im Mineral-Heilbad Cannstatt um 1959. 260 [133] Foto des Schwimmbassins mit Dusche und Umkleidekabinen im Mineral-Heilbad Cannstatt um 1955. [134] Foto des Freibades im Mineralbad Leuze bei Bad Cannstatt am Neckar um 1960. 261 [135] Foto der verschneiten Bad Cannstatter Kursaalallee zum Sulzerrain um 1950. [136] Plan von den Cannstatter Kuranlagen mit Allee unten und Spaziergängen auf dem Sulzerrain 1850. 262 [137] Plan vom Cannstatter Kurpark mit oberen und erstmals auch mit unteren Parkanlagen 1898. [138] Plan vom Stuttgart-Cannstatter Kurpark mit den bis zur Bahnlinie erweiterten oberen Parkanlagen 1907. 263 [139] Plan vom Stuttgart-Cannstatter Kurpark mit neugestalteten unteren Parkanlagen im Jugendstil 1923. [140] Plan vom Stuttgart-Bad Cannstatter Kurpark im Zustand der Umgestaltung ohne Kursaal-Allee 1965. 264 [141] Luftbild der alten Kuranlagen in Stuttgart-Bad Cannstatt mit Kursaal-Allee und Jugendstil-Partien um 1940. [142] Luftbild der neuen Kuranlagen in Stuttgart-Bad Cannstatt ohne die historische Kursaal-Allee um 1961. 265 [143] Modell zur Errichtung eines Hochhauses anstelle des kleinen Kursaals in Stuttgart-Bad Cannstatt 1971. [144] Foto des Mineral-Heilbads Cannstatt von außen um 1985. [145] Foto des großen Kursaals in Bad Cannstatt mit dem Sulzerrain im Hintergrund 2017. 266 [146] Fotos eines originalen Leuze-Mineralwasserkrugs für Trinkkuren von etwa 1870 aus Steinzeug. [147] Foto von zwei Bad Cannstatter Mineralwasserflaschen für Trinkkuren von etwa 1935 aus Glas. 267 [148] Collage von Mineralwasser-Flaschenetiketten der Bad Cannstatter Mineralbrunnen AG um 1985. [149] Foto der von Otto Herbert Hajek farbig gestalteten Eingangshalle am Stuttgarter Mineralbad Leuze 2018. 268 [150] Foto des Mineralwasser-Trinkbrunnens in der Eingangshalle des Stuttgarter Mineralbades Leuze 2016. [151] Foto des Freibade-Bereichs im Stuttgarter Mineralbad Leuze am Neckar bei Bad Cannstatt 2018. 269 [152] Panorama-Foto der Stuttgart-Bad Cannstatter Parkanlagen vom Weinberg am Pragsattel aus gesehen 2017. [153] Panorama-Foto der oberen Bad Cannstatter Kurparkanlagen von der Altenburg aus gesehen 2016. [154] Foto des oberen Bad Cannstatter Kurparks auf dem Sulzerrain mit altem Baumbestand 2017. 270 [155] Foto des natürlichen Mineralwasser-Quellsees der Mombach-Quelle in Bad Cannstatt 2018. [156] Foto des hoch mineralisierten Veielbrunnens aus Travertin im Veielbrunnenweg in Bad Cannstatt 2017. [157] Foto des hoch mineralisierten Kunstmühlebrunnens für bis zu zwölf Personen in Stuttgart-Berg 2017. 271 [158] Panorama-Foto des Flusskanals mit Kaimauer an der Neckartalstraße in Stuttgart-Bad Cannstatt 2017. [159] Foto des betriebenen historischen Frauenbades von 1888 am Stadthausquai auf der Limmat in Zürich 2018. [160] Foto eines abgegrenzten Flussbades in der Limmat am oberen Letten in Zürich 2018. 272 [161] Foto eines ummauerten Flussbades in der Limmat am unteren Letten in Zürich 2018. [162] Foto des Trampelpfads am Neckarufer beim Kurpark in Bad Cannstatt Richtung Nordost 2017. 273 [163] Foto des 1840 erbauten Wilhelmatheaters bei der B10 am Neckarufer in Stuttgart-Bad Cannstatt 2015. [164] Foto der teils noch überdachten Kur-Wandelgänge vor der Wilhelma am Theater in Bad Cannstatt 2017. 274 [165] Foto des pompejanischen Deckenornaments in Form eines Velums im Wilhelmatheater Bad Cannstatt 2015. [166] Foto der Logen im Zuschauersaal des historischen Wilhelmatheaters in Stuttgart-Bad Cannstatt 2015. 275 [167] Foto des Schwimm-Bassins im original osmanischen Király Hammam in Budapest um 2009. [168] Foto einer Kneippkuranlage mit Wassertretbecken und Heilkräutergarten im Kurpark von Grasellenbach 2017. 276 [169] Foto des ehemaligen Steinbruchs im terrassierten Travertinpark in Stuttgart-Bad Cannstatt 2020. 277 [170] Foto des historischen Gradierwerks von 1806 als Freiluft-Sole-Inhalatorium im Kurpark von Bad Orb 2017. [171] Foto des zur Landesgartenschau 2008 errichteten Gradierwerks zur Sole-Inhalation in Bad Rappenau 2017. 278 [172] Stadtplan von Cannstatt mit erweiterter Neckarvorstadt links und noch ohne Königstraße 1850. [173] Stadtplan von Stuttgart-Cannstatt auf dem Höhepunkt der Ausgestaltung der historischen Parks 1906. 279 [174] Luftbild von den Stuttgarter Parkanlagen in die Bad Cannstatter Kursaal-Achse mit Mineralbädern um 1996. [175] Stadtplan von Stuttgart-Bad Cannstatt mit Lokalisierung der wichtigsten Mineralquellenvorkommen 2020. 280 CATALOGUS α. Archivalien STADTARCHIV STUTTGART : - Bestand 903 – Cannstatt (Inventarnummern:) Inv. Nr. 2407/1: Die der Stadt Cannstatt gehörigen Sauerbrunnen Insel zu Berg, 1739-1746. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#393033x3716 2410/8: Bade- und Kuranstalten – Errichtung eines Badhauses an der Sulzerquelle, Bemerkung: Sulzbader Hans Öchslin 1601/02. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#393033x3748 Inv. Nr. 2412/1: Bausachen – Bau einer Ölmühle und Hanfreibe am Sulzerrain, 1786-1788. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#393033x3764 Inv. Nr. 2432/4: Mineralwasser: Abgabe für das Abfüllen des Mineralwassers am Sulzerrain, 1820- 1825. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#393033x3954 Inv. Nr. 2437/10 u. 11: Die Sulzquelle am Bären 1874-1875. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#393033x4014 Inv. Nr. 2444/6: Abtretung des Mühlgrüns an Kaufmann Beuttenmüller für die am Sulzerrain gelegene Ölmühle, 1821-1822. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#393033x4116 Inv. Nr. 2534: Kurgäste am Sulzerrain 1868-1879, 1880-1914. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#393033x4351 Inv. Nr. 2545/4: Das Sulzbad 1873-1934. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#393033x4388 Inv. Nr. 2546/1: Tauschverträge mit der Stadtgemeinde, u. a. Satzung Brunnen-Verein, Plan v. C. 1901, Plan Sulzerrain-Acker 1897. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#393033x4391 Inv. Nr. 2610/3: Verschönerungsverein - Rechenschaftsberichte und Festschrift 1893-1910. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#393033x4609 Inv. Nr. 2611/1: Verschönerungsverein – Protokolle (3 Bde.). https://www.stadtarchiv-s tuttgart.findbuch.net/php/main.php#393033x4611 281 Bestand 9 Einzelakten – 62: Cannstatt – Sauerbrunnen am Sulzerrain. Enthält: Unterlagen der Direktion des Städtischen Wasserwerks zur Geschichte, eine Nachzeichnung der von Thouret vor Erbauung des Kursaals errichteten Hütte mit Strohdach (Lichtpause nach einer von Prof. Pfleiderer, Cannstatt, übergebenen Skizze) sowie Foto eines Stichs 1773 nach seiner Erbohrung. https://www.stadtarchiv-s tuttgart.findbuch.net/php/main.php#39x57 Bestand 10 – 5387: Schiffbarmachung des Neckars von Mannheim bis Heilbronn bzw. Stuttgart und Weiterführung des Kanals bis Esslingen, 1913-1914. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#3130x5384 Bestand 11 - Depot B – 1270: Die Kursaalanlagen des Brunnenvereins Cannstatt 1902-1926. 4840: Das im Eigentum des Brunnenvereins Cannstatt stehende Wirtschafts- und Kurgebäude am Sulzerrain in C., 1-81, 1905-1928. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#3131x4866 1295: Verschönerungsverein Cannstatt 1895-1926. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#3131x1311 Bestand 125/1, 101-12: Kursaalallee Stuttgart-Bad Cannstatt 1959 weggefallen. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#3132352f31x101x12 Bestand 202 Gesundheitsamt: Inv. Nr. 1467, Inv. Nr. 1478, Inv. Nr. 1489. 202 – 748: Mineralbrunnen Sulzerrainstraße 1975-1976. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#323032x750 Bestand 205 Kuramt: Inv. Nr. 190, Inv. Nr. 214, Inv. Nr. 244. Gestaltung der Kurparkanlagen 1946- 1969. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#3835302f31x205 H 1.1, 632: Planung und Neugestaltung des Kurparks. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#323035x631 205 – 657: Kurhaus am Sulzerrain, Kuranstalt Daimler 1936-1954. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#323035x656 205 – 257: Anwesen Sulzerrainstraße 4 (Mineralbad Cannstatt), Allgemeines, 1953-1967, 10 Pläne. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#323035x257 Bestand 206 Bäderamt: Inv. Nr. 1000, Inv. Nr. 1026. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#3132372f31x107 Bestand 9350: P 522 Ca-8. Bestand 11 – Depot B – 03.18.03. Inv. Nr. 10078: Luftangriff Nr. 10 vom 15.4.1943: Bad Cannstatt Kursaal, Uff-Friedhof, etc. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#3137312f31x188 https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#31303337x265 Bestand 116/4 Baurechtsamt: Inv. Nr. 2762 – Badstr. 35-39 (1818-1987), Inv. Nr. 3121 Badstr. 33. https://www.stadtarchiv-stuttgart.findbuch.net/php/main.php#3131362f34x2762 Bestand 1002: Mikrofilm 76. Ordner N 6.9.3.2: Brunnenverein. N 6.9.3.3 Niederschrift des Gemeinderats vom 27.3.1934. > analoge Recherche vor Ort. Alle Einheiten aufgerufen am 10.03.2022. 282 Landesarchiv Baden-Württemberg HAUPTSTAATSARCHIV STUTTGART : A 213 Bü 7081: Oberrat: Jüngere Ämterakten (Spezialakten) / 1476-1817. 86: Polizeisachen - Wonach dem Medici Candidatus Johann Ludwig Frößner gnädigst gestattet und ein Privileg auf acht Jahre bewilligt wird, ein öffentliches, schwimmendes, mit aller Bequemlichkeit und Sicherheit für die Badenden versehenes Neckarbad, nach dem von ihm vorgelegten Riss und unter Beobachtung des regulären Badtaxes anlegen zu dürfen (Cannstatt) / 1792. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=3186&sprungId=7653699&syssuche=candidatus+dem+fr%3Fner+fr %C3%B6%C3%9Fner+johann+ludwig+medici+wonach&logik=or&letztesLimit=suchen A 213 Bü 7082: Oberrat: Jüngere Ämterakten (Spezialakten) / 1476-1817. 86: Polizeisachen: Betreff die Bitte des Medici Candidatus Jakob Frößner, das seines Bruder Johann Ludwig Frößner wegen eines im Jahr 1792 errichteten schwimmenden Neckarbads auf acht Jahre erteiltes Privilegium auch auf ihn gnädigst zu übertragen (Cannstatt) / 1802. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=3186&sprungId=7653700&syssuche=betreff+bitte+bruder+candidatus+das+des+die+fr %3Fner+fr %C3%B6%C3%9Fner+jakob+johann+ludwig+medici+seines&logik=or&letztesLimit=suchen A 335 L Bü 27: Cannstatt W / (1351-) 1590-1810. 7. Bau- und Verkehrswesen, 7.1 Öffentliche, kirchliche, private Bauten und Gebäudeverwaltung. Baugenehmigung für ein schwimmendes Neckarbad bei Cannstatt / 1792, 1802. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=3323&sprungId=780158&syssuche=1792+1802+baugenehmigung+bei+cannstatt+ein+f %C3%BCr+neckarbad+schwimmendes&logik=or&letztesLimit=suchen E 14 Bü 175, Bü 226 Enthält u.a.: nachgelassene Akten des Freiherrn von Spitzemberg. Fasz. 4: Salucci an König Wilhelm am 12.9.1830. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=4000&sprungId=1262454&syssuche=k%3Fnig+k %C3%B6nig+salucci+wilhelm&logik=or&letztesLimit=suchen E 70 t Bü 34. Beschaffung von Pflanzen für König Wilhelm I., Aufenthalt des Hofgärtners Bosch in Großbritannien. 1819-1821. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=4116&sprungId=1219926&syssuche=aufenthalt+bosch+des+gro%3Fbritannien+gro %C3%9Fbritannien+hofg%3Frtners+hofg%C3%A4rtners+in&logik=or&letztesLimit=suchen E 146 Bü 2330: Statistik der Dampfkessel in Württemberg., Bü 8042 – 3: Krankenanstalten in den Oberämtern Backnang, Crailsheim, Cannstatt, Heilbronn, Marbach u. a. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=4152&sprungId=2217974&syssuche=backnang+cannstatt+crailsheim+den+in+krankenans talten+ober%3Fmtern+ober%C3%A4mtern&logik=or&letztesLimit=suchen 283 E 146 Bü 7995, 5: Gesuch zur Errichtung einer Spielbank im Badeort Cannstatt vom 24.4.1854. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=4152&sprungId=2217818&syssuche=badeort+cannstatt+einer+errichtung+gesuch+im+spi elbank+zur&logik=or&letztesLimit=suchen E 151/ 51 Bü 87: Innenministerium, Abteilung X: Gesundheitswesen / 1806-1928, 3.2: Heilbäder und Kuren. Unterhaltskosten für die staatliche Neckarbadeanstalt in Stuttgart-Berg / 1806-1900. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=4187&sprungId=92136&syssuche=berg+die+f %C3%BCr+in+neckarbadeanstalt+staatliche+stuttgart+unterhaltskosten&logik=or&letztesLimit=su chen E 151/ 53 Bü 240: Innenministerium, Abteilung X: Gesundheitswesen / 1806-1945, Nachakten bis 1950. 03. Krankenfürsorge und Krankenpflege (ohne Irrenwesen), 03.02 Badewesen: Betrieb des staatlichen Neckarbades in Stuttgart-Berg / 1901-1928. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=4189&sprungId=1421375&syssuche=berg+betrieb+des+in+neckarbades+staatlichen+stutt gart&logik=or&letztesLimit=suchen E 221 Bü 4255: Neckardampfschifffahrt 1843-1870. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=4211&sprungId=1989104&syssuche=1843+neckardampfschifffahrt&logik=or&letztesLim it=suchen GU 20 Bü 225: Briefe des Carl Alexander von Heideloff an Wilhelm Graf von Württemberg 1837- 1858. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=19957&sprungId=2693570&syssuche=alexander+carl+heideloff+von&logik=or&letztesLi mit=suchen J 1 Nr. 29: Jakob Frischlin 1578-1590. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=5449&sprungId=7431194&syssuche=1578+1590+frischlin+jakob&logik=or&letztesLimit =suchen N 200, Nr 168. Plan der Stadt Cannstatt von G. W. Kleinsträttl 1655. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=6665&sprungId=7641948&syssuche=1655+cannstatt+der+g+kleinstr%3Fttl+kleinstr %C3%A4ttl+plan+pl%C3%A4ne+stadt+von+w&logik=or&letztesLimit=suchen Q 3/41 Bü 852: Der Kursaalwettbewerb für Bad Cannstatt 1935 (Zeitungsausschnitte). https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=6841&sprungId=7115902&syssuche=1935+bad+cannstatt+f %C3%BCr+kursaalwettbewerb&logik=or&letztesLimit=suchen Alle Einheiten aufgerufen am 10.03.2022. 284 STAATSARCHIV LUDWIGSBURG : D 39 Bü 1-3: Normalienbuch der Sektion des Landbauwesens 1806-1817. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=17384&sprungId=1112064&syssuche=1806+der+des+landbauwesens+normalienbuch+sek tion&logik=or&letztesLimit=suchen D 52 Bü 739, Bü 740 - Bü 747: Verschiedene Baugesuche von Cannstatt, 1818-1840. Bü 754: Abbruch der Cannstatter Stadtmauer zwischen dem Neckar-Brückentor und dem Badwirtshaus Froesner 1817, Bü 870: Billardgerechtigkeit 1813-1827, Bü 923: Mineralquellen zu Berg und Cannstatt sowie in deren Umgebung; Mineralquelle von Sulzerrain; Eigentumsrecht an den Mineralquellen, 1813. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=17400&sprungId=3546000&syssuche=1818+baugesuche+cannstatt+verschiedene+von&l ogik=or&letztesLimit=suchen E 19 Bü 1-2: Protokolle der Bau- und Gartenkommission 1809-1810, Bü 3-14: Protokolle der Bauund Gartendirektion 1811-1821 sowie Bü 15-34: Diarium der Bau- und Gartendirektion 1812-1831. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=17466&sprungId=821414&syssuche=1809+bau+der+gartenkommission+protokolle+und &logik=or&letztesLimit=suchen E 19 Bü 461 - Bü 480: Anlage einer Allee auf dem Kahlenstein, 1809-1811. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=17466&sprungId=821937&syssuche=allee+anlage+auf+dem+einer+kahlenstein&logik=or &letztesLimit=suchen E 19 Bü 530: Kgl. Bau- und Gartendirektion Stuttgart / 1809-1914 (Va ab 1805, Na bis 1920), II Spezialia, 3. Gebäude und Gartenanlagen zu Cannstatt und Berg, c) Sonstige Gebäude: Pläne und Projekte für Trinkhallen am Cannstatter Sauerbrunnen (angelegt von Bauinspektor Autenrieth), o. D. (um 1820). https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=17466&sprungId=821916&syssuche=berg+cannstatt+gartenanlagen+geb%3Fude+geb %C3%A4ude+und+zu&logik=or&letztesLimit=suchen E 19 Bü 810: Der Sauerbrunnen am Sulzer Rain (u.a. Abtretung des Eigentumsrechts an Cannstatt), 1817 sowie Bü 811-813. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=17466&sprungId=822298&syssuche=am+der+rain+sauerbrunnen+sulzer&logik=or&letzt esLimit=suchen E 20 Bü 378: Abgabe von Einrichtungsgegenständen in das Königsbad in den unteren Anlagen (Stöckach) in Stuttgart, Darin: Grundriss vom I. u. II. Stock, 1811. Sowie E 21 Bü 296. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=17467&sprungId=823146&syssuche=abgabe+das+einrichtungsgegenst %3Fnden+einrichtungsgegenst%C3%A4nden+in+k%3Fnigsbad+k %C3%B6nigsbad+von&logik=or&letztesLimit=suchen 285 E 166 Bü 1492: Verbesserung des Neckarlaufs in den Markungen Obertürkheim, Untertürkheim, Wangen, Gaisburg, Berg und Cannstatt sowie Auffüllung der Altwasser bei Gaisburg zur Verbesserung der Gesundheitsverhältnisse daselbst sowie Bü 1493: Korrektion des Neckars beim Landhaus Bellevue, Gde. Cannstatt, 1826-1829. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=17500&sprungId=346575&syssuche=den+des+in+markungen+neckarlaufs+obert %C3%BCrkheim+untert%C3%BCrkheim+verbesserung&logik=or&letztesLimit=suchen E 173 III Bü 6049: Gesundbrunnen, Oberamt Cannstatt. Enthält: Gesuch des Ochsenwirts Christoph Adam Linck in Cannstatt um Genehmigung zur Abgabe kalter und warmer Bäder an seine Gäste aus der Mineralquelle in seinem Garten; Verschönerung und zweckmäßigere Fassung der Mineralquelle am Sulzer Rain bei Cannstatt; Besoldung des Aufsehers bei der Sulzer Rainquelle; Gesuch des Dr. med. König von Stuttgart und des Maschinenfabrikanten August Koch von Cannstatt um Genehmigung zur Errichtung einer Mineral- und Kaltwasserheilanstalt auf der Insel bei Berg; Verbesserung der Einrichtung an der Mineralquelle auf der Neckarinsel bei Berg. Darin: Zeichnung der künftigen Ansicht der Mineralq. am SulzerRain bei C. 1813-1817, 1819-1841 https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=17514&sprungId=837951&syssuche=adam+cannstatt+christoph+des+enth%3Flt+enth %C3%A4lt+genehmigung+gesuch+gesundbrunnen+in+linck+oberamt+ochsenwirts+um&logik=or &letztesLimit=suchen E 173 III Bü 8248: Wasserbausachen in Berg, Cannstatt und Untertürkheim 1833-1892. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=17514&sprungId=840988&syssuche=1833+berg+cannstatt+in+und+untert %C3%BCrkheim+wasserbausachen&logik=or&letztesLimit=suchen E 177 I Bü 2868: Heilquellen und -bäder (Reutlingen), 1818-1846. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=17516&sprungId=1009996&syssuche=1818+b%3Fder+b %C3%A4der+heilquellen+reutlingen+und&logik=or&letztesLimit=suchen F 160 I Bü 274 a-g: Bad- u. Brunnenanstalten: u.a. Neckar-Schwimmbäder 1822-1893. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=18489&sprungId=400027&syssuche=1822+neckar+schwimmb %C3%A4der&logik=or&letztesLimit=suchen F 801 Bü 1041: Stuttgart, Stadtpolizeiamt: v. a. Personalakten / 1847-1921, 3. Gesundheitspolizei: Neckarbad in Berg / 1851-1912. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=18748&sprungId=1686191&syssuche=1851+1912+berg+in+neckarbad&logik=or&letztes Limit=suchen K 746 Bü 67: Wettbewerbe der Stadt Bad Cannstatt 1935-1938. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php? bestand=19388&sprungId=906393&syssuche=1935+1938+bad+cannstatt+der+stadt+wettbewerbe &logik=or&letztesLimit=suchen Alle Einheiten aufgerufen am 10.03.2022. 286 β. Bildnachweis [0] Titelbild auf dem Buchumschlag (Vorderseite): Historische Fotografie mit Blick vom Rosensteinpark auf die erste Eisenbahnbrücke über den Neckar und den Kurort Cannstatt um 1900. Quelle: Historische Ansichtskarte. [00] Vier Bilder auf dem Buchumschlag (Rückseite): Vier Ansichten aus dem Kurzentrum in Bad Cannstatt 2018: Links oben großer Kursaal mit Magnolienblüte, rechts oben Brunnenhof mit dem 2010 neu gestalteten Flur. Links unten oberer Kurpark auf dem Sulzerrain, rechts unten das SoleBad Cannstatt von 1994. Fotograf: Maximilian Grimm. [000] Bild am Dokument-Ende: Historische Fotografie mit Blick vom Erbsenbrünnele in die Bad Cannstatter Marktstraße um 1940. Quelle: Historische Postkarte. BILDER IM BILDTEIL : Abbildungen aus Buchpublikationen: Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsass-Lothringen, Heft 3, Stuttgart 1906, S. 1-12 [104] [108] [109]. Blouet, Abel: „Expédition scientifique de Morée“. Section des Beaux-Arts, tome III (Bd. 3), Paris 1838, planche 55 [049]. Ebner 1868, Abbildungsteil (ohne Nummerierung) [069] [071] [081]. Merian, Matthäus: „Topographia Sueviae“, in: Topographia Germaniae, Basel 1643, Tafel XVI [009]. 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Gelder für Umbau des Wilhelms- und Augsburger Platzes 303 gefordert“, Artikel vom 28.06.2019. https://www.cannstatter-zeitung.de/inhalt.gelder-fuer-umbau-des-wilhelms-und-augsburger-platz-gefordertgrossprojekte- auf-dem-wunschzettel.61ae993a-b7bb-4c5b-bf70-4a0eee2fd2dc.html Uli Nagel: „Großer Schritt zum Gesundheitscampus am Bad Berg“, Artikel vom 16.04.2019. https://www.cannstatter-zeitung.de/inhalt.planquadrat-kauft-gelaende-neben-dem-mineralbad-bergbaubeginn- im-jahr-2020-grosser-schritt-zum-gesundheitscampus-am-bad-berg.904adafe-d8da-48d9-937a- 892c61ef7663.html Uli Nagel: „Cannstatter Kurpark-Brunnen wird saniert. Nach Pfingsten soll wieder Wasser sprudeln“, Artikel vom 09.04.2019. https://www.cannstatter-zeitung.de/inhalt.nach-pfingsten-soll-wieder-wasser-sprudeln-cannstatter-kurparkbrunnen- wird-saniert.5e225f6e-7442-4b8c-8524-f8870349fb73.html Iris Frey: „Weniger Graffiti-Schmierereien im Kurpark. Renovierte denkmalgeschützte Mauer erstmals fast unbeschadet“, 07.01.2019. https://www.cannstatter-zeitung.de/inhalt.hervorhebung-renovierte-denkmalgeschuetzte-mauer-erstmals-fastunbeschadet- weniger-graffiti-schmierereien-im-kurpark.b761581d-a9ed-490a-a911-6720a4d31cc6.html Redaktion: „Lissabon als Vorbild für Bad Cannstatt. Gerhard Veyhl will Straßenbahn durch Altstadt wiederbeleben“, Artikel vom 11.10.2018. https://www.cannstatter-zeitung.de/inhalt.bad-cannstattgerhard-veyhl-will-strassenbahn-durch-altstadtwiederbeleben- lissabon-als-vorbild-fuer-bad-cannstatt.5a916797-3ed2-4f30-b5b8-46d834162ceb.html Redaktion: „Bad Berg – PlanQuadrat will ein Kompetenzzentrum neben dem Mineralbad Berg errichten – Baubeginn im Sommer 2019“, Artikel vom 26.04.2018. https://www.cannstatter-zeitung.de/inhalt.planquadrat-will-ein-kompetenzzentrum-neben-dem-mineralbadberg- errichten-baubeginn-im-sommer-2019-bad-berg.7c41a0bd-2203-401f-94b3- 051987dd0205.html#:~:text=Bad%20Berg-,PlanQuadrat%20will%20ein%20Kompetenzzentrum%20neben %20dem%20Mineralbad%20Berg%20errichten,im%20Sommer%202019%20Bad%20Berg&text=Lange %20hat%20es%20gedauert%2C%20ab,dem%20Mineralbad%20Berg%20gebaut%20werden Uli Nagel: „Viel Geld für schöneren Kurpark. Bad Cannstatt – Brunnen und Wege werden im Frühjahr saniert, Graffiti an Wandelhalle wird entfernt“, Artikel vom 13.03.2018. https://www.cannstatter-zeitung.de/inhalt.bad-cannstatt-brunnen-und-wege-werden-im-fruehjahr-saniertgraffiti- an-wandelhalle-wird-entfernt-viel-geld-fuer-schoeneren-kurpark.ce6562ed-0f06-4ddb-9755- e2df6db2988e.html#:~:text=Ende%20M%C3%A4rz%2C%20Anfang%20April%20sollen,wird%20investiert %E2%80%9C%2C%20verspricht%20Schirner Uli Nagel: „Bad Cannstatt – Kursaal ist kein Bürgerhaus. Trotz sehr guter Auslastung wird er selten von lokalen Vereinen gebucht“, Artikel vom 25.01.2018. https://www.cannstatter-zeitung.de/inhalt.bad-cannstatt-trotz-sehr-guter-auslastung-wird-er-selten-vonlokalen- vereinen-gebucht-kursaal-ist-kein-buergerhaus.88959022-d2c4-4766-a549-71db41c9f325.html Uli Nagel: „Bad Cannstatt. Leuze wird für 3,6 Millionen Euro saniert – Das Foyer ist nach 35 Jahren nicht mehr zeitgemäß und wird modernisiert“, Artikel vom 23.01.2018. https://www.cannstatter-zeitung.de/inhalt.bad-cannstatt-traditionsbad-leidet-unter-benachbartergrossbaustelle- leuze-wird-fuer-3-6-millionen-euro-saniert.afedf13a-96e5-4e72-81fb-3e000a0a5cfc.html Uli Nagel: „Ein Park für Jung und Alt. Bad Cannstatt – Anfang 2018 wird der Veielsche Garten umgestaltet“, Artikel v. 20.10.2017. https://www.cannstatter-zeitung.de/inhalt.bad-cannstatt-anfang-2018-wird-der-veielsche-garten-umgestaltetein- park-fuer-jung-und-alt.5784d8bd-609d-4040-b190-9238d4123980._amp.html 304 Uli Nagel: „Kursaal-Dach wird erst 2018 saniert. Bad Cannstatt. Fehlende Konstruktionspläne verzögern den Zeitplan“, 28.09.2017. https://www.cannstatter-zeitung.de/inhalt.bad-cannstatt-fehlende-konstruktionsplaene-verzoegern-denzeitplan- kursaal-dach-wird-erst-2018-saniert.8020a492-0ae9-4dbb-b786-7e830674ef64.html Uli Nagel: „Sperrung der Wilhelmsbrücke wird zum Zankapfel – Bad Cannstatt. Autofreie Brücke gefordert“, Artikel vom 14.07.2017. https://www.cannstatter-zeitung.de/inhalt.bad-cannstatt-autofreie-bruecke-gefordert-sperrung-derwilhelmsbruecke- wird-zum-zankapfel.206fb591-4d7c-4ca6-b4a6-6e8bf45642fe.html Hans Betsch: „Das Ibiza Württembergs. Bad Cannstatt – Ausstellung über die Badekultur der Sauerwasserstadt beim Evangelischen Verein“, Artikel vom 08.07.2017. https://www.cannstatter-zeitung.de/inhalt.bad-cannstatt-ausstellung-ueber-die-badekultur-dersauerwasserstadt- beim-evangelischen-verein-das-ibiza-wuerttembergs.c2392798-73d6-4565-8515- 44a1331e17fa.html Uli Nagel: „Bad Cannstatt - Marktplatzbrunnen kostet 280.000 Euro mehr“, Artikel vom 02.6.2017. Erdem Gökalp: „Schönheitskur für den Kurpark. Bad Cannstatt – Parkanlagen werden auf den Sommer vorbereitet“, Artikel vom 27.05.2017. https://www.cannstatter-zeitung.de/inhalt.bad-cannstatt-parkanlagen-werden-auf-den-sommer-vorbereitetschoenheitskur- fuer-den-kurpark.e2cbfb80-a55d-4c55-9a50-a074722d8886.html Redaktion: „Start der Kurparkkonzerte. Bad Cannstatt – Der Musikverein Flügelrad Stuttgart macht diesen Sonntag den Auftakt“, Artikel vom 11.05.2017. https://www.cannstatter-zeitung.de/inhalt.bad-cannstatt-der-musikverein-fluegelrad-stuttgart-macht-diesensonntag- den-auftakt-start-der-kurparkkonzerte.060c56c4-d56a-4ebe-9704-5402d63bbe61.html Erdem Gökalp: „Das Mineralwasser fließt wieder. Bad Cannstatt – Am vergangen Samstag wurden die beiden Brunnen des Kursaals wieder offiziell in Betrieb genommen“, Artikel vom 02.05.2017. https://www.cannstatter-zeitung.de/inhalt.bad-cannstatt-parkanlagen-werden-auf-den-sommer-vorbereitetschoenheitskur- fuer-den-kurpark.e2cbfb80-a55d-4c55-9a50-a074722d8886.html Uli Nagel: „Stadt soll neuen Neckar-Holzsteg bauen – Bad Cannstatt. Verwaltung soll auf Antrag der Grünen eine Brückenverlegung Richtung Wilhelma prüfen“, Artikel vom 07.02.2014. Uli Nagel: „Mehr als 1900 Jahre alter Holzboden der Römer entdeckt. Bad Cannstatt – Archäologen machen im Sparrhärmlingweg einen überraschenden Fund“, Artikel vom 21.09.2012. Uli Nagel: „Wiege der Industrie am Deckerbuckel. Bad Cannstatt – Ferdinand Decker gründete vor 145 Jahren erste Maschinenfabrik“, Artikel vom 19.08.2009. Iris Frey: „Große römische Töpferindustrie entdeckt. Bad Cannstatt – Größter Gewerbebetrieb römischer Zeit am Mittleren Neckar am Sparrhärmlingweg“, Artikel vom 13.05.2009. :: - Artikel vom 19. März 1955: Aus der Geschichte von Bad Cannstatt – Das Sulzbad. - Artikel vom 24. April 1954: Aus der Geschichte von Bad Cannstatt – Das Karl-Olga-Bad. - Artikel vom 30. Juli 1934: Das alte Bad Cannstatt - Beschluss zum Bau des Kursaals 1824. - Artikel vom 19. Juli 1934: Das alte Bad Cannstatt - Neufassung der Sulzerrainquelle 1819. - Artikel vom 23. August 1905: Entwürfe zum neuen Wirtschaftsgebäude am Kursaal. > Artikel einsehbar im Stadtarchiv Stuttgart (Mikrofilme/ Ordner „Cannstatt als Kurort“). Fast alle Artikel aufgerufen am 10.03.2022. 305 STUTTGARTER ZEITUNG (StZ) : Torsten Schöll: „Von Kelten, Königen und Kurgästen. Stuttgarts Historie beginnt in Bad Cannstatt“, Artikel vom 10.12.2019. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.von-kelten-koenigen-und-kurgaesten-stuttgarts-historiebeginnt- in-bad-cannstatt.05231056-74a0-4817-ab53-766f998f21d3.html?reduced=true Josef Schunder: „Stuttgart. Darum stößt die Seilbahn-Idee auf Zustimmung“, Artikel vom 05.12.2019. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-darum-stoesst-die-geplante-seilbahn-aufzustimmung. ed9b45a3-0360-47e7-957e-0068d9ecb990.html?reduced=true Jürgen Löhle: „Leuze in Stuttgart. Denkzettel für die Bäderbetriebe“, Artikel vom 25.11.2019. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.leuze-in-stuttgart-denkzettel-fuer-die-baederbetriebe.d234f69b- 7e2f-4f2f-9c36-48c3d03d85a0.html?reduced=true Jonas Schöll: „Neue Studie zu Mieten. Stuttgart ist jetzt die teuerste Großstadt Deutschlands“, Artikel vom 21.11.2019. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.neue-studie-zu-mieten-stuttgart-ist-jetzt-die-teuerste-grossstadtdeutschlands. b072ed31-b918-4f95-a1d9-b36410826628.html?reduced=true https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.parkanlagen-in-stuttgart-was-im-kurpark-in-bad-cannstattgeschehen- soll.efc99a6e-8f73-4b3e-8675-c1770c29af9a.html?reduced=true Thomas Durchdenwald: „Archäologische Funde in Bad Cannstatt. Römische Siedlung am Neckar war bedeutender als angenommen“, Artikel vom 06.08.2019. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.archaeologische-funde-in-bad-cannstatt-roemische-siedlung-amneckar- war-bedeutender-als-angenommen.2987e4fc-6a2d-4e51-b7a5-13e49a690360.html?reduced=true Jürgen Löhle: „Leuze in Stuttgart. Saunagänger protestieren gegen Tariferhöhung“, Artikel vom 02.08.2019. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.leuze-in-stuttgart-saunagaenger-protestieren-gegentariferhoehung. 47143507-3c96-4e09-95ba-873403e5ab43.html?reduced=true Jürgen Brand: „Mineralbäder in Stuttgart-Ost. Das Planschbecken im Leuze ist nächste Woche fertig“, Artikel vom 25.07.2019. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.mineralbaeder-in-stuttgart-ost-das-planschbecken-im-leuze-istnaechste- woche-fertig.ac791b49-2291-44e7-9391-bc375a9b1815.html?reduced=true#:~:text=Mineralb %C3%A4der%20in%20Stuttgart%2DOst%20Das%20Planschbecken%20im%20Leuze%20ist%20n %C3%A4chste%20Woche%20fertig&text=Die%20Kinder%20k%C3%B6nnen%20sich%20auch,bis %20Mitte%202020%20fertiggestellt%20sein. Jörg Nauke: „Stadthaushalt Stuttgart. Geldregen für ein besseres Stadtklima“, Artikel vom 11.07.2019. https://www.stuttgarter-zeitung.de/gallery.stadthaushalt-lbbw-millionen-sorgen-fuer-rekordergebnisparam~ 2~1~0~5~false.22cbe902-a4c7-4ecf-8959-569e229b3bc1.html?reduced=true Redaktion: „Wegen schlechter Luft in Stuttgart. Dem Land droht weiteres Zwangsgeld“, Artikel vom 28.06.2019. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.wegen-schlechter-luft-in-stuttgart-dem-land-droht-weitereszwangsgeld. c3b23d0a-908a-4f58-8c29-78c101a45068.html?reduced=true Redaktion: „Winfried Hermann bleibt dabei. Stuttgart 21 ist eine Fehlentscheidung“, Artikel vom 19.06.2019. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.winfried-hermann-verkehrsminister-beleibt-dabei-stuttgart-21-isteine- fehlentscheidung.6ae1cd3d-afb3-42a9-a643-914637127ab4.html?reduced=true 306 Redaktion: „Bäderangebot in Stuttgart. Leuze ist das beliebteste Bad“, Artikel vom 09.04.2019. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.leuze-bad-aufbruch-zu-neuen-ufern.eadda770-ae5c-47b4-b0ed- 7798831d3f9a.html?reduced=true#:~:text=Laut%20einer%20Umfrage%20ist%20das,die%20Stadt%20dort %20umfangreich%20sanieren.&text=Bad%20Cannstatt%20%2D%20Das%20Mineralbad%20Leuze,zum %20Flaggschiff%20der%20Stuttgarter%20B%C3%A4derbetriebe. Iris Frey: „Kurparkwege werden saniert“, Artikel vom 25.11.2018. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.kurpark-bad-cannstatt-kurparkwege-werden-saniert.32581a90-c7c2- 4489-a4b7-b1e5c355dcd1.html?reduced=true Josef Schunder: Mineralbad Berg. Stadträte beschließen Abriss der Blankenhorn-Villa, Artikel vom 26.10.2018. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.mineralbad-berg-stadtraete-beschliessen-abriss-der-blankenhornvilla. e1afeef6-f8ad-4977-be7e-e66446884d70.html?reduced=true Christian Milankovic: Interview mit Ex-Bahn-Chef Heinz Dürr zu Stuttgart 21. „So darf der Städtebau nicht weitergehen“, Artikel vom 13.07.2018. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-21-so-darf-der-staedtebau-nicht-weitergehen.35b305aa- 257a-4561-9891-4b32e22b94e4.html?reduced=true Christian Milankovic: „Stuttgart 21. Privatbahner verlieren Streit um Gleise. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Bahn nach Inbetriebnahme von Stuttgart 21 die oberirdischen Gleise nicht zum Weiterbetrieb anbieten muss“, Artikel vom 05.07.2018. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-21-privatbahner-verlieren-streit-um-gleise.4220033f-7679- 46d1-906d-66cced0b40c1.html?reduced=true Eberhard Wein: „Jörg Kachelmann räumt mit Klima-Vorurteilen auf. Württemberg schlägt Baden“, Artikel vom 13.06.2018. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.joerg-kachelmann-raeumt-mit-klima-vorurteilen-auf-wuerttembergschlaegt- baden.467a9f74-fe0d-4599-a914-9766196f2f4c.html?reduced=true Josef Schunder: „Bad Cannstatt. Beschluss in Stuttgarter Rathaus: Wilhelmsbrücke ab 2021 ohne Autos“, Artikel vom 12.06.2018. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.beschluss-im-stuttgarter-rathaus-wilhelmsbruecke-ab-2021-ohneautos. 9361e853-54d8-43a9-b730-5336f11e05ab.html?reduced=true Jürgen Brand: „Mineralbad in Stuttgart. Neue Probleme bei Sanierung von Bad Berg“, Artikel vom 20.03.2018. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.mineralbad-in-stuttgart-ost-neue-probleme-bei-sanierung-von-badberg. bb0f74f0-6441-481a-98da-9e5313b345a3.html?reduced=true Uli Meyer: „Neckar. Uferumgestaltung in Stuttgart – Das Leben am Fluss genießen“, Artikel vom 19.03.2018. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.neckar-uferumgestaltung-in-stuttgart-das-leben-am-flussgeniessen. 73fa2420-b9a5-4362-a949-eca2743a9b82.html Konstantin Schwarz: „Wilhelma plant neue Anlage für Zwergflusspferde im Schaufenster am Neckar“, Artikel vom 20.02.2018. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.aufwertung-des-neckarufers-zwergflusspferde-imschaufenster. 84ee0e1f-8d0e-46d3-b4c2-f5b20d1a8353.html?reduced=true Josef Schunder: „Neckar in Stuttgart – Kuhn präzisiert Plan für Stadt am Fluss“, Artikel vom 18.09.2017. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.neckar-in-stuttgart-kuhn-praezisiert-plan-fuer-stadt-amfluss. 116e7b7f-6486-4258-bde8-52869a68f61b.html?reduced=true 307 Georg Linsenmann: „Stuttgart von oben. Wilhelmsplatz – Chronisch am Rand des Verkehrsinfarkts“, Artikel vom 11.08.2017. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-von-oben-wilhelmsplatz-chronisch-am-rand-desverkehrsinfarkts. 9e8a3367-d2c4-4e4c-9114-948c8cc4b0e3.html?reduced=true https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.surfen-auf-dem-neckar-was-zur-verwirklichung-der-neckarwellenoch- fehlt.b7cde420-2cd6-461f-90a2-9d2c646de75c.html?reduced=true Nina Ayerle: „Neckarwelle für Stuttgart – Rückenwind für Surfer“, Artikel vom 20.07.2017. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.neckarwelle-fuer-stuttgart-rueckenwind-fuer-surfer.a31460e7-8a30- 46da-83b6-2cf124667cea.html?reduced=true Frank Rothfuss: „Stadtmuseum Bad Cannstatt. Die Wiege der Stuttgarter Heilkunst liegt in Cannstatt“, Artikel vom 31.05.2017. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stadtmuseum-bad-cannstatt-die-wiege-der-stuttgarter-heilkunstliegt- in-cannstatt.369b3a6b-fcd3-4663-90bb-485658425bc8.html?reduced=true Sascha Maier: „Stuttgart – Neckar könnte Surfwelle bekommen“, Artikel vom 25.03.2017. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.fluss-in-bad-cannstatt-neckar-koennte-surfwellebekommen. cdd6309a-88ab-4d3a-a80c-f6f21ba457a2.html?reduced=true öbi: „Kursaal in Bad Cannstatt. Der Lärmaktionsplan wird vorgestellt“, Artikel vom 07.02.2017. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.fluss-in-bad-cannstatt-neckar-koennte-surfwellebekommen. cdd6309a-88ab-4d3a-a80c-f6f21ba457a2.html?reduced=true Annina Baur: „Antrag in Bad Cannstatt. König Wilhelm ins Licht rücken – Die Cannstatter CDU fordert in einem Antrag, das Reiterstandbild König Wilhelm I. vor dem Kursaal zu beleuchten“, Artikel vom 24.01.2017. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.antrag-in-bad-cannstatt-koenig-wilhelm-ins-lichtruecken. b37b72e0-1ff6-4432-8f9c-ccd3aa5bc548.html?reduced=true Torsten Ströbele: „Visionen in Bad Cannstatt. Die Bürger arbeiten an der Zukunft des Bezirks“, Artikel vom 19.01.2017. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.visionen-in-bad-cannstatt-die-buerger-arbeiten-an-der-zukunft-desbezirks. 038e0234-b2f3-4bfb-9666-d8da8401cfc4.html?reduced=true Torsten Ströbele: „Die Zukunft Bad Cannstatts. Die Vision von einem besonderen Stadtbezirk – Im Rahmen der Zukunftswerkstatt sind sechs Schwerpunktthemen für einen attraktiven Stadtbezirk erarbeitet worden“, Artikel vom 10.12.2016. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.die-zukunft-bad-cannstatts-die-vision-von-einem-besonderenstadtbezirk. 169b38ff-3cf3-4b36-95d1-49186fa1c5e2.html?reduced=true Annina Baur: „Ein Stück Cannstatt. Vom Kurort zum beliebten Wohngebiet“, Artikel v. 29.07. 2016. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.ein-stueck-cannstatt-vom-kurort-zum-beliebtenwohngebiet. f2b9c507-c3c0-42e9-b600-e5c1356655d5.html?reduced=true Georg Linsenmann: „Auf Etzels Spuren in Bad Cannstatt – Eisenbahn-Pionier baut Bad im Neckar“, Artikel vom 04.07.2016. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.auf-etzels-spuren-in-bad-cannstatt-eisenbahn-pionier-baut-bad-imneckar. 7514a9ed-d05d-4919-a015-4def3dddcd2f.html?reduced=true Jörg Nauke: „Stuttgart 21. Gleisvorfeld: Wohnungsbau oder Stadtwald?“, Artikel vom 22.02.2016. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-21-gleisvorfeld-wohnungsbau-oder-stadtwald.915de338- b65e-40c0-b98e-8bcfc1e7f908.html?reduced=true 308 Annina Baur: „Skulptur in Bad Cannstatt. Wie Asterix unter die Brücke kam“, Artikel v. 18.1.2016. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.skulptur-in-bad-cannstatt-wie-asterix-unter-die-brueckekam. e7cdf1eb-6ef4-40c3-b8f3-2d1e26e02fde.html?reduced=true Annina Baur: „Neckarfantasien in Bad Cannstatt. Das Baden im Fluss war Alltag“, Artikel vom 07. 01.2016. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.neckarfantasien-in-bad-cannstatt-das-baden-im-fluss-waralltag. 15be70c5-e766-4142-8e2c-e09ae4e5ed0c.html?reduced=true Thomas Braun: „Masterplan Landschaftspark Neckar – Stadt am Fluss macht Fortschritte“, Artikel vom 11.11.2015. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.masterplan-landschaftspark-neckar-stadt-am-fluss-machtfortschritte. 947372a7-ead6-4323-af72-6ce66156f8e0.html?reduced=true Annina Baur: „Neckarfantasien in Bad Cannstatt. Visionen statt Bürokratie – Baden im Neckar“, Artikel vom 27.10.2015. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.neckarfantasien-in-bad-cannstatt-visionen-stattbuerokratie. 37757f7c-2d73-42e0-b0a3-8d8ca93fd53a.html?reduced=true baj: „Rundgang in Bad Cannstatt. Vom Kur- zum Industriestandort“, Artikel vom 26.06.2015. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.rundgang-in-bad-cannstatt-vom-kur-zumindustriestandort. 95f04d0c-f8bb-4bec-bea5-d0afd5b482ed.html?reduced=true Julia Barnerßoi: „Veielscher Garten in Bad Cannstatt. Ruhen und Spielen“, Artikel vom 05.05.2015. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.veielscher-garten-in-bad-cannstatt-ruhen-und-spielen.c831c9b7- 10df-4728-bc22-d8f8cba28fa2.html?reduced=true baj: „1. April in Bad Cannstatt – Waiblinger Straße bleibt befahrbar“, Artikel vom 01.04.2015. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.1-april-in-bad-cannstatt-waiblinger-strasse-bleibtbefahrbar. f233e1c5-5bee-4517-b39c-deac0dde712e.html?reduced=true Annina Baur: „Flussfantasien in Bad Cannstatt – Baden mit Blick auf den Fluss. Es gibt viele tolle Ideen, wie der Neckar besser genutzt werden könnte. In der Serie Flussfantasien werden diese Visionen vorgestellt. Heute erzählt Andreas Betsch von seinem Traum einer Mineralwasser-Badeschleuse“, Artikel vom 14.08.2014. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.flussfantasien-in-bad-cannstatt-baden-mit-blick-auf-denfluss. fd40a929-cc8d-4eeb-b6f1-3981e2774674.html?reduced=true Maira Schmidt: „Führung in Bad Cannstatt – Prachtvoller Kurort am Neckar“, Artikel vom 02.08.2014. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.fuehrung-in-bad-cannstatt-prachtvoller-kurort-am-neckar.a6e675fe- 53a6-47aa-8678-fd19003e63af.html?reduced=true Eva-Maria Manz: „Stadtspaziergang Bad Cannstatt. Keimzelle des Autos am Rande des Parks“, Artikel vom 31.05.2012. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stadtspaziergang-bad-cannstatt-keimzelle-des-autos-am-rande-desparks. 818decbf-dfa2-40ec-b322-4319e51165de.html Alle Artikel aufgerufen am 10.03.2022. 309 STUTTGARTER NACHRICHTEN (StN) : Redaktion: „Bad Cannstatt. Kein Geld für MineralBad-Sanierung. Maßnahmenpaket in Haushaltsberatungen abgelehnt – Baustart für Sportbad im Januar“, Artikel vom 09.01.2020. https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.bad-cannstatt-kein-geld-fuer-die-mineralbadsanierung. e041fe0c-ed47-4509-89a0-6a046244c6e3.html?reduced=true Redaktion: „Gräber-Freilegung in Stuttgart-Bad Cannstatt. Skelette und Beigaben gefunden“, Artikel vom 14.8.2019. https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.graeber-freilegung-in-stuttgart-bad-cannstatt-skelette-undbeigaben- gefunden.0db2beec-348b-460f-b101-99f2ac33c8ad.html?reduced=true Jürgen Brand: „Beim Mineralbad Berg in Stuttgart-Ost. Areal für Gesundheitscampus verkauft“, Artikel vom 08.04.2019. https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.beim-mineralbad-berg-in-stuttgart-ost-areal-fuergesundheitscampus- verkauft.176eccf4-d705-4351-8c79-77ae0c21a3a2.html?reduced=true Uli Nagel: „Bad Cannstatt. Bezirksbeirat fordert Stadtbaderhalt“, Artikel vom 20.02.2019. https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.bezirksbeirat-fordert-stadtbaderhalt-bezirksbeirat-fordertstadtbaderhalt. 6d374b7a-cc32-4a5b-be1f-27178edb037b.html?reduced=true Uli Nagel: „Klimaschutzvorgaben müssen berücksichtigt werden – Kosten steigen auf 36,6 Millionen Euro. Sportbad wird erst 2022 fertig“, Artikel vom 23.10.2018. https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.klimaschutzvorgaben-muessen-beruecksichtigt-werden-kostensteigen- auf-36-3-millionen-euro-sportbad-wird-erst-2022-fertig.29edee1e-cbc4-4c67-a8ac- 528d2e6d82eb.html?reduced=true Uwe Bogen: Stuttgart, Stadtmuseum. „Wasser-Installation ist ein Volltreffer. Stuttgart liebt das Meer“, Artikel vom 03.08.2018. https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.wasser-installation-am-stadtpalais-ist-ein-volltreffer-stuttgartliebt- das-meer.71dda2c8-21b6-4407-ac9e-43124a41926c.html?reduced=true#:~:text=In%20der %20aufgeheizten%20Stadt%20wird,zum%20Ende%20der%20Aktion%20ausgebucht. Bärbel Krauß: „Interview – Ministerin Schulze zur Zukunft des Autostandorts. Wir dürfen die Autobranche nicht in Watte packen. Die Emissionen im Verkehr müssen runter ...“, Artikel vom 05.07.2018. https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.umweltministerin-schulze-zur-zukunft-des-autostandorts-wirduerfen- die-autobranche-nicht-in-watte-packen.1cb657ac-9900-4513-9cb5-145e79da95da.html? reduced=true Tim Höhn: „Umstrittene Uferumgestaltung in Ludwigsburg. Ein Schrottplatz wird zum Entree der Barockstadt“, Artikel vom 15.03.2018. https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.umstrittene-uferumgestaltung-in-ludwigsburg-ein-schrottplatzwird- zum-entree-der-barockstadt.70ca2859-77aa-40a8-983b-4b1a17797b68.html Torsten Ströbele: „Bad Cannstatt - Im Brunnenhof sprudelt es wieder“, Artikel vom 30.04.2017. https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.kursaal-in-bad-cannstatt-im-brunnenhof-sprudelt-eswieder. 41bbe74a-ca2a-43bd-9e4a-2eacf3beec9a.html Roland Ostertag: „Streitfall Rosensteinpark. R. Ostertags Vorschlag zur Erweiterung des Rosensteinparks“, Artikel vom 06.04.2015. https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.gastbeitrag-roland-ostertag-streitfall-rosensteinpark.b5e1791f- 6828-415d-a55d-686a4a3610ab.html Dirk Herrmann: „Cannstatter Holzbrücke muss fallen. Die Enttäuschung des Holzsteg-Erfinders“, Artikel 310 vom 08.09.2014. https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.cannstatter-holzbruecke-muss-fallen-die-enttaeuschung-desholzsteg- erfinders.638f09fb-f677-4c74-9886-1d444150a158.html?reduced=true Maira Schmidt: „Veielscher Garten in Bad Cannstatt. Es soll weiter geplant werden“, Artikel vom 02.06.2014. https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.veielscher-garten-in-bad-cannstatt-es-soll-weiter-geplantwerden. 49b6d612-7824-433c-8b67-8131e694aac1.html Joe Bauer: „Joe Bauer in der Stadt. Bad Berg – Das bedrohte Paradies – Nur in Stuttgart gibt es das Mineralbad Berg – Doch die Werbung für das Bad ist erbärmlich“, Artikel vom 04.07.2011. https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.joe-bauer-in-der-stadt-bad-berg-das-bedrohte-paradies.ff7fcfb4- 2a87-4f67-abd2-22672b7c07d9.html Alle Artikel aufgerufen am 09./10.03.2022. Amtsblatt der Stadt Stuttgart: - Artikel vom 10.08.1950: Das neue Abfüllgebäude in der Sulzerrainstraße. - Artikel vom 22.03.1934: Der Lautenschlägerbrunnen ist fertiggestellt worden. - Artikel vom 21.03.1931: Die Stadt Stuttgart vernachlässigt Cannstatt. > alle Artikel einsehbar im Stadtarchiv Stuttgart (Mikrofilmsammlung). Schwäbische Chronik/ S. Kronik/ Schwäbischer Merkur: - Artikel vom 27.04.1908: Eröffnungsfest des neuen Wirtschaftsgebäudes am Kursaal. - Jahrgang 1908: Kleiner Kursaal fertiggestellt – Ausschmückung und Gartengestaltung. - Artikel vom 23.10.1905: Die neuen Kursaal-Projekte für Stuttgart. - Artikel vom 03.04.1850: Ein neuer Verschönerungsverein gegründet. - Artikel vom 19.05.1847: Julius Hartmann über den neuen Kursaal. - Jahrgang 1826: Ein Kurtheater geplant – Spendenaufforderung. - Artikel vom 26.08.1821: Spendenaufforderung für einen Kursaalbau. - Artikel vom 12.07.1813, S. 283: Über die Cannstatter Mineralquellen. - Artikel vom 29.06.1804: Eröffnungsball auf dem neuen Tanzboden von Frösner. - Jahrgang 1798, S. 187: Über Frösners Mineralwasserfuhren nach Stuttgart. > alle Artikel einsehbar im Stadtarchiv Stuttgart (Mikrofilmsammlung). Stuttgarter Tagblatt/ Neues Tagblatt: - Artikel vom 05.04.1938: Kursaalwettbewerb Bad Cannstatt. - Artikel vom 12.12.1936: Kursaalwettbewerb Bad Cannstatt. - Artikel vom 07. und 08.02.1935: Kursaalwettbewerb Bad Cannstatt. - Artikel vom 19. und 20.01.1935: Kursaalwettbewerb Bad Cannstatt. - Artikel vom 03.12.1932: Alemannische Fürstengräber mit Travertinplatten entdeckt. - Hugo Kübler: Die Erweiterung des Hauptbahnhofs Stuttgart. Sonder-Abdruck aus dem Neuen Tagblatt 253- 256 (Oktober 1905). > alle Artikel einsehbar im Stadtarchiv Stuttgart (Mikrofilmsammlung). 311 Stuttgarter WOCHENBLATT: „Porträt der Woche. Clemens G. Arvay: Zwischen Wald und Stadt“, Artikel von Jana Kegel vom 15.08.2018, S. 14. Siehe auch: FilderExtra WOCHENBLATT : http://docplayer.org/161409927-Im-portraet-clemens-g-arvay-ist-extra-aus-oesterreich-fuer-einewalderkundungstour- seite-14.html Aufgerufen am 10.03.2022. „Wo Kontraste zusammenpassen – Gegenwart trifft auf Geschichte, Dorfgemeinschaft auf Stadtanonymität und Schwäbisch nicht nur auf Hochdeutsch: Stuttgarts größter Bezirk birgt viele Facetten in sich“, Artikel von Laura Köhlmann vom 30.05.2018. Süddeutsche Zeitung: Ellen Draxel: „Freiham. Ein Thermalbad im Westen. Aubings Lokalpolitiker fordern Schwimmmöglichkeiten für die künftigen Bewohner des neuen Stadtteils Freiham“, Artikel vom 30.12.2018. https://www.sueddeutsche.de/muenchen/freiham-ein-thermalbad-im-westen-1.4270026 Aufgerufen am 10.03.2022. Hans von der Hagen/ Jan Schmidbauer: „Kurorte. Das deutsche Bad geht baden“, Artikel vom 19.08.2017. https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kurorte-das-deutsche-bad-geht-baden-1.3632040 Aufgerufen am 10.03.2022. Die Zeit: Kirsten Brodde: „Morgens Fango, abends Tango“, Artikel vom 31.01.1992. https://www.zeit.de/1992/06/morgens-fango-abends-tango Aufgerufen am 10.03.2022. Leslie Rowe: „Kampf ums Prädikat“, Artikel vom 30.09.1988. https://www.zeit.de/1988/40/kampf-ums-praedikat Aufgerufen am 10.03.2022. Jörg Bischoff: „Umwelt. Gift im Brunnen. Stuttgart“, Artikel vom 02.03.1984. https://www.zeit.de/1984/10/gift-im-brunnen Aufgerufen am 10.03.2022. Wolfgang Boller: „Die deutschen Kur- und Heilbäder (11): Aachen. Die Quellen der Kelten und Römer für Kaiser, Könige und Kavaliere“, Artikel vom 24.11.1978. https://www.zeit.de/1978/48/die-quellen-der-kelten-und-roemer-fuer-kaiser-koenige-und-kavaliere Aufgerufen am 10.03.2022. Wolfgang Boller: „Die deutschen Kur- und Heilbäder (4): Wiesbaden. Gestörtes Ideal“, Artikel vom 30.09.1977. https://www.zeit.de/1977/40/gestoertes-ideal Aufgerufen am 10.03.2022. General-Anzeiger Bonn - Region Ahr und Rhein: Bad Neuenahr, Günther Schmitt: „Kurpark Bad Neuenahr. Neue Kolonnaden zur Landesgartenschau“, Artikel vom 11.04.2018. https://ga.de/neue-kolonnaden-zur-landesgartenschau_aid-43723665 Aufgerufen am 10.03.2022. Victor Francke: „Stadtplanung in Bad Neuenahr. Eine Operation am offenen Herzen der Stadt. Die Bürger sollen bei der Neugestaltung der Kurparkbebauung in Bad Neuenahr mitreden“, Artikel vom 09.09.2016. https://ga.de/eine-operation-am-offenen-herzen-der-stadt_aid-43017947 Aufgerufen am 10.03.2022. 312 dpa: „Bad Bodendorf verliert Heilbad-Titel. Bad Bodendorf – Kein Heilbad-Titel mehr für Sinzig- Bodendorf: Tourismusministerin Lemke erkennt ihrem Heimatort die staatliche Anerkennung wegen fehlender Voraussetzungen ab“, Artikel vom 19.06.2013. https://ga.de/bad-bodendorf-verliert-heilbad-titel_aid-41399033 Aufgerufen am 10.03.2022. SONSTIGE PRESSEARTIKEL : Bad Dürkheimer Woche. Amtsblatt der Stadt Bad Dürkheim, 42. Jg., 23. Kehrwoche, S. 3: Artikel von Matthias Nathal: „Arsen to go – Es darf ein bisschen mehr sein“, Artikel vom 08.06.2017. https://www.museumsgesellschaft-bad-duerkheim.de/wp-content/uploads/SchlarbBibliothek_Liste_Amtsbla %CC%88tterBadDu%CC%88rkheim.pdf Archivierungs-Hinweis aufgerufen am 10.03.2022. Bad Pyrmonter Kur-Journal, Ausg. Juni 2017, S. 1: Vorwort von Kurdirektor Maik Fischer. https://www.staatsbad-pyrmont.de/kultur-programm/kurjournal Jüngste Veröffentlichungen aufgerufen am 10.03.2022. - Kontext – Die Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 346: „Heilquellen-Müllgebiet. Mitten im Heilquellenschutzgebiet in Stuttgart-Bad Cannstatt liegt ein stillgelegter Travertin-Steinbruch. Früher wurde das gelbliche Gestein von dort aus in alle Welt geliefert, heute ist das Gebiet Naturoase und Technikdenkmal. Doch jetzt wollen Recyclingunternehmen dort gefährliche Abfälle und täglich mehr als 20.000 Tonnen Müll verarbeiten. Dagegen rührt sich Widerstand“, Artikel von Dietrich Heißenbüttel, veröffentlicht am 15.11.2017. https://www.kontextwochenzeitung.de/schaubuehne/346/heilquellen-muellgebiet-4725.html Aufgerufen am 10.03.2022. - Rhein-Zeitung, von Beate Au: „Bad Neuenahr-Ahrweiler wird die Gartenschau 2022 ausrichten“, Artikel vom 21. März 2016. (Gartenschau 2022 wegen Flutkatastrophe im Ahrtal abgesagt). - Süddeutsche Zeitung: „Ahrtal will 2030 eine Landesgartenschau ausrichten“, Artikel v. 9.3.2022. https://www.sueddeutsche.de/politik/kommunen-bad-neuenahr-ahrweiler-ahrtal-will-2030-einelandesgartenschau- ausrichten-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-220309-99-448576 Aufgerufen am 10.03.2022. : - Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsass-Lothringen: Heft 3, Jg. 1906, S. 1-12: Entwürfe zum neuen Wirtschaftsgebäude am Kursaal in Stuttgart-Cannstatt. https://digibus.ub.uni-stuttgart.de/viewer/image/1499766280559_1906/9/#topDocAnchor Aufgerufen am 10.03.2022. - 8 Uhr-Abendblatt/ National-Zeitung Berlin: Robert Manning, Artikel von 1922: „Weltkurstadt Stuttgart“. - Württemberger Zeitung, Nr. 131, Sonderdruck vom 9. Juni 1921: Wilhelmsbad – Mineralquelle zugeschüttet. - Die Kunst für Alle, 1. Jg., Heft 11 vom 11. März 1886, S. 21-24: Nekrolog zu Bernhard Neher von Friedrich Pecht. - Medicinisches Correspondenz-Blatt des württembergischen ärztlichen Vereins, Jg. 1844, S. 19. - Allgemeine Zeitung (Stuttgart) Nro. 171, Jg. 1834, Außerordentliche Beilage vom 30. April: „Kannstadt. Die Haupt-Mineralquelle zu Kannstadt erfreut sich jedes Jahr einer größern Frequenz“. - Morgenblatt für gebildete Stände, darin: Kunstblatt: „Von Architekt Maucher waren Projekte zu einem Cur- Saal am Sauerbrunnen in Kannstatt und zu einem Füllbrunnen, dann auch ein Entwurf zur Erbauung eines neuen Theaters, Redouten- und Concert-Saals für Stuttgart, nebst mehreren andern Zeichnungen von Details und antiken Fragmenten ausgestellt“, Artikel vom 1. November 1824. - Regierungsblatt für das Königreich Württemberg, Jg. 1824, S. 2: Ludwig Friedrich Autenrieth. - Der Anzeiger – Deutsche Tageszeitung und Intelligenzblatt. Jg. 1791. > Artikel einsehbar im Stadtarchiv Stuttgart (Mikrofilme/ Ordner „Cannstatt als Kurort“). 313 ε. 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Ärzteblatt.de https://www.aerzteblatt.de/archiv/2874/Was-macht-einen-Ort-zum-Bad-Keine-Kuren-in-Bad- Koeln Bad Cannstatt Blog: http://www.cannstatt-blog.de/p/geschichte.html. Bad Gastein: https://www.bad-gastein.at/informationen/infos-bad-gastein/ , Baden-Baden: https://www.badenbaden. de/mam/files/stadt/kulturerbe/klein_101027_vergleichsstudiedruckfreigabe.pdf. Bäderbetriebe Stuttgart: https://www.stuttgarterbaeder.de/ Bauforschung BW: https://www.bauforschung-bw.de/objekt/id/261312079122/grosser-kursaal-in-70372- stuttgart-bad-cannstatt/#:~:text=Der%20Gro%C3%9Fe%20Kursaal%20wurde%20zwischen,durch%20eine %20strenge%20Lisenenarchitektur%20gegliedert. Bayerischer Heilbäderverband: https://www.bayerischer-heilbaeder-verband.de/dramatischer-rueckgang-derkuren- in-deutschland. Bayerischer Rundfunk: https://www.br.de/nachrichten/bayern/pepper-hilft-hotelgaesten-cham-testet-roboterim- tourismus,Qt27r0b Bayerische Staatsbibliothek digital: http://reader.digitale-sammlungen.de MDZ-Reader Digital. Bea Böhlen.de https://bea-boehlen.de/great-spas-of-europe-elf-europaeische-kurmetropolen-des-19- jahrhundes-werden-fuer-unesco-welterbeliste-nominiert-darunter-auch-baden-baden/ Bildindex der Kunst und Architektur: https://www.bildindex.de/ete?action=queryupdate&desc=kursaal %20cannstatt&index=obj-all Bildarchiv Foto Marburg. Bodensee-Wasserversorgung: https://www.bodensee-wasserversorgung.de/trinkwasser/weg-des-wassers/. s Brockhaus Online Enzyklopädie: https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/thalassotherapie. Bürgerhaushalt Stuttgart: www.buergerhaushalt-stuttgart.de. Aufgerufen am 09.03.2022. 314 https://www.buergerhaushalt-stuttgart.de/vorschlag/41016: „Arm- und Wassertretstellen nach Kneipp in Bad Cannstatt schaffen“. 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